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| author | nfenwick <nfenwick@pglaf.org> | 2025-01-25 12:37:59 -0800 |
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If you are not located in the United States, you -will have to check the laws of the country where you are located before -using this eBook. - -Title: Onkel Tom's Hütte - oder die Geschichte eines christlichen Sklaven - -Author: Harriet Beecher Stowe - -Translator: L. Du Bois - -Release Date: February 7, 2023 [eBook #69977] - -Language: German - -Produced by: Norbert H. Langkau, Matthias Grammel, Juliet Sutherland and - the Online Distributed Proofreading Team at - https://www.pgdp.net - -*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ONKEL TOM'S HÜTTE *** - - - - - - Onkel Tom's Hütte - - oder die - - Geschichte eines christlichen Sklaven. - - - Von - - Harriet Beecher Stowe. - - - Aus dem Englischen übertragen - - von - - L. Du Bois. - - - Dritter Band. - - - _S. Zickel._ - - _Nro. 19. Dey-Street._ - - _NEW-YORK._ - - - - -Inhalt. - - - _I._ - - Seite - I. Worin der Leser die Bekanntschaft eines - menschenfreundlichen Mannes macht 1 - - II. Die Mutter 16 - - III. Der Gatte und Vater 21 - - IV. Ein Abend in Onkel Tom's Hütte 28 - - V. Die Empfindungen lebenden Eigenthums unter - wechselnden Herren 44 - - VI. Die Entdeckung 57 - - VII. Der Kampf der Mutter 71 - - VIII. Ein würdiges Trio 91 - - IX. Worin sich zeigt, daß ein Senator nur ein - Mensch ist 115 - - X. Das Eigenthum wird fortgeschafft 139 - - - XI. Worin das Eigenthum in einen unpassenden - Geisteszustand geräth 155 - - - _II._ - - XII. Ausgewähltes Beispiel von gesetzlichem Handel 1 - - XIII. Die Quäker-Niederlassung 26 - - XIV. Evangeline 39 - - XV. Von Tom's neuen Herrn und verschiedenen - andern Gegenständen 54 - - XVI. Tom's Mistreß und ihre Ansichten 77 - - XVII. Die Vertheidigung des freien Mannes 106 - - XVIII. Miß Opheliens Erfahrungen und Ansichten 131 - - XIX. Miß Opheliens Erfahrungen und Ansichten - (Fortsetzung) 155 - - - _III._ - - XX. Topsy 1 - - XXI. Kentucky 22 - - XXII. »Das Gras verwelkt -- die Blume verblüht« 29 - - XXIII. Henrique 39 - - XXIV. Vorboten 51 - - XXV. Der kleine Evangelist 60 - - XXVI. Der Tod 67 - - XXVII. »Dies ist das Letzte der Erde« 87 - - XXVIII. Wiedervereinigung 97 - - XXIX. Die Schutzlosen 119 - - XXX. Das Sklavenhaus 130 - - XXXI. Die Fahrt 145 - - XXXII. Finstere Orte 154 - - XXXIII. Cassy 166 - - XXXIV. Die Geschichte der Quatroon 178 - - XXXV. Die Zeichen 194 - - XXXVI. Emmeline und Cassy 203 - - XXXVII. Freiheit 213 - - XXXVIII. Der Sieg 223 - - XXXIX. Der Kunstgriff 237 - - XL. Der Märtyrer 252 - - XLI. Der junge Master 262 - - XLII. Eine wirkliche Geistergeschichte 271 - - XLIII. Ergebnisse 280 - - XLIV. Der Befreier 292 - - XLV. Schlußbemerkungen 298 - - - - -Vorrede zur europäischen Ausgabe. - - -Indem die Verfasserin die Herausgabe dieses Werkes für das Festland -Europa's authorisirt, hat sie nur die Bemerkung beizufügen, daß die -Menschenliebe höher steht als die Vaterlandsliebe. - -Das große, allen christlichen Nationen gemeinsame Mysterium, das Bündniß -Gottes mit den Menschen durch die Menschwerdung Christi, verleiht der -menschlichen Existenz eine Ehrfurcht erweckende Heiligkeit, und in den -Augen eines jeden wahrhaft Gläubigen muß Derjenige, welcher die Rechte -seines niedrigsten Mitmenschen mit Füßen tritt, nicht nur als Unmensch, -sondern auch als Gotteslästerer erscheinen, -- und die schrecklichste -Art dieser Gotteslästerung ist das Institut der Sklaverei. - -Man hat gesagt, daß die Schilderungen dieses Buches Uebertreibungen -enthielten! Ich wünschte, es wäre wahr! ich wünschte, dieses Buch wäre -wirklich nur eine Schöpfung der Einbildungskraft, und nicht eine Mosaik -wirklicher Thatsachen! Aber daß es keine Erfindung ist, dafür sind die -Beweise in Tausenden blutender Herzen zu finden, -- sie sind von -Tausenden von Zeugen in den Sklavenstaaten bekräftigt, und selbst von -Sklavenhaltern, mit ausdrücklicher Bezugnahme auf dieses Buch, bestätigt -worden. -- Wenn noch andere Beweise erforderlich wären, so dürften wir -die ganze civilisierte Welt nur auf das allgemein publicierte Gesetzbuch -der Sklavenstaaten verweisen, welches eine vollständige, klare und -gesetzliche Billigung jeder Grausamkeit und Abscheulichkeit enthält, die -der Mensch überhaupt der Seele und dem Körper seines Mitmenschen zufügen -kann; und wenn das Gesetz so beschaffen ist, -- wie müssen dann die -Folgen sein? Seitdem ist jedoch, Gott sei gedankt, jener gewaltige, -unaussprechliche Angstschrei endlich gehört worden! - -Es ist gesagt worden, daß die Sklavenbevölkerung ganz ungeeignet für die -Freiheit, und deren unfähig sei, und daß die in diesem Buche -geschilderte Charaktere eingebildete Uebertreibungen und Unmöglichkeiten -seien. Allein, was man auch über die afrikanische Race selbst sagen -möge, so läßt sich doch nicht in Abrede stellen, daß die -Sklavenbevölkerung Amerika's jetzt eine in hohem Grade gemischte Race -ist, in deren Adern das beste angelsächsische Blut fließt, -- und daß -Charaktere, wie Georg Harrys und Elise, keineswegs ungewöhnlich unter -den Sklaven sind. Damit auch die Charakteristik des »Onkel Tom« selbst -nicht für eine, in der Wirklichkeit nicht zu findende Erdichtung -gehalten werde, wollen wir aus dem publizirten Testamente des Richters -Upshur, früheren Staatssecretairs unter Präsident Tyler, des Tributes -erwähnen, welcher darin den Verdiensten eines Lieblingssclaven gezollt -worden ist. - - »Ich emancipire hierdurch meinen Sklaven David Rice, und weise - meine Testamentsvollstrecker an, ihm hundert Dollar auszuzahlen. - Ich empfehle ihn der Achtung und dem Vertrauen einer jeden - Gemeinde, in der er sich niederlassen sollte. Er ist vierundzwanzig - Jahre lang mein Sklave gewesen, während welcher Zeit ihm von mir - unbedingtes und unbegränztes Vertrauen geschenkt worden ist. Sein - Verhältniß zu mir und meiner Familie ist stets von der Art gewesen, - daß sich ihm täglich Gelegenheit darbot, uns zu hintergehen oder zu - bevortheilen, und dennoch hat ihm nie ein erhebliches Vergehen, - selbst nicht ein Verstoß gegen die Gesetze des Anstandes in seiner - Stellung zur Last gelegt werden können. Seine Intelligenz ist - höherer Art, seine Rechtlichkeit über jedem Verdachte, und sein - Gefühl für Recht und Schicklichkeit richtig und sogar geläutert. - Ich bin der Meinung, daß er einen gerechten Anspruch darauf hat, - dieses Zeugniß von mir mit in die neuen Verhältnisse zu nehmen, - welche er einzugehen genöthigt ist; es gebührt seinen langen und - treuen Diensten von der aufrichtigen Freundschaft, die ich für ihn - hege. Während des ununterbrochenen, vertrauten Verkehrs durch - vierundzwanzig Jahre habe ich ihm nie ein unfreundliches Wort - gesagt, und nie dazu Veranlassung gehabt. Ich habe nie einen - Menschen gekannt, der weniger Fehler und mehr gute Eigenschaften - hatte, als er.« - -Es soll nicht behauptet werden, daß ein Charakter, wie der Onkel Tom's -gewöhnlich zu finden sei, aber er hat mehr als einmal existirt; und es -ist so eine Schmach, Verachtung und erzwungene Lasterhaftigkeit auf das -Haupt des unglücklichen Afrikaners gehäuft worden, daß er wohl mit Recht -einen Anspruch auf eine so günstige Schilderung hat, als sie mit -Wahrheit und Wahrscheinlichkeit übereinstimmt. - -Nicht in äußerster Verzweiflung, sondern in feierlicher Hoffnung und -Zuversicht dürfen wir dem Kampfe zuschauen, der jetzt Amerika -durchwühlt. Es ist der Angstschrei des Teufels der Sklaverei, der von -fern die Stimme eines nahenden Jesus gehört hat, und die edle Gestalt -durch Zuckungen verzerrt, aus der er ihn endlich vertreiben wird. - -Es ist unmöglich, daß eine so ungeheure Verirrung lange im Busen einer -Nation bestehen könne, die in jeder anderen Beziehung das beste Beispiel -der großen Principien einer allgemeinen Brüderschaft giebt. In Amerika -genießen der Franzose, der Deutsche, der Italiener, der Ungar, der -Schwede und der Lette, alle gleiche Rechte; -- alle Nationen entfalten -hier die ihnen eigenthümlichen Vorzüge, und werden durch die liberalen -Gesetze des Landes gleicher Privilegien theilhaftig; Alles wirkt darauf -hin, zu befreien, zu humanisiren, zu erheben, und grade aus diesem -Grunde wird der Kampf mit der Sklaverei jedes Jahr furchtbarer. Der -Strom menschlichen Fortschritt's, der durch die zusammenfließenden -Kräfte aller Nationen immer breiter, tiefer und kräftiger wird, stößt -auf diese Schranke, hinter welcher sich alle Unwissenheit, Grausamkeit -und Bedrückung finstrer Jahrhunderte gesammelt hat; -- jetzt schäumt und -drängt er nur gegen den Fuß, aber er steigt mit jedem Jahre, und endlich -wird er mit einem Sturze, gleich dem des Niagara, das Hemmniß mit sich -fortreißen. Dichtkunst, Redekunst und Litteratur sind dagegen, denn es -gibt keine einzige Fähigkeit göttlichen Ursprungs im Menschen, die nicht -für Freiheit spräche! Anfangs verbreitete sich die Sklaverei über alle -Staaten der Union. Jetzt hat der Fortschritt der gesellschaftlichen -Verhältnisse die Mehrzahl derselben emancipirt. In Kentucky, Tennessee, -Virginien und Maryland haben zu verschiedenen Zeiten starke Bewegungen -zu Gunsten der Emancipation statt gefunden, -- Bewegungen, welche -fortwährend durch eine Vergleichung des progressiven Fortschritts der -freien Staaten mit der Armuth und Unfruchtbarkeit als Folge eines -Systems erweckt wurden, welches in wenigen Jahren den Boden erschöpft, -ohne im Stande zu sein, ihm wieder frische Kräfte zu geben. Der -Zeitpunkt kann nicht mehr fern sein, wo alle diese Staaten ihrer eignen -Selbsterhaltung wegen emancipiren werden, und wenn kein Sklavengebiet -hinzukommt, so wird ein Zunehmen der Sklavenbevölkerung Maßregeln für -die Emancipation der übrigen nothwendig machen. Dies ist der Punkt, um -den gestritten wird. Sofern kein neues Sklavengebiet gewonnen wird, muß -die Sklaverei untergehen, -- wenn es gewonnen wird, besteht sie fort. -- -Um diesen Punkt manöveriren und kämpfen die politischen Parteien, und -jedes Jahr wird der Kampf heißer, der bald zur großen Nationalfrage -werden wird. In dem Gesetze von 1850, die flüchtigen Sklaven betreffend, -gewann die Sklavenmacht allerdings einen Sieg, aber es war nur ein Sieg -des Pyrrhus, -- noch ein solcher würde ihr Untergang sein! Grade dieses -Gesetz hat mehr als alle früher wirkenden Mittel dazu beigetragen, die -moralische Kraft der Nation gegen die Sklaverei zu erwecken und zu -concentriren. - -Keine inneren Kämpfe irgend einer andern Nation der Welt können für den -Europäer von so großem Interesse sein wie die Amerika's, denn Amerika -bevölkert sich immer mehr aus Europa, und jeder Europäer, der an seinen -Ufern landet, erlangt fast unmittelbar seine Stimme in den Berathungen. - -Wenn deßhalb die Unterdrückten andrer Nationen in Amerika ein Asyl -dauernder Freiheit zu finden wünschen, so mögen sie bereit sein, mit -Herz, Hand und Stimme gegen das Institut der Sklaverei zu kämpfen; denn -diejenigen, die Andere zu Sklaven machen wollen, können selbst nicht -lange frei bleiben. - -Wahr sind die großen, lebendigen Worte: »Keine Nation kann frei bleiben, -bei der die Freiheit nur ein Vorrecht und nicht ein Princip ist.« - - ^Andover^, den 21. September 1852. - - =Harriet Beecher Stowe.= - - - - -Zwanzigstes Kapitel. - -Topsy. - - -Eines Morgens, als Miß Ophelia in ihren häuslichen Sorgen geschäftig -war, wurde St. Clare's Stimme am Fuße der Treppe gehört, der nach ihr -rief. - -»Komm herunter, Cousine, ich habe Dir etwas zu zeigen!« - -»Was ist es denn?« fragte Ophelia, mit ihrem Nähzeuge in der Hand -herabkommend. - -»Ich habe hier etwas für Dein Departement angekauft, -- sieh' hier!« -sagte St. Clare, indem er ein kleines Negermädchen von acht bis neun -Jahren hervorzog. - -Sie war eine der Schwärzesten ihrer Race, und ihre runden, wie -Glasperlen glänzenden Augen flogen mit unstäten, ruhelosen Blicken über -alle im Zimmer befindlichen Gegenstände. Ihr Mund, der vor Erstaunen -über die Wunder im Wohnzimmer ihres Herrn halb geöffnet war, ließ zwei -Reihen glänzend weißer Zähne sehen. Ihr wolliges Haar war in -verschiedene Zöpfe geflochten, die nach allen Richtungen hin starrten. -Der Ausdruck ihres Gesichts enthielt eine sonderbare Mischung von -Muthwillen und Schlauheit, über die, wie ein Schleier, die Miene eines -schmerzlichen Ernstes hing. Sie trug ein einziges, schmutziges, -zerlumptes Kleid aus Sackleinwand, und stand mit ernsthaft gefalteten -Händen vor Ophelien. In ihrer ganzen Erscheinung lag etwas so -Sonderbares, Koboldartiges, -- etwas, wie Miß Ophelia später -versicherte, so »Heidnisches,« daß diese gute Dame einen wahren -Schrecken vor ihr empfand. Indem sie sich zu St. Clare umwandte, sagte -sie: - -»Augustin, wozu in aller Welt hast Du denn das Ding hierher gebracht?« - -»Damit Du es erziehen sollst, kein Zweifel, und es auf den rechten Weg -bringen. Ich dachte, es wäre ein possierliches Exemplar im -Jim-Crow-Geschlechte. Hier, Topsy,« fügte er mit einem Pfiff hinzu, so -wie man die Aufmerksamkeit eines Hundes zu erregen pflegt, -- »laß uns -einen Gesang hören, und zeige uns etwas von Deinen Tanzkünsten.« - -Die schwarzen gläsernen Augen begannen von einer Art boshaften -Muthwillens zu glänzen, und das kleine Wesen begann mit einer klaren, -gellenden Stimme eine jener sonderbaren Neger-Melodien, nach der sich -ihre Hände und Füße im Takte bewegten, während sie sich im Kreise herum -drehte, mit den Händen und Knien zusammenschlug, und jene sonderbaren -Kehllaute hören ließ, die der heimathlichen Gesangsweise ihres -Geschlechtes eigentümlich sind; und endlich zwei oder drei Sprünge in -die Luft machend, kam sie mit einem gedehnten Schlußtone, der so -unirdisch klang wie die Pfeife einer Locomotive, auf den Teppich nieder, -und stand dann wieder mit gefalteten Händen da, und dem Ausdrucke -scheinheiliger Sanftmuth und Feierlichkeit im Gesichte, der nur durch -die listigen Blicke unterbrochen wurde, die sie in schräger Richtung aus -ihren Augenwinkeln umherschoß. - -Miß Ophelia stand stumm und wie vom Schlage getroffen vor Erstaunen. - -St. Clare, muthwillig wie er war, schien sich an diesem Staunen zu -ergötzen, und wandte sich von Neuem an das Kind. - -»Topsy,« sagte er, »dies ist Deine neue Mistreß, ich übergebe Dich ihr; -also betrage Dich jetzt gut.« - -»Ja, Master,« entgegnete Topsy mit scheinheiligem Ernste, während ihre -gottlosen Augen blinzelten. - -»Du mußt Dich gut betragen, Topsy, verstehst Du,« sagte St. Clare. - -»O ja, Master,« entgegnete Topsy, von Neuem blinzelnd, während ihre -Hände andächtig gefaltet blieben. - -»Nun, Augustin, in aller Welt, sage mir nur, wozu ist das?« sagte Miß -Ophelia. »Dein Haus ist so voll von dieser Plage, daß man kaum seinen -Fuß niedersetzen kann, ohne auf eins dieser Wesen zu treten. Wenn ich -des Morgens aufstehe, so finde ich eins hinter der Thür liegen und -schlafen, einen andern schwarzen Kopf unter dem Tische, und wieder einen -andern auf der Fußdecke vor der Thür; und an allen Gittern hängen sie, -und grinsen und schneiden Gesichter, und in der Küche wälzen sie sich -fortwährend auf dem Boden umher! Wozu hast Du denn dieses Wesen noch -nöthig gehabt?« - -»Ich sagte Dir ja, -- damit Du es erziehen sollst, weil Du immer von -Erziehung sprichst. Ich dachte, ich wollte Dir ein frisch eingefangenes -Exemplar bringen, um Deine Hand daran zu versuchen, und es auf den -rechten Weg zu bringen.« - -»Ich will dieses Wesen nicht haben, gewiß nicht. Ich habe schon mehr mit -dieser Gattung zu thun, als mir lieb ist.« - -»So seid Ihr Christen alle! -- Gesellschaften könnt Ihr stiften, und ein -paar arme Missionäre anwerben, um ihr ganzes Leben unter solchen Heiden -zuzubringen; aber zeige mir Einen von Euch, der so ein Wesen zu sich in -das Haus nehmen, und die Mühe der Bekehrung selbst übernehmen würde! -Nein; wenn es dahin kommt, dann sind sie schmutzig und widerlich, und -machen zu viel Umstände, und so weiter!« - -»Augustin, ich habe die Sache nicht in diesem Lichte betrachtet,« sagte -Miß Ophelia, augenscheinlich sanfter werdend. »Wohl, es kann vielleicht -ein ächtes Bekehrungswerk sein,« fügte sie hinzu, das Kind mit etwas -günstigeren Blicken betrachtend. - -St. Clare hatte die rechte Feder berührt, denn Miß Opheliens -Gewissenhaftigkeit war immer wach. »Aber,« bemerkte sie noch, »ich sah -wirklich die Nothwendigkeit nicht ein, dieses noch zu kaufen, da bereits -genug im Hause vorhanden sind, um alle meine Zeit und Gewandtheit in -Anspruch zu nehmen.« - -»Wohlan, Cousine,« sagte St. Clare, indem er sie bei Seite zog, »ich -habe Dich wegen meiner albernen Reden um Verzeihung zu bitten. Du bist -so gut, daß sie keine Bedeutung haben können. Sieh, die Sache ist diese. -Das kleine Wesen gehörte einem Paar trunkener Geschöpfe, die ein -niedriges Wirthshaus halten, an dem ich alle Tage vorüber komme; und ich -konnte das Schreien und Prügeln dieses Kindes nicht mehr anhören. Das -Mädchen sah aufgeweckt und possierlich aus, als wenn sich was aus ihr -machen lasse, und so kaufte ich sie, und will sie Dir geben. Versuche Du -nun, ihr eine orthodoxe, neu-englische Erziehung zu geben, und sieh zu, -was sich mit ihr machen läßt. Du weißt, ich selbst besitze keine -Fähigkeiten in dieser Richtung, aber ich möchte, daß Du es versuchtest.« - -»Wohl, ich will thun, was ich kann,« sagte Miß Ophelia, und näherte sich -ihrer neuen Untergebenen ungefähr so, wie sich eine Person einer -schwarzen Spinne nähern würde, für die sie wohlwollende Absichten hegt. - -»Sie ist schrecklich schmutzig, und halbnackt,« sagte sie. - -»So nimm sie hinunter, und laß sie sich waschen und reinlich anziehen.« - -Miß Ophelia führte sie hinunter in die Regionen der Küche. - -»Sehe gar nicht, wozu Master St. Clare noch 'ne Niggerin braucht!« sagte -Dinah, während sie den neuen Ankömmling mit keinen sehr freundlichen -Blicken betrachtete. »Mag sie nicht unter meinen Füßen haben!« - -»Pah!« sagte Rosa und Jane mit vornehmem Abscheu, »sie mag uns aus dem -Wege gehen! Wozu Master noch eine von diesen niedrigen Negerinnen nöthig -hat, kann ich nicht begreifen!« - -»Du geh'! Nicht mehr Niggerin als Du bist, Miß Rosa,« sagte Dinah, -welche die letztere Bemerkung auf sich bezog. »Bild'st Dir wohl ein, Du -wärst 'ne Weiße? Bist gar nichts, nicht schwarz, nicht weiß. Will doch -lieber 'was sein.« - -Miß Ophelia sah, daß hier Niemand zu finden sei, der die Beaufsichtigung -des Waschens und Ankleidens übernehmen würde, und fand sich deßhalb -genöthigt, es mit einer sehr unfreundlichen und unwilligen Hülfe von -Seiten Jane's selbst zu thun. - -Es ist nicht für zarte Ohren geeignet, die Einzelheiten der ersten -Toilette eines vernachlässigten, mißbrauchten Kindes zu hören. Zahllose -menschliche Wesen müssen in dieser Welt in einem Zustande leben und -sterben, dessen Schilderung zu stark für die Ohren ihrer Mitmenschen -sein würde. Miß Ophelia hatte einen guten, festen, praktischen Willen, -und ging deßhalb durch alle ekelhaften Einzelheiten mit heroischer -Gründlichkeit, obgleich nicht mit sonderlichem Gefallen daran, -- denn -Beharrlichkeit war das Einzige, wozu ihre Grundsätze sie bringen -konnten. Als sie auf dem Rücken und den Schultern des Kindes die tiefen -Narben und Schwielen sah, unverlöschliche Zeichen des Systemes, unter -dem es bisher aufgewachsen war, fühlte sie Mitleid für dasselbe. - -»Sehen Sie, da!« sagte Jane, auf diese Marken deutend, »zeigt das nicht, -daß sie ein Taugenichts ist? Wir werden schöne Arbeit mit ihr haben, -glaube ich. Ich hasse alle diese Niggerkinder! sind so ekelhaft! Ich -wundere mich, daß Master sie gekauft hat!« - -Das »Niggerkind« hörte alle diese Bemerkungen mit unterwürfiger, -kläglicher Miene an, die ihm gewohnheitsgemäß zu sein schien, aber -unterließ dabei nicht, scharfe, verstohlene Blicke auf den Schmuck zu -werfen, den Jane in ihren Ohren trug. Als Topsy endlich reinlich und -ordentlich angezogen, und ihr Haar kurz abgeschnitten worden war, sagte -Miß Ophelia mit einiger Zufriedenheit, daß sie christlicher aussehe als -zuvor, und begann bereits im Geiste Pläne für ihren Unterricht zu -entwerfen. - -Indem sie sich vor sie setzte, begann sie Fragen an sie zu richten. - -»Wie alt bist Du, Topsy?« - -»Weiß nicht, Missis,« sagte das Bild mit einem Grinsen, das alle seine -Zähne zeigte. - -»Du weißt nicht, wie alt Du bist? Hat Dir's denn niemals Jemand gesagt? -Wer war Deine Mutter?« - -»Hatte nie eine!« sagte das Kind, von Neuem grinsend. - -»Du hattest nie eine Mutter? Was meinst Du damit, wo bist Du denn -geboren worden?« - -»Bin nie geboren worden!« fuhr Topsy mit einem neuen Grinsen fort, -welches so koboldartig aussah, daß, wenn Miß Ophelia überhaupt -nervenreizbar gewesen wäre, sie sich leicht hätte einbilden können, -irgend ein schwarzes Gnomenkind aus dem diabolischen Reiche vor sich zu -haben; allein Ophelia war nicht nervenschwach, sondern derb und -praktisch, und sagte deßhalb mit einiger Schärfe: - -»Du mußt mir darauf antworten, Kind; ich spasse nicht mit Dir. Sage mir, -wo Du geboren worden bist, und wer Dein Vater und Deine Mutter waren.« - -»Bin nie geboren worden,« wiederhole der Kobold nachdrücklicher; »-- -habe nie Vater und Mutter gehabt, nichts. Bin von 'nen Händler -aufgezogen worden, mit einer ganzen Menge Anderer. Tante Sue zog uns -auf und fütterte uns.« - -Das Kind war augenscheinlich aufrichtig, und Jane, in ein kurzes Lachen -ausbrechend, sagte: - -»O Missis, es giebt eine Menge von der Art. Die Händler kaufen sie -billig auf, wenn sie klein sind, und ziehen sie auf für den Markt.« - -»Wie lange bist Du bei Deinem Master und Deiner Mistreß gewesen?« fragte -Miß Ophelia weiter. - -»Weiß nicht, Missis.« - -»Ist es ein Jahr, oder mehr, oder weniger?« - -»Weiß nicht, Missis?« - -»O, Missis,« unterbrach hier Jane wieder, -- »diese niedrigen Neger -wissen so etwas nicht; die wissen nichts von der Zeit; wissen nicht, was -ein Jahr ist, und wissen nicht, wie alt sie sind.« - -»Hast Du jemals etwas von Gott gehört, Topsy?« - -Das Kind sah bei dieser Frage verwirrt aus, aber grinste wieder wie -gewöhnlich. - -»Weißt Du, wer Dich geschaffen hat?« - -»Niemand, was ich weiß,« sagte das Kind mit einem kurzen Lachen. Die -Idee schien es besonders zu amüsiren, denn seine Augen blinzelten, und -es fügte hinzu: »Ich denke, ich bin gewachsen; 's hat mich Niemand -geschaffen.« - -»Kannst Du nähen?« fragte Miß Ophelia weiter, indem sie es für -zweckmäßig hielt, die Unterhaltung auf etwas Anderes zu lenken. - -»Nein, Missis.« - -»Was kannst Du denn? -- was hast Du für Deinen Herrn und Deine Mistreß -gethan?« - -»Wasser geholt, und Teller gewaschen, und Messer geputzt, und weißen -Leuten aufgewartet.« - -»Waren sie gut gegen Dich?« - -»Glaube, ja,« sagte das Kind, Miß Ophelia listig von der Seite -betrachtend. - -Ophelia stand von diesem ermuthigenden Zwiegespräche auf, während dessen -St. Clare hinter ihrem Stuhle, sich auf die Lehne stützend, gestanden -hatte. - -»Du findest hier jungfräulichen Boden, Cousine,« sagte er. »Lege Deine -eignen Ideen hinein, -- wirst nicht viel auszurotten haben.« - -Miß Opheliens Ansichten über Erziehung waren wie alle ihre anderen Ideen -bestimmt und geordnet, und aus derjenigen Schule, welche vor ungefähr -hundert Jahren in Neu England herrschend war, und noch jetzt in einigen -abgelegenen, unverderbten Theilen zu finden ist, wohin keine Eisenbahnen -führen. Sie ließen sich ziemlich genau in wenige Worte fassen: »Den -Kindern Aufmerksamkeit zu lehren, wenn mit ihnen gesprochen wird; ihnen -den Katechismus, Nähen und Lesen zu lehren und sie zu züchtigen, wenn -sie Unwahrheiten sagen;« und obgleich in der Fluth von Licht, welches -sich jetzt über Erziehung verbreitet, diese Principien natürlich weit in -den Hintergrund getreten sind, so läßt sich doch nicht in Abrede -stellen, daß unsere Großmütter unter ihrer Herrschaft manche recht brave -Männer und Weiber erzogen haben, wie Viele von uns werden bezeugen -können. Jedenfalls wußte Miß Ophelia nichts Anderes zu thun, und begann -deshalb das Erziehungswerk ihres heidnischen Zöglings mit vollem Eifer. - -Das Kind wurde als Miß Ophelia's Mädchen angekündigt und im ganzen Hause -so betrachtet; und da Topsy in der Küche mit keinem sehr gnädigen Auge -betrachtet wurde, so beschloß Miß Ophelia, ihren Wirkungskreis und -Unterricht hauptsächlich auf ihr eigenes Zimmer zu beschränken. Mit -einer Selbstverleugnung, welche vielleicht nur wenige von unsern Lesern -zu würdigen im Stande sein werden, beschloß sie, statt behaglich ihr -Bett selbst zu machen und ihr Zimmer selbst auszufegen und abzustäuben, --- was sie bisher stets mit völliger Beiseitesetzung aller Anerbietungen -des Kammermädchens im Haushalte selbst besorgt hatte, -- sich zu dem -Märtyrerthum zu verurtheilen, Topsy diese Verrichtungen zu lehren. Wenn -je eine unserer Leserinnen dasselbe that, so wird sie die Größe dieses -Opfers zu würdigen wissen. - -Miß Ophelia begann mit Topsy damit, daß sie sie am ersten Morgen in ihr -Zimmer nahm und einen Lehrcursus in der geheimnißvollen Kunst des -Bettmachens anfing. Topsy stand, rein gewaschen und rein geschoren von -allen den geflochtenen kleinen Zöpfen, an denen ihr Herz gehangen hatte, -in einem saubern Kleide und weißer, gestärkter Schürze, vor Ophelien mit -einer so feierlichen Miene, wie sich für ein Leichenbegängniß gepaßt -haben würde. - -»Nun, Topsy, will ich Dir zeigen, wie mein Bett gemacht werden muß. Ich -bin sehr eigen darin; Du mußt lernen, es grade ebenso zu machen.« - -»Ja, Madame,« sagte Topsy mit einem tiefen Seufzer und einem schmerzlich -ernsthaften Gesichte. - -»Nun, Topsy, sieh hier; -- dies ist der Saum des Betttuches, -- dies ist -die rechte Seite und dies die linke: -- wirst Du das behalten?« sagte -Miß Ophelia weiter. - -»Ja, Madame,« wiederholte Topsy mit einem neuen Seufzer. - -»Gut, das untere Betttuch mußt Du über das Pfühl ziehen, -- so, -- und -es glatt unter die Matratze einschlagen, -- so, siehst Du?« - -»Ja, Madame,« sagte Topsy mit gespanntester Aufmerksamkeit. - -»Aber das obere Betttuch,« fuhr Miß Ophelia fort, »muß auf diese Weise -herabgelegt und am Fußende glatt und fest eingeschlagen werden, -- so, --- mit dem schmalen Saum unten.« - -»Ja, Madame,« sagte Topsy wie zuvor, -- allein wir wollen hinzufügen, -was Miß Ophelia nicht bemerkt hatte, daß nämlich während der Zeit, wo -die gute Dame im Eifer ihrer Verrichtungen ihrer Schülerin den Rücken -zugedreht, diese ein Paar Handschuhe und ein Band zu erhaschen gewußt -und diese geschickt in ihren Aermel geschoben hatte, worauf sie mit -gefalteten Händen wieder so ehrerbietig wie zuvor dastand. - -»Nun, Topsy, laß mich sehen, wie Du dies machst,« sagte Miß Ophelia, die -Betttücher wieder herabreißend und sich setzend. - -Topsy ging hierauf mit großem Ernste und großer Geschicklichkeit durch -den ganzen Prozeß zu Miß Opheliens großer Zufriedenheit; sie legte die -Betttücher glatt, beseitigte jede Falte, und zeigte während der ganzen -Verrichtung einen Ernst, an dem ihre Lehrerin nicht geringes Gefallen -fand. Allein aus einer unglücklichen Schlitze ihrer Aermel kam ein -Stückchen des Bandes zum Vorschein, grade in dem Augenblicke, als sie -ihr Geschäft beendigte und fiel Miß Ophelien in's Auge. Augenblicklich -sprang diese darauf zu. »Was ist dies? Du ungezogenes, böses Kind, -- Du -hast dies gestohlen!« - -Das Band wurde aus Topsy's Aermel hervorgezogen, aber Topsy wurde -dadurch durchaus nicht außer Fassung gebracht, sondern blickte darauf -nur mit einer Miene überraschter Unschuld. - -»O, ah, das ist Miß Feely's Band! Wie sich das nur in meinem Aermel hat -fangen können?« - -»Topsy, Du unartiges Kind, sage mir keine Lügen, -- Du hast das Band -gestohlen!« - -»Missis, ich versichere, ich hab's nicht gethan, -- hab's nie gesehen, -als jetzt grade in dieser Minute.« - -»Topsy,« sagte Miß Ophelia, »weißt Du nicht, daß es sündlich ist, zu -lügen?« - -»Ich sage nie Lügen, Miß Feely,« sagte Topsy mit tugendhaftem Ernste; -»'s ist nur die Wahrheit, was ich jetzt gesagt habe, -- nichts Anderes!« - -»Topsy, ich werde Dich peitschen müssen, wenn Du lügst.« - -»O, Missis, wenn Sie mich peitschen den ganzen Tag, -- kann nichts -Anderes sagen, gar nicht!« rief Topsy, indem sie zu weinen anfing. -»Hab's nie gesehen, -- muß sich in meinem Aermel gefangen haben. Miß -Feely muß es auf dem Bette gelassen haben und da muß es an meinen Aermel -gekommen sein.« - -Miß Ophelia war über diese dreiste Lüge so empört, daß sie das Kind -ergriff und es heftig schüttelte. - -»Sage mir das nicht noch einmal!« - -Das Schütteln ließ auch die Handschuhe aus dem andern Aermel auf die -Erde fallen. - -»Da, Du!« rief Miß Ophelia. »Willst Du mir nun noch sagen, Du habest das -Band nicht gestohlen?« - -Topsy bekannte jetzt in Bezug auf die Handschuhe, aber fuhr beharrlich -fort, das Stehlen des Bandes in Abrede zu stellen. - -»Höre, Topsy,« sagte Miß Ophelia, »wenn Du Alles gestehen willst, so -will ich Dich für dieses Mal nicht peitschen.« - -Auf diese Weise gedrängt, gestand Topsy endlich, mit schmerzlichen -Versicherungen der Reue, das Band und die Handschuhe genommen zu haben. - -»Nun, sage mir, -- ich weiß, Du mußt noch andre Dinge im Hause genommen -haben, denn ich habe Dich gestern den ganzen Tag umher laufen lassen, -- -nun sage mir, was Du sonst noch genommen hast, und ich will Dich nicht -peitschen.« - -»O Missis! ich habe Miß Eva's rothes Ding genommen, was sie um den Hals -trägt.« - -»Das hast Du gethan, Du böses Kind! -- Wohl, was weiter?« - -»Und Rosa's Ohrringe, -- die rothen.« - -»Geh, und hole beide Stücke gleich hierher.« - -»O, Missis, ich kann nicht, -- sind verbrannt.« - -»Verbrannt? was ist das wieder für eine Lüge! Gehe gleich, oder ich -peitsche Dich!« - -Topsy blieb mit lauten Versicherungen, und Thränen und Stöhnen dabei, -daß sie nicht ^könne^, -- daß sie verbrannt seien. - -»Weshalb hast Du sie denn verbrannt?« sagte Ophelia. - -»Weil ich unartig bin, -- bin mächtig unartig; -- weiß nicht, kann nicht -anders.« - -Grade in diesem Augenblicke kam Eva unschuldig und ahnungslos mit dem in -Rede stehenden Korallenhalsbande in das Zimmer. - -»Wie, Eva, wo hast Du Dein Halsband gefunden?« fragte Miß Ophelia. - -»Gefunden? Wie, ich habe es den ganzen Tag getragen,« entgegnete Eva. - -»Hast Du es denn gestern gehabt?« - -»Gewiß! Und was sonderbar ist, Tante, ich habe es die ganze Nacht um -gehabt; ich vergaß gestern, als ich zu Bett ging, es abzulegen.« - -Miß Ophelia war vollständig irre, und zwar um so mehr, als grade in -diesem Momente auch Rosa, mit einem Korbe frisch geplätteter Wäsche auf -dem Kopfe, in das Zimmer trat, und die bewußten Ohrringe in ihren Ohren -trug. - -»Ich weiß nicht, was ich mit dem Kinde anfangen soll!« sagte sie. »Was -in der Welt brachte Dich dazu, Topsy, mir zu sagen, daß Du die Dinge -genommen habest?« - -»Missis sagte, ich mußte gestehen, und es fiel mir nichts Anderes ein, -zu gestehen,« entgegnen Topsy, ihre Augen reibend. - -»Aber natürlich habe ich nicht gewollt, daß Du Dinge gestehst, die Du -nicht gethan hast,« sagte Miß Ophelia; »es ist eins so gut eine Lüge, -wie das andere.« - -»So? -- ist es?« sagte Topsy, mit der Miene unschuldiger Verwunderung. - -»O, da ist keine Spur von Wahrheit in solchen Kreaturen,« sagte Rosa, -verächtlich auf Topsy blickend. »Wenn ich Master St. Clare wäre, so -wollt' ich sie peitschen lassen, bis das Blut strömte, -- sicherlich, -sie sollt' es kriegen!« - -»Nein, nein, Rosa,« sagte Eva mit einer befehlenden Miene, die das Kind -zuweilen annehmen konnte; »Du mußt nicht so sprechen, Rosa! ich kann es -nicht hören.« - -»O, Miß Eva! Sie sind so gut, Sie wissen nichts davon, wie man mit -Niggern umgehen muß. 's gibt kein andres Mittel, als sie derb zu -peitschen, -- glauben Sie nur!« - -»Rosa!« rief Eva, während ihr Auge flammte, und ihre Wangen sich -purpurroth färbten, -- »still! sprich kein Wort mehr davon!« - -Rosa verstummte augenblicklich. - -»Miß Eva hat St. Clare'sches Blut, -- das ist klar; sie kann grade so -sprechen, wie ihr Vater,« murmelte sie, während sie zum Zimmer -hinausging. - -Eva stand vor Topsy, und betrachtete sie. - -Da standen die beiden Kinder als würdige Repräsentanten der Extreme der -bürgerlichen Gesellschaft. Das schöne, hoch erzogene Kind mit dem -goldenen Lockenkopfe, den tiefen Augen, den geistreichen, edlen Zügen, -und den feinen Bewegungen; und daneben sein schwarzer, schlauer, -kriechender und doch scharfsinniger Nachbar. Sie waren die -Repräsentanten ihrer Geschlechter: des sächsischen, das durch -Jahrhunderte von Bildung, Herrschaft, Erziehung, physischer und -geistiger Entwickelung gegangen war, und des afrikanischen, das -Jahrhunderte in Druck, Unterwürfigkeit, Unwissenheit, Mühe und Laster -durchlebt hatte! - -Etwas Aehnliches mochte vielleicht in diesem Augenblicke Eva's Gedanken -beschäftigen; allein die Gedanken eines Kindes sind nur dunkle und -unbestimmte Ahnungen, und in Eva's edler Natur mochten viele solche -geistige Regungen thätig sein, für die ihr die Kraft des Ausdrucks -fehlte. Als sich Miß Ophelia über Topsy's Ungezogenheit und schlechtes -Betragen ausließ, sah das Kind bestürzt und traurig aus, aber sagte -sanft: - -»Arme Topsy, warum mußt Du stehlen? Du wirst nun unter strenge Aufsicht -kommen. Ich wollte Dir lieber Etwas von meinen Sachen schenken, als daß -Du es stiehlst.« - -Es waren die ersten freundlichen Worte, die das Kind in seinem Leben -gehört hatte. Der sanfte, liebevolle Ton machte einen sonderbaren -Eindruck auf das wilde, rohe Herz, und der Glanz einer Thräne zeigte -sich einen Augenblick lang in dem scharfen, runden Auge; aber gleich -darauf folgte wieder das kurze Lachen und Grinsen. Nein! das Ohr, das -nie etwas Anderes als Scheltworte gehört hat, glaubt nicht an etwas so -Himmlisches wie Güte; und Topsy hielt deshalb Eva's Rede nur für etwas -Spaßhaftes, etwas Unerklärliches, -- sie glaubte ihr nicht. - -Aber was war mit Topsy zu machen? Miß Ophelia wußte es nicht. Ihre -Regeln für Erziehung schienen auf das Kind nicht zu passen. Sie dachte, -sie wolle sich Zeit nehmen, um den Fall zu überlegen, und schloß -deshalb, im Vertrauen auf gewisse, unbestimmte, wirksame Kräfte, die -dunkelen Gemächern zugeschrieben werden, Topsy in ein solches ein, bis -daß sie zu einem bestimmteren Entschlusse gekommen sein werde. - -»Ich sehe nicht ein,« sagte Miß Ophelia zu St. Clare, »wie ich das Kind -in Ordnung halten soll, ohne es zu peitschen.« - -»Gut, so peitsche es, so viel Du willst. Ich will Dir volle -Machtvollkommenheit geben.« - -»Kinder müssen immer körperlich gezüchtigt werden,« sagte Miß Ophelia, -»ich weiß nicht, wie man sie ohne das erziehen kann.« - -»O, natürlich,« sagte St. Clare, »mache es ganz so, wie Du es für am -Besten hältst. Nur eine Bemerkung wollte ich mir erlauben. Ich habe das -Kind mit der Feuerzange, mit Schüreisen und Schüssel, was grade am -nächsten zur Hand war, prügeln und niederschlagen sehen; und da es also -an diese Art von Operation gewohnt ist, so müssen Deine Züchtigungen -ziemlich energisch eingerichtet werden, wenn sie großen Eindruck machen -sollen.« - -»Was ist denn aber nun mit ihr zu thun?« fragte Ophelia. - -»Du hast eine sehr wichtige Frage aufgeworfen,« sagte St. Clare, »und -ich wollte, Du könntest sie beantworten. Was ist mit einem menschlichen -Wesen zu thun, das nur durch die Peitsche regiert werden kann, -- wenn -selbst diese wirkungslos wird? Es ist ein sehr häufiger Fall hier bei -uns im Süden.« - -»Ich weiß es nicht; ich habe nie ein solches Kind gesehen.« - -»Solche Kinder sind bei uns sehr gewöhnlich, und sogar solche Männer und -Weiber. Wie sollen ^die^ regiert werden?« sagte St. Clare. - -»Es ist jedenfalls mehr, als ich zu beantworten vermag,« entgegnete Miß -Ophelia. - -»Und ich gleichfalls,« sagte St. Clare. »Jene schrecklichen -Grausamkeiten, die von Zeit zu Zeit durch die Zeitungen bekannt werden, --- solche Fälle, wie zum Beispiel Prue's, -- woher kommen sie? In vielen -Fällen ist es ein allmähliger Abhärtungsprozeß auf beiden Seiten, -- -indem der Besitzer immer grausamer, und der Sklave immer unempfindlicher -dagegen wird. Peitschen und Mißhandlung sind wie Laudanum; die Dosis muß -in demselben Grade erhöht werden, in welchem die Nerven sich abstumpfen. -Ich erkannte das sehr bald, als ich Besitzer wurde, und beschloß -deßhalb, nie damit anzufangen, weil ich nicht wußte, wann ich aufhören -würde. Die Folge davon ist, daß meine Sklaven sich wie verzogene Kinder -betragen; aber ich halte es für besser, als wenn wir beiderseits -entmenscht wären. Du hast viel über unsere Verantwortlichkeit in Bezug -auf Erziehung gesprochen, und deshalb wollte ich, daß Du es mit einem -Kinde versuchen möchtest, welches als Beispiel von Tausenden gelten -kann.« - -»Aber es ist Euer System, welches solche Kinder erzeugt,« sagte Miß -Ophelia. - -»Ganz richtig, ich weiß das; aber sie sind einmal so, -- sie sind da, -- -und was ist mit ihnen zu machen?« - -»Wohl, ich kann nicht sagen, daß ich Dir für diesen Versuch besonders -dankbar wäre: allein, da es einmal eine Pflicht zu sein scheint, so will -ich darin fortfahren, und thun, was ich kann,« sagte Miß Ophelia, und -hielt ihr Wort, denn sie fuhr fort, mir einem Grade von Eifer und -Energie an der Bildung ihres Zöglings zu arbeiten, der Achtung -verdiente. Sie bestimmte regelmäßige Stunden und Beschäftigungen für das -Kind, und versuchte es, sie lesen und nähen zu lehren. - -In der erstern Kunst machte Topsy schnelle Fortschritte. Sie lernte die -Buchstaben wie durch Zauberei, und war sehr bald im Stande, einfache -Schrift zu lesen; aber das Nähen war eine schwierigere Aufgabe. Das -Wesen war geschmeidig wie eine Katze, und behende wie ein Affe; und da -ihr das Stillsitzen beim Nähen zuwider war, so zerbrach sie ihre Nadeln, -und warf sie verstohlen zum Fenster hinaus, oder in Spalten der Wände; -sie verwickelte, zerriß und beschmutzte ihren Zwirn, oder warf ein -ganzes Knäul verstohlen in einen versteckten Winkel. Ihre Bewegungen -waren beinahe so schnell, wie die eines geübten Taschenspielers, und die -Herrschaft über ihre Gesichtszüge war eben so groß; und obgleich Miß -Ophelia sich nicht denken konnte, daß so viele Zufälle sich nach -einander ereignen könnten, so war sie ja dennoch außer Stande, sie ohne -eine besondre Wachsamkeit zu ertappen, die ihr keine Zeit zu andern -Geschäften übrig gelassen haben würde. - -Topsy war sehr bald im ganzen Hause bekannt. Ihr Talent für jede Art von -Possen, Grimassen und Nachäffung, -- für tanzen, klettern, singen, -pfeifen und Nachahmung jedes Tones, der ihr gefiel, schien -unerschöpflich. Während ihrer Spielstunden hatte sie regelmäßig -sämmtliche Kinder des ganzen Hauses hinter sich, die sie offenen Mundes -vor Staunen und Verwunderung anstarrten, -- selbst Eva nicht -ausgenommen, welche sich von ihren wilden Teufeleien in derselben Weise -angezogen fühlte, wie eine Taube zuweilen an dem Glanz und Schimmer -einer Schlange Gefallen findet. Miß Ophelia wurde darüber unruhig, daß -Eva so vielen Gefallen an Topsy's Gesellschaft fand, und bat St. Clare, -es zu verbieten. - -»Pah, laß das Kind gehen,« sagte St. Clare, »Topsy wird ihr keinen -Schaden thun.« - -»Aber ein so verderbtes Kind, -- mußt Du denn nicht fürchten, daß sie -ihr eine Unart lehre?« - -»Sie kann ihr keine Unart lehren; andern Kindern wohl, aber von Eva's -Gemüthe rollt das Böse ab wie Thau von einem Kohlblatte, nicht ein -Tropfen fällt hinein.« - -»Sei dessen nicht zu gewiß,« sagte Ophelia. »Ich würde mein eignes Kind -nie mit Topsy spielen lassen.« - -»Wohl, Deine Kinder haben's nicht nöthig,« sagte St. Clare, »aber meine -mögen es thun. Wenn Eva hätte verdorben werden können, so hätte es schon -vor Jahren geschehen müssen.« - -Topsy wurde anfangs von den oberen Dienstboten verachtet; allein sie -fanden bald Grund genug, ihre Meinung zu ändern. Es zeigte sich, daß, -wer sie irgendwie beschimpft hatte, mit Sicherheit darauf rechnen -konnte, bald darauf irgend einem unangenehmen Zufalle zu begegnen. -Entweder wurden plötzlich ein Paar Ohrringe, oder andrer -Lieblingsschmuck vermißt, oder ein Kleidungsstück wurde vollständig -ruinirt gefunden, oder die betreffende Person mußte über einen Eimer -heißen Wassers stolpern, oder es kam plötzlich, unerwartet und -unerklärlich, eine Fluth Spülicht von oben auf sie herab, wenn sie sich -grade in vollem Staate befand; -- und in allen diesen Fällen fand sich, -wenn eine Untersuchung veranlaßt wurde, Niemand, der zu dem Schimpfe -Gevatter stehen wollte. Topsy wurde citirt und mußte wiederholt vor -allen den häuslichen Richtern erscheinen, aber bestand alle Verhöre mit -der erbaulichsten Unschuld. Niemand in der Welt war zweifelhaft über die -Thäterschaft; aber auch nicht der entfernteste Beweis ließ sich zur -Rechtfertigung des Verdachtes führen, und Miß Ophelia hatte zu viel -Gerechtigkeitsgefühl, um ohne einen solchen weiter in der Sache gehen zu -wollen. Mit einem Worte, Topsy machte dem ganzen Haushalte begreiflich, -daß es am Rathsamsten sei, sie in Ruhe zu lassen, und man ließ sie in -Ruhe. - -Topsy war in allen Handverrichtungen gewandt, und lernte mit -überraschender Schnelligkeit Alles, was ihr gezeigt wurde. In wenigen -Unterrichtsstunden hatte sie gelernt, alle Geschäfte für Miß Opheliens -Zimmer in einer solchen Weise zu verrichten, daß selbst diese eigne Dame -keine Fehler daran finden konnte. Menschliche Hände konnten kein Bettuch -glätter, kein Kissen richtiger legen, als Topsy, wenn sie es wollte, -- -aber sie wollte es sehr oft nicht. Wenn in Miß Ophelien, nach drei oder -vier Stunden sorgsamer und geduldiger Ueberwachung, die sanguinische -Hoffnung aufstieg, daß Topsy endlich auf den rechten Weg gekommen sei, -und sie von ihrer Beaufsichtigung abgehen könne, um sich andern -Geschäften zu widmen, so pflegte Topsy einige Stunden lang einen wahren -Carneval von Confusion zu halten. Eines Tages fand sie Miß Ophelia mit -ihrem besten indianischen Florshawl als Turban um den Kopf gebunden, -deklamatorische Vorstellungen vor dem Spiegel geben. - -»Topsy!« pflegte sie dann zu ihr zu sagen, wenn alle Geduld am Ende war, -»weshalb machst Du solche Streiche?« - -»Weiß nicht, Missis, -- glaube, weil ich so unartig bin!« - -»Ich weiß nicht mehr, was ich mit Dir machen soll, Topsy.« - -»Müssen mich peitschen, Missis; meine alte Missis peitschte mich immer; --- kann nichts thun, wenn ich nicht gepeitscht werde.« - -»Topsy, ich mag Dich nicht peitschen. Du kannst gut und artig sein, wenn -Du willst; -- warum willst Du nicht?« - -»Bin an's Peitschen gewöhnt, Missis; -- glaube 's thut mir gut,« -entgegnete Topsy. - -Miß Ophelia versuchte das Recept, und Topsy verursachte dann regelmäßig -einen entsetzlichen Lärm, schrie, heulte und flehte, und saß eine halbe -Stunde später auf irgend einem Vorsprunge des Balkons, umgeben von der -Heerde ihrer jungen Bewunderer, und drückte die äußerste Verachtung über -die ganze Sache aus. - -»Pah, Miß Feely peitschen! -- bringt keine Fliege um, ihr Peitschen. -Hättet sehen sollen, wie mein alter Master 's Fleisch fliegen ließ; -- -alte Master verstand 's!« - -Sonntags pflegte sich Miß Ophelia angelegentlichst damit zu -beschäftigen, Topsy den Katechismus zu lehren. Topsy hatte ein -ungewöhnliches Wortgedächtniß und lernte mit einer Leichtigkeit und -Sicherheit, die für ihre Lehrerin sehr ermuthigend waren. - -»Welchen Nutzen erwartest Du davon für sie?« fragte St. Clare. - -»Nun, es ist immer für Kinder von Nutzen gewesen. Kinder haben das immer -lernen müssen,« entgegnete Ophelia. - -»Ob sie es verstehen oder nicht -- gleichviel!« sagte St. Clare. - -»O, Kinder verstehen es in der Zeit nie; aber wenn sie aufwachsen, kommt -die Zeit, wo sie es verstehen lernen.« - -»Nun, meine ist noch nicht gekommen, obgleich ich bezeugen kann, daß Du -es mir gründlich genug beigebracht hast, als ich ein Knabe war,« -entgegnete St. Clare. - -»Du warst immer ein guter Lerner, Augustin. Ich hegte damals große -Hoffnungen von Dir,« sagte Ophelia. - -»So, hast Du denn jetzt keine?« fragte St. Clare. - -»Ich wollte, Du wärest so gut, wie Du als Knabe warst, Augustin!« - -»Das wünschte ich auch, Cousine,« sagte St. Clare. »Wohl, fahre fort, -und katechisire Topsy: vielleicht machst Du doch noch etwas aus ihr.« - -Topsy, die während dieser Unterhaltung gleich einer schwarzen Statue, -mit demüthig gefalteten Händen da gestanden hatte, fuhr jetzt auf einen -Wink von Miß Ophelia fort: - -»Unsere ersten Eltern, da sie der Freiheit ihres eignen Willens -überlassen blieben, fielen aus dem Stande, in dem sie erschaffen worden -waren.« - -Topsy's Augen blinzelten, und sie blickte fragend auf Ophelien. - -»Was willst Du, Topsy?« fragte Miß Ophelia. - -»Bitte, Missis, war es der Stand Kentucky?« - -»Was für ein Stand?« - -»Der Stand, aus dem sie fielen. Ich hörte Master sagen, daß wir von -Kentucky gekommen wären.« - -St. Clare lachte. - -»Du wirst ihr eine Erklärung geben müssen, oder sie macht sich eine,« -sagte er. »Es scheint hier die Theorie der Auswanderung darunter -verstanden zu werden.« - -»O, still, Augustin!« sagte Miß Ophelia, »wie kann ich etwas thun, wenn -Du dabei lachst?« - -»Gut, ich will Dich nicht wieder stören, auf mein Wort,« sagte St. -Clare, nahm seine Zeitung, und setzte sich nieder, bis Topsy ihre -Recitationen beendigt hatte. Diese waren ganz gut, nur daß sie dann und -wann, in den wichtigsten Stellen, die Worte auf eine sonderbare Weise -versetzte, und bei dem Irrthume aller Gegenvorstellungen ungeachtet -beharrte; und St. Clare, trotz aller seiner Versprechungen, fand ein -muthwilliges Vergnügen darin, sich diese anstößigen Stellen wiederholen -zu lassen, ohne Miß Opheliens Gegenvorstellungen zu beachten. - -»Aber wie kannst Du glauben, daß ich mit dem Kinde etwas erreichen kann, -wenn Du so fortfährst,« pflegte sie zu sagen. - -»Gut, es ist unrecht, -- ich will es nicht wieder thun; aber es ist gar -zu drollig, das kleine Bild über diese Worte stolpern zu hören.« - -»Ja, aber Du bestärkst sie ja in ihrem schlechten Wege.« - -»Was macht 's denn aus? Ein Wort ist für sie so gut wie ein anderes.« - -»Du willst, daß ich sie gut erziehen soll, und solltest also mit dem -Einfluß, den Du ausübst, vorsichtig sein.« - -»O Elend! freilich sollte ich das! aber wie Topsy selbst sagt: »ich bin -so unartig!«« - -In dieser Weise schritt Topsy's Erziehung ein oder zwei Jahre fort, -während deren Miß Ophelia sich täglich mit ihr plagte, wie mit einem -chronischen Leiden, an dessen Beschwerden sie sich endlich so gewöhnte, -wie andre Personen an ein Nerven- oder Kopfleiden. - -St. Clare fand an dem Kinde dasselbe Vergnügen, wie an den Spässen -eines Papagei's oder Hühnerhundes. Topsy dagegen pflegte, wenn sie in -irgend einem andern Departement in Ungnade gefallen war, hinter seinem -Stuhle Schutz zu suchen, und St. Clare wirkte dann stets auf eine -oder die andre Weise Vergebung für sie aus. Von ihm erhielt sie auch -so manche kleine Münze, die sie zu Nüssen und Zuckerkant verwendete, -um sie mit sorgloser Freigebigkeit unter alle Kinder des Hauses zu -vertheilen; denn Topsy war, um ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, -von Natur gutmüthig und freigebig, und nur bösartig in ihrer eignen -Selbstvertheidigung. - -Sie ist jetzt in unser _corps de ballet_ genügend eingeführt worden, -und wird darin von Zeit zu Zeit, neben den andern handelnden Personen, -ihre Rolle spielen. - - - - -Einundzwanzigstes Kapitel. - -Kentucky. - - -Unsere Leser sind vielleicht nicht abgeneigt, einen kurzen Rückblick auf -Onkel Toms Hütte zu thun, um zu sehen, was unter denen, die er -zurückgelassen hat, vorgeht. - -Es war spät an einem Sommer-Nachmittage, und die Thüren und Fenster des -großen Wohnzimmers in Mr. Shelby's Haus waren alle geöffnet, um jedes -frische Lüftchen, das dazu geneigt war, hereinzulassen. Mr. Shelby saß -in einer großen Halle, welche mit diesem Zimmer in Verbindung stand, und -durch das ganze Haus zu einem am andern Ende befindlichen Balkon lief. -Nachlässig in seinen Stuhl zurückgelegt, und seine Füße auf einem -andern wiegend, rauchte er seine Nachmittags-Cigarre. Mrs. Shelby saß in -der Thür, mit feiner Näherei beschäftigt, und schien etwas auf dem -Herzen zu haben, zu dessen Vorbringen sie eine Gelegenheit suchte. - -»Hast Du gehört,« sagte sie, »daß Chloë einen Brief von Tom erhalten -hat?« - -»Wirklich? Tom scheint dort einen Freund zu haben. Was macht der alte -Junge?« - -»Er muß von einer sehr anständigen Familie gekauft worden sein, sollte -ich denken,« sagte Mrs. Shelby, -- »er hat sehr gute Behandlung, und -nicht viel zu thun.« - -»So! nun das freut mich, -- wahrlich,« sagte Mr. Shelby mit -Herzlichkeit. »Ich hoffe, Tom wird sich an eine südliche Residenz -gewöhnen, -- und kaum wünschen, hieher zurückzukehren.« - -»Im Gegentheil, er fragt mit großer Aengstlichkeit danach, wann das Geld -für seine Wiedereinlösung werde aufgebracht werden können.« - -»Ich weiß es nicht,« sagte Mr. Shelby. »Wenn die Geschäfte einmal -angefangen, schief zu gehen, so hörts nicht wieder auf. Es ist gerade -wie durch einen Sumpf von einer trockenen Stelle auf die andere -springen; hier borgen und dort bezahlen, und dann wieder borgen, um den -Letzten zu bezahlen; -- und diese verdammten Wechsel laufen immer ab, -ehe ein Mensch Zeit hat, eine Cigarre zu rauchen und sich umzudrehen, -- -nichts als Mahnbriefe und Drängen und Treiben.« - -»Ich sollte denken, mein Lieber, es könnte so Manches geschehen, um -unsere Angelegenheiten zu ordnen. Wenn wir zum Beispiel alle unsere -Pferde und eine Farm verkauften, um Alles abzuzahlen?« - -»O lächerlich, Emilie! Du bist die gescheiteste Frau in Kentucky, aber -hast doch nicht Einsicht genug zu sehen, daß Du von Geschäften nichts -verstehst; -- Weiber verstehen und können davon nie etwas verstehen.« - -»Aber könntest Du mich denn nicht wenigstens einen Blick in Deine -Verhältnisse thun lassen? mich ein Verzeichniß aller Deiner Schulden und -Forderungen sehen, und mich versuchen lassen, ob ich Dir keinen Rath zu -ökonomischen Maßregeln geben könnte?« - -»O Thorheit! quäle mich nicht, Emilie! -- das kann ich nicht. Ich weiß -recht wohl, wie meine Sachen stehen, und die lassen sich nicht kneten -und drücken und in jede mögliche Form bringen, wie Chloë es mit ihren -Pasteten macht. Du verstehst einmal nichts von Geschäften, wie ich Dir -schon gesagt habe.« - -Da Mr. Shelby keine besseren Gründe anzuführen hatte, so erhob er bei -diesen Worten seine Stimme, -- eine Art und Weise, die für einen Mann, -der mit seiner Frau über Geschäftssachen spricht, sehr bequem und sehr -überzeugend ist. - -Mrs. Shelby schwieg mit einem Seufzer. Es war außer Zweifel, daß sie, -obgleich ein Weib, dennoch einen klaren, energischen, praktischen -Verstand hatte, und eine Charakterstärke besaß, die der ihres Gatten bei -weitem überlegen war; so daß es keineswegs so sehr abgeschmackt gewesen -sein würde, wie Mr. Shelby dachte, sie Theil an den Geschäften nehmen zu -lassen. - -»Glaubst Du nicht, daß wir auf eine oder die andere Weise Geld -aufbringen könnten? Die arme Chloë, sie rechnet so sehr darauf.« - -»Das thut mir leid. Ich glaube, ich war etwas zu voreilig mit meinem -Versprechen. Ich weiß nicht, ich denke, es ist am Ende der beste Weg, es -Chloë geradezu zu sagen, damit sie sich darein findet. Tom wird in ein -oder zwei Jahren eine andere Frau haben, und sie thäte am besten, zu -einem andern Mann zu gehen.« - -»Mr. Shelby, ich habe meinen Leuten gelehrt, daß ihre ehelichen -Verbindungen so heilig wie die unsrigen seien. Ich würde mich nie dazu -verstehen können, Chloë solchen Rath zu geben.« - -»Es ist ein Unglück, Frau, daß Du diese Leute mit der Last einer -Moralität beschwert hast, die weit über ihre Verhältnisse und ihre -Aussichten hinausgeht. Ich habe immer so gedacht.« - -»Es ist nur die Lehre der Bibel,« entgegnete Mrs. Shelby. - -»Gut, gut, Emilie, ich will mich in Deine religiösen Ansichten nicht -mischen; nur scheinen sie mir für Leute in solchen Verhältnissen -durchaus nicht geeignet zu sein.« - -»Leider sind sie es nicht,« sagte Mrs. Shelby, »und das ist der Grund, -weshalb ich das Sklavenwesen hasse. Ich sage Dir, mein Lieber, ich kann -mich von den Versprechungen nicht lossagen, die ich diesen hülflosen -Geschöpfen gemacht habe. Wenn ich das Geld in keiner andern Weise -aufbringen kann, so will ich Musikunterricht geben. Ich weiß, daß ich -Beschäftigung genug bekommen und das Geld bald verdienen würde.« - -»Wie, Emilie, Du würdest Dich doch nicht auf diese Weise herabwürdigen -wollen? Ich könnte nie meine Einwilligung dazu geben.« - -»Herabwürdigen! würde es mich so herabwürdigen, wie wenn ich das -Versprechen bräche, was ich Hülflosen gegeben habe? Nein, gewiß nicht!« - -»Du bist heroisch und überspannt,« sagte Mr. Shelby; »aber ich dächte, -Du thätest wohl, die Sache noch einmal zu überlegen, ehe Du solchen -abenteuerlichen Streich unternimmst.« - -Hier wurde die Unterhaltung durch die Erscheinung Chloë's am Ende der -Veranda unterbrochen. - -»Wenn's Ihnen gefällig wäre, Missis,« sagte sie. - -»Nun, Chloë, was gibt's?« sagte ihre Mistreß aufstehend und nach dem -Ende des Balkones gehend. - -»Wenn Missis hier das Geflügel ansehen wollte,« sagte Chloë mit einer -Miene ernster Betrachtung, während sie auf einen Haufen Hühner und Enten -deutete, bei dem sie stand; »ich dachte, ob Missis vielleicht eine -Hühnerpastete haben wollte von diesen da.« - -»Das ist mir gleich, Chloë, -- richte sie nur zu, wie Du willst,« -entgegnete Mrs. Shelby. - -Chloë blieb gedankenvoll stehen, während sie das Geflügel einzeln durch -ihre Hände gehen ließ; allein es war leicht erkennbar, daß die Hühner -nicht der Gegenstand ihrer Gedanken waren. Endlich begann sie mit einem -kurzen Lachen, mit dem ihr Geschlecht häufig etwas zweifelhafte -Vorschläge einzuleiten pflegt: - -»Mein Gott, Missis, warum sollen Master und Missis sich quälen um das -Geld und nicht gebrauchen das Recht, was ihnen zukommt?« sagte Chloë von -Neuem lachend. - -»Ich verstehe Dich nicht, Chloë,« entgegnete Mrs. Shelby, die Chloë's -Weise kannte, und deßhalb nicht im Geringsten bezweifelte, daß sie jedes -Wort der zwischen ihr und ihrem Ehemanne so eben Statt gehabten -Unterhaltung gehört habe. - -»O Missis!« sagte Chloë wieder lachend, »andere Leute miethen ihre -Nigger aus, und lassen sie Geld verdienen: halten nicht solche Bande, -die sie aus Haus und Hof ißt.« - -»Wohl, Chloë, wen meinst Du denn, daß ich ausmiethen solle?« - -»O, ich meine gar nichts, -- nur Sam sagte mir, daß da einer von den -Conditorn wäre, in Louisville, der 'ne geschickte Hand für Kuchen und -Pasteten brauchte, und der vier Dollars die Woche geben wollte, -- sagte -er.« - -»Nun, Chloë?« - -»Ja, so dachte ich, Missis, 's wäre Zeit, daß Sally endlich anfinge, -'was zu thun. Sally ist unter mir gewesen diese ganze Zeit, und kann -Alles beinahe eben so gut machen wie ich; und wenn Missis mich wollte -gehen lassen, so könnt' ich helfen das Geld verdienen. Fürchte mich gar -nicht, meine Kuchen und meine Pasteten neben alle die von 'nem Conditor -zu stellen.« - -»Aber, Chloë, willst Du denn Deine Kinder verlassen?« - -»O, Missis, die Jungens sind groß genug, um zu arbeiten, -- fehlt ihnen -gar nichts; und Sally soll nach der Kleinen sehn, 's ist so ein munteres -Ding, braucht gar nicht viel gewartet zu werden.« - -»Louisville ist ziemlich weit von hier.« - -»Mein Gott, fürchte mich nicht! -- ist's wohl den Fluß hinunter, nahe -bei meinem alten Mann vielleicht?« sagte Chloë, die letzten Worte in -fragendem Tone sprechend und auf Mrs. Shelby blickend. - -»Nein, Chloë, es ist noch viele hundert Meilen davon entfernt,« -entgegnete Mrs. Shelby. - -Chloë's Gesicht wurde traurig. - -»Das thut nichts, Chloë; Du kommst ihm wenigstens näher, wenn Du dahin -gehst. Ja, Du magst gehen; und jeder Cent Deines Lohnes soll zu der -Wiedereinlösung Deines Mannes zurückgelegt werden.« - -Wie wenn ein heller Sonnenstrahl eine dunkle Wolke versilbert, so klärte -sich Chloë's dunkles Gesicht augenblicklich auf, -- es strahlte -förmlich. - -»O Herr! wenn Missis nicht zu gut ist! -- dachte gerade an dasselbe; -denn ich brauche keine Kleider und keine Schuhe und nichts, -- könnte -jeden Cent sparen. Wie viele Wochen gibt's denn in 'nem Jahre, Missis?« - -»Zweiundfünfzig,« sagte Mrs. Shelby. - -»Herr! also so viele? und vier Dollar für jede, -- wie viel mag das -sein?« - -»Zweihundert und acht Dollar,« entgegnete Mrs. Shelby. - -»Wie!« sagte Chloë mit einem Ausdruck von Ueberraschung und Wonne; -- -»und wie lange würde 's dauern, bis ich Alles herausgearbeitet hätte, -Missis?« - -»Vier bis fünf Jahre, Chloë; aber Du sollst nicht Alles allein -verdienen, -- ich will Etwas dazu legen.« - -»Mag nichts davon hören, -- Missis Stunden geben. Master hat ganz Recht -darin; -- würde sich nicht passen. Hoffe, keiner von unserer Familie -wird dazu kommen, so lange ich Hände habe.« - -»Fürchte nichts, Chloë, -- ich will schon Sorge tragen für die Ehre der -Familie,« sagte Mrs. Shelby lächelnd. »Aber wann gedenkst zu gehen?« - -»O, ich denke Nichts, -- nur, Sam, er geht auf den Fluß mit Fohlen, und -sagte mir, ich könnte mit ihm gehn; und so machte ich just meine Sachen -zusammen. Wenn Missis wollte, so könnt' ich mit Sam morgen früh gehen, --- wenn Missis mir 'nen Paß schreiben wollte, und 'ne 'Commendation.« - -»Wohl, Chloë, ich will dafür sorgen, wenn Mr. Shelby Nichts dagegen -einzuwenden hat. Ich muß erst mit ihm reden.« - -Mrs. Shelby ging in das obere Stockwerk und Tante Chloë ging entzückt in -ihre Hütte, um die nöthigen Vorbereitungen zu treffen. - -»O, Master Georg! Sie wissen nicht, daß ich morgen nach Louisville -gehe!« sagte sie zu Georg, als er sie beim Eintreten beschäftigt fand, -die Kleidungsstücke ihrer Kinder zu ordnen. »Dachte, ich wollte grade -'mal über diese Sachen sehen und sie in Ordnung haben. Aber ich gehe, -Master Georg, -- ich gehe, und bekomme vier Dollar die Woche; und Missis -will es Alles aufheben und meinen alten Mann damit wiederkaufen.« - -»Sieh da!« sagte Georg, »das ist ein gutes Geschäft! Wann gehst Du -denn?« - -»Morgen, mit Sam. Und nun, Master Georg, -- ich weiß -- sind Sie wohl so -gut und schreiben just an meinen alten Mann, und sagen ihm das Alles, -- -nicht wahr?« - -»Versteht sich,« sagte Georg. »Onkel Tom wird sich freuen, Nachricht -von uns zu bekommen. Ich will gleich in's Haus gehen, und Feder und -Papier holen; und dann kann ich ihm auch gleich von unsern jungen Fohlen -erzählen und von allen andern Sachen, -- nicht wahr, Tante Chloë?« - -»Freilich, freilich, Master Georg; gehen Sie nur, und ich will Ihnen -unterdessen ein hübsches Stückchen Huhn zurecht machen, oder so Etwas; --- werden nicht oft mehr bei alte Tante Chloë 'was essen.« - - - - -Zweiundzwanzigstes Kapitel. - -»Das Gras verwelkt -- die Blume verblüht.« - - -Mit jedem Tage fließt ein Theil unseres Lebens dahin, -- und so war es -mit Onkel Tom, bis zwei Jahre verflossen waren. Obgleich getrennt von -Allem, was seinem Herzen theuer war, und obgleich oft die heftigste -Sehnsucht nach seinen Lieben empfindend, fühlte er sich doch eigentlich -nie ganz unglücklich; denn so stark ist die Harfe menschlicher Gefühle -bezogen, daß nur ein Zerreißen aller Saiten ihre Harmonie gänzlich -zerstören kann; und selbst wenn wir auf Zeiten der Trübsal und der -Leiden zurückblicken, so können wir uns erinnern, daß fast jede Stunde -derselben in ihrem Laufe Abwechslung und Erleichterung mit sich brachte, -so daß wir, wenn auch im Ganzen nicht glücklich, doch auch nicht ganz -elend waren. - -Sein an Chloë gerichteter Brief war, wie dessen bereits im vorigen -Kapitel Erwähnung geschehen, von Master Georg in guter Zeit beantwortet -worden, und zwar in einer runden, deutlichen Schulknabenschrift, die, -wie Onkel sagte, sich beinahe über das ganze Zimmer lesen ließ. Das -Schreiben enthielt verschiedene erquickliche Nachrichten über die -dortigen Verhältnisse, mit denen unsere Leser bereits bekannt sind: zum -Beispiel, daß Tante Chloë an einen Conditor in Louisville ausgedungen -worden, wo sie mit der Fabrikation von Pasteten unglaubliche Summen -Geldes verdiene, die alle zur Wiedereinlösung Toms zurückgelegt werden -sollten; daß Mose und Pete munter aufwüchsen, und daß das Kleine unter -Sally's und der ganzen Familie Aussicht bereits im ganzen Hause -umhertrabe. Toms Hütte war für jetzt geschlossen worden, allein Georg -ließ sich mit großer Wärme über die Verbesserungen und Verzierungen aus, -die darin vorgenommen werden sollten, sobald Tom zurückkehre. Der Rest -des Briefes enthielt ein Verzeichniß von Georgs Schulstudien und von den -Namen der vier jungen Fohlen, welche seit Toms Entfernung gefallen -waren, und erwähnte in inniger Verbindung hiermit, daß sich Vater und -Mutter wohl befänden. Der Styl des Briefes war entschieden ein sehr -bündiger: allein Tom hielt seine Abfassung für eins der vollendetsten -Beispiele in der neueren Zeit. Er konnte nie müde werden, das Schreiben -zu betrachten, und berathschlagte sogar mit Eva darüber, ob es nicht gut -wäre, es unter Glas und Rahmen bringen zu lassen, um es im Zimmer -aufhängen zu können; und nur die Schwierigkeit, es so einzurichten, daß -beide Seiten des Blattes zugleich sichtbar seien, stand der Ausführung -im Wege. - -Die Freundschaft zwischen Tom und Eva war in gleichem Schritte mit dem -Kinde selbst gewachsen. Es würde schwer sein zu sagen, welchen Platz sie -in dem sanften, empfänglichen Herzen ihres treuen Dieners einnahm. Er -liebte sie wie etwas Irdisches und Gebrechliches, aber verehrte sie -beinahe als etwas Himmlisches und Göttliches. Wie der italienische -Seemann auf sein Bild des Jesuskindes schaut, so betrachtete er sie mit -einer Mischung von Ehrfurcht und Zärtlichkeit; und sein größtes -Vergnügen bestand darin, den kindlichen Einfällen, den tausend kleinen -Bedürfnissen zu genügen, die das jugendliche Alter wie mit einem -buntfarbigen Regenbogen schmücken. Wenn er Morgens auf den Markt ging, -so waren seine Augen stets auf die Blumenlager gerichtet, um seltene -Bouquette für sie auszusuchen, und die schönste Pfirsich, die er fand, -glitt stets in seine Tasche, um sie ihr zu geben, wenn er nach Hause -kam; und der liebste Anblick für ihn war der, wenn er ihren -goldlockigen, kleinen Kopf zur Pforte hinaus blicken und auf seine -Rückkehr warten sah, und er dann ihre kindliche Frage hörte: »Nun, Onkel -Tom, was hast Du heut' für mich?« - -Auch war Eva nicht weniger eifrig in freundlichen Gegenleistungen. -Obgleich noch Kind, konnte sie dennoch vortrefflich lesen. Ein feines, -musikalisches Ohr, eine lebhafte, poetische Phantasie, und ein -instinktmäßiges Gefühl für alles Große und Edle machten sie zu einer -Bibelleserin, wie Tom nie zuvor etwas Aehnliches gehört hatte. Anfangs -las sie nur, um ihrem bescheidenen Freunde gefällig zu sein, aber bald -streckte ihre eigene ernste Natur ihre Fühlfäden aus und schlang sie um -das majestätische Buch. Und Eva liebte es, weil es ein seltsames Sehnen -und mächtige, dunkle Regungen in ihr erweckte, denen sich tieffühlende -und mit lebhafter Phantasie begabte Kinder so gern hingeben. - -Diejenigen Theile, welche sie am meisten liebte, waren die Offenbarung -Johannis und die Propheten, -- Theile, deren dunkle, warme und -bilderreiche Sprache sie um so mehr ergriff, als sie vergeblich nach -einer Deutung suchte, -- und sie und ihr schlichter Freund, das junge -und das alte Kind, stimmten in dieser Beziehung vollkommen überein. -Alles, was sie wußten, war, daß jene Bücher von einer zu offenbarenden -Glorie, -- einem wunderbaren Etwas sprachen, was noch kommen solle und -dessen sich ihre Seelen freuten, ohne zu wissen weshalb. Obgleich es in -der Wissenschaft physischer Dinge nicht so ist, so gilt doch für die -Religionslehre der Grundsatz, daß das, was nicht verstanden werden kann, -nicht immer nutzlos ist; denn die Seele erwacht, ein zitternder -Fremdling, zwischen zwei dunklen Ewigkeiten, -- der ewigen Vergangenheit -und der ewigen Zukunft. Das Licht fällt nur aus einen kleinen Raum um -sie her, weshalb sie sich dem Unbekannten zuwenden muß; und die Stimmen -und schattenartigen Regungen, die aus der Nebelsäule der Inspiration zu -ihr kommen, finden Echo und Antwort in ihrer eignen sehnsüchtigen Natur. -Die mystischen Bilder derselben sind ebenso viele Talismane und Gemmen -mit unbekannten Hieroglyphen, die sie in ihren Busen schließt und hofft -entziffern zu können, wenn sie jenseits des Schleiers tritt. - -Um die jetzige Zeit unserer Erzählung befand sich die ganze Familie St. -Clare's auf seiner am See Pontchartrain belegenen Villa. Die Sommerhitze -hatte Alle, denen es möglich war, die ungesunde Stadt mit ihrer schwülen -Atmosphäre zu verlassen, an die Ufer des See's getrieben, um seine -kühlen Lüfte zu genießen. - -St. Clare's Villa war ein im ostindischen Geschmacke erbautes Landhaus, -umgeben von einer hellen Veranda, und öffnete sich nach allen Seiten in -Gärten und Luftplätze. Das gemeinschaftliche Wohnzimmer hatte einen -Ausgang in einen großen Garten, welcher erfüllt von den Wohlgerüchen -tropischer Pflanzen und Blumen jeder Art, seine schlängelnden Pfade bis -dicht an die Ufer des See's erstreckte, dessen silberheller -Wasserspiegel sich unter den Strahlen der Sonne hob und senkte, -- ein -Bild, das jede Stunde wechselte, und mit jeder Stunde schöner wurde. - -Jetzt grade geht die Sonne in goldener Glorie unter und wirft ihren -Schein über den ganzen Horizont, der sich im Wasser abspiegelt. Weiß -beflügelte Schiffe fahren auf dem in rosigen oder goldenen Streifen -ruhig liegenden See hin und her, und kleine goldene Sterne beginnen -allmählig aus dem Abendhimmel auf ihre zitternden Spiegelbilder im -Wasser herabzublicken. - -Tom und Eva saßen auf einer niedrigen Moosbank in einer Laube am Ende -des Gartens. Es war Sonntag Abend, und Eva's Bibel lag aufgeschlagen auf -ihrem Knie. Sie las: -- »Und ich sah ein gläsernes Meer mit Feuer -gemenget.« - -»Tom,« sagte Eva, plötzlich inne haltend und auf den See deutend, »da -ist es.« - -»Was, Miß Eva?« - -»Siehst Du denn nicht, -- dort?« sagte das Kind, auf das Wasser deutend, -welches, fallend und steigend, die Gluth des Himmels abspiegelte. »Da -ist ein gläsernes Meer mit Feuer gemenget.« - -»Wahr! Miß Eva,« sagte Tom und sang: - - »Hätt' ich die Flügel der Morgenröthe, - Ich würde nach Canaan fliegen, - Und Engel würden mich heimwärts tragen - Nach dem neuen Jerusalem.« - -»Wo glaubst Du, daß das neue Jerusalem ist, Onkel Tom?« sagte Eva. - -»Ueber den Wolken, Miß Eva.« - -»Dann glaube ich, daß ich es sehe,« bemerkte Eva. »Blicke in jene -Wolken! -- sie sehen wie große Thore von Perlen aus; und Du kannst durch -sie weiter hinaus sehen -- weit, weit -- und da ist Alles Gold. Bitte, -Tom, singe das Lied von den weißen Engeln.« - -Tom sang hierauf die Worte einer wohlbekannten Methodisten-Hymne: - - »Ich sehe ein Chor von Engeln stehn, - Des Himmels Freuden schmecken. - Sie tragen alle ein weißes Gewand - Und siegende Palmen in der Hand.« - -»Sie kommen zuweilen zu mir im Schlafe, diese Engel,« sagte Eva, während -ihre Augen träumerisch wurden, und summte dann mit leiser Stimme: - - »Sie alle tragen ein weißes Gewand - Und siegende Palmen in der Hand.« - -»Onkel Tom,« sagte sie darauf, »ich gehe dahin.« - -»Wohin, Miß Eva?« - -Das Kind stand auf, und deutete mit seiner kleinen Hand gen Himmel. Das -Abendroth beleuchtete ihr goldnes Haar, und lieh ihren Wangen eine Art -überirdischen Glanzes, und ihre Augen blickten mit tiefem, seligem -Gefühle hinauf. - -»Ich gehe dahin,« sagte sie, »zu den weißen Engeln, Tom; ich gehe dahin --- bald.« - -Das treue, alte Herz empfand einen plötzlichen Stoß, und Tom dachte -daran, wie oft er während der letzten sechs Monate bemerkt habe, daß -Eva's kleine Hände dünner, und ihre Haut durchsichtiger und ihr Athem -kürzer geworden seien, und wie sie, wenn sie im Garten rannte und -spielte, was sie sonst stundenlang gekonnt, jetzt immer so bald müde -werde. Er hatte Miß Ophelien oft von einem Husten sprechen hören, den -alle ihre Arzneimittel nicht heilen könnten; und selbst in diesem -Augenblicke brannten ihre Wange und ihre kleine Hand von hektischem -Fieber; und dennoch war ihm nie zuvor der Gedanke gekommen, den Eva's -Worte andeuteten. - -Gab es je ein Kind, wie Eva? -- O ja, es gab deren; aber ihre Namen sind -nur auf Grabsteinen zu lesen, und ihr süßes Lächeln, ihre himmlischen -Blicke, ihre seltsamen Reden und Weisen gehören zu den tief begrabenen -Schätzen trauernder Herzen. In wie vielen Familien hörst Du die Sage, -daß alle Güte und Anmuth der Lebenden nichts sei gegen die -Liebenswürdigkeit eines Wesens, -- das nicht mehr sei! Es ist gerade, -als wenn der Himmel ein besonderes Chor von Engeln habe, deren -Bestimmung es sei, eine kurze Zeit hier zu weilen und das verkehrte -menschliche Herz für sich zu gewinnen, um es dann bei ihrer Rückkehr zum -Himmel mit sich hinaufzutragen. Wenn Du jenes tiefe geistige Licht in -dem Auge siehst, -- wenn die kleine Seele sich in Worten offenbart, die -süßer und weicher sind, als die gewöhnlichen Worte von Kindern, -- so -hoffe nicht, das Kind zu behalten, denn das Siegel seines himmlischen -Ursprungs ist ihm aufgedrückt, und das Licht der Unsterblichkeit glänzt -aus seinen Augen. - -So auch Du, geliebte Eva! schöner Stern Deiner irdischen Heimath! Du -gehst, -- aber die, so Dich am meisten lieben, ahnen es nicht! - -Das Gespräch zwischen Tom und Eva wurde hier plötzlich durch einen Ruf -von Miß Ophelia unterbrochen. - -»Eva! -- Eva! -- Kind, der Thau fällt ja, Du darfst nicht mehr draußen -sein!« - -Eva und Tom eilten hinein. - -Miß Ophelia war alt und wohlerfahren im Geschäfte des Wartens und -Pflegens, und kannte genau die ersten Symptome jener schleichenden, -hinterlistigen Krankheit, die so viele der Schönsten und -Liebenswürdigsten dahin rafft, und sie, ehe noch eine einzige -Lebensfaser zerstört zu sein scheint, unwiderruflich dem Tode weiht. Sie -hatte den leichten kurzen Husten und die täglich zunehmende Röthe der -Wange bemerkt; und selbst der Glanz des Auges und die lustige -Lebhaftigkeit des Kindes, nur vom Fieber bedingt, vermochten sie nicht -zu täuschen. - -Sie versuchte, St. Clare ihre Besorgnisse mitzutheilen; allein er wies -derartige Andeutungen mit einem unruhigen, erkünstelten Muthwillen -zurück, der sehr verschieden von seiner gewöhnlich so sorglosen guten -Laune war. - -»O krächze nur nicht, Cousine, -- ich kann's nicht hören!« pflegte er -zu sagen. »Siehst Du denn nicht, daß das Kind nur im Wachsthum begriffen -ist? Kinder verlieren immer Kräfte, wenn sie stark wachsen.« - -»Aber sie hat den Husten.« - -»O Unsinn mit dem Husten! -- 's ist nichts; hat sich vielleicht ein -wenig erkältet.« - -»Ja, ganz auf dieselbe Weise fingen Elisa, Jane, und Ellen und Maria -Sanders an.« - -»O! ich bitte Dich! höre mir mit den Ammenmärchen auf. Ihr alten Leute -werdet so weise, daß ein Kind nicht mehr husten oder niesen kann, ohne -daß Ihr Verzweiflung oder Tod darin erkennt. Nimm das Kind nur in Acht; -laß es nicht in die Nachtluft gehen und nicht zu angestrengt spielen, -und sie wird bald wieder munter werden.« - -So sagte St. Clare; aber er wurde ängstlich und unruhig. Er bewachte Eva -täglich mit fieberhafter Angst, wie sich deutlich aus der öfteren -Wiederholung derartiger Aeußerungen entnehmen ließ, wie: »das Kind sei -ganz wohl, -- der Husten habe gar nichts zu bedeuten, -- er rühre von -nichts als etwas verdorbenem Magen her.« Aber er hielt sich von nun an -mehr bei ihr auf, als er sonst zu thun pflegte, fuhr öfter mit ihr aus -und brachte von Zeit zu Zeit ein neues Recept oder eine stärkende Mixtur -für sie mit nach Haus: -- nicht, wie er sagte, weil das Kind sie nöthig -habe, sondern sie werde ihr keinen Schaden thun. - -Was seinem Herzen größere Angst und Unruhe verursachte, als alles -Andere, war die beim Kinde täglich zunehmende Reife des Geistes und der -Gefühle. Während sie noch das rein kindliche Wesen bewahrte, ließ sie -oft unbewußt Worte von einer solchen Tiefe der Gedanken und einer so -überirdischen Weisheit fallen, daß man sie für Inspirationen hätte -halten können. In solchen Momenten empfand St. Clare ein plötzliches -Beben im Herzen; er preßte sie dann in seine Arme, als ob dieser -zärtliche Druck sie retten könne. - -Des Kindes ganzes Herz und ganze Seele schien an Werken der Liebe zu -hängen. Sie war immer sanft und weich von Natur gewesen; allein jetzt -zeigte sich bei ihr eine rührende, ächt weibliche Empfindungsweise, die -Jedem auffiel. Sie fand noch immer Gefallen daran, mit Topsy und andern -farbigen Kindern zu spielen, aber schien jetzt mehr eine bloße -Zuschauerin zu sein, als wirklich Theil an den Spielen zu nehmen; sie -saß zuweilen halbe Stunden lang und lachte herzlich über Topsy's -wunderliche Streiche, -- und dann senkte sich ein Schatten über ihr -Gesicht, ihre Augen wurden trübe und ihre Gedanken waren weit, weit -fort. - -»Mamma,« sagte sie eines Tages plötzlich zu ihrer Mutter, »weßhalb -lassen wir unsere Dienstboten nicht lesen lernen?« - -»Was für eine Frage, Kind! Man thut das nie.« - -»Warum thut man denn das nicht?« fragte Eva. - -»Weil es für die Leute von keinem Nutzen ist, lesen zu können. Es hilft -ihnen nicht, besser zu arbeiten, und zu etwas Anderem sind sie nicht -da.« - -»Aber sie sollten die Bibel lesen, Mamma, um Gottes Willen kennen zu -lernen.« - -»O! so viel die davon zu wissen brauchen, können sie sich vorlesen -lassen.« - -»Es dünkt mich, Mamma, die Bibel sollten alle Menschen selbst lesen; sie -brauchen sie sehr oft, wenn Niemand da ist, der sie ihnen vorlesen -kann.« - -»Eva, Du bist ein altes Kind,« sagte ihre Mutter. - -»Miß Ophelia lehrt Topsy auch lesen,« fuhr Eva fort. - -»Ja, und Du siehst, welchen Nutzen es ihr bringt. Topsy ist das -ungezogenste Geschöpf, das ich je gesehen habe!« - -»Da ist die arme Mammy!« sagte Eva. »Sie hat die Bibel so lieb und -wünscht so sehr, daß sie lesen könnte! Und was wird sie machen, wenn ich -sie ihr nicht mehr vorlesen kann?« - -Marie war beschäftigt, den Inhalt einer Kommode umzuwenden, als sie -antwortete: - -»Natürlich, Eva, nach einiger Zeit wirst Du schon an andere Dinge zu -denken haben, als den Dienstboten die Bibel vorzulesen. Nicht, daß es -unpassend wäre, -- denn ich habe es, als ich noch gesund war, selbst -gethan; aber wenn Du dich erst ordentlich anziehen und in Gesellschaft -gehen mußt, dann hast Du keine Zeit mehr dazu. Sieh hier!« fügte sie -hinzu, »diese Juwelen will ich Dir schenken, wenn Du größer bist. Ich -habe sie auf meinem ersten Ball getragen. Ich kann Dir sagen, Eva, ich -machte damals Sensation.« - -Eva nahm den Juwelenkasten, und hob ein diamantenes Halsband auf. Ihre -großen, sinnenden Augen ruhten darauf, aber es war klar, ihre Gedanken -waren anderswo. - -»Wie gleichgültig Du dabei aussiehst, Kind!« sagte Marie. - -»Sind diese sehr viel Geld werth, Mamma?« - -»Gewiß! Vater ließ sie mir von Frankreich kommen. Sie sind ein kleines -Vermögen werth.« - -»Ich wünschte, ich hätte sie,« sagte Eva, »um damit machen zu können, -was ich wollte!« - -»Was würdest Du denn damit machen?« - -»Ich würde sie verkaufen, und einen Platz in den Freistaaten ankaufen, -und alle unsere Leute dahin bringen, und Lehrer annehmen, um ihnen Lesen -und Schreiben zu lehren.« - -Eva wurde durch das Lachen ihrer Mutter unterbrochen. - -»Eine Schulanstalt errichten! Wolltest Du ihnen nicht auch lehren, auf -dem Piano zu spielen und auf Sammet zu malen?« - -»Ich würde ihnen lehren, ihre Bibel selbst zu lesen, und ihre Briefe -selbst zu schreiben, und Briefe, die an sie geschrieben worden sind, -selbst zu lesen,« sagte Eva ruhig. »Ich weiß, Mamma, es ist recht -schlimm für sie, daß sie so etwas nicht selbst thun können. Tom fühlt -es, -- Mammy fühlt es, -- und viele Andere fühlen es. Ich denke, das ist -unrecht.« - -»O geh, Eva, Du bist nur ein Kind! Du verstehst von allen diesen Dingen -nichts,« sagte Marie; »und überdieß macht mir Dein Geschwätz -Kopfschmerzen.« - -Marie hatte stets Kopfschmerzen bei der Hand, sobald ihr irgend eine -Unterhaltung nicht zusagte. - -Eva schlich sich fort; aber von der Zeit an gab sie Mammy mit großem -Eifer Leseunterricht. - - - - -Dreiundzwanzigstes Kapitel. - -Henrique. - - -Um diese Zeit brachte St. Clare's Bruder, Alfred, mit seinem ältesten -Sohne, einem Knaben von etwa zwölf Jahren, ein paar Tage bei der Familie -am See zu. - -Es konnte keinen seltsameren und zugleich schöneren Anblick geben, als -diese beiden Zwillingsbrüder. Die Natur hatte, statt zwischen ihnen -Aehnlichkeiten zu schaffen, sie zu Gegenstücken in fast jeder Beziehung -gemacht; und dennoch vereinigte sie auf geheimnißvolle Weise das Band -einer mehr als gewöhnlichen brüderlichen Zuneigung. - -Sie pflegten Arm in Arm die Alleen und Gänge des Gartens zu -durchschlendern. Augustin, mit seinen blauen Augen, blondem Haar, -seiner ätherisch biegsamen Figur und seinen lebhaften Zügen; und Alfred, -mit dunklen Augen, stolzem römischen Profile, gedrungenem Baue, und -fester Haltung. Sie schalten fortwährend gegenseitig auf ihre so -verschiedenartigen Ansichten und Gewohnheiten, und waren dennoch -unzertrennlich in ihrer Gesellschaft; kurz, grade ihre Verschiedenheit -schien sie an einander zu fesseln, wie Attraktion zwischen verschiedenen -Polen des Magnets. - -Henrique, der älteste Sohn Alfred's, war ein dunkeläugiger Knabe von -edlem Aeußern, und voll von Geist und Lebhaftigkeit; und schien vom -ersten Augenblicke seiner Einführung an von den ätherischen Reizen -seiner Cousine Evangeline vollständig bezaubert worden zu sein. - -Eva besaß ein kleines, schneeweißes Ponypferd. Es war sanft wie eine -Wiege, und so ruhig wie seine kleine Herrin. Dieses Pferdchen wurde -jetzt durch Tom vor die Veranda geführt, während ein kleiner -Mulattenknabe von ungefähr dreizehn Jahren ein kleines, schwarzes, -arabisches Pferd heranführte, welches erst kürzlich mit bedeutenden -Unkosten für Henrique importirt worden war. - -Henrique empfand einen knabenhaften Stolz auf sein neues Besitzthum; und -als er sich deßhalb näherte, und die Zügel aus der Hand seines kleinen -Reitknechts empfing, blickte er aufmerksam über das Pferd, und seine -Stirne wurde finster. - -»Was ist das, Dodo, Du fauler, kleiner Hund! Du hast mein Pferd diesen -Morgen nicht geputzt.« - -»O ja, Master,« sagte Dodo unterwürfig, »den Staub da hat es sich selbst -eben angeworfen.« - -»Halt Deinen Mund, Du Schlingel!« rief Henrique heftig, seine -Reitpeitsche aufhebend. »Wie kannst Du Dich erkühnen, zu reden?« - -Der Knabe, ein hübsches, helläugiges Mulattenkind, von Henrique's Größe, -mit dunklem Lockenhaar um eine hohe, kühne Stirne, hatte weißes Blut in -seinen Adern, wie man deutlich aus der plötzlichen Röthe, die seine -Wangen überzog, und dem Funkeln seines Auges erkennen konnte, während er -zu sprechen versuchte. - -»Master Henrique! --« begann er. - -Henrique schlug ihm mit der Reitpeitsche über das Gesicht, faßte einen -seiner Arme, und drückte ihn nieder auf die Kniee, und peitschte ihn -dann so lange, bis er außer Athem war. - -»Da, Du unverschämter Hund! Willst Du lernen, mir nicht zu -widersprechen, wenn ich mit Dir rede? Führe das Pferd zurück, und putze -es erst ordentlich. Ich werde Dich lehren, was Du zu thun hast!« - -»Junger Master!« sagte Tom, »ich denke, was er sagen wollte, war, daß -das Pferd sich wälzte, als er es herbrachte vom Stalle, -- es ist so -muthig; -- davon ist es so schmutzig geworden; das Putzen habe ich mit -angesehen.« - -»Halte Deinen Mund, bis Du gefragt wirst!« sagte Henrique, während er -sich auf dem Absatz umwandte, und die Stufen zu Eva hinaufstieg, welche -in ihrem Reitkleide in der Veranda stand. - -»Liebe Cousine, es thut mir leid, daß dieser dumme Bursche Dich hier so -lange aufhält,« sagte er. »Komm, laß uns hier niedersitzen und warten, -bis er die Pferde bringt. Aber was ist Dir denn, Cousine? -- Du siehst -ja so verstimmt aus.« - -»Wie konntest Du so grausam und so schlecht gegen den armen Dodo -handeln?« sagte Eva. - -»Grausam, -- schlecht?« sagte der Knabe mit ungekünsteltem Erstaunen. -»Was meinst Du, liebe Eva?« - -»Ich will nicht, daß Du mich liebe Eva nennest, wenn Du so handelst,« -entgegnete Eva. - -»Liebe Cousine, Du kennst den Dodo nicht; es ist dies der einzige Weg, -um mit ihm fertig zu werden; er ist so voll von Lügen und -Entschuldigungen. Man muß ihn gleich ganz zum Schweigen bringen, -- ihn -gar nicht den Mund öffnen lassen; so macht es Papa.« - -»Aber Onkel Tom sagte, es war ein Zufall, und er sagt niemals eine -Unwahrheit.« - -»Dann ist er ein ganz ungewöhnlicher alter Neger!« sagte Henrique. »Dodo -lügt so schnell, wie er nur sprechen kann.« - -»Du schüchterst ihn so ein, daß er lügt, wenn Du ihn so behandelst,« -sagte Eva. - -»In der That, Eva, Du hast eine solche Vorliebe für Dodo gefaßt, daß ich -anfange, eifersüchtig zu werden.« - -»Aber Du schlugst ihn, -- und er hatte es nicht verdient.« - -»Gut, so mag es für ein andres Mal gelten, wenn er's verdient, und nicht -bekömmt. Ein paar Hiebe thun Dodo nie Schaden, -- er ist ein arger -Bursche, ich versichere Dich; aber ich will ihn nie wieder in Deiner -Gegenwart züchtigen, wenn es Dir unangenehm ist.« - -Eva war nicht zufriedengestellt, aber sah, daß es vergeblich sei, ihre -Gefühle auszudrücken, da der hübsche Cousin sie nicht verstand. - -»Wohl, Dodo, dieses Mal hast Du es besser gemacht,« sagte der junge -Master mit gnädigerer Miene als vorher. »Komm nun, und halte Miß Eva's -Pferd, während ich sie in den Sattel hebe.« - -Dodo kam, und stand bei Eva's Pony. Sein Gesicht war traurig, und seine -Augen verriethen, daß er geweint hatte. - -Henrique, der sich etwas auf seine Gewandtheit in Allem, was Galanterie -betraf, zu gut that, hatte seine hübsche Cousine sehr bald im Sattel -sitzen, und nahm sodann die Zügel zusammen, um sie in ihre Hand zu -legen. Allein Eva wendete sich nach der andern Seite zu, wo Dodo stand, -und sagte, als dieser die Zügel fahren ließ: »So ist's recht, Dodo, -- -bist ein guter Junge, ich danke Dir!« - -Dodo blickte erstaunt in das sanfte, jugendliche Gesicht, das Blut schoß -ihm in die Wangen, und Thränen traten in seine Augen. - -»Hier, Dodo,« rief sein junger Herr befehlend. - -Dodo sprang zu ihm und hielt das Pferd, während Letzterer aufstieg. - -»Da ist eine Picayune für Dich, Dodo,« sagte Henrique, »magst Dir -Zuckerwerk dafür kaufen.« - -Henrique galloppirte die Allee hinab, hinter Eva her, und Dodo blieb -stehen, und blickte beiden Kindern nach. Das eine hatte ihm Geld -gegeben, und das andere, was ihm mehr Noth that, -- ein freundliches -Wort. Dodo war nur erst wenige Monate von seiner Mutter entfernt. Sein -Herr hatte ihn auf einem Sklavenmarkte seines hübschen Gesichtes wegen -gekauft, um zu dem hübschen arabischen Pferde zu passen, und er empfing -jetzt von den Händen seines jungen Masters die Dressur. - -Die Prügelscene war von den beiden Brüdern St. Clare von einem andern -Theile des Gartens aus mit angesehen worden. Augustins Wange glühte vor -Unwillen, aber er bemerkte nur mit der ihm eigenthümlichen sarkastischen -Nachlässigkeit: - -»Ist das vielleicht, was man republikanische Erziehung zu nennen pflegt, -Alfred?« - -»Henrique ist ein Teufel von einem Jungen, wenn er hitzig ist,« sagte -Alfred nachlässig. - -»Ich vermuthe, Du hältst dies für eine nützliche Uebung für ihn,« -bemerkte Augustin trocken. - -»Ich würde es nicht verhindern können, wenn ich's auch nicht thäte. -Henrique ist ein wahrer, kleiner Sturmwind; -- seine Mutter und ich, wir -haben ihn längst aufgegeben. Aber dieser Dodo ist auch ein hartnäckiger -Bursche, -- kein Peitschen kann ihm Schaden thun. - -Und bringt Henrique zugleich den ersten Vers seines republikanischen -Katechismus bei: ›Alle Menschen sind frei und gleich geboren!‹« - -»Puh!« sagte Alfred, »das ist eins von Tom Jefferson's Stückchen von -französischem Sentimentalismus und Unsinn. Es ist förmlich lächerlich, -daß eine solche Idee noch jetzt unter uns herumspuckt.« - -»Ich glaube es auch,« sagte St. Clare bedeutungsvoll. - -»Denn,« fuhr Alfred fort, »wir können deutlich genug sehen, daß -^nicht^ alle Menschen frei und gleich geboren sind; sie sind sehr -verschieden geboren. Was mich betrifft, so halte ich alles dieses -republikanische Geschwätz für nichts als Unsinn. Es sind die Gebildeten, -die Reichen, welche gleiche Rechte haben sollten, aber nicht die -_canaille_.« - -»Wenn Du die _canaille_ von dieser Ansicht überzeugen kannst,« sagte -Augustin. »In Frankreich sind sie einmal auch an der Reihe gewesen.« - -»Natürlich müssen sie ^unter Druck^ gehalten werden, fest und -consequent, so, wie ich es thun würde,« sagte Alfred, seinen Fuß fest -niedersetzend, als wenn er auf Jemand stände. - -»Es verursacht einen fürchterlichen Fall, wenn sie aufstehen,« bemerkte -Augustin, -- »zum Beispiel in St. Domingo.« - -»Puh!« entgegnete Alfred, »dafür wollen wir hier schon sorgen. Wir -müssen uns durchaus allen diesen Geschwätzen von Erziehung und Bildung -entgegen stemmen, die jetzt überall gehört werden. Die untere Klasse muß -keine Erziehung und Bildung haben.« - -»Dafür möchte alles Beten nichts mehr helfen,« sagte Augustin; »eine -Erziehung werden sie erhalten, und wir haben nur zu sagen, welche. Unser -System ist, sie in Rohheit und Unmenschlichkeit zu erziehen. Wir -zerreißen alle menschlichen Bande, und machen sie zu nichts als rohen, -thierischen Geschöpfen; und als solche werden sie sich zeigen, wenn sie -je die Oberhand gewinnen sollten.« - -»Sie werden nie die Oberhand gewinnen!« sagte Alfred. - -»Das ist recht,« entgegnete St. Clare; »laß den Dampf los, schließe das -Sicherheitsventil, setze Dich dabei, und sieh zu, wo Du landen wirst.« - -»Gut,« sagte Alfred, »wir wollen sehen. Ich fürchte mich nicht, am -Sicherheitsventile zu sitzen, so lange die Dampfkessel stark sind, und -die Maschine in Ordnung ist.« - -»Der Adel in Louis _XVI._ Zeit dachte auch so, und Oestreich und Pius -_IX._ denken noch so; und eines schönen Morgens könnt Ihr Euch alle -vielleicht in der Luft begegnen, ^wenn die Dampfkessel gesprungen -sind^.« - -»_Dies declarabit_,« sagte Alfred lachend. - -»Ich sage Dir,« fuhr Augustin fort, »wenn in unserer jetzigen Zeit -irgend Etwas mit der Kraft eines göttlichen Gesetzes offenbart worden -ist, so ist es das, daß die Massen aufstehen, und die unteren Klassen an -die Stelle der oberen gestellt werden.« - -»Das ist etwas von Deinem rothrepublikanischen Unsinn, Augustin! Warum -bist Du denn nicht Volksredner geworden? -- Du eignest Dich ganz -vortrefflich dazu! -- Nun, ich hoffe nur, daß ich todt bin, ehe dieses -tausendjährige Reich Deiner schmutzigen Massen kommt.« - -»Schmutzig oder nicht schmutzig, -- sie werden Dich beherrschen, -wenn ihre Zeit kommt,« sagte Augustin, »und sie werden grade solche -Herrscher sein, als wozu Ihr sie macht. Der französische Adel -wollte das Volk als ›_sans culottes_‹ haben, und er bekam ›_sans -culottes_‹-Herrscher in vollem Maaße. Das Volk in Hayti --« - -»O, laß das, Augustin! -- als wenn wir nicht genug von den -abscheulichen, verächtlichen Haytiern gehört hätten! Sie waren keine -Angelsachsen; wenn sie die gewesen wären, so würde die Sache eine andre -Wendung genommen haben. Das Geschlecht der Angelsachsen ist das -herrschende auf der Erde, und verdient es zu sein.« - -»Nun, ich glaube, es ist jetzt eine gute Quantität angelsächsisches Blut -unter unseren Sklaven,« sagte Augustin. »Es giebt Viele unter ihnen, die -von dem afrikanischen grade nur so viel haben, um unserer berechnenden -Ruhe und Sicherheit etwas tropische Wärme zu verleihen. Wenn jemals die -St. Domingo-Stunde hier schlagen sollte, so wird das angelsächsische -Blut der Führer des Tages sein. Söhne weißer Väter, mit allem unserem -Stolze in ihren Adern, werden nicht immer gekauft und verkauft werden, -und Gegenstand des Handels sein. Sie werden sich erheben, und das -Geschlecht ihrer Mütter zugleich mit.« - -»Unsinn!« rief Alfred. - -»Gut,« sagte Augustin, »es gibt ein altes Sprichwort, des Inhalts: ›So -wie es zur Zeit Noah's war, so wird es wieder sein; -- sie aßen, sie -tranken, sie pflanzten, sie bauten, und wußten es nicht, bis die Fluth -kam und sie verschlang.‹« - -»Im Ganzen genommen, Augustin, dächte ich, hättest Du hinreichendes -Talent für einen Kunstreiter,« sagte Alfred lachend. »Sei Du nur nicht -für uns besorgt; Besitz ist unsere Festung. Wir haben die Macht; und -dieses verworfene Geschlecht,« sagte er, mit dem Fuße stampfend, »ist -unten, und soll unten bleiben! Wir besitzen Energie genug, um unser -eignes Pulver richtig anzuwenden.« - -»Söhne, die wie Dein Henrique erzogen sind, werden vortreffliche -Aufseher unserer Pulvermagazine abgeben,« sagte Augustin, -- »so ruhig -und überlegend! Das Sprichwort sagt: ›Wer sich nicht selbst beherrschen -kann, ist nicht im Stande, Andere zu beherrschen.‹« - -»Es ist da allerdings ein Uebelstand,« sagte Alfred gedankenvoll; »es -läßt sich nicht in Abrede stellen, daß unser System nicht sonderlich -dazu geeignet ist, Kinder zu erziehen. Es läßt den Leidenschaften zu -großen Spielraum, welche in unserem Klima ohnedies schon heiß genug -sind. Henrique verursacht mir viel Unruhe. Der Knabe ist edelmüthig, und -hat ein warmes Herz, aber ist eine wahre Rakete, sobald er sich in -Aufregung befindet. Ich glaube, ich werde ihn nach Norden senden müssen, -wo Gehorsam mehr an der Tagesordnung ist, und wo seine Gesellschafter -mehr seines Gleichen, und weniger seine Untergebenen sind.« - -»Da Kindererziehung ein für das menschliche Geschlecht so wichtiger -Gegenstand ist,« sagte Augustin, »so sollte ich denken, daß es einige -Betrachtung verdiente, weshalb unser System nicht gut ist.« - -»Es ist in manchen Beziehungen mangelhaft,« sagte Alfred, »während es in -andern die besten Erfolge hat. Es macht Knaben männlich und muthig, und -die Laster eines verworfenen Geschlechtes wirken dahin, in ihnen die -denselben entgegengesetzten Tugenden zu stärken und zu befestigen. Ich -glaube zum Beispiel, daß Henrique um so mehr Gefühl für die Schönheit -der Wahrheit hat, als er Lug und Trug stets als Kennzeichen der -Sklaverei gesehen hat.« - -»Das ist eine ächt christliche Anschauung der Sache, ohne Zweifel!« -sagte Augustin. - -»Sie ist wahr, ob christlich oder nicht,« sagte Alfred, »und doch -vielleicht eben so christlich, wie viele andre Dinge in der Welt.« - -»Das mag sein,« entgegnete St. Clare. - -»Unser Gespräch führt zu nichts, Augustin. Ich glaube, wir haben diesen -Kreislauf bereits fünfhundertmal gemacht. Was meinst Du zu einer Partie -Puff?« - -Die beiden Brüder sprangen die Stufen der Veranda hinauf, und saßen bald -vor einem leichten Tische von Bambus, mit dem Puffbrette zwischen -ihnen. - -»Ich sage Dir, Augustin, wenn ich so dächte, wie Du, so würde ich -wenigstens Etwas thun.« - -»Wahrscheinlich, -- denn Du gehörst zu der thätigen Klasse von Menschen, --- aber was denn?« - -»Ich würde meine eigenen Sklaven zum Muster für Andere erziehen,« sagte -Alfred mit einem halb höhnischen Lächeln. - -»Du könntest eben so wohl den Berg Aetna flach auf sie stellen, und -ihnen heißen, darunter aufzustehen, wie mir rathen, meine Sklaven unter -dieser erdrückenden Masse der Gesellschaft zu erziehen. Ein Mann allein -kann gegen den Strom einer ganzen Commune nichts thun.« - -»Du hast den ersten Wurf,« sagte Alfred, und beide Brüder waren bald in -ihr Spiel vertieft, und hörten nichts mehr, bis der Schall von -Pferdehufen unter der Veranda erklang. - -»Da kommen die Kinder,« sagte Augustin, aufstehend. »Sieh' da, Alf, hast -Du jemals etwas so Schönes gesehen?« - -Und es war in der That ein schöner Anblick. Henrique mit seiner hohen, -kühnen Stirn, seinen dunkelen, glänzenden Locken, und seiner glühenden -Wange, lachte heiter, während er sich an seine schöne Cousine wendete, -und Beide näher kamen. Eva trug ein blaues Reitkleid, mit einer Mütze -von derselben Farbe. Die Bewegung hatte ihren Wangen höhere Farbe -verliehen, und ließ ihre wunderbar durchsichtige Haut und ihr goldenes -Haar noch eindrucksvoller erscheinen. - -»Gott im Himmel! welche blendende Schönheit ist das!« rief Alfred. »Ich -sage Dir, August, -- wird sie nicht bald schon Manchem das Herz schwer -machen?« - -»Ja, nur zu sehr, -- Gott weiß, ich fürchte es!« sagte St. Clare mit -plötzlich bitterem Tone, während er hinunter eilte, um sie -herabzuheben. - -»Eva, Liebling! bist Du nicht sehr ermüdet?« sagte er, indem er sie in -seine Arme nahm. - -»Nein, Papa,« entgegnete sie; allein ihr kurzer, scharfer Athem -beunruhigte ihren Vater lebhaft. - -»Wie konntest Du so scharf reiten, liebes Kind? -- Du weißt, es ist Dir -so nachtheilig.« - -»Ich fühle mich so wohl, Papa, und es gefiel mir so sehr, daß ich es -vergaß.« - -St. Clare trug sie auf seinen Armen in das Zimmer, und legte sie auf das -Sopha. - -»Henrique, Du mußt vorsichtiger mit Eva sein,« sagte er, »Du mußt nicht -so scharf mit ihr reiten.« - -»Ich will sie unter meine Pflege nehmen,« sagte Henrique, setzte sich an -das Sopha, und nahm ihre Hand in die seinige. - -Eva fühlte sich bald besser. Ihr Vater und Onkel setzten ihr Spiel fort, -und die Kinder waren sich selbst überlassen. - -»Weißt Du, Eva, es ist recht schade, Papa will nur zwei Tage hier -bleiben, und dann sehe ich Dich so lange nicht wieder. Wenn ich hier -bliebe bei Dir, würde ich mir rechte Mühe geben, immer gut zu sein, und -nie Dodo hart zu behandeln. Ich will Dodo nichts Böses zufügen, aber, -siehst Du, ich habe ein so hitziges Temperament. Ich bin nicht immer -häßlich gegen ihn; ich gebe ihm manchmal eine Picayune. Ich glaube auch, -im Ganzen genommen hat es Dodo recht gut.« - -»Würdest Du glauben, daß Du es gut hättest, wenn Dir kein Wesen der Welt -nahe wäre, das Dich liebte?« - -»Ich? -- natürlich nicht.« - -»Und Du hast Dodo von allen den Freunden, die er hatte, fortgerissen, -und nun hat er Niemanden mehr, der ihn lieb hat; -- wer kann unter -solchen Umständen gut sein!« - -»Nun, ich kann's nicht ändern, ich wüßte wenigstens nicht wie. Ich kann -nicht seine Mutter holen, und ich kann ihn nicht selbst lieben, oder -irgend ein Andrer, so viel ich weiß.« - -»Warum kannst Du nicht?« fragte Eva. - -»Dodo lieben? Wie, Eva, das wirst Du doch nicht von mir verlangen! Ich -kann ihn wohl ganz ^gern haben^; aber Du liebst doch Deine Dienstboten -nicht.« - -»Gewiß thue ich das.« - -»Wie sonderbar!« - -»Befiehlt uns die Bibel nicht, alle Menschen zu lieben?« - -»O, die Bibel! Ja, die sagt wohl viele Sachen; aber es denkt wohl -Niemand daran, sie zu thun, -- das weißt Du doch, Eva?« - -Eva antwortete nicht; ihre Augen waren einige Sekunden lang starr und -sinnend. - -»Auf jeden Fall,« sagte sie endlich, »lieber Cousin, bitte, habe den -armen Dodo lieb, und sei freundlich gegen ihn, mir zu Liebe!« - -»Dir zu Liebe könnte ich wer weiß was lieb haben; denn, wahrlich, ich -glaube, Du bist das liebenswürdigste Wesen, das ich je gesehen habe, -liebe Cousine!« sagte Henrique mit einem solchen Ernste und Eifer, daß -sein hübsches Gesicht glühte. - -Eva empfing diese Erklärung mit vollständiger Einfalt des Herzens, und -ohne daß sich ein Zug ihres Gesichtes veränderte. Sie sagte nur: »Das -freut mich, lieber Henrique! Ich hoffe, Du wirst es nicht vergessen.« - -Der Schall der Mittagsglocke machte hier der Unterhaltung ein Ende. - - - - -Vierundzwanzigstes Kapitel. - -Vorboten. - - -Zwei Tage später reiste Alfred St. Clare mit seinem Sohne wieder ab, und -Eva, die durch die Gesellschaft ihres jungen Cousin zu Anstrengungen -veranlaßt worden war, welche ihre Kräfte überstiegen, begann von nun an -schwächer und schwächer zu werden. St. Clare verstand sich endlich dazu, -ärztliche Hülfe in Anspruch zu nehmen, wovor er sich bisher immer -deßhalb gescheut hatte, weil es das Zugeständniß einer traurigen -Wahrheit enthielt. Allein Eva fühlte sich einige Tage lang so krank, daß -sie selbst das Haus nicht mehr verlassen konnte, -- und so wurde der -Arzt gerufen. - -Marie St. Clare hatte das allmählige Abnehmen der Gesundheit und der -Kräfte des Kindes nicht beachtet, weil ihre ganze Aufmerksamkeit sich -darauf gerichtet hatte, zwei oder drei neue Krankheitsarten zu studiren, -deren Opfer sie selbst zu sein glaubte. Es war Mariens erster und -unumstößlicher Glaubensartikel, daß Niemand so viel leide und leiden -könne, wie sie selbst; und aus diesem Grunde wies sie stets alle -Andeutungen, daß irgend Jemand ihrer Umgebung krank sein könne, mit -Unwillen zurück. Sie war in solchem Falle stets dessen gewiß, daß es nur -Trägheit oder Mangel an Energie sein könne, woran Jene litten, und daß -sie, wenn sie ein Leiden wie das ihrige zu tragen hätten, sehr bald den -Unterschied erkennen würden. - -Miß Ophelia hatte mehrmals versucht, ihre mütterliche Besorgniß für Eva -zu erwecken; aber vergeblich. - -»Ich sehe nicht, was dem Kinde fehlen soll,« pflegte sie zu sagen, »sie -läuft ja umher und spielt.« - -»Aber sie hat den Husten.« - -»Husten! -- Sie brauchen mir nicht zu sagen, was Husten ist. Ich habe am -Husten gelitten, so lange ich lebe. Als ich in Eva's Alter war, dachten -Alle, ich hätte die Auszehrung. Nacht für Nacht mußte Mammy bei mir -wachen. O! Eva's Husten ist gar nichts.« - -»Aber sie wird immer schwächer, und ihr Athem immer kürzer.« - -»Mein Gott! Das habe ich jahrelang gehabt; 's ist nichts als etwas -Nervenschwäche.« - -»Aber sie hat des Nachts auch so starken Schweiß.« - -»So, -- habe ich denn den nicht schon seit zehn Jahren? Fast Nacht für -Nacht ist meine Wäsche zum Ausringen naß, und das Bettzeug so feucht, -daß Mammy es aufhängen muß, um es zu trocknen! Eva's Schweiß ist doch -damit nicht zu vergleichen!« - -Miß Ophelia sagte eine Zeit lang gar nichts mehr, allein, als Eva -endlich bettlägerig geworden und ein Arzt herbeigerufen worden war, nahm -Marie plötzlich eine andere Wendung. - -»Sie habe es gewußt,« sagte sie, »sie habe es immer gefühlt, daß sie -bestimmt sei, die unglücklichste aller Mütter zu sein. Da liege sie nun -mit ihrer leidenden Gesundheit, und müsse ihr einziges Kind, ihren -Liebling vor ihren Augen zu Grabe gehen sehen.« - -»Meine liebe Marie,« pflegte dann St. Clare zu sagen, »sprich nicht so! -Du solltest an ihrem Zustande nicht gleich ganz verzweifeln.« - -»O Du hast nicht die Empfindungen einer Mutter, St. Clare! Du hast mich -nie verstehen können! -- und jetzt am allerwenigsten!« - -»Aber sprich doch nur nicht so, als wenn alle Hoffnung verloren wäre!« - -»Ich kann die Sache nicht so leicht nehmen, wie Du, St. Clare. Wenn Du -es nicht fühlst, wenn Dein Kind in einem so hoffnungslosen Zustande ist, --- ich fühle es! Der Schlag ist für mich zu hart, mit alle dem, was ich -vorher schon gelitten habe.« - -»Es ist wahr,« entgegnete St. Clare, »daß Eva von Natur sehr schwächlich -ist, und daß ihre Kräfte durch zu schnelles Wachsen in hohem Grade -erschöpft sind, und daß ihr Zustand sehr bedenklich ist; allein gerade -jetzt ist sie nur durch die Hitze der Jahreszeit auf's Bett geworfen -worden, wozu die Aufregung und die Anstrengungen beigetragen haben, die -durch den Besuch ihres jungen Cousin verursacht worden sind. Der Arzt -sagt, es sei noch nicht alle Hoffnung verloren.« - -»Gut, natürlich, wenn Du die Sache noch aus einem günstigen Lichte -betrachten kannst, so thue es; -- es ist eine Wohlthat in dieser Welt, -wenn die Menschen keine tiefen Gefühle haben. Ich wollte, ich hätte auch -keine, denn sie machen mich nur noch elender! -- Ich wünschte, ich -^könnte^ eben so sorglos darüber sein wie Ihr andern alle!« - -Eine oder zwei Wochen später zeigte sich plötzlich eine günstige -Veränderung der Symptome, -- eine jener trügerischen Windstillen, durch -die jene unerbittliche Krankheit so oft das angstvolle Herz noch am -Rande des Grabes täuscht. Eva's Tritt schwebte wieder durch den Garten, -durch die Balkone, -- sie spielte wieder und lachte wieder, und ihr -Vater erklärte in seinem Entzücken, daß sie bald wieder so gesund sein -solle, wie je zuvor. Nur Miß Ophelia und der Arzt schöpften keine neuen -Hoffnungen aus diesem trügerischen Wechsel. Und noch ein anderes Herz -schlug, das auch dieselbe Gewißheit in sich fühlte, und das war Eva's -kleines Herz. Was für eine Stimme ist das, die zuweilen im Herzen so -ruhig, so deutlich spricht, daß seine irdische Zeit bald abgelaufen sei? -Ist es der geheime Instinkt der vergehenden Natur, oder ist es ein -ahnender Herzschlag, wenn die Ewigkeit uns näher rückt? Was es auch -sei, in Eva's Herzen war die ruhige, süße, prophetische Gewißheit -vorhanden, daß der Himmel ihr nahe sei, und nur der Schmerz um -diejenigen, die sie so innig liebten, beunruhigte ihr kleines Herz. Denn -das Kind, obgleich es so zärtlich auferzogen worden war, und obgleich -sich das Leben vor ihm mit allem Glanze ausbreitete, den Liebe und -Reichthum gewähren können, empfand dennoch keinen Schmerz über sein -nahendes Scheiden. In jenem Buche, in dem sie mit ihrem schlichten, -alten Freunde so viel gelesen, hatte sie das Bild Eines gefunden und in -ihr Herz geschlossen, der das kleine Kind liebte; und während sie sann -und an ihn dachte, hatte er aufgehört, ein bloßes Bild und Gemälde zu -sein, und war eine lebendige, Alles umfassende Wirklichkeit geworden. -Seine Liebe umschloß ihr kindliches Herz mit mehr als menschlicher -Zärtlichkeit, und zu Ihm, nach Seinem Hause, sagte sie, daß sie gehe. - -Aber ihr Herz dachte mit wehmüthiger Zärtlichkeit an alle diejenigen, -die sie zurücklassen mußte; zunächst an ihren Vater, -- denn, obgleich -sie sich dessen nicht deutlich bewußt war, hatte sie dennoch das -instinktmäßige Gefühl, daß sie seinem Herzen mehr angehöre, als irgend -einem andern. Sie liebte ihre Mutter, weil ihr ganzes Wesen Liebe war, -und alle die Selbstsucht, die sie an ihr wahrnahm, verursachte ihr nur -Betrübniß und Verwunderung; denn sie hatte das dunkle, kindliche Gefühl, -daß ihre Mutter nicht unrecht thun könne. Eben so gedachte sie mit Liebe -jener treuen, anhänglichen Dienstboten, für die sie wie Tageslicht und -Sonnenschein gewesen war. Kinder generalisiren in der Regel nicht, -allein Eva war ein ungewöhnlich reifes Kind, und was sie von den Uebeln -jenes Systems gesehen hatte, unter dem jene Unglücklichen lebten, war -eins nach dem andern in die Tiefen ihres sinnenden Gemüthes gesunken. -Sie empfand ein dunkles Sehnen, irgend etwas für sie zu thun, -- ein -Sehnen, das in so grellem Gegensatze zu der Gebrechlichkeit ihrer -kleinen, körperlichen Hülle stand. - -»Onkel Tom,« sagte sie eines Tages, als sie ihm vorlas, -- »ich kann es -mir erklären, weßhalb Jesus für uns sterben ^wollte^.« - -»Weßhalb, Miß Eva?« - -»Weil ich grade dasselbe Gefühl auch habe.« - -»Welches Gefühl, Miß Eva? -- ich verstehe Sie nicht.« - -»Ich kann es Dir nicht beschreiben: aber als ich jene unglücklichen -Wesen auf dem Schiffe sah, -- Du weißt ja, als wir zusammen hierher -fuhren, -- von denen einige ihre Mütter verloren hatten, und andere um -ihre Männer, und noch andere um ihre Kinder weinten, -- und als ich von -der armen Prue hörte, -- o, war das nicht schrecklich! -- da dachte ich, -ich würde gern sterben, wenn mein Tod allem diesem Elend ein Ende machen -könnte. -- Ich würde ^gern^ sterben, gewiß, Tom, wenn ich könnte,« -fügte sie lebhafter hinzu, indem sie ihre kleine Hand auf die seinige -legte. - -Tom blickte mit Ehrfurcht auf das Kind, und als es auf den Ruf seines -Vaters davon eilte, trocknete er seine Augen viele, viele Male, während -er ihr nachschaute. - -»'s ist vergeblich, Miß Eva hier behalten zu wollen,« sagte er zu Mammy, -der er gleich nachher begegnete; -- »sie hat schon das Zeichen des Herrn -auf ihrer Stirn.« - -»Ach, ja, ja,« sagte Mammy, ihre Hände aufhebend; -- »habe immer das -gesagt. Sie war nie, wie ein Kind ist, das leben soll, -- 's war immer -so 'was Tiefes in ihren Augen. Hab's Missis oft genug gesagt, -- 's muß -wahr werden, -- wir sehen's Alle, -- das liebe, kleine Lamm!« - -Eva trippelte die Stufen der Veranda hinauf zu ihrem Vater. Es war spät -am Nachmittage, und die Strahlen der Sonne bildeten eine Art Glorie -hinter ihr, während sie sich ihm nahte in ihrer weißen Kleidung, mit dem -goldenen Haar, den glühenden Wangen und den vom langsamen Fieber, das in -ihren Adern brannte, unnatürlich glänzenden Augen. - -St. Clare hatte sie gerufen, um ihr eine kleine Statue zu zeigen, die er -für sie gekauft hatte; aber ihre Erscheinung, als sie sich näherte, -ergriff ihn plötzlich auf schmerzhafte Weise. Es gibt eine Art -hinreißender, aber so gebrechlicher Schönheit, daß wir sie kaum zu -betrachten vermögen. Ihr Vater drückte sie heftig in seine Arme, und -vergaß beinahe, was er ihr hatte sagen wollen. - -»Eva, mein liebes Kind, Du bist jetzt besser, -- nicht wahr?« - -»Papa,« sagte Eva mit plötzlicher Festigkeit, -- »ich habe Dir Etwas -sagen wollen -- schon seit langer Zeit. Ich will es Dir jetzt sagen, ehe -ich noch schwächer werde.« - -St. Clare zitterte, während Eva sich auf seinen Schooß setzte. Sie legte -ihren Kopf an seinen Busen und sagte: - -»Es nützt nichts, Papa, daß ich es noch länger bei mir behalte. Die Zeit -naht, wo ich Dich verlassen muß. Ich gehe und kehre nie wieder!« sagte -sie schluchzend. - -»O nein, meine liebe kleine Eva!« sagte ihr Vater bebend, während er -sprach, aber einen heitern Ton annehmend, »Du bist angegriffen und -niedergeschlagen, aber Du mußt Dich nicht so düsteren Gedanken hingeben. -Sieh' hier, ich habe eine kleine Statue für Dich gekauft!« - -»Nein, Papa,« entgegnete Eva, sie sanft bei Seite schiebend, -- »täusche -Dich nicht selbst! Ich bin ^nicht^ besser, ich fühle das recht wohl, --- und ich gehe bald. Ich bin nicht angegriffen, -- ich bin nicht -niedergeschlagen. Wenn es nicht Deinethalben wäre, Papa, und um meiner -Freunde willen, so wäre ich ganz glücklich. Ich gehe gern, -- ich sehne -mich danach!« - -»Wie, Kind, was hat denn Dein armes kleines Herz so traurig gemacht? Du -hast Alles gehabt, was möglich war, um Dich glücklich zu machen.« - -»Ich möchte lieber im Himmel sein, obgleich ich um meiner Freunde willen -gern lebte. Es gibt hier so viele Dinge, die mich traurig machen, die -mir schrecklich erscheinen; -- deßhalb möchte ich lieber dort sein, -- -aber ich verlasse Dich nicht gern, -- es bricht mir beinahe das Herz.« - -»Was macht Dich denn so traurig und erscheint Dir so schrecklich, Eva?« - -»O, Dinge, die immer und immer geschehen. Unsere armen Leute thun mir -leid; sie haben mich so lieb und sind alle so gut gegen mich. Ich -wünschte, Papa, sie wären alle ^frei^.« - -»Wie, Eva, glaubst Du denn nicht, daß sie es alle gut haben?« - -»Ja, aber, Papa, wenn Dir irgend etwas zustoßen sollte, was würde dann -aus ihnen werden? Es gibt wohl wenige Menschen, die so wie Du sind. -Onkel Alfred ist nicht so und Mamma ist nicht so; und dann denke nur -einmal an die Herrschaft der armen, alten Prue! was für schreckliche -Dinge Menschen begehen können!« sagte Eva schaudernd. - -»Mein liebes Kind, Du bist zu reizbar. Ich bereue es, daß ich Dich -jemals solche Dinge habe hören lassen.« - -»O, sieh, Papa, das ist's, was mich beunruhigt. Du willst, daß ich -glücklich leben und nie Schmerzen, -- nie Leiden haben, -- selbst nicht -einmal eine traurige Geschichte hören soll, während andere arme Wesen -nichts als Schmerz und Kummer ihr ganzes Leben lang haben, -- ist das -nicht selbstsüchtig? Ich muß solche Sachen hören und darüber denken! -Solche Sachen sanken mir immer in's Herz, -- tief, tief, und ich habe -darüber gedacht und gedacht. Papa, ist denn gar kein Weg möglich, um -alle Sklaven frei zu machen?« - -»Das ist eine schwierige Frage, Kind. Ohne Zweifel ist ihr jetziges Loos -ein sehr trauriges. Viele Menschen denken so und ich selbst denke so. -Von Herzen wünschte ich, daß es im ganzen Lande keinen Sklaven gäbe; -aber ich weiß nicht, wie das zu erreichen ist.« - -»Papa, Du bist so gut und so edel und so freundlich, und weißt Alles so -hübsch zu sagen, -- könntest Du denn nicht zu allen Leuten herumgehen, -und sie zu überreden suchen, dieses Unrecht abzustellen? Wenn ich todt -bin, Papa, dann wirst Du an mich denken, und es um meinetwillen thun. -Ich würde es selbst thun, wenn ich könnte.« - -»Wenn Du todt bist, Eva?« sagte St. Clare leidenschaftlich. »O Kind, -sage nicht so etwas zu mir; -- Du bist ja mein Alles, was ich auf Erden -besitze.« - -»Das Kind der armen, alten Prue war auch Alles, was sie besaß, -- und -dennoch mußte sie es schreien hören und durfte ihm nicht helfen! Papa, -diese armen Wesen lieben ihre Kinder eben so sehr wie Du mich liebst. O, -thue etwas für sie! Die arme Mammy liebt ihre Kinder auch; ich habe -gesehen, wie sie weinte, wenn sie von ihnen sprach. Und Tom liebt seine -Kinder, und ist es nicht schrecklich, Papa, daß solche Dinge immer und -immerfort geschehen?« - -»Still, still, mein Liebling,« sagte St. Clare beruhigend: »beunruhige -Dich nur nicht so sehr, und sprich mir nicht von sterben, und ich will -Alles thun, was Du willst.« - -»Und versprich mir, lieber Vater, daß Tom seine Freiheit haben soll, -sobald« -- sie hielt inne und fügte zaudernd hinzu -- »ich nicht mehr da -bin!« - -»Ja, mein Kind, ich will Alles -- Alles in der Welt thun, um was Du mich -bittest.« - -»Mein lieber Vater,« sagte dann das Kind, indem es seine brennende -Wange an die seinige legte, »wie sehr wünschte ich, daß wir zusammen -gehen könnten!« - -»Wohin, mein Liebling?« fragte St. Clare. - -»Nach der Heimath unseres Erlösers; -- da ist Alles so schön, so -friedlich, -- so liebreich!« Das Kind sprach unbewußt wie von einem -Platze, wo es oft gewesen war. »Willst Du nicht mit gehen, Papa?« fügte -sie hinzu. - -St. Clare drückte sie fester an sich, aber schwieg. - -»Du wirst zu mir kommen,« sagte das Kind in einem Tone ruhiger -Bestimmtheit, in welchem es oft unbewußt sprach. - -»Ich folge Dir, -- ich werde Dich nicht vergessen.« - -Die Schatten dieses feierlichen Abends legten sich dichter und dichter -um sie, während St. Clare schweigend da saß und die kleine gebrechliche -Körperform an seinem Busen hielt. Er sah nicht mehr die tiefen Augen, -aber ihre Stimme berührte ihn wie eine Geisterstimme, und sein ganzes -vergangenes Leben stieg in einem Augenblick vor seinen Augen auf, als -sollte darüber Gericht gehalten werden: Die Gebete und Hymnen seiner -Mutter; sein eignes früheres Sehnen und Streben nach dem Guten; und -zwischen jener Zeit und der gegenwärtigen Stunde Jahre von Weltlichkeit, -Ungläubigkeit und was die Menschen anständiges Leben nennen. Wir können -^viel^, sehr viel in einem Augenblicke denken. St. Clare sah und -dachte viel, aber sagte nichts. Und als es dunkler wurde, trug er sein -Kind in das Schlafzimmer; und nachdem es zur Nachtruhe vorbereitet -worden war, sandte er die Dienstboten hinweg und wiegte es in seinen -Armen, und sang es ein, bis es entschlummert war. - - - - -Fünfundzwanzigstes Kapitel. - -Der kleine Evangelist. - - -Es war Sonntag Nachmittag. St. Clare lag auf einem Sitze von Bambusrohr -in der Veranda ausgestreckt und ergötzte sich am Genuß einer Cigarre. -Marie lag auf ihrem Sopha, dem Fenster gegenüber, welches nach der -Veranda ging, unter einer Dachung von durchsichtiger Gaze gegen die -Angriffe der Moskito geschützt, und hielt ein elegant eingebundenes -Gebetbuch in der Hand. Sie hielt es in der Hand, weil es Sonntag war, -und bildete sich ein, sie habe darin gelesen, -- obgleich sie in -Wirklichkeit nur, mit dem offenen Buche in der Hand, eine Reihenfolge -kurzer Schläfe durchgemacht hatte. - -Miß Ophelia, die nach längerem Suchen eine kleine methodistische -Versammlung in der Umgegend entdeckt hatte, war mit Tom als Kutscher -ausgefahren, um derselben beizuwohnen, und Eva hatte sie begleitet. - -»Augustin,« sagte Marie, von einem Schlummer erwachend, »ich sage Dir, -ich muß nach der Stadt schicken und meinen alten Doctor Posey holen -lassen; ich glaube gewiß, ich habe eine Herzkrankheit.« - -»Weßhalb hast Du denn nöthig, nach ihm zu schicken? Der Arzt, welcher -Eva behandelt, scheint geschickt und erfahren zu sein.« - -»Ich möchte mich ihm doch in einem gefährlichen Falle nicht anvertrauen, -und ich fürchte, der meinige wird ein solcher werden! Ich habe seit -zwei, drei Nächten darüber nachgedacht. Die Schmerzen, die ich leide, -sind unbeschreiblich, und dabei habe ich so sonderbare Empfindungen.« - -»O Marie, Du faselst, -- ich glaube nimmermehr, daß Du eine -Herzkrankheit hast.« - -»Natürlich, ^Du^ glaubst es nicht,« entgegnete Marie, »ich konnte mir -denken, daß Du ^das^ sagen würdest. Du kannst sehr besorgt sein, wenn -Eva ein wenig hustet oder ihr sonst das Geringste fehlt! aber an mich -denkst Du nie.« - -»Wenn es Dir besonderes Vergnügen macht, eine Herzkrankheit zu haben, -gut, so will ich versuchen, es steif und fest zu glauben,« sagte St. -Clare; »ich wußte nicht, daß das der Fall war.« - -»Ich will nur wünschen, daß Dir Dein Spott nicht leid thue, wenn es zu -spät ist,« sagte Marie, »aber Du magst es glauben oder nicht, meine -Angst und Unruhe um Eva, und die Anstrengungen, denen ich mich um dieses -lieben Kindes willen unterzogen, haben jetzt vollständig entwickelt, was -ich längst gefürchtet habe.« - -Worin die Anstrengungen bestanden, deren Marie erwähnte, würde schwer zu -bestimmen gewesen sein. St. Clare lieferte sich selbst im Stillen diesen -Commentar, und fuhr in seiner Hartherzigkeit fort zu rauchen, bis ein -Wagen vor der Veranda erschien, aus welchem Eva und Miß Ophelia -ausstiegen. - -Miß Ophelia ging geraden Wegs nach ihrem Zimmer, um ihren Hut und Shawl -abzulegen, was ihre feststehende Gewohnheit war, ehe sie ein Wort über -irgend einen Gegenstand sprach, während Eva auf St. Clare's Ruf zu ihm -kam, sich auf sein Knie setzte, und ihm über den Gottesdienst, welchem -sie beigewohnt hatte, Bericht erstattete. - -Bald darauf hörten sie aus Miß Ophelia's Zimmer, welches gleichfalls -nach der Veranda hinausging, laute Ausrufungen erschallen, und heftige -Vorwürfe, die an irgend Jemanden gerichtet wurden. - -»Was für neue Teufelsstreiche hat Tops ausgeführt?« fragte St. Clare. -»Diese Scene rührt von ihr her, -- ich will darauf wetten!« - -Einen Augenblick später erschien Miß Ophelia in höchster Aufregung und -schleppte die Sünderin hinter sich her. - -»Jetzt komm' hier herein!« sagte sie. »Ich will es Deinem Herrn sagen!« - -»Was gibt's denn nun?« fragte St. Clare. - -»Die Sache ist die, daß ich mich nicht länger mit dem Kinde plagen kann. -Es geht mit ihr über alle Grenzen der Geduld hinaus; Fleisch und Blut -kann es nicht ertragen! Hier, ich schloß sie ein und gab ihr eine Hymne -zu lernen; und was thut sie statt dessen? -- spionirt aus, wo ich meinen -Schlüssel hingethan habe, geht an mein Büreau, und nimmt einen Hutbesatz -heraus, und schneidet ihn in Stücke, um Puppenjacken daraus zu machen! -Ich habe nie in meinem Leben etwas Aehnliches von einem Kinde gesehen!« - -»Ich sagte Ihnen vorher, Cousine,« bemerkte Marie; »daß diese Geschöpfe -nicht ohne Strenge aufgezogen werden können. Wenn ich jetzt ^meinem^ -Willen folgen könnte,« fügte sie hinzu, indem sie vorwurfsvoll auf St. -Clare blickte, »so würde ich das Kind fortschicken, und es gründlich -auspeitschen lassen, -- so lange, bis es nicht mehr stehen könnte.« - -»Ich hege keine Zweifel darüber,« sagte St. Clare. »Das ist zarte -Weiblichkeit! Ich habe in meinem ganzen Leben nicht mehr als höchstens -ein Dutzend Frauenzimmer kennen gelernt, die nicht ein Pferd oder einen -Sklaven halb umbringen würden, wenn sie mit ihnen verfahren könnten, wie -sie wollten!« - -»Deine nichtssagende Behandlungsweise, St. Clare, ist von gar keinem -Nutzen,« erwiederte Marie. »Cousine ist ein verständiges Frauenzimmer, -und sieht es jetzt eben so deutlich ein, wie ich.« - -Miß Ophelia konnte genau zu einem solchen Grade von Unwillen und -Aufregung gebracht werden, der bei einer Hausfrau, die ihren Geschäften -mit Leib und Seele vorsteht, natürlich ist, und dieser Grad war durch -die Arglist und Unart des Kindes vollständig erregt worden; allein -Mariens Worte gingen noch viel weiter, und dämpften deshalb Ophelias -Hitze. - -»Ich möchte das Kind um Alles in der Welt nicht so behandeln lassen,« -sagte sie; »aber gewiß ist, Augustin, ich weiß nicht mehr, was ich mit -ihr machen soll. Ich habe gelehrt und gelehrt; ich habe ihr -Vorstellungen gemacht, bis ich des Redens müde war; ich habe sie -gezüchtigt, ich habe sie gestraft auf jede nur denkbare Weise, -- und -dennoch ist sie nicht ein Haar breit anders, als sie von Anfang an -gewesen ist.« - -»Komm' hierher, Tops, Du Affe!« sagte St. Clare, das Kind zu sich -rufend. - -Topsy näherte sich ihm. Ihre grellen, runden Augen glänzten und -funkelten von einer Mischung von Furcht und ihrer gewöhnlichen -Schalkhaftigkeit. - -»Warum beträgst Du Dich so?« sagte St. Clare, der sich über den -sonderbaren Gesichtsausdruck des Kindes kaum des Lachens enthalten -konnte. - -»Denke, 's ist mein schlechtes Herz,« sagte Topsy ganz ernsthaft; »Miß -Feely sagt so.« - -»Siehst Du nicht, was Miß Ophelia alles für Dich gethan hat? Sie sagt, -sie habe Alles gethan, was sie nur habe erdenken können.« - -»Ja, Master! alte Missis sagte auch so. Sie peitschte mich ganz anders, -und riß mein Haar aus, und stieß meinen Kopf gegen die Wand, -- aber 's -half nichts. Glaube, wenn sie mir auch alle Haare ausrissen, 's würde -doch nichts helfen; -- bin so schlecht! bin nichts als ein Nigger, gar -nichts!« - -»Ja, ich muß sie aufgeben,« sagte Miß Ophelia, »ich kann diese Qual -nicht länger ertragen.« - -»Gut, ich wollte nur eine Frage an Dich richten,« sagte St. Clare. - -»Und welche?« - -»Wenn Euer Evangelium nicht kräftig genug ist, ein heidnisches Kind zu -erretten, welches Du hier bei Dir allein im Hause haben kannst, welchen -Nutzen kann es dann gewähren, ein paar arme Missionäre unter Tausende -von derselben Art und Gattung zu senden?« - -Miß gab keine unmittelbare Antwort hierauf; und Eva, welche bisher eine -stumme Zuschauerin der Scene abgegeben hatte, gab Topsy ein stummes -Zeichen, ihr zu folgen. In der einen Ecke der Veranda befand sich ein -kleines Zimmer mit einer Glasthüre, welches St. Clare als Lesezimmer zu -benutzen pflegte. Dort hinein verschwanden Eva und Topsy. - -»Was hat Eva jetzt vor?« sagte St. Clare. »Ich will lauschen.« - -Indem er sich auf den Zehen der Glasthür näherte, und den Vorhang, -welcher sie bedeckte, aufhob, blickte er hinein. Im nächsten Augenblicke -machte er, den Finger auf die Lippen legend, Miß Ophelien ein Zeichen, -ihm zu folgen und in das Zimmer zu blicken. Dort saßen die beiden Kinder -auf dem Fußboden, während die Seiten ihrer Gesichter den Schauenden -zugewendet waren: Topsy, mit ihrer gewöhnlichen Miene drolligen, -sorglosen Muthwillens, und ihr gegenüber Eva, glühend im ganzen Gesichte -von Gefühl, und mit Thränen in ihren großen Augen. - -»Warum bist Du so unartig, Topsy? Weßhalb gibst Du Dir nicht Mühe, gut -zu sein? Hast Du denn Niemanden lieb, Topsy?« - -»Weiß nichts von lieb haben; habe Zuckerbrod und so 'was lieb, -- weiter -nichts,« sagte Topsy. - -»Aber Du hast doch Deinen Vater und Deine Mutter lieb?« - -»Habe nie keine gehabt; -- hab's Ihnen schon gesagt, Miß Eva.« - -»Ja, ich weiß,« entgegnete Eva traurig; »aber hast Du nie einen Bruder -oder eine Schwester oder eine Tante oder --?« - -»Nein, keinen, -- gar keinen, niemals.« - -»Aber Topsy, wenn Du Dir nur Mühe geben wolltest, gut zu sein, so -könntest Du --« - -»Könnte doch nie 'was Andres sein als ein Nigger, wenn ich auch noch so -gut wäre,« sagte Topsy. »Wenn sie mir die Haut abziehen könnten, und -wenn ich weiß werden könnte, dann wollt' ich 's versuchen.« - -»Aber die Menschen könnten Dich ja doch lieb haben, wenn Du auch schwarz -bist, Topsy. Miß Ophelia würde Dich lieb haben, wenn Du gut wärest.« - -Topsy ließ ein kurzes, grelles Lachen als Antwort hören, was ihre -gewöhnliche Mode war, wenn sie Ungläubigkeit ausdrücken wollte. - -»Glaubst Du das nicht?« fragte Eva. - -»Nein, sie kann mich nicht leiden, weil ich ein Nigger bin! -- sie ließe -sich eben so gern von einer Kröte anfassen! Niemand kann Niggers lieb -haben, -- Niggers können gar nichts thun! Mach' mir nichts draus!« sagte -Topsy, indem sie anfing zu pfeifen. - -»O Topsy, armes Kind, ich habe Dich lieb!« sagte Eva in einem -plötzlichen Ausbruche ihres Gefühls, und legte ihre kleine, dünne Hand -auf Topsy's Schulter. »Ich habe Dich lieb, weil Du keinen Vater und -keine Mutter und Freunde hast, -- weil Du ein armes, mißhandeltes Kind -bist! Ich habe Dich lieb, und will gut gegen Dich sein. Ich bin recht -krank, Topsy, und ich glaube ich werde nicht mehr lange leben, und es -macht mir wirklich Kummer, daß Du so unartig bist. Ich wünschte, Du -versuchtest es, artig zu sein, mir zu Liebe; -- es ist nur noch kurze -Zeit, daß ich bei Dir sein werde.« - -Die runden, scharfen Augen des schwarzen Kindes waren von Thränen -verdunkelt; große, schwere Tropfen rollten nach einander herab, und -fielen auf die weiße, kleine Hand. Ja, in diesem Momente hatte ein -Strahl wirklichen Glaubens, ein Strahl himmlischer Liebe die Dunkelheit -ihrer heidnischen Seele durchdrungen! Sie legte ihren Kopf zwischen ihre -Kniee nieder, und weinte und schluchzte, -- während das schöne Kind, -sich über sie neigend, wie das Bild eines glänzenden Engels erschien, -der sich herabsenkte, um einen Sünder zu erlösen. - -»Arme Topsy!« sagte Eva, »weißt Du nicht, daß Jesus alle Menschen gleich -liebt? Er ist eben so bereit, Dich zu lieben wie mich. Er liebt Dich so -wie ich es thue, -- nur noch mehr, weil er besser ist. Er wird Dir -beistehen, gut zu sein: und Du kannst endlich in den Himmel gehen, und -dort für ewig ein Engel sein, eben so gut, als wenn Du weiß wärest. O, -denke daran, Topsy! -- Du kannst einer jener glänzenden Engel werden, -von denen Onkel Tom singt.« - -»O, liebe Miß Eva, liebe Miß Eva!« sagte das Kind; »ich will versuchen, -ich will versuchen: -- habe früher nie 'was danach gefragt.« - -In diesem Augenblicke ließ St. Clare den Vorhang fallen. »Es erinnert -mich an meine Mutter,« sagte er zu Miß Ophelia. -- »Es ist wahr, was sie -mir sagte: wenn wir die Blinden sehend machen wollen, so müssen wir -bereit sein, so zu handeln, wie Christus handelte, -- sie zu uns rufen, -und ^unsere Hände auf sie legen^.« - -»Ich habe immer ein Vorurtheil gegen Neger gehabt,« sagte Miß Ophelia; -»es ist wahr, es ist mir immer zuwider gewesen, mich von dem Kinde -berühren zu lassen; allein ich glaubte nicht, daß Topsy es gewußt habe.« - -»Verlaß Dich darauf, daß jedes Kind das bald entdeckt,« entgegnete St. -Clare, »es ist unmöglich, es vor ihnen verborgen zu halten. Aber ich -glaube auch, daß alle Bemühungen der Welt, einem Kinde wohl zu thun, -und alle Gunstbezeugungen nie eine Regung von Dankbarkeit in ihm -erwecken werden, so lange ein derartiges Gefühl von Abneigung im Herzen -vorhanden ist.« - -»Ich weiß nicht, wie ich das ändern soll,« sagte Miß Ophelia; »sie -^sind^ mir einmal zuwider -- und besonders dieses Kind, -- wie soll -ich mich von diesem Gefühle befreien?« - -»Es scheint, Eva thut es.« - -»Ja, sie ist von Natur so liebreich!« sagte Miß Ophelia. »Ich wollte, -ich wäre wie sie; sie könnte mir zum Muster dienen.« - -»Es wäre nicht das erste Mal, daß ein kleines Kind einem alten Schüler -eine Lehre gegeben hat,« entgegnete St. Clare. - - - - -Sechsundzwanzigstes Kapitel. - -Der Tod. - - Weint nicht um die, so Grabesschleier - Am Lebensmorgen uns verbarg. - - -Eva's Schlafgemach war ein geräumiges Zimmer, welches, wie fast alle -übrigen Gemächer des Hauses, sich auf die Veranda öffnete. Auf der einen -Seite stand dasselbe mit dem Zimmer ihres Vaters und ihrer Mutter in -Verbindung, und auf der anderen mit dem, welches Miß Ophelien überwiesen -worden war. St. Clare hatte seinem eigenen Geschmacke gehuldigt, indem -er das Zimmer in einer Weise ausmöblirt und geschmückt hatte, die in -seltsamer Harmonie mit dem Charakter derjenigen stand, für die es -bestimmt war. Vor den Fenstern hingen Gardinen von weißem und -rosafarbenem Mousselin herab, und der Fußboden war von einem Teppich -bedeckt, welcher nach einem von St. Clare besonders angegebenen Muster -in Paris gefertigt worden war, indem ein Kranz von Rosenknospen und -Blättern die Einfassung bildete, und im Mittelpunkte sich mehrere ganz -aufgeblühte Rosen befanden. Die Bettstelle, Stühle und Sitze waren von -Bambus nach besonders geschmackvollen Mustern gearbeitet. Ueber dem -Kopfende des Bettes befand sich an der Wand ein Fuß von Alabaster, aus -dem ein schön gemeißelter Engel mit gesenkten Flügeln stand, welcher -einen Myrthenkranz in der Hand hielt. Von demselben hingen über dem -Bette leichte Vorhänge von rosafarbener Gaze herab, welche den für alle -Schläfer so nothwendigen Schutz gegen die Moskito's gewährten. Die -geschmackvollen Bambussitze waren reichlich mit Kissen von röthlichem -Damast versehen, während über denselben ähnliche Vorhänge wie über dem -Bett herabhingen. Ein leichter Bambustisch stand in der Mitte des -Zimmers, aus welchem eine Vase von parischem Marmor in der Form einer -blühenden Lilie stand, die stets mit Blumen gefüllt war. Auf diesem -Tische lagen auch Eva's Bücher und kleine Schmucksachen, nebst einem -eleganten Schreibzeuge von Alabaster, welches ihr Vater für sie -angeschafft hatte, als er bemerkte, daß sie sich bemühte, sich im -Schreiben zu verbessern. Auf dem marmornen Kaminsimse stand eine schön -gearbeitete Statue, welche Jesus darstellte, wie er die Kinder zu sich -rief, und auf jeder Seite derselben befanden sich Marmorvasen, welche -Tom jeden Morgen mit frischen Blumen zu füllen sich zum Stolz gereichen -ließ. Zwei oder drei ausgewählte Gemälde von Kindern in verschiedenen -Stellungen schmückten die Wände. Kurz, wohin das Auge auch blicken -mochte, überall begegneten ihm Bilder der Kindheit, der Schönheit und -des Friedens. Eva's kleine Augen öffneten sich nie dem Morgenlichte, -ohne auf etwas zu fallen, was in ihrem Herzen sanfte, schöne Gedanken -erweckte. - -Die trügerische Kraft, welche Eva eine kurze Zeit lang aufrecht erhalten -hatte, schwand schnell. Seltener und immer seltener wurde ihr leichter -Fußtritt in der Veranda gehört, und öfter und immer öfter wurde sie auf -ihren Strohsitzen am offenen Fenster liegend gefunden, während ihre -großen, tiefen Augen die steigenden und sinkenden Wellen des See's -beobachteten. - -Es war eines Nachmittags, während sie sich gerade in einer ähnlichen -Stellung befand, und ihre durchsichtigen kleinen Finger zwischen den -Blättern der halbgeöffneten Bibel lagen, als sie plötzlich die Stimme -ihrer Mutter in scharfen Lauten in der Veranda hörte. - -»Was ist dies, Du Nickel? -- Was ist das für ein neuer Streich? Du hast -hier Blumen abgepflückt, he?« und Eva hörte den Schall eines kräftigen -Schlages. - -»O Missis, -- sie sind für Miß Eva,« hörte sie eine Stimme sagen, welche -sie als Topsy's erkannte. - -»Miß Eva! eine hübsche Entschuldigung! -- Du meinst, sie brauche -^Deine^ Blumen, Du nichtsnützige Nigger! Fort mit Dir!« - -Im Augenblicke war Eva von ihrem Sitze auf und in der Veranda. - -»O nein, Mutter! ich möchte diese Blumen gern haben; bitte, gieb sie -mir, -- ich brauche sie.« - -»Wie, Eva? Dein Zimmer ist ja ganz voll von Blumen.« - -»Ich kann nicht zu viele haben,« entgegnete Eva. »Topsy, komm, bringe -sie mir.« - -Topsy, die mürrisch und mit gesenktem Kopfe dagestanden hatte, kam jetzt -näher und übergab ihre Blumen. Sie that es mit scheuer, zaudernder -Miene, die sehr verschieden von ihrer gewöhnlichen Kühnheit und Keckheit -war. - -»Es ist ein schönes Bouquet!« sagte Eva, es betrachtend. - -Es war etwas sonderbarer Art, denn es bestand aus glänzend -scharlachrothem Geranium mit einer einzigen weißen Japonikablume und -ihren glänzenden Blättern. Der Gegensatz der Farben war augenscheinlich -die Idee bei der Zusammensetzung des Bouquets gewesen, und die Anordnung -jedes Blattes war mit besonderer Sorgfalt erfolgt. - -Topsy's Gesicht klärte sich auf als Eva sagte: - -»Topsy, Du kannst hübsche Bouquette binden. Sieh, hier ist eine Vase, -für die ich keine Blumen habe. Ich wünschte, Du könntest mir jeden -Morgen einige Blumen dafür sammeln.« - -»Nun, das ist sonderbar!« sagte Marie. »Wozu in der Welt, Kind, brauchst -Du die nur noch?« - -»O, das thut nichts, Mamma; ich weiß, Du hast nichts dagegen, daß Topsy -es thut, -- nicht wahr?« - -»Natürlich nicht; Alles was Du willst, mein Kind! Topsy, Du hörst, was -Deine junge Mistreß sagt; -- gieb wohl Acht.« - -Topsy machte eine kurze Verbeugung mit gesenktem Kopfe; und als sie sich -entfernte, sah Eva eine Thräne über ihre dunkle Wange rollen. - -»Siehst Du, liebe Mamma, ich wußte, daß die arme Topsy gern etwas für -mich thun wollte,« sagte Eva zu ihrer Mutter. - -»O Unsinn! sie that's nur, weil sie gern verbotene Dinge thut. Sie weiß, -daß sie keine Blumen abpflücken soll, -- also thut sie es; das ist das -Ganze. Aber wenn Du es gern willst, daß sie sie pflückt, so mag sie es -thun.« - -»Mamma, ich denke, Topsy ist jetzt ganz anders als sie früher war; sie -giebt sich Mühe, gut zu sein.« - -»Da wird sie sich noch lange Mühe geben müssen, ehe sie wirklich gut -wird,« sagte Marie mit gleichgültigem Lachen. - -»Ja, aber Du weißt, Mamma, die arme Topsy! -- Alles ist immer gegen sie -gewesen.« - -»Nicht seitdem sie hier gewesen ist. Wenn ^ihr^ nicht vorgesprochen -und vorgepredigt, und an sie nicht Alles gethan worden ist, was Menschen -vermögen! -- und doch ist sie noch gerade eben so häßlich, und wird es -immer sein; -- nein, es läßt sich nichts mit dem Geschöpfe machen!« - -»Aber, Mamma, es ist doch ganz anders, so auferzogen worden zu sein, wie -ich es bin, mit so vielen Freunden, und so vielen Dingen, die mich gut -und glücklich machen; und dann so aufgebracht worden zu sein, wie sie es -die ganze Zeit war, ehe sie hieher kam!« - -»Kann sein,« entgegnete Marie gähnend, -- »o, wie heiß es ist!« - -»Mamma, nicht wahr, Du glaubst auch, daß Topsy ein Engel werden könnte, -so gut wie wir, wenn sie eine Christin wäre?« - -»Topsy? was für eine lächerliche Idee! Niemand als Du würde jemals an so -etwas denken. Aber es ist möglich!« - -»Aber, Mamma, ist denn Gott nicht ihr Vater so gut wie der unserige, -- -und Jesus ihr Erlöser?« - -»Wohl, das mag sein. Ich glaube, Gott hat alle Menschen geschaffen,« -erwiederte Marie. »Wo ist mein Riechfläschchen?« - -»Es ist solch' ein Jammer, -- o! solch' ein Jammer!« sagte Eva, auf den -fernen See blickend, und halb zu sich selbst redend. - -»Was ist ein Jammer?« fragte Marie. - -»Daß ein Wesen, welches ein Engel werden und mit Engeln leben könnte, -ganz hinab, hinab, hinab gehen soll, ohne daß ihm Jemand hilft! -- o, -lieber Gott!« - -»Wohl, wir können's nicht ändern, Eva; es nützt nichts, sich darum zu -grämen! Ich weiß nicht, was zu thun ist. Wir müssen nur dankbar sein für -die Vortheile, die wir genießen.« - -»Ich kann es kaum sein,« sagte Eva. »Ich bin so traurig, wenn ich an -arme Leute denke, die gar keine Vortheile genießen.« - -»Das ist sonderbar genug,« sagte Marie; -- »meine Religion macht mich -dankbar für meine Vorzüge.« - -»Mamma,« sagte Eva plötzlich, »ich möchte gern etwas von meinem Haar -abschneiden lassen, -- recht viel.« - -»Wozu?« fragte Marie. - -»Ich wollte es an meine Freunde geben, so lange ich noch im Stande bin, -es selbst zu thun. Willst Du nicht die Tante bitten, daß sie komme und -es für mich abschneide?« - -Marie erhob ihre Stimme, um Miß Ophelia aus dem nächsten Zimmer zu -rufen. - -Als Ophelia in das Zimmer trat, erhob sich das Kind von seinem Lager, -und ließ seine langen, goldenen Locken herabfallen, indem es scherzweise -sagte: »Komm, Tante, scheere das Schäfchen!« - -»Was ist das?« fragte St. Clare, der gerade in diesem Augenblick in das -Zimmer trat und Früchte trug, die er besonders für Eva geholt hatte. - -»Papa, ich wollte gern, daß Tante von meinem Haar etwas abschnitte; es -ist zu lang und macht meinen Kopf so heiß. Auch wollte ich gern etwas -davon verschenken.« - -Miß Ophelia erschien mit der Scheere. - -»Sieh' Dich vor, -- verdirb die Locken nicht!« sagte der Vater. -»Schneide unterhalb, wo es nicht zu sehen ist. Eva's Locken sind mein -Stolz.« - -»O Papa!« sagte Eva traurig. - -»Ja, und ich will, daß sie in recht hübschem Stande zu der Zeit bleiben, -wo ich mit Dir nach Onkels Plantage reisen will, um Cousin Henrique zu -besuchen,« sagte St. Clare in heiterem Tone. - -»Ich werde nie dahin kommen, Papa, -- ich gehe in ein besseres Land. O -glaube mir! Siehst Du nicht Papa, daß ich jeden Tag schwächer werde?« - -»Warum bestehst Du darauf, Eva, daß ich etwas so Schreckliches glauben -solle?« sagte der Vater. - -»Nur weil es ^wahr^ ist, Papa; und wenn Du es jetzt glauben willst, so -wirst Du vielleicht eben so darüber empfinden lernen, wie ich,« -entgegnete Eva. - -St. Clare schloß seine Lippen, und betrachtete trüben Blickes die langen -schönen Locken, welche, sobald sie abgeschnitten waren, in den Schooß -des Kindes gelegt wurden. Sie hob sie auf, betrachtete sie ernsten -Blickes, und flocht sie durch ihre zarten Finger, und blickte von Zeit -zu Zeit ängstlich auf ihren Vater. - -»Es ist gerade das, was ich geahnt habe!« sagte Marie; »es ist grade -das, was Tag für Tag an meiner Gesundheit genagt und mich dem Grabe nahe -gebracht hat, obgleich Niemand es hat beachten wollen. Ich habe es lange -vorhergesehen. St. Clare, Du wirst bald sehen, daß ich Recht hatte.« - -»Was Dir zu großem Troste gereichen wird, ohne Zweifel!« entgegnete St. -Clare mit trockenem, bitterem Tone. - -Marie lag auf einem Kanapee, und bedeckte ihr Gesicht mit einem feinen -weißen Taschentuche. - -Eva's klares, blaues Auge blickte ernst vom Vater auf die Mutter. Es war -der ruhige, verstehende Blick einer Seele, die schon halb von ihren -irdischen Banden gelöst war, und unverkennbar war es, daß sie den -Unterschied zwischen Beiden sah, fühlte und würdigte. - -Sie winkte ihrem Vater mit der Hand. Er kam und setzte sich an ihre -Seite. - -»Papa, meine Kraft schwindet täglich mehr, und ich weiß, ich muß fort. -Da sind noch manche Dinge, die ich zu sagen und zu thun habe -- die ich -thun muß, und Du willst mich nie über diesen Gegenstand sprechen lassen. -Aber kommen muß es doch; es ist kein Aufschub möglich. Bitte, laß mich -jetzt reden!« - -»Mein Kind, recht gern!« sagte St. Clare, seine Augen mit der einen Hand -bedeckend, und Eva's Hand in der andern haltend. - -»Dann möchte ich alle unsere Leute hier beisammen sehen. Ich habe Etwas, -was ich ihnen sagen muß,« sagte Eva. - -»Gut,« erwiederte St. Clare im Tone völliger Ergebung. - -Miß Ophelia sandte einen Boten ab, und bald darauf wurden sämmtliche -Dienstboten in das Zimmer geführt. - -Eva lag ausgestreckt auf ihren Kissen, ihr Haar hing unbefestigt um ihr -Gesicht, ihre purpurnen Wangen kontrastirten auf schmerzliche Weise mit -der durchsichtigen Weiße ihrer Haut und den zarten Linien ihrer Glieder -und Züge, und ihre großen, seelenvollen Augen richteten sich mit ernstem -Ausdrucke auf jeden Einzelnen. - -Die Dienstboten fühlten sich plötzlich ergriffen von ihrem Anblicke. Ihr -geisterartiges Gesicht, die langen, abgeschnittenen Locken auf ihrem -Schooße, ihres Vaters abgewandtes Gesicht und Marien's Schluchzen -machten einen plötzlichen Eindruck auf die Gefühle dieser leicht -erregbaren Menschenklasse, und während sie nach einander eintraten, -sahen sie sich gegenseitig an, seufzten und schüttelten die Köpfe. Im -ganzen Zimmer herrschte eine Stille, wie bei einem Begräbniß. - -Eva richtete sich auf, und blickte lange und ernst um sich auf jeden -Einzelnen. Alle sahen bange und traurig aus, und viele unter den Weibern -bargen ihre Gesichter in den Schürzen. - -»Ich habe euch Alle rufen lassen, meine lieben Freunde,« sagte Eva, -»weil ich Euch lieb habe. Ich liebe Euch alle, und ich habe Euch Etwas -zu sagen, an das Ihr Euch, wie ich wünsche, stets erinnern werdet. -- -Ich muß Euch verlassen; -- in wenigen Wochen werdet Ihr mich nicht mehr -sehen --« - -Hier wurde das Kind durch einen allgemeinen Ausbruch von Seufzern, -Stöhnen und Wehklagen unterbrochen, in denen ihre zarte Stimme -vollständig verloren ging. Sie hielt einen Augenblick inne und fuhr dann -in einem Tone fort, der das Schluchzen Aller verstummen ließ. - -»Wenn Ihr mich lieb habt,« sagte sie, »so müßt Ihr mich nicht auf eine -solche Weise unterbrechen. Hört, was ich Euch zu sagen habe. Ich wollte -zu Euch über Eure Seelen reden. -- Viele unter Euch, fürchte ich, sind -sehr sorglos. Ihr denkt nur an diese Welt; aber ich bitte Euch, daran zu -denken, daß es eine andere, schöne Welt gibt, wo Jesus ist. Dahin gehe -ich, und dahin könnt Ihr gehen. Sie ist für Euch sowohl, wie für mich. -Aber, wenn Ihr dahin gehen wollt, so müßt Ihr nicht ein träges, -sorgloses und leichtsinniges Leben führen. Ihr müßt Christen sein. Ihr -müßt bedenken, daß jeder von Euch ein Engel werden und für ewig bleiben -kann. Wenn Ihr Christen sein wollt, so wird Euch Jesus helfen. Ihr müßt -zu ihm beten, Ihr müßt lesen --« - -Das Kind hielt hier plötzlich inne, blickte mitleidig auf die -Umstehenden und fuhr dann traurig fort: - -»O, Ihr Armen, Ihr könnt ja nicht lesen, -- arme Seelen!« und sie -verbarg ihr Gesicht in den Kissen und schluchzte, bis das unterdrückte -Stöhnen derjenigen, zu denen sie sprach, und die knieend um sie her -lagen, sie wieder erweckte. - -»Aber faßt Muth!« sagte sie, ihr Gesicht erhebend, und durch Thränen -freundlich lächelnd, »ich habe für Euch gebetet, und ich weiß, Jesus -wird Euch helfen, auch wenn Ihr nicht lesen könnt. Bemüht Euch, Alles -zu thun, was in Euren Kräften steht; betet jeden Tag; ruft Ihn an, daß -Er Euch helfe, und laßt Euch die Bibel vorlesen, wo und wann Ihr könnt, -und ich hoffe, daß ich Euch dann alle im Himmel sehen werde.« - -»Amen,« war die leise Antwort von den Lippen Tom's und Mammy's, und -einiger der Aelteren unter ihnen, welche einer methodistischen Kirche -angehörten, während die Jüngeren und Leichtsinnigeren, die für den -Augenblick vollständig überwältigt waren, ihre Köpfe auf die Knie -niedergelegt hatten und laut schluchzten. - -»Ich weiß,« sagte Eva, »Ihr habt mich alle lieb.« - -»Ja, o ja! gewiß! Gott segne Sie!« war die unwillkührliche Antwort von -Allen! - -»Ja, ich weiß es! Es ist kein Einziger unter Euch, der nicht immer -liebreich gegen mich gewesen wäre; und ich wollte Euch jetzt Etwas -geben, was Euch stets an mich erinnern wird, wenn Ihr darauf blickt. Ich -will jedem von Euch eine Locke von meinem Haare geben; und wenn Ihr sie -betrachtet, so erinnert Euch, daß ich Euch liebte und in den Himmel -gegangen bin, und daß ich Euch alle dort zu sehen wünsche.« - -Es ist unmöglich, die Scene zu beschreiben, welche sich jetzt -entwickelte, wo Alle unter Thränen und Schluchzen sich um das kleine -Wesen sammelten, und aus Eva's Händen das letzte Zeichen ihrer Liebe -empfingen. Sie fielen auf ihre Kniee und schluchzten und beteten, und -küßten den Saum ihres Kleides, während die Aelteren Worte der Liebe, -untermischt mit Gebeten und Segenssprüchen auf sie ausströmen ließen. - -So wie Jeder seine Gabe empfing, gab ihm Miß Ophelia, welche von dieser -Aufregung nachtheilige Folgen für ihre kleine Kranke fürchtete, ein -Zeichen, das Zimmer zu verlassen. Alle waren fort bis auf Tom und Mammy. - -»Hier, Onkel Tom,« sagte Eva, »ist eine schöne Locke für Dich. O ich bin -so glücklich, Onkel Tom, wenn ich daran denke, daß ich Dich im Himmel -sehen werde, -- denn ich weiß es gewiß; und Mammy, -- meine liebe, gute -Mammy!« rief sie, ihre Arme um den Hals ihrer alten Wärterin schlingend, --- »ich weiß, Du wirst auch dort sein.« - -»O Miß Eva! -- weiß gar nicht, wie ich ohne Sie leben kann!« sagte das -treue Geschöpf, und verfiel in einen leidenschaftlichen Ausbruch von -Schmerz. - -Miß Ophelia drängte sie sanft zur Thüre hinaus, und glaubte, es seien -nun Alle fort; allein, als sie sich umwandte, stand Topsy noch da. - -»Wo kommst Du her?« fragte Miß Ophelia verwundert. - -»Ich war hier,« entgegnete Topsy, die Thränen aus ihren Augen wischend. -»O, Miß Eva, ich bin immer ein unartiges Mädchen gewesen; aber wollen -Sie ^mir^ nicht auch eine geben?« - -»Ja, arme Topsy, gewiß will ich das. Hier -- so oft Du sie ansiehst, -denke daran, daß ich Dich lieb hatte und wünschte, daß Du ein gutes Kind -sein möchtest!« - -»O Miß Eva, ich gebe mir Mühe!« sagte Topsy eifrig; »aber, o Herr, 's -ist so schwer, gut zu sein! -- bin gar nicht dran gewöhnt!« - -»Jesus weiß das, Topsy; er hat Mitleid mit Dir, -- er wird Dir helfen.« - -Topsy wurde hierauf, indem sie ihre Augen in der Schürze verbarg, von -Miß Ophelia schweigend aus dem Zimmer geführt; allein, während sie -hinausging, verbarg sie die kostbare Locke in ihrem Busen. - -Als Alle fort waren, verschloß Miß Ophelia die Thür. Diese gute Dame -hatte während der Scene manche Thräne aus ihrem eigenen Auge -hinweggewischt; aber die Besorgniß wegen der aus einer solchen Aufregung -für ihren jungen Pflegling möglicher Weise entspringenden Folgen war -überwiegend in ihrem Geiste. - -St. Clare hatte während der ganzen Zeit, seine Augen mit der Hand -bedeckend, in derselben Stellung gesessen. Auch als Alle fort waren, -blieb er darin. - -»Papa!« sagte Eva sanft, ihre Hand auf die seinige legend. - -Er erschrak und ein Schauer überlief ihn, aber er gab keine Antwort. - -»Lieber Vater!« wiederholte Eva. - -»Ich kann nicht,« sagte St. Clare aufstehend, -- »ich kann es nicht -tragen! Der Allmächtige ist ^sehr hart^ mit mir verfahren!« und St. -Clare legte auf die letzten Worte einen besonders bitteren Nachdruck. - -»Augustin! hat Gott nicht ein Recht, zu thun, was er will, mit dem, was -sein ist?« sagte Miß Ophelia. - -»Mag sein; aber das macht es nicht leichter für mich zu tragen,« -entgegnete er in harter, trockener, thränenloser Weise, während er sich -abwandte. - -»Papa, Du brichst mein Herz!« sagte Eva sich aufrichtend und sich in -seine Arme werfend; »Du mußt nicht so denken!« Und dabei weinte und -schluchzte das Kind mit einer Heftigkeit, die Alle in Bestürzung -versetzte, und den Gedanken ihres Vaters schnell eine andere Richtung -verlieh. - -»Still, Eva, still! mein liebes Kind! Es wäre unrecht von mir, -- recht -unrecht! Ich will anders denken, -- ich will Alles thun, was Du willst, -nur beruhige Dich, schluchze nicht so. Ich will ganz gefaßt sein; es war -sehr unrecht von mir, so zu sprechen.« - -Bald lag Eva wie eine müde Taube in ihres Vaters Armen; und er, sich -über sie beugend, bemühte sich, sie durch jedes zärtliche Wort, das er -ersinnen konnte, zu beruhigen. - -Marie stand auf und ging aus dem Zimmer in ihr eigenes, wo sie in -hysterische Krämpfe verfiel. - -»Du hast mir keine Locke gegeben, Eva,« sagte ihr Vater mit traurigem -Lächeln. - -»Sie gehören Dir alle, Papa,« erwiederte sie lächelnd, -- »Dir und -Mamma, und Du mußt der lieben Tante so viele davon geben, als sie haben -will. Ich gab jene nur den armen Leuten selbst, lieber Papa, weil sie -möchten vergessen worden sein, wenn ich nicht mehr da bin, und weil ich -hoffte, daß es sie erinnern möchte an -- Du bist ein Christ, lieber -Vater, nicht wahr?« fügte sie dann mit zweifelndem Tone hinzu. - -»Weshalb fragst Du mich?« - -»Ich weiß nicht. Du bist so gut, Du mußt es sein.« - -»Was heißt das, ein Christ sein, Eva?« - -»Christus über Alles lieben,« entgegnete Eva. - -»Thust Du das, Eva?« - -»Gewiß thue ich das.« - -»Du sahst ihn aber nie,« sagte St. Clare. - -»Das macht keinen Unterschied,« erwiederte Eva. »Ich glaube an ihn und -in wenigen Tagen werde ich ihn sehen.« Und bei diesen Worten begann das -jugendliche Gesicht vor Freude zu strahlen. - -St. Clare antwortete nicht mehr. Es war ein Gefühl, welches er oft an -seiner Mutter wahrgenommen hatte, aber wofür keine gleichgestimmte Saite -in seinem Innern vibrirte. - -Von dieser Zeit ab wurde Eva zusehends schwächer. Es konnte kein Zweifel -mehr über den Ausgang herrschen und selbst die kühnste Hoffnung konnte -sich nicht mehr täuschen. Ihr schönes Zimmer war ein vollständiges -Krankenzimmer geworden; und Miß Ophelia verrichtete Tag und Nacht die -Geschäfte einer Wärterin, -- und nie hatten ihre Freunde Gelegenheit, -ihren Werth mehr zu erkennen als in dieser Eigenschaft. Mit so geübter -Hand und richtigem Auge, mit so vollkommener Gewandtheit in der Kunst, -Reinlichkeit und Behaglichkeit für die Kranke zu befördern, -- mit so -genauer Berechnung der Zeit, mit so klarem ruhigem Kopfe, und so -gewissenhafter Beachtung jeder Vorschrift des Arztes, war sie ihm Alles. -Diejenigen, welche über ihre kleinen Eigenthümlichkeiten, die von der -Freiheit der südlichen Sitten so sehr abwichen, die Achsel zuckten, -mußten anerkennen, daß sie in ihrem gegenwärtigen Verhältniß gerade die -passende Person sei. - -Onkel Tom hielt sich viel in Eva's Zimmer auf. Das Kind litt viel an -Ruhelosigkeit, und es gewährte ihm große Erleichterung, getragen zu -werden. Für Tom war es daher die größte Freude, die kleine zarte Gestalt -auf seinen Armen, auf einem Kissen ruhend, bald im Zimmer auf und ab, -bald in der Veranda umherzutragen; und wenn die frische Seeluft vom See -her wehte, und Eva sich am Morgen wohler fühlte, so pflegte er unter den -Orangenbäumen des Gartens mit ihr umher zu wandeln, oder sich auf einen -ihrer alten Sitze niederzulassen und ihr ihre Lieblingshymnen -vorzusingen. - -Ihr Vater that öfters dasselbe; aber sein Körper war weniger kräftig, -und wenn er müde war, pflegte Eva zu ihm zu sagen: - -»O Papa, laß Tom mich tragen. Der arme Mensch, -- er thut es so gern; Du -weißt, es ist Alles, was er thun kann, und er möchte gern Etwas thun!« - -»Dasselbe ist mit mir der Fall, Eva!« sagte der Vater. - -»O Papa, Du kannst Alles thun, und bist mir Alles. Du liesest mir vor, --- Du wachst bei mir des Nachts -- und Tom hat nur dieses Eine und sein -Singen; und dann weiß ich auch, daß es ihm leichter wird als Dir. Er -trägt mich so fest und sicher!« - -Der Wunsch, Etwas für Eva zu thun, beschränkte sich nicht auf Tom. Jeder -Dienstbote des Hauses verrieth dasselbe Gefühl und that nach seiner -Weise und seinen Kräften, was er konnte. - -Die arme Mammy sehnte sich nach dem Lieblinge, aber fand weder bei Tage -noch bei Nacht Gelegenheit, da Marie erklärte, daß ihr Geisteszustand -ihr keine Ruhe lasse, weshalb es natürlich gegen ihre Grundsätze war, -irgend einem Andern Ruhe zu lassen. Zwanzigmal in der Nacht wurde Mammy -gerufen, um ihre Füße zu reiben, ihren Kopf zu waschen, ihr Taschentuch -zu suchen, oder nachzufragen, was das Geräusch in Eva's Zimmer zu -bedeuten habe, die Fenstervorhänge herunterzulassen, weil es zu hell -sei, oder hinaufzuziehen, weil es zu dunkel sei; und bei Tage, wenn sie -sich danach sehnte, an der Wartung ihres Lieblings Theil zu nehmen, -schien Marie ganz besonders erfinderisch zu sein, um sie überall im -Hause oder um ihre Person zu beschäftigen, so daß sie nichts als kurze -Blicke oder verstohlene Besuche erlangen konnte. - -»Ich halte es für meine Pflicht, jetzt besonders sorgsam für mich zu -sein,« pflegte sie zu sagen, -- »schwach wie ich bin, und mit der ganzen -Sorge der Wartung und Pflege des lieben Kindes auf mir.« - -»In der That, meine Liebe?« antwortete St. Clare. »Ich dachte, unsere -Cousine Ophelia nähme Dir diese Sorge ab.« - -»Du sprichst wie ein Mann, St. Clare, -- als ob eine Mutter sich die -Sorge um ein Kind in einem solchen Zustande abnehmen lassen ^könnte^. -Aber es ist Alles gleich, -- Niemand weiß, was ich fühle! Ich kann die -Sachen nicht so leicht nehmen.« - -St. Clare lächelte. Du mußt ihn entschuldigen, lieber Leser, er konnte -nicht anders, -- St. Clare konnte noch lächeln; denn so hell und ruhig -war die Abschiedsfahrt des kleinen Geistes, -- von so sanften, -balsamischen Lüften wurde der kleine Nachen den himmlischen Ufern -zugetrieben, daß es unmöglich war, zu erkennen, daß es der Tod sei, der -sich nahe. Das Kind empfand keinen Schmerz, -- nur eine ruhige, sanfte -Schwäche, die täglich und fast unmerklich zunahm; und so schön, so -liebreich, so vertrauensvoll, so glücklich war es dabei, daß Niemand dem -besänftigenden Einflusse der Unschuld und Friede athmenden Luft -widerstehen konnte, welche das Kind zu umgeben schien. Auch St. Clare -fühlte eine sonderbare Ruhe auf sich niedersinken. Es war nicht -Hoffnung, -- die war unmöglich; es war nicht Resignation; es war nur ein -ruhiges Weilen in der Gegenwart, die so schön erschien, daß er nicht an -die Zukunft denken mochte. - -Der Freund, welcher am meisten von Eva's Vorstellungen und Ahnungen -wußte, war ihr treuer Träger, Tom. Ihm theilte sie mit, womit sie ihren -Vater nicht beunruhigen wollte. Ihm vertraute sie jene geheimnisvollen -Vorgefühle, welche die Seele empfindet, wenn ihre Saiten sich zu lösen -beginnen und sie ihre irdische Hülle verlassen will. - -Tom wollte endlich nicht mehr in seinem Zimmer schlafen, sondern lag -jede Nacht in der äußeren Veranda, bereit für jeden Ruf. - -»Onkel Tom,« sagte Miß Ophelia, »was in der Welt ist Dir eingefallen, -daß Du überall liegst und schläfst wie ein Hund. Ich dachte, Du wärest -ein ordentlicher Mensch, der gewohnt wäre, in christlicher Weise in -einem Bette zu schlafen.« - -»Das bin ich, Miß Feely,« sagte Tom geheimnißvoll. »Das bin ich, aber -jetzt --« - -»Nun, was jetzt?« - -»Wir müssen nicht so laut sprechen, -- Master St. Clare will nichts -davon hören; aber, Miß Feely, Sie wissen, es muß Einer auf den Bräutigam -warten.« - -»Was meinst Du, Tom?« - -»Sie wissen, es heißt in der Schrift: »Zur Mitternacht aber ward ein -Geschrei: siehe, der Bräutigam kommt.« Das ist's, was ich jetzt erwarte, -Miß Feely, -- und ich konnte nicht schlafen, wo ich nicht höre.« - -»Wie, Onkel Tom, wie kommst Du auf diesen Gedanken?« - -»Miß Eva, -- sie spricht mit mir. Der Herr sendet seinen Boten in die -Seele. Ich muß dabei sein, Miß Feely; denn wenn das Segenskind in das -Himmelreich geht, wird sich das Thor so weit öffnen, daß wir alle einen -Blick in seine Glorie hineinthun können, Miß Feely.« - -»Onkel Tom! sagte Miß Eva, daß sie sich heute Abend kränker als -gewöhnlich fühle?« - -»Nein, aber sie sagte mir diesen Morgen, daß sie näher käme, -- jene da -oben sind es, die es dem Kinde sagen, Miß Feely, -- die Engel sind's! -- -Es ist der Trompetenschall vor dem Anbruch des Tages!« sagte Tom, sich -der Worte einer Lieblingshymne bedienend. - -Dieses Zwiegespräch fand zwischen Miß Ophelia und Tom eines Abends -zwischen zehn und elf Uhr Statt, nachdem sie bereits alle ihre -Anordnungen für die Nacht getroffen hatte, und sie, als sie die äußere -Thür der Veranda schließen wollte, Tom vor derselben ausgestreckt -liegend fand. Sie war weder nervenschwach, noch leicht erregbar, allein -Tom's feierlicher, aus dem Herzen kommender Ton fiel Ophelien auf. Eva -war an diesem Tage besonders munter und heiter gewesen, und hatte -aufrecht in ihrem Bett gesessen, und über alle ihre kleinen -Schmucksachen geblickt und die Freunde namhaft gemacht, denen sie -gegeben werden sollten. Ihr ganzes Wesen war lebhafter und ihre Stimme -natürlicher gewesen als seit vielen Wochen. Ihr Vater war gegen Abend in -ihrem Zimmer gewesen und hatte gesagt, daß Eva ihm ihren früheren -gesunden Tagen ähnlicher erschienen wäre, als je in ihrer Krankheit, und -als er sie zum Abschiede für die Nacht geküßt, hatte er zu Miß Ophelien -gesagt: »Cousine, wir können sie vielleicht dennoch behalten, sie ist -entschieden besser,« und hatte sich sodann mit leichterem Herzen in sein -Zimmer zurückgezogen, als manche lange Woche zuvor. - -Aber um Mitternacht, -- seltsame, geheimnißvolle Stunde! -- wenn der -Schleier zwischen der gebrechlichen Gegenwart und der ewigen Zukunft -durchsichtiger wird, -- dann kam der Bote! - -Ein Geräusch wurde hörbar in jenem Zimmer von schnellen, eiligen -Schritten. Es war Miß Ophelia, welche beschlossen hatte, die ganze Nacht -bei ihrem kleinen Pflegling zu wachen, und um Mitternacht Etwas bemerkt -hatte, was erfahrene Wärterinnen bedeutungsvoll »eine Veränderung« zu -nennen pflegen. Die äußere Thür wurde schnell geöffnet, und Tom, der -außerhalb wachte, war im Augenblick bei der Hand. - -»Geh' zum Arzte, Tom! verliere keinen Augenblick!« sagte Miß Ophelia, -und eilte durch das Zimmer, um an St. Clare's Thür zu pochen. - -»Cousin,« rief sie, »bitte, komm heraus!« - -Diese Worte fielen auf sein Herz wie Sandschollen auf einen Sarg. Im -Augenblicke war er im Zimmer und beugte sich über Eva nieder, die noch -schlief. - -Was war es, was er dort sah und sein Herz stocken ließ? Weshalb wurde -kein Wort zwischen Beiden gesprochen? Du, liebe Leserin, weißt es -vielleicht, die Du denselben Ausdruck auf dem Gesichte dessen gesehen -hast, was Dir am theuersten war, -- jenen unbeschreiblichen, -hoffnungslosen, unverkennbaren Zug, der Dir sagt, daß Dein Geliebtes -nicht mehr Dein ist. - -Gleichwohl zeigte sich auf dem Gesichte nichts Geisterhaftes, -Todtenähnliches, sondern nur ein hoher, beinahe erhabener Ausdruck, -- -die überschattende Gegenwart geistiger Naturen, der Tagesanbruch eines -unsterblichen Lebens in dieser kindlichen Seele. - -St. Clare und Ophelia standen so still und betrachteten das Kind so -schweigend, daß selbst der Pendelschlag der Uhr zu laut zu sein schien. -In wenigen Minuten kehrte Tom mit dem Arzte zurück. Letzterer trat ein, -warf einen Blick auf das Kind, und blieb schweigend wie die Uebrigen -stehen. - -»Wann trat diese Veränderung ein?« sagte er flüsternd zu Ophelien. - -»Ungefähr um Mitternacht,« war die Antwort. - -Jetzt erschien aus dem nächsten Zimmer Marie in größter Eile, die durch -die Ankunft des Arztes erweckt worden war. - -»Augustin! Cousine! -- O! -- was« -- begann sie in hastigem Tone. - -»Still!« sagte St. Clare mit rauher Stimme, -- »^sie stirbt!^« - -Mammy hatte diese Worte gehört und eilte davon, um die Dienstboten zu -erwecken. Das ganze Haus war bald munter, -- Lichter wurden gesehen, -Fußtritte gehört, ängstliche Gesichter drängten sich in die Veranda, und -blickten mit thränenvollen Augen durch die Glasthüren; aber St. Clare -hörte und sah nichts, -- er sah nur ^den Ausdruck^ im Gesichte der -kleinen Schläferin. - -»O, wenn sie nur noch einmal aufwachen und sprechen wollte!« sagte er, -und sich über sie niederbeugend, flüsterte er in ihr Ohr: »Eva, -Liebling!« - -Die großen blauen Augen öffneten sich, -- ein Lächeln flog über ihr -Gesicht, -- sie versuchte ihren Kopf zu erheben und zu sprechen. - -»Kennst Du mich, Eva?« - -»Lieber Vater!« sagte das Kind, mit letzter Anstrengung seine Arme um -den Hals des Vaters schlingend. Im nächsten Augenblicke fielen sie -wieder nieder und als St. Clare seinen Kopf erhob, sah er einen -Todeskrampf über das Gesicht ziehen; -- das Kind suchte angstvoll nach -Athem, und warf seine kleinen Hände empor. - -»O Gott, das ist schrecklich!« rief er, sich im tiefsten Schmerze -abwendend und Tom's Hand drückend, ohne zu wissen, was er that. »O Tom, -es bringt mich um!« - -Tom hielt die Hand seines Herrn zwischen den seinigen, und während die -Thränen über seine dunklen Wangen strömten, schaute er nach Hülfe da -hinauf, wohin er immer gewohnt gewesen war, zu blicken. - -»Bete, daß dies bald enden möge!« sagte St. Clare, -- »es zerreißt mir -das Herz.« - -»Der Herr sei gepriesen! es ist vorüber, -- es ist vorbei, lieber -Master!« sagte Tom; -- »sehen Sie sie an.« - -Das Kind lag erschöpft und schwer athmend auf seinen Kissen, während die -großen klaren Augen weit offen vor sich hinstarrten. Was sagten diese -Augen, die sich so gerade auf den Himmel richteten? Die Erde und -irdischer Schmerz war zurückgelassen; aber so feierlich, so -geheimnißvoll war die triumphirende Klarheit dieses Gesichts, daß selbst -das Schluchzen des Schmerzes verstummte. Alle drängten sich in -athemloser Stille um sie her. - -»Eva,« sagte St. Clare sanft. - -Sie hörte nicht. - -»O Eva, sage uns, was Du siehst! Was ist es?« sagte der Vater. - -Ein sanftes, seliges Lächeln schwebte über ihr Gesicht, und sie -antwortete in gebrochenen Tönen: »O! Liebe, -- Freude, -- Friede!« -seufzte tief auf, und ging vom Leben zum Tode über. - -Lebe wohl, geliebtes Kind! Die glänzenden Thore der Ewigkeit haben sich -hinter Dir geschlossen; wir werden Deine sanften Züge nicht mehr sehen. -Wehe den Armen, die Deinen Eingang in den Himmel sahen, und, wenn sie -erwachten, nichts als den kalten, grauen Lebenshimmel finden, nachdem Du -für immer dahin bist. - - - - -Siebenundzwanzigstes Kapitel. - - Dies ist das Letzte der Erde. - - J. G. ^Adams^. - - -Die Statuen und Gemälde in Eva's Zimmer waren mit weißen Tüchern -verhangen, und nur stilles Athmen und leise Tritte wurden darin gehört, -und das Licht stahl sich feierlich durch halbverschlossene Fenster. - -Das Bett war weiß überzogen, und darauf, unter dem Engel mit gesenkten -Flügeln, lag eine kleine, schlafende Gestalt, schlafend, -- um nimmer -wieder zu erwachen. - -Dort lag sie, in eins der schlichten weißen Gewänder gekleidet, welche -sie im Leben zu tragen gepflegt hatte, und das rosige Licht, welches -durch die Gardinen fiel, warf einen wärmeren Schein über die eisige -Kälte des Todes. Die schweren Augenwimpern ruhten sanft auf der klaren -Wange; der Kopf war ein wenig nach einer Seite geneigt, wie im -natürlichen Schlafe, aber über alle Züge des Gesichtes ergoß sich jener -himmlische Ausdruck, jene Mischung von Wonne und Ruhe, welche deutlich -erkennen ließ, daß es kein irdischer oder zeitlicher Schlaf, sondern -jene lange, heilige Ruhe sei, welche »Er Denen gibt, die er liebt.« - -Für Wesen wie Du, theure Eva, gibt es keinen Tod! Es ist nichts als ein -sanftes Schwinden, wie wenn der Morgenstern unter den goldenen Strahlen -des ersten Tageslichtes erbleicht. Dir gehört der Sieg ohne Kampf, -- -die Krone ohne Streit. - -So dachte St. Clare, als er mit unterschlagenen Armen vor der Hülle -seines Kindes stand. Aber, wer will sagen, was er dachte? denn von der -Stunde an, daß er Stimmen in dem Sterbezimmer gehört hatte, die da -sagten, »sie sei dahin,« war Alles um ihn nur ein dunkler, schwerer -Nebel gewesen. Er hatte Stimmen um sich gehört; es waren Fragen an ihn -gerichtet und beantwortet worden; man hatte ihn gefragt, wann das -Begräbniß stattfinden solle, und wo er wünsche, daß sie beigesetzt -werde, und er hatte ungeduldig geantwortet, daß es ihm gleichgültig sei. - -Adolph und Rosa hatten die Anordnungen im Zimmer getroffen, welche, -obgleich leichtsinnig und kindisch, doch gutherzig und gefühlvoll waren; -und während Miß Ophelia die Vorbereitungen im Allgemeinen leitete, waren -es ihre Hände, welche ihnen jenen sanfteren, poetischeren Anstrich -liehen, der dem Sterbezimmer den abschreckenden, geisterartigen Anschein -nimmt, welcher den Leichenbegängnissen in Neu-England so eigentümlich -ist. Auch jetzt, während St. Clare sinnend dastand, kam Rosa mit einem -Korbe voll weißer Blumen leise in das Zimmer getrippelt. Sie trat -zurück, als sie St. Clare gewahrte, und blieb ehrfurchtsvoll stehen; -allein, da sie sah, daß er sie nicht bemerkte, kam sie näher, um die -Blumen um das todte Kind zu legen. St. Clare sah sie nur wie im Traume, -als sie in die kleinen Hände eine schöne Jasminblüthe legte, und mit -bewunderungswürdigem Geschmacke die anderen Blumen auf dem Sterbelager -ausbreitete. - -Die Thür öffnete sich abermals, und Topsy erschien mit dick -angeschwollenen, verweinten Augen, Etwas unter ihrer Schürze tragend. -Rosa machte gegen sie eine schnelle, zurückweisende Bewegung, aber sie -trat dennoch einen Schritt weiter in das Zimmer. - -»Du mußt hinausgehen,« sagte Rosa flüsternd in scharfem, entschiedenem -Tone; -- »^Du^ hast hier Nichts zu thun.« - -»O, bitte, laß mich! Ich habe eine Blume, -- so eine schöne!« sagte -Topsy, eine halb aufgeblühte Theerosenknospe emporhaltend. »Bitte, laß -mich sie dahin legen!« - -»Geh' hinaus!« sagte Rosa noch bestimmter. - -»Laß sie hier!« rief St. Clare plötzlich mit dem Fuße stampfend. »Sie -soll herein kommen.« - -Rosa zog sich sogleich zurück, und Topsy kam näher und legte ihr -Geschenk zu den Füßen des Leichnams; und sodann sich plötzlich mit einem -wilden, schmerzlichen Schrei an der Seite des Bettes niederwerfend, -begann sie mit leidenschaftlicher Heftigkeit zu weinen und zu -schluchzen. - -Miß Ophelia kam in's Zimmer geeilt, und bemühte sich, sie aufzuheben und -zu beruhigen, aber vergeblich. - -»O Miß Eva! o Miß Eva! ich wollte, ich wäre auch todt!« - -Es lag eine solche Wildheit und ein so schneidender Schmerz in diesem -Weinen, daß das Blut in St. Clare's marmorweiße Wangen stieg, und seit -Eva's Tode die ersten Thränen wieder in seine Augen traten. - -»Steh' auf, Kind,« sagte Miß Ophelia mit sanfter Stimme, »weine nicht so -heftig. Miß Eva ist im Himmel, und ist nun ein Engel!« - -»Aber ich kann sie nicht sehen!« sagte Topsy. »Ich werde sie nie wieder -sehen!« und ihr Schluchzen begann von Neuem. - -St. Clare und Ophelia standen einen Augenblick schweigend da. - -»^Sie^ sagte, sie hätte mich ^lieb^,« fuhr Topsy fort, -- »ja! o -Herr! o Herr! nun ist ^Niemand^ da! -- Niemand!« - -»Das ist wahr genug,« sagte St. Clare, und fuhr dann zu Miß Ophelien -gewendet fort: »aber bitte, sieh' zu, ob Du nicht das arme Wesen -beruhigen kannst.« - -Miß Ophelia hob sie sanft, aber fest auf, und führte sie aus dem -Zimmer; aber, während sie es that, fielen auch aus ihrem Auge einige -Thränen nieder. - -»Topsy, Du armes Kind,« sagte sie, als sie sie in ihr eignes Zimmer -führte, »verzweifle nicht! Ich kann Dich lieb haben, obgleich ich nicht -so bin, wie jenes theure Kind. Ich hoffe, ich habe etwas von der Liebe -Christi durch sie gelernt. Ich kann Dich lieben; und ich will Dir -beistehen, daß Du als ein gutes, christliches Mädchen aufwachsen -mögest.« - -Miß Opheliens Stimme drückte mehr aus, als ihre Worte, und mehr noch, -als jene, sagten die aufrichtigen Thränen, die über ihre Wangen -niederrollten. Und von diesem Augenblicke an erlangte sie einen Einfluß -auf den Geist dieses verlassenen Kindes, den sie nie wieder verlor. - -»O meine Eva, deren kurze Stunde so viel Gutes auf Erden wirkte,« dachte -St. Clare, »welche Rechenschaft habe ich zu geben von meinen vielen, -langen Jahren?« - -Eine Zeit lang wurde noch leises Flüstern und Gehen im Zimmer gehört, -während Einer nach dem Andern herein schliech, um die Todte zu sehen; -dann kam der kleine Sarg, und dann begann das Leichenbegängniß, und -Wagen kamen gefahren, und fremde Personen betraten das Zimmer und -setzten sich darin nieder; und weiße Bänder wurden gesehen, und -Trauerflöre, und Trauernde in schwarzer Kleidung; und dann wurden Worte -aus der Bibel gelesen, und Gebete gehalten; und St. Clare lebte, und -ging, und bewegte sich wie Jemand, der die letzte Thräne vergossen hat. -Endlich sah er nur noch einen Gegenstand, -- das goldene Köpfchen im -Sarge; aber dann sah er das Leichentuch darüber ausbreiten, und den -Sargdeckel schließen, und er schritt an der Seite Andrer, wohin man ihn -gestellt hatte, nach einem Platze am Ende des Gartens, und dort, bei dem -Moossitze, wo sie und Tom so oft gesessen, und gesungen und gelesen -hatten, war das kleine Grab. St. Clare stand neben demselben, -- und -blickte gedankenlos hinab; er sah den kleinen Sarg hinabsenken: er hörte -die feierlichen Worte: »Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an -mich glaubet, der wird leben, ob er gleich stürbe;« und als die Erde -hinab geschüttet wurde, und das kleine Grab füllte, konnte er sich nicht -denken, daß es Eva sei, die man dort vor seinen Blicken verborgen habe. - -Auch war es nicht Eva! -- sondern nur der schwache Same jener -glänzenden, unsterblichen Gestalt, mit der sie hervortreten wird am Tage -unseres Herrn Jesu Christi. - -Sodann entfernten sich Alle, und die Trauernden gingen zurück nach dem -Orte, an dem sie nicht mehr gesehen werden sollte. Mariens Zimmer war -dunkel, und sie selbst lag auf dem Bette, und schluchzte und stöhnte in -unmäßigem Schmerze, und verlangte jeden Augenblick nach der Bedienung -aller ihrer Dienstboten. Diese, natürlich, hatten keine Zeit zu weinen; --- weshalb sollten sie auch? Der Schmerz war ja ^ihr^ Schmerz, und sie -war völlig überzeugt, daß Niemand auf Erden so empfinden könne oder -wolle wie sie. - -»St. Clare habe keine Thräne vergossen,« sagte sie; »er habe nicht mit -ihr sympathisirt; es sei wirklich ganz unbegreiflich, wie er so -hartherzig und gefühllos sein könne, da er doch wissen müsse, was sie -leide.« - -So sehr sind die Menschen Sklaven ihres Auges und Ohres, daß viele der -Dienstboten wirklich glaubten, daß ihre Missis bei diesem Trauerfalle am -meisten leide, besonders, als Marie anfing, hysterische Krämpfe zu -bekommen, und nach dem Arzte schickte, und sich selbst als dem Tode nahe -erklärte. Allein Tom trug in seinem Herzen ein andres Gefühl, welches -ihn zu seinem Herrn zog. Er folgte ihm, wohin er auch sinnend und -traurig gehen mochte; und wenn er ihn in Eva's Zimmer blaß und -schweigend sitzen, und ihre kleine Bibel offen vor sich halten sah, in -der er kein Wort und keinen Buchstaben sah, so erkannte Tom in diesem -stillen, starren, thränenlosen Auge mehr Schmerz, als in Marien's -Stöhnen und Klagen. - -Wenige Tage später ging die ganze Familie nach der Stadt zurück, da St. -Clare in der Ruhelosigkeit seines Schmerzes nach andern Scenen -verlangte, um dem Laufe seiner Gedanken eine andre Richtung zu geben. -Sie verließen also das Haus und den Garten mit dem kleinen Grabe, und -kamen nach New-Orleans zurück; und St. Clare schritt eilfertig die -Straßen auf und ab, und suchte die Leere in seinem Herzen durch eifrige -Geschäftigkeit und durch Veränderung des Aufenthaltes auszufüllen; und -die Leute, die ihm auf der Straße oder im Caffe begegneten, erkannten -seinen Verlust nur durch das Zeichen am Hute, denn er lächelte und -unterhielt sich, und las Zeitungen, und disputirte über politische -Gegenstände, und widmete sich seinen Geschäften; und wer konnte sehen, -daß diese lächelnde Außenseite nur als hohle Schale ein Herz bedeckte, -welches ein dunkles, schweigendes Grab war? - -»Mr. St. Clare ist ein sonderbarer Mann,« sagte Marie zu Ophelien, in -sich beklagendem Tone. »Ich dachte immer, wenn es überhaupt Etwas in der -Welt gäbe, was er lieben könne, so sei es unsere theure, kleine Eva -gewesen; allein er scheint sie sehr leicht zu vergessen. Ich kann ihn -nie dazu bringen, von ihr zu sprechen. Ich dachte wirklich, er würde -mehr Gefühl zeigen!« - -»Stille Wasser sind tief, pflegt man zu sagen,« entgegnete Miß Ophelia -bedeutungsvoll. - -»O, ich glaube nicht an solche Dinge; das ist Alles nur Geschwätz. Wer -Gefühl hat, wird es zeigen, -- und kann nicht anders; aber es ist ein -großes Unglück, so viel Gefühl zu haben. Ich wollte lieber, ich wäre wie -St. Clare; meine Gefühle nagen an meiner Gesundheit!« - -»O gewiß, Missis,« sagte Mammy, »Master St. Clare wird wie ein Schatten; --- er ißt gar nichts. Ich weiß, er kann Miß Eva nicht vergessen; -- ich -weiß, Keiner kann's, -- das liebe, kleine, segensreiche Wesen!« fügte -sie, ihre Augen trocknend, hinzu. - -»Wohl, auf alle Fälle hat er kein Gefühl für mich,« sagte Marie; »er hat -mir noch kein theilnehmendes Wort gesagt, und er muß doch wissen, wie -viel tiefer so etwas eine Mutter empfindet, als es ein Mann kann.« - -»Jedes Herz kennt seinen eignen Schmerz!« sagte Ophelia sehr ernst. - -»Das ist es grade, was ich denke. Ich weiß, was ich empfinde, -- und -Niemand Anderes scheint es zu ahnen. Nur Eva konnte es, aber sie ist -hin!« sagte Marie, und legte sich auf ihr Sopha zurück, und begann -heftig zu schluchzen. - -Während diese Unterhaltung in Marien's Wohnzimmer Statt fand, wurde eine -andre in St. Clare's Arbeitszimmer gepflogen. - -Tom, der seinem Herrn überall unruhig folgte, hatte ihn mehrere Stunden -zuvor in sein Arbeitszimmer gehen sehen, und beschloß endlich, nachdem -er vergeblich darauf gewartet hatte, ihn wieder herauskommen zu sehen, -unter irgend einem Vorwande hinein zu gehen. Er trat leise ein. St. -Clare lag auf dem Sopha, am anderen Ende des Zimmers, auf dem Gesichte, -Eva's Bibel aufgeschlagen in der Hand haltend. Tom näherte sich ihm, und -blieb am Sopha stehen. Er zauderte, und während dessen richtete sich St. -Clare plötzlich auf. Das ehrliche Gesicht, auf dem sich der Ausdruck -tiefsten Schmerzes und flehenden Mitgefühls zeigte, rührte St. Clare. Er -legte seine Hand auf Tom's Hand, und neigte seine Stirn darauf nieder. - -»O, Tom, mein Junge, die Welt ist leer, wie eine Eierschale.« - -»Ich weiß, Master, -- ich weiß,« sagte Tom; »aber, o! wenn Master nur -da hinauf blicken könnte, -- hinauf, wo unsere liebe Miß Eva ist, -- auf -zum lieben Herrn Jesus!« - -»Ach, Tom! ich sehe hinauf; aber das Unglück ist, ich sehe nichts, wenn -ich es thue. Ich wollte, ich könnte etwas sehen.« - -Tom seufzte schwer. - -»Es scheint nur Kindern gegeben zu sein, und solchen armen, ehrlichen -Seelen, wie Du bist, zu sehen, was wir nicht können,« sagte St. Clare. -»Wie kommt das?« - -»»Du hast es verborgen den Weisen und Klugen, und hast es geoffenbaret -den Unmündigen. Ja, Vater, also war es wohlgefällig vor Dir,«« -antwortete Tom mit den Worten der Schrift. - -»Tom, ich glaube nicht, -- ich kann nicht glauben, -- ich habe einmal -die Gewohnheit des Zweifelns angenommen,« sagte St. Clare. »Ich möchte -gern an die Bibel glauben, -- und kann nicht.« - -»Lieber Master, beten Sie zum lieben Herrn: »Herr, ich glaube, hilf Du -meinem Unglauben!«« - -»Wer ^weiß^ Etwas?« sagte St. Clare, während seine Augen träumerisch -umher wanderten, und er zu sich selbst sprach. »War alle diese -himmlische Liebe und dieser Glaube nichts als eine der ewig wechselnden -Phasen menschlichen Gefühls, die auf nichts Wirklichem ruht, und mit dem -schwachen Athem entflieht? Und gibt es jetzt keine Eva mehr, -- keinen -Himmel, -- keinen Christus, -- nichts?« - -»O lieber Master, ja! ich weiß es! -- ich weiß es gewiß!« sagte Tom auf -die Knie fallend. »Bitte, bitte, lieber Master, glauben Sie es!« - -»Wie weißt Du, Tom, daß es einen Christus gibt? Du hast ihn nie -gesehen.« - -»Ich habe Ihn gefühlt in meiner Seele, Master, -- fühle Ihn jetzt! O -Master, als ich verkauft wurde, fort von meiner alten Frau und meinen -Kindern, da dacht' ich, 's wäre aus mit mir. Mir war, als wenn Alles -vorbei wäre; aber dann kam der gute Herr, und stand bei mir, und sagte: -›Tom, fürchte nicht!‹ und er brachte Licht und Freude in meine arme -Seele, -- und machte Friede; -- und ich wurde so glücklich, und liebte -Jedermann, und fühlte mich willig nur dem Herrn anzugehören, und des -Herrn Willen zu thun, und überall hinzugehen, wohin der Herr mir befahl. -Ich wußte, das konnte nicht von mir kommen, denn ich bin eine arme, -unzufriedene Creatur; es kommt vom Herrn; -- und ich weiß, Er ist auch -bereit, Master beizustehen.« - -Tom sprach unter strömenden Thränen, und mit stockender Stimme. St. -Clare lehnte seinen Kopf an Tom's Schulter, und drückte seine harte, -treue, schwarze Hand. - -»Tom, Du hast mich lieb,« sagte er. - -»Bin bereit mein Leben zu lassen, heute noch, wenn Master wollte ein -Christ werden.« - -»Armer, thörichter Bursche!« sagte St. Clare, sich halb aufrichtend. -»Ich bin der Liebe eines so guten, ehrlichen Herzens, wie Deines, nicht -werth.« - -»O Master, ich liebe Sie nicht allein, -- der liebe Herr Jesus liebt Sie -auch.« - -»Wie weißt Du das, Tom?« sagte St. Clare. - -»Ich fühle es in meiner Seele. O Master! ›die Liebe Christi, die viel -besser ist denn alles Wissen.‹« - -»Sonderbar!« sagte St. Clare, sich abwendend, »daß die Geschichte eines -Menschen, der vor achtzehnhundert Jahren lebte und starb, noch jetzt so -tiefen Eindruck auf die Gemüther machen kann. Aber er war kein Mensch,« -fügte er plötzlich hinzu. »Nie hatte ein Mensch eine so lange dauernde -und lebendige Kraft. O, daß ich glauben könnte was meine Mutter mich -lehrte, und beten, wie ich es als Knabe konnte!« - -»Wenn Master so gut sein wollte,« sagte Tom »Miß Eva las dies immer so -wunderschön. Ich wünschte, Master wollte so gut sein und es lesen. Höre -jetzt gar nichts mehr lesen, nun Miß Eva nicht mehr da ist.« - -Es war das eilfte Kapitel Johannis, -- die rührende Scene von der -Wiedererweckung des Lazarus. St. Clare las laut, oft inne haltend, um -gewisse Empfindungen niederzudrücken, die durch das Ergreifende der -Schilderung erregt wurden. Tom kniete vor ihm mit gefalteten Händen, und -mit dem innigsten Ausdrucke von Liebe, Vertrauen und Anbetung in seinem -ruhigen Gesichte. - -»Tom,« sagte sein Herr, »dies ist alles Wirklichkeit für Dich!« - -»Ich kann es alles deutlich sehen, Master,« entgegnete Tom. - -»Ich wollte, ich hätte Deine Augen, Tom.« - -»Ich wünschte, bei dem lieben Herrn Jesus, Master hätte sie.« - -»Aber, Tom, Du weißt, daß ich viel mehr Kenntnisse besitze als Du; wie, -wenn ich Dir sage, daß ich an diese Bibel nicht glaube?« - -»O Master!« rief Tom, seine Hände mit bittender Geberde emporhaltend. - -»Würde es nicht Deinen Glauben etwas wankend machen?« - -»Nicht im Geringsten,« entgegnete Tom. - -»Aber, Tom, Du mußt bedenken, daß ich viel mehr weiß als Du.« - -»O Master, haben Sie nicht just jetzt gelesen, »Er hat es den Weisen und -Klugen verborgen, und es den Unmündigen geoffenbaret?« Aber Master war -nicht im Ernste, -- gewiß nicht -- nicht wahr?« sagte Tom ängstlich. - -»Nein, Tom, es war nicht mein Ernst. Ich verwerfe den Glauben nicht, und -dennoch kann ich nicht selbst glauben. Es ist eine unglückliche, böse -Gewohnheit, Tom, die ich angenommen habe.« - -»Wenn Master nur beten wollte!« - -»Woher weißt Du, Tom, daß ich es nicht thue?« - -»Thut Master es?« - -»Ich würde es thun, Tom, wenn Jemand dort wäre, wenn ich bete; aber alle -meine Worte gehen nur in die Leere hinein. Aber komm, Tom, Du sollst -beten, jetzt, und es mir zeigen, wie.« - -Tom's Herz war voll. Er ließ es ausströmen in Gebet wie Wasser, die -lange zurückgedrängt worden sind. Eins war klar: Tom glaubte, daß Jemand -da sei, der ihn höre, und St. Clare fühlte sich auf der Fluth seines -Glaubens und Gefühls beinahe bis zu den Pforten des Himmels hinauf -getragen, den Tom so deutlich zu sehen schien; es war ihm, als wenn er -Eva näher gebracht würde. - -»Danke Dir, mein Junge,« sagte St. Clare, als Tom aufstand. »Ich höre -Dich gern, Tom, aber jetzt gehe, und verlaß mich; ein anderes Mal wollen -wir mehr mit einander reden.« - -Tom verließ schweigend das Zimmer. - - - - -Achtundzwanzigstes Kapitel. - -Wiedervereinigung. - - -Woche um Woche floß dahin in St. Clare's Hause, und die Wellen des -Lebens nahmen wieder ihren gewöhnlichen Lauf an, wo jener kleine Nachen -untergegangen war; denn wie gebieterisch, wie kalt, wie gefühllos, wie -gleichgültig bewegt sich nicht das tägliche Leben fort! Wir müssen -essen, trinken, schlafen und wieder erwachen -- wir müssen handeln, -kaufen, verkaufen, fragen und antworten, -- kurz, tausend Schatten -verfolgen, obgleich jedes Interesse in ihnen längst verschwunden ist; -denn die kalte, mechanische Gewohnheit des Lebens bleibt, nachdem jedes -lebendige Interesse längst geflohen ist. - -Alle Hoffnungen und jedes Interesse in St. Clares Leben hatten sich ihm -unbewußt um dieses Kind gewunden. Für Eva verwaltete er sein Eigenthum; -mit Rücksicht auf Eva hatte er die Eintheilung seiner Zeit getroffen; -und dies oder das für Eva zu thun, -- zu kaufen, zu verbessern, zu -verändern und anzuordnen, -- war seit so langer Zeit seine Gewohnheit -gewesen, daß es ihm jetzt, wo sie nicht mehr da war, schien, als habe er -an nichts mehr zu denken, nichts mehr zu thun. - -Zwar gab es noch ein anderes Leben, -- ein Leben, das, wenn einmal daran -geglaubt wird, als eine so heilige, bedeutungsvolle Ziffer vor den sonst -so bedeutungslosen Zahlen der Zeit steht, daß sie einen geheimnißvollen, -unaussprechlichen Werth dadurch empfangen. St. Clare wußte dies, und -glaubte in mancher müden Stunde die zarte, kindliche Stimme zu hören, -wie sie ihn zu sich rief, und die kleine Hand zu sehen, wie sie ihm den -Lebensweg vorzeichnete; aber es lag ein schwerer, lethargischer Schmerz -auf ihm, er konnte sich nicht erheben. St. Clare hatte nie versucht, -sich durch religiöse Vorschriften leiten zu lassen, denn eine gewisse -Feinheit seiner Natur hat ihm einen Blick in die weite Ausdehnung der -Erfordernisse des Christenthums gegeben, so daß er im Voraus davor -zurückbebte. So inconsequent ist die menschliche Natur, besonders im -Gebiete des Geistigen, daß es ihr besser erscheint, ein Unternehmen -überhaupt gar nicht zu beginnen, als darin nicht ganz erfolgreich zu -sein. - -Dennoch war St. Clare in mancher Beziehung ein andrer Mensch geworden. -Er las in der Bibel seiner kleinen Eva ernstlich und aufrichtig; er -dachte mehr und reichlicher über das Verhalten gegen seine Dienstboten -nach, -- eine Betrachtung, die ihn im höchsten Grade unzufrieden mit -seiner bisherigen und gegenwärtigen Verfahrungsweise machte; und er -that, gleich nach seiner Rückkehr nach New-Orleans, die nöthigen -Schritte, um Tom's Freilassung zu bewirken, welche erfolgen sollte, -sobald den nöthigen Formalitäten genügt worden war. Inzwischen schloß er -sich jeden Tag mehr und mehr an Tom an. Nichts in der Welt schien ihn so -sehr an Eva zu erinnern wie Tom; und so verschlossen und unzugänglich er -sonst mit seinen tieferen Gefühlen war, so legte er sich in Tom's -Gegenwart so wenig Zwang an, daß er beinahe laut dachte. Auch würde sich -Niemand darüber gewundert haben, der den Ausdruck von Liebe und -Ergebenheit sah, mit dem Tom seinem jungen Herrn überall folgte. - -»Nun, Tom,« sagte St. Clare am Tage, an welchem die gesetzlichen -Förmlichkeiten seiner Freilassung begonnen hatten, -- »ich will Dich -jetzt zu einem freien Menschen machen; -- Du kannst also nur Deinen -Koffer packen, und Dich zur Abreise nach Kentucky vorbereiten.« - -Die plötzliche Freude, die in Tom's Gesicht aufleuchtete, während er -seine Hände erhob, und sein Ausruf: »Gesegnet sei der Herr!« kränkten -St. Clare gewissermaßen. Es gefiel ihm nicht, daß Tom so bereitwillig -war, ihn zu verlassen. - -»Du hast doch so sehr schlimme Zeit hier nicht gehabt, daß Du in solches -Entzücken darüber gerathen mußt, Tom,« sagte er trocken. - -»Nein, nein, Master!, das ist es nicht, -- es ist ›ein freier Mensch -sein.‹ Darüber freue ich mich.« - -»Wie, Tom, glaubst Du nicht, daß Du, was Dich allein betrifft, es hier -besser gehabt hast, als wenn Du frei gewesen wärest?« - -»Nein, Master St. Clare,« sagte Tom mit aufloderndem Enthusiasmus, -- -»nein, o nein!« - -»Wie, Tom, hättest Du durch Deine eigene Arbeit Dir solche Kleider und -solchen Unterhalt verdienen können, wie ich Dir gegeben habe?« - -»Weiß das, Master St. Clare; Master ist zu gut gewesen; aber, Master, -ich will lieber schlechte Kleider, eine kleine Hütte, und Alles dürftig -haben, und es ^mein^ nennen, als das Beste haben, was einem Andern -gehört. -- Ich möchte 's so, Master, -- ich denke, 's ist natürlich, -Master.« - -»Ich denke, Tom, Du wirst ungefähr in einem Monat gehen, und mich -verlassen können,« sagte St. Clare etwas unzufrieden. »Aber warum -solltest Du 's auch nicht? -- kein Mensch kann es sagen,« fuhr er -plötzlich in heiterem Tone fort, und stand auf, und begann im Zimmer auf -und abzugehen. - -»Nicht, so lange Master St. Clare unglücklich ist,« sagte Tom. »Ich will -bleiben, so lange Master mich nöthig hat, und ich von Nutzen sein kann.« - -»Nicht, so lange ich unglücklich bin, Tom?« sagte St. Clare, traurig -durch das Fenster blickend. -- -- »Und wann glaubst Du, daß mein Unglück -aufhören werde?« - -»Wenn Master St. Clare ein Christ ist,« sagte Tom. - -»Und Du gedenkst wirklich hier so lange zu bleiben, bis dieser Tag -kommt?« sagte St. Clare halb lächelnd, während er sich vom Fenster -abwandte und seine Hand auf Tom's Schulter legte. »O Tom, Du guter, -thörichter Bursche! Ich will Dich nicht bis zu dem Tage halten. Geh' -heim zu Deinem Weibe und Deinen Kindern, und grüße sie alle von mir.« - -»Ich weiß gewiß, daß dieser Tag kommen wird,« sagte Tom mit Wärme und -mit Thränen in den Augen; »der Herr hat ein Werk für Master.« - -»Ein Werk, wie?« sagte St. Clare; »wohl, Tom, so gib mir Deine Ansichten -darüber, von welcher Art das Werk sein könne; -- laß mich hören.« - -»Wenn ein armer Mensch wie ich sogar ein Werk für den Herrn verrichten -kann, -- wie viel mehr kann Master St. Clare, der Gelehrsamkeit hat, und -Reichthümer und Freunde, für den Herrn wirken!« - -»Tom, Du scheinst anzunehmen, daß der Herr ein großes Wirken für sich -nöthig habe,« sagte St. Clare lächelnd. - -»Wir wirken für den Herrn, während er für seine Geschöpfe wirkt,« sagte -Tom. - -»Eine gute Theologie, Tom, besser als die, welche Dr. B.... predigt, -- -ich möchte darauf schwören,« entgegnete St. Clare. - -Die Unterhaltung wurde hier durch Besuch, welcher sich anmelden ließ, -unterbrochen. - -Marie St. Clare empfand Eva's Verlust so tief, wie sie überhaupt etwas -empfinden konnte; und da sie eine Frau war, die es verstand, Jedermann -unglücklich zu machen, wenn sie es selbst war, so hatte ihre -unmittelbare Umgebung noch besondere Gründe, den Verlust ihrer jungen -Mistreß zu betrauern, deren sanfte Fürsprache so oft für sie ein Schild -gegen die Tyrannei und den selbstsüchtigen Druck ihrer Mutter gewesen -war. Besonders herzbrechend war der Schmerz der armen, alten Mammy, -deren natürliche, häusliche Bande sämmtlich gelöst waren, und die in -jenem liebenswürdigen Wesen ihren einzigen Trost gefunden hatte. Sie -weinte Tag und Nacht, und war durch ihren übermäßigen Kummer weniger -geschickt und gewandt in ihren Verrichtungen für die Person ihrer -Mistreß, was einen fortwährenden Sturm von Schmähungen auf ihr -schutzloses Haupt herab rief. - -Miß Ophelia fühlte den Verlust; aber in ihrem guten, braven Herzen trug -er Früchte des ewigen Lebens. Sie wurde gemäßigter, sanfter in ihrem -Wesen, und obgleich eben so emsig und eifrig in ihren Pflichten wie -früher, zeigte sie doch eine demüthigere, ruhigere Miene, wie Jemand, -der nicht vergeblich mit seinem Herzen Rath gepflogen hatte. Sie -verwendete noch mehr Fleiß auf den Unterricht Topsy's, -- lehrte ihr aus -der Bibel, -- scheute sich nicht mehr vor ihrer Berührung und verrieth -keinen Widerwillen mehr gegen sie, denn sie empfand keinen. Sie -betrachtete sie jetzt durch das sanftere Medium, welches Eva zuerst -ihren Augen vorgehalten hatte, und sah in ihr nur ein unsterbliches -Wesen, welches Gott gesendet hatte, um durch sie zur Herrlichkeit und -zur Tugend geführt zu werden. Topsy wurde nicht auf einmal eine Heilige; -aber das Leben und der Tod Eva's hatten eine merkliche Veränderung in -ihr bewirkt. Jene verhärtete Gleichgültigkeit war verschwunden, und an -ihrer Stelle zeigten sich jetzt Empfänglichkeit, Hoffnung, Verlangen und -Streben nach dem Guten, -- ein unregelmäßiges und oft unterbrochenes, -aber stets wieder erneuertes Streben. - -Eines Tages, als Topsy von Miß Ophelien gerufen worden war, kam sie -herbei, während sie eiligst etwas in ihren Busen steckte. - -»Was machst Du da, Du unnützes Ding? Du hast gewiß etwas gestohlen,« -sagte die herrschsüchtige, kleine Rosa, welche abgesendet worden war, um -sie zu holen, während sie sie zugleich heftig beim Arm ergriff. - -»Laß mich gehen, Rosa!« sagte Topsy, sich von ihr losreißend; »'s geht -Dich gar nichts an!« - -»Keine Ungezogenheit!« sagte Rosa. »Ich hab's gesehen, daß Du 'was -versteckt hast, -- ich kenne Deine Streiche!« Und mit diesen Worten -ergriff sie ihren Arm von Neuem und versuchte ihre Hand in Topsy's Busen -zu zwängen, während Topsy wüthend um sich stieß, und für das, was sie -als ihr Recht ansah, tapfer focht. Das Geschrei und der Lärm des Kampfes -zogen Miß Ophelien und St. Clare zur Stelle. - -»Sie hat 'was gestohlen!« rief Rosa. - -»'s ist nicht wahr!« schrie Topsy, leidenschaftlich schluchzend. - -»Gib es mir, was es auch immer sein möge!« sagte Miß Ophelia mit -Festigkeit. - -Topsy zauderte; aber nach einem zweiten Befehle zog sie aus ihrem Busen -ein Paket hervor, welches in den Fuß eines ihrer alten Strümpfe -gewickelt war. Miß Ophelia öffnete es. Es zeigte sich ein kleines Buch, -welches Topsy von Eva erhalten hatte und welches einen einzelnen Vers -enthielt, der für alle Tage des Jahres eingerichtet war, und in einem -Papiere die Haarlocke, die Eva ihr an jenem denkwürdigen Tage gegeben, -an dem sie von Allen Abschied genommen hatte. - -St. Clare fühlte sich heftig ergriffen beim Anblicke derselben. Das -kleine Buch war in einen langen Streifen schwarzen Krepp's gewickelt, -der beim Leichenbegängniß benützt worden war. - -»Warum hast Du ^dies^ um das Buch gewickelt?« fragte St. Clare, den -Kreppstreifen emporhaltend. - -»Weil -- weil -- weil es von Miß Eva war. O, bitte, nehmen Sie's nicht -fort!« sagte sie, und setzte sich nieder auf den Fußboden, zog ihre -Schürze über den Kopf und begann heftig zu weinen. - -Es war eine sonderbare Mischung des Pathetischen und Komischen, -- der -kleine, alte Strumpf, -- schwarzer Krepp -- das Textbuch -- sanftes, -blondes Haar, -- und Topsy's heftiger Schmerz. - -St. Clare lächelte; aber es schimmerten Thränen in einem Auge, als er -sagte: - -»Still, still, weine nicht! Du sollst Alles wieder haben!« und mit -diesen Worten wickelte er Alles wieder zusammen, warf es in Topsy's -Schooß, und zog Ophelien in das nächste Zimmer. - -»Ich glaube wirklich, Du kannst aus dem Besteck noch etwas machen,« -sagte er, mit dem Daumen rückwärts über die Schulter deutend. »Ein -Gemüth, das wirklichen Schmerz empfinden kann, ist des Guten fähig. Du -mußt versuchen, ob Du etwas aus ihr machen kannst.« - -»Das Kind hat sich wesentlich gebessert,« sagte Miß Ophelia. »Ich hege -große Hoffnungen mit ihr; -- aber, Augustin,« fuhr sie fort, ihre Hand -auf seinen Arm legend, »eins muß ich Dich fragen: wem soll das Kind -gehören, -- Dir oder mir?« - -»Nun, ich gab sie Dir,« sagte Augustin. - -»Aber nicht in gesetzlicher Form; -- ich möchte sie in aller Form -Rechtens besitzen,« sagte Miß Ophelia. - -»Hoho! Cousine!« sagte Augustin, »was werden die Abolitionisten davon -denken? Die werden einen Bußtag wegen dieses Abfalls halten, wenn Du -eine Besitzerin von Sklaven wirst!« - -»O Unsinn! Ich will sie nur deßhalb ^mein^ nennen können, um das Recht -zu haben, sie mit mir nach den Freistaaten zu nehmen und ihr dort die -Freiheit zu geben, damit nicht Alles verloren sei, was ich für sie zu -thun versucht habe.« - -»O Cousine, was für ein schreckliches ›Uebles thun, daß Gutes daraus -komme‹ ist das! Ich kann das nicht unterstützen!« - -»Du mußt nicht darüber scherzen, sondern die Sache vernünftig -betrachten,« sagte Miß Ophelia. »Alle meine Bemühungen, dieses Kind zu -einem christlichen Kinde zu machen, sind vergeblich, wenn ich es nicht -gegen alle Zufälle und Gefahren schützen kann, die ihm von der Sklaverei -drohen; und wenn es wirklich Deine Absicht ist, sie mir eigenthümlich -zu überlassen, so mußt Du mir eine in gesetzlicher Form ausgestellte -Urkunde darüber geben.« - -»Gut, gut,« sagte St. Clare, »ich will es thun;« worauf er sich setzte, -und eine Zeitung zu lesen begann. - -»Aber ich wünschte, daß Du es gleich thätest,« fuhr Miß Ophelia fort. - -»Wozu ist diese schreckliche Eile?« - -»Weil jetzt grade die einzige Zeit ist, in der etwas vorgenommen werden -kann,« entgegnete Miß Ophelia; »also komm', Cousin, hier ist Papier, -Feder und Tinte; stelle mir eine Urkunde aus.« - -St. Clare, gleich der Mehrzahl seiner Geistesgenossen, haßte jede Art -gespannter Thätigkeit, und fühlte sich deßhalb nicht wenig gequält durch -Opheliens Offenheit und Dringlichkeit. - -»Aber was hast Du denn?« sagte er. »Ist Dir denn mein Wort nicht -genügend? Man sollte glauben, Du wärest bei den Juden in der Lehre -gewesen, daß Du so über einen Menschen herfällst!« - -»Ich will meiner Sache gewiß sein,« entgegnete Miß Ophelia. »Du kannst -sterben oder Dein Vermögen verlieren, und dann würde Topsy, aller meiner -Bemühungen ungeachtet, fortgerissen und auf den Sklavenmarkt geschleppt -werden.« - -»In der That, Du bist außerordentlich vorsichtig. Gut, da ich sehe, daß -ich doch einmal in der Hand einer Yanky bin, so muß ich nachgeben,« -sagte St. Clare, und schrieb schnell eine Ueberweisungsurkunde nieder, -was ihm, da er mit den gesetzlichen Formen genau bekannt war, leicht -wurde, unterzeichnete seinen Namen mit großen Buchstaben und schloß mit -einem mächtigen Schnörkel. »Da, ist das nicht Schwarz auf Weiß?« sagte -er, als er es ihr einhändigte. - -»Bist ein guter Junge,« sagte Miß Ophelia lächelnd, »aber muß es nicht -von einem Zeugen mit unterschrieben sein?« - -»O Plage! -- ja. Hier,« rief er, die Thür von Marien's Zimmer öffnend, -»Marie, Cousine bedarf Deiner Handschrift; komm', schreibe Deinen Namen -hierher.« - -»Was ist das?« sagte Marie, während sie das Papier überlief. -- -»Lächerlich! Ich dachte, Cousine wäre zu fromm für so schreckliche -Dinge,« fügte sie hinzu, während sie nachlässig ihren Namen -unterzeichnete, »aber wenn sie an dem Artikel Gefallen gefunden hat, so -soll es uns willkommen sein.« - -»Da, nun ist sie Dein mit Leib und Seele,« sagte St. Clare, ihr das -Papier aushändigend. - -»Nicht mehr mein, als sie es zuvor war,« entgegnete Miß Ophelia. -»Niemand als Gott hat das Recht, sie mir zu geben; aber ich kann sie -jetzt beschützen.« - -»Wohl, so gehört sie Dir durch eine Fiktion des Gesetzes,« sagte St. -Clare, während er in sein Zimmer zurückkehrte und sich wieder zu seiner -Zeitung niedersetzte. - -Miß Ophelia, welche sich selten lange in Mariens Gesellschaft aufhielt, -folgte ihm in das Zimmer, nachdem sie zuvor sorgfältig die Urkunde -fortgelegt hatte. - -»Augustin,« sagte sie plötzlich, während sie sich mit Stricken -beschäftigte, »hast Du nie daran gedacht, Verfügungen irgend einer Art -zu Gunsten Deiner Dienstboten für den Fall Deines Todes zu treffen?« - -»Nein,« entgegnete St. Clare, während er fortfuhr zu lesen. - -»Dann kann sich alle Deine Nachsicht gegen sie am Ende als eine große -Grausamkeit herausstellen.« - -St. Clare hatte oft dasselbe gedacht, aber er antwortete nachlässig: - -»Ich habe die Absicht, noch Verfügungen zu treffen.« - -»Wann?« fragte Miß Ophelia. - -»O, dieser Tage.« - -»Wie aber, wenn Du früher stirbst?« - -»Cousine, was meinst Du?« sagte St. Clare, sein Papier niederlegend und -sie ansehend. »Glaubst Du, daß ich Symptome des gelben Fiebers oder der -Cholera zeige, daß Du mit solchem Eifer von Verfügungen für meinen -Todesfall sprichst?« - -»»Mitten wir im Leben sind von dem Tod umfangen,«« recitirte Ophelia. - -St. Clare erhob sich, legte nachlässig seine Zeitung fort und trat in -die offene Thür der Veranda, um einer Unterhaltung ein Ende zu machen, -die ihm nicht angenehm war. Mechanisch wiederholte er das Wort -- »Tod!« --- und während er sich gegen das Geländer lehnte, und das Steigen und -Fallen des Wassers im Springbrunnen beobachtete, und die Bäume und -Blumen des Hofes wie durch einen feuchten Nebel betrachtete, wiederholte -er wieder und wieder das Wort, welches in jedem Munde so gewöhnlich und -doch von so furchtbarer Gewalt ist -- »^Tod!^« »Sonderbar,« sagte er, -»daß es ein solches Wort und einen solchen Gegenstand giebt, deren wir -nie eingedenk sind; daß man heut lebendig, warm, schön, voll von -Hoffnungen und Wünschen und morgen für immer dahin sein kann!« - -Es war ein warmer, sonniger Abend, und als er zum andern Ende der -Veranda ging, gewahrte er Tom, welcher eifrigst mit seiner Bibel -beschäftigt war, jedes Wort mit dem Finger verfolgte, und sich selbst -mit ernster Miene zuflüsterte. - -»Soll Dir wohl ein Stückchen lesen, Tom?« sagte St. Clare, sich -nachlässig an seine Seite setzend. - -»Wenn Master so gut sein wollte,« sagte Tom dankbar, »Master macht es so -viel deutlicher.« - -St. Clare nahm das Buch, und begann eine jener von Tom mit großen -Zeichen markirten Stellen zu lesen: Sie lautete folgendermaßen: - - »Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird in seiner Herrlichkeit, - und alle heilige Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Stuhle - seiner Herrlichkeit; und werden vor ihm alle Völker versammelt - werden. Und er wird sie von einander scheiden, gleich als ein Hirte - die Schafe von den Böcken scheidet.« - -St. Clare las mit erhobener Stimme, bis er an den letzten Vers kam: - - »Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Linken: ›Gehet hin - von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem - Teufel und seinen Engeln! Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mich - nicht gespeiset. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich nicht - getränket. Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich nicht - beherberget. Ich bin nackend gewesen, und ihr habt mich nicht - bekleidet. Ich bin krank und gefangen gewesen, und ihr habt mich - nicht besuchet.‹ Dann werden sie ihm auch antworten und sagen: - ›Herr, wann haben wir Dich gesehen hungrig, oder durstig, oder - einen Gast, oder nackend, oder krank, oder gefangen, und wir haben - Dir nicht gedienet?‹ Dann wird er ihnen antworten und sagen: - ›Wahrlich, ich sage Euch: Was ihr nicht gethan habt Einem unter - diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht gethan.‹« - -St. Clare schien von dem letzteren Theile der Stelle tief ergriffen zu -sein, denn er las sie zweimal, -- das zweite Mal langsam, als wenn er -die Worte im Geiste überdächte. - -»Tom,« sagte er, »die Menschen, die mit so strengen Maßregeln bedroht -werden, scheinen gerade das gethan zu haben, was ich gethan habe, -- ein -behagliches, angenehmes Leben geführt, und sich nicht darum bekümmert, -wie viele von ihren Mitbrüdern hungrig, durstig, krank oder gefangen -seien.« - -Tom antwortete nicht. - -St. Clare stand auf und schritt gedankenvoll in der Veranda auf und ab, -alles Andere über seine eignen Gedanken so sehr vergessend, daß ihn Tom -zweimal daran erinnern mußte, daß die Glocke zum Thee gezogen worden -sei, ehe er seine Aufmerksamkeit erwecken konnte. - -St. Clare blieb während des Thee's abwesend und gedankenvoll. Nach -demselben nahmen er und Marie und Miß Ophelia von dem Wohnzimmer beinahe -schweigend Besitz. Marie legte sich auf einen Sopha, unter einer -seidenen Moskitodecke, und war bald entschlafen. Miß Ophelia -beschäftigte sich schweigend mit ihrem Strickzeuge, und St. Clare setzte -sich am Piano nieder, und begann eine sanfte, melancholische Weise zu -spielen. Er schien in tiefe Träumereien versunken zu sein, und durch die -Musik mit sich selbst zu reden. Nach einer kurzen Pause öffnete er einen -Kasten, und nahm ein altes Notenbuch hervor, dessen Blätter bereits gelb -geworden waren, und schlug es auf. - -»Dieses Buch,« sagte er zu Miß Ophelien, »gehörte meiner Mutter, -- und -hier ist ihre Handschrift, -- komm', sieh' her. Sie kopirte und -arrangirte dies von Mozart's Requiem.« - -Miß Ophelia kam. - -»Sie sang dies oft,« fuhr St. Clare fort; »mir ist, als hörte ich sie -noch.« - -Er schlug einige majestätische Accorde an, und begann die erhabene, alte -lateinische Arie, »_Dies Irae_,« zu singen. - -Tom, der sich in der äußeren Veranda befand, wurde durch die Klänge bis -an die Thür gezogen, wo er eifrig horchend stehen blieb. Er verstand -natürlich die Worte nicht; aber die Musik und der Gesang, besonders in -den ausdrucksvolleren Stellen, schienen ihn tief zu ergreifen. Einen -noch größeren Eindruck würde Beides auf ihn gemacht haben, wenn er den -Sinn der schönen Worte hätte verstehen können: - - _Recordare Jesu pie, - Quod sum causa tuae viae - Ne me perdas illa die. - Quaerens me sedisti lassus, - Tantus labor non sit cassus._ - -St. Clare legte einen tief gefühlten Ausdruck in die Worte, denn der -düstere Schleier der Jahre schien hinweg gezogen zu sein, und er glaubte -noch die Stimme seiner Mutter zu hören. Stimme und Instrument schienen -lebendig zu sein, und ließen im innigsten Einklange jene herrlichen -Harmonien ausströmen, welche Mozart als sein eignes Sterbe-Requiem -zuerst erdacht hatte. - -Als St. Clare aufgehört hatte, lehnte er einige Augenblicke seinen Kopf -in die Hand, und begann dann im Zimmer auf und ab zu gehen. - -»Welche erhabene Auffassung ist dies vom jüngsten Gerichte!« sagte er, --- »eine Lösung aller moralischen Räthsel durch eine unwiderlegliche -Weisheit! Es ist in der That ein herrliches Bild.« - -»Es ist für uns ein schreckliches,« sagte Miß Ophelia. - -»Ich glaube, das sollte es für mich sein,« sagte St. Clare stillstehend -und gedankenvoll. »Ich las diesen Nachmittag Tom das Kapitel aus dem -Matthäus vor, welches eine Schilderung davon enthält, und ich fühlte -mich tief ergriffen. Man hätte schreckliche Abscheulichkeiten derjenigen -als Grund annehmen sollen, welche von dem Himmel ausgeschlossen werden; -aber nein, -- sie sind verdammt, weil sie ^nicht^ positiv Gutes gethan -haben, als wenn dies schon jedes mögliche Unrecht in sich schlösse.« - -»So mag es sein,« sagte Miß Ophelia; »es ist unmöglich für Jemanden, der -nicht Gutes thut, kein Unrecht zu thun.« - -»Und was,« sagte St. Clare sinnend, aber mit tiefem Gefühle, -- »was -soll von Jemanden gesagt werden, der durch sein eignes Herz, seine -Erziehung und die Bedürfnisse der menschlichen Gesellschaft zu edlen -Zwecken aufgefordert worden ist, und der als ein träumerischer, -theilnahmloser Zuschauer bei den Kämpfen, Leiden und Schmerzen seiner -Mitmenschen fortgelebt hat, während er hätte thätig für sie wirken -sollen?« - -»Ich würde sagen,« entgegnete Miß Ophelia, »daß er bereuen und von nun -an beginnen solle.« - -»Immer praktisch und zum Zwecke!« sagte St. Clare lächelnd. »Du läßt mir -nie Zeit zu allgemeinen Betrachtungen, Cousine; Du stellst mich immer -dicht vor die wirkliche Gegenwart; Du hast eine Art von ewigem ^Jetzt^ -fortwährend im Geiste.« - -»^Jetzt^ ist auch die einzige Zeit, mit der ich etwas zu thun habe,« -sagte Miß Ophelia. - -»Meine theure, kleine Eva, -- armes Kind!« sagte St. Clare, »sie -gedachte in ihrer kleinen schlichten Seele ein gutes Werk für mich zu -thun.« - -Es war das erste Mal seit Eva's Tode, daß er so viele Worte über sie -geäußert hatte, und er unterdrückte jetzt augenscheinlich, während er -sprach, sehr heftige Empfindungen. - -»Meine Ansicht vom Christenthume ist eine solche,« fuhr er fort, »daß -ich der Meinung bin, kein Mensch kann sich consequenter Weise dazu -bekennen, ohne sich mit aller Macht diesem abscheulichen Systeme von -Ungerechtigkeit entgegen zu werfen, welches allen unsern -gesellschaftlichen Zuständen zu Grunde liegt, und im Falle der Noth sich -selbst im Kampfe dagegen zu opfern. Ich will damit sagen, daß ich selbst -mich unter keinen andern Bedingungen einen Christen nennen könnte, -obgleich ich mit vielen erleuchteten und christlichen Leuten Umgang -gehabt habe, die es nicht gethan haben; und ich bekenne, daß die -Gleichgültigkeit religiöser Leute über diesen Punkt, ihr Mangel an -Empfänglichkeit für das Unrecht, welches mich mit Abscheu erfüllte, mehr -dazu beigetragen haben, Unglauben in mir zu erwecken, als irgend ein -anderer Umstand.« - -»Wenn Du alles dieß wußtest,« sagte Miß Ophelia, »warum hast Du es nicht -gethan?« - -»O, weil ich nur diejenige Art von Wohlwollen besitze, welche darin -besteht, daß ich auf dem Sopha liege und die Kirche und alle Geistlichen -verdamme, weil sie nicht Märtyrer und Bekenner in diesem Sinne sind. Man -kann natürlich sehr leicht sehen, wie Andere Märtyrer sein sollten.« - -»Wohl, willst Du von nun an anders handeln?« fragte Miß Ophelia. - -»Gott allein kennt die Zukunft,« entgegnete St. Clare. »Ich bin besser -als ich war, weil ich Alles verloren habe; und der, welcher nichts mehr -zu verlieren hat, kann sich leicht allen Gefahren aussetzen.« - -»Und was willst Du jetzt thun?« - -»Meine Pflicht, hoffe ich, gegen die Armen und Niedrigen, so weit ich -sie erkennen kann,« sagte St. Clare, »und ich will mit meinen eignen -Sklaven anfangen, für die ich bis jetzt nichts gethan habe; und zu einem -späteren Zeitpunkte kann es sich vielleicht zeigen, daß ich etwas für -eine ganze Klasse thun kann, -- etwas, um mein Vaterland von der Schande -jener unrichtigen Stellung zu befreien, in der es jetzt vor allen -civilisirten Nationen steht.« - -»Hältst Du es für möglich, daß eine Nation jemals von freien Stücken -emancipiren werde?« sagte Miß Ophelia. - -»Ich weiß nicht,« entgegnete St. Clare. »Es ist jetzt eine Zeit großer -Handlungen. Heroismus und Uneigennützigkeit erheben sich hier und dort -auf der Erde. Der ungarische Adel hat mit einem ungeheuren Geldverluste -Millionen von Sklaven freigelassen; und vielleicht finden sich auch -unter uns edelmüthige Seelen, die Ehre und Gerechtigkeit nicht nach -Dollarn und Cents abschätzen.« - -»Ich glaube kaum,« bemerkte Miß Ophelia. - -»Aber angenommen, wir erhöben uns morgen und emancipirten, -- wer würde -diese Millionen erziehen, und ihnen lehren ihre Freiheit richtig zu -gebrauchen? Wir selbst sind zu träge und unpraktisch, um ihnen eine Idee -von der Industrie und Energie beizubringen, welche erforderlich sind, um -sie zu Menschen zu machen. Sie werden nach Norden gehen müssen, wo -Arbeit an der Tagesordnung, allgemeine Sitte ist; und sage mir nun, -herrscht in Euren nordischen Staaten genug christliche Menschenliebe, um -den Prozeß ihrer Erziehung und Heranbildung zu unternehmen? Ihr sendet -Tausende von Dollarn nach fernen Missionen, aber würdet Ihr erlauben, -daß die Heiden in Eure eignen Städte und Dörfer gesendet würden, und -Eure Zeit, Ueberlegung und Geld daran wenden, um sie nach christlichen -Principien zu bilden? Das ist's, was ich gerne wissen möchte! Wenn wir -emancipiren, seid Ihr dann bereit zu erziehen? Wie viele Familien in -Eurer Stadt würden wohl einen Neger oder eine Negerin in ihr Haus -nehmen, sie unterrichten, und zu Christen machen? Wie viele Kaufleute -würden sich wohl bereit finden lassen, den Adolph aufzunehmen, wenn ich -einen Commis aus ihm machen, -- oder Handwerker, wenn ich ihn ein -Handwerk lernen lassen wollte? Wenn ich die Absicht hätte, Rosa und Jane -in eine Schule zu bringen, wie viele Schulen würden sich in den -nördlichen Staaten wohl finden, die sie annähmen, wie viele Familien, -die sie in Kost zu nehmen bereit wären? Und dennoch sind sie so weiß wie -irgend ein Frauenzimmer im Norden oder Süden. Du siehst, Cousine, ich -will nur, daß man uns Gerechtigkeit widerfahren lasse. Wir befinden uns -in einer bösen Lage. Wir sind die mehr sichtbaren Bedrücker der Neger, -aber das unchristliche Vorurtheil des Nordens ist ein eben so harter -Tyrann.« - -»Ich weiß, es ist so, Cousin,« entgegnete Miß Ophelia, -- »ich weiß, es -war mir selbst so, bis ich es für meine Pflicht hielt, das Gefühl zu -unterdrücken; aber ich hoffe, ich habe es unterdrückt, und ich weiß, daß -es im Norden viele gute Menschen gibt, die über diesen Gegenstand nur -belehrt zu werden brauchen, um ihre Pflicht zu erkennen und zu erfüllen. -Es würde jedenfalls eine größere Selbstverläugnung sein, Heiden unter -uns aufzunehmen, als ihnen Missionäre zuzusenden; aber ich glaube, wir -würden es thun.« - -»^Du^ würdest es thun, das weiß ich!« sagte St. Clare. »Ich möchte -wissen, was Du nicht thun würdest, sobald Du es für Deine Pflicht -hieltest!« - -»Ich bin nicht so außerordentlich gut,« entgegnete Miß Ophelia. »Andere -würden es eben so wohl thun, wenn sie die Sachen so ansähen wie ich. -Wenn ich nach Hause reise, soll Topsy mit mir gehen. Ich glaube gern, -unsere Leute werden sich anfangs wundern; aber sie werden bald dahin -gelangen, die Sache eben so zu betrachten wie ich. Ueberdieß weiß ich, -daß es Viele im Norden gibt, die grade das thun, was Du sagst.« - -»Ja, aber es ist nur die Minorität; und wenn wir jemals anfangen -sollten, zu emancipiren, so würden wir bald von Dir hören.« - -Miß Ophelia antwortete nicht. Es herrschte einige Augenblicke lang eine -Pause, und St. Clare's Gesicht hatte einen melancholischen, -träumerischen Ausdruck angenommen. - -»Ich weiß nicht, was mich heut Abend so unaufhörlich an meine Mutter -erinnert,« sagte er. »Ich habe ein sonderbares Gefühl, als ob sie mir -nahe wäre; und ich denke fortwährend an Dinge, die sie mir gesagt hat. -Woher kommt es nur, daß zuweilen vergangene Zeiten so lebhaft vor unsere -Erinnerung geführt werden?« - -Mehrere Minuten lang schritt St. Clare im Zimmer auf und ab, und sagte -dann: - -»Ich will einige Augenblicke die Straße hinauf gehen, und hören, was für -Neuigkeiten es gibt.« - -Er nahm seinen Hut und ging hinaus. - -Tom folgte ihm bis in den Hof, und fragte ihn, ob er ihn begleiten -solle? - -»Nein, mein Junge,« sagte St. Clare, »in einer Stunde bin ich wieder zu -Hause.« - -Tom setzte sich in der Veranda nieder. Es war ein schöner, mondheller -Abend. Er betrachtete das Steigen und Fallen des Springbrunnens, horchte -seinem Plätschern und dachte an seine Heimath, und daß er nun bald ein -freier Mensch sein werde, und nach Belieben dahin zurückkehren könne. Er -dachte daran, wie er arbeiten werde, um seine Frau und seine Kinder -loskaufen zu können; er befühlte mit einer Art Freude die Muskeln seiner -sehnigen Arme, und dachte, daß diese ihm nun bald selbst gehören würden, -und wie viel sie für die Freiheit seiner Familie würden arbeiten können. -Dann dachte er an seinen edlen jungen Herrn, und als unmittelbare Folge -davon sprach er das gewohnte Gebet für ihn; und dann wendeten sich seine -Gedanken der schönen, kleinen Eva zu, die er jetzt unter den Engeln -vermuthete; und dachte daran so lange, bis es ihm beinahe vorkam, als ob -der goldene Kopf mit dem klaren Gesichtchen aus dem Schaume des -Springbrunnens auf ihn nieder blicke. Und so sinnend schlief er ein, und -träumte, er sehe sie, nach ihrer gewohnten Weise, zu sich gesprungen -kommen, mit einem Jasminkranz im Haare, glänzende Wangen und vor Freude -strahlenden Augen. Aber während er sie betrachtete, schien sie aus der -Erde aufzusteigen; ihre Wangen waren bleicher, -- aus ihren Augen -leuchtete ein tiefer, göttlicher Strahl, ihren Kopf umgab ein goldener -Heiligenschein, -- und sie verschwand vor seinen Augen; und in -demselben Augenblick wurde Tom durch ein lautes Pochen und den Klang -vieler Stimmen aus seinen Träumen erweckt. - -Er beeilte sich, das Thor zu öffnen, worauf mehrere Männer mit -gedämpften Stimmen und schwerem Tritte eintraten, welche einen, durch -ein schwarzes Tuch bedeckten und auf einer Bahre liegenden Körper -trugen. Das Lampenlicht fiel auf das Gesicht desselben, und Tom stieß -einen wilden, gellenden Schrei des Schreckens aus, der durch alle -Gallerien scholl, während die Männer mit ihrer Bürde sich dem offenen -Wohnzimmer näherten, wo Miß Ophelia mit Stricken beschäftigt saß. - -St. Clare war in ein Caffehaus getreten, um die Abendzeitung zu lesen. -Während er damit beschäftigt war, hatte sich zwischen zwei etwas -berauschten Herrn im Zimmer ein Streit erhoben. St. Clare mit einigen -andern der Anwesenden versuchte sie zu trennen, und empfing dabei einen -Stich mit einem Jagdmesser, welches er einem der Streitenden zu -entringen bemüht war. - -Das Haus füllte sich mit Geschrei, Klagen und Lamentationen; und die -Dienstboten rauften sich ihr Haar, und warfen sich auf den Boden nieder -oder rannten wie wahnsinnig umher. Tom und Miß Ophelia allein schienen -etwas Geistesgegenwart bewahrt zu haben, denn Marie lag in heftigen -hysterischen Krämpfen. Auf Miß Opheliens Anordnung wurde eins der -Kanapees im Zimmer zu einem Bettlager umgeschaffen, und die blutende -Gestalt darauf gelegt. St. Clare war durch Schmerz und Blutverlust -ohnmächtig geworden; allein, als Miß Ophelia Wiederbelebungsmittel -anwandte, kam er wieder zu sich, schlug die Augen auf, und schaute sich -aufmerksam im Zimmer um, während seine Blicke sinnend von einem -Gegenstande zum andern wanderten, und endlich am Bilde seiner Mutter -hängen blieben. - -Der Arzt kam jetzt, und nahm seine Untersuchung vor. Es war in seinem -Gesichte deutlich zu lesen, daß keine Hoffnung vorhanden sei; allein er -begann die Wunde zu verbinden, und er fuhr mit dieser Arbeit, unter Miß -Opheliens und Tom's Beihülfe, ruhig fort, während die erschreckten -Dienstboten sich schluchzend und schreiend um die Fenster und Thüren der -Veranda drängten. - -»Jetzt,« sagte der Arzt, »müssen wir alle diese Geschöpfe entfernen, -denn Alles hängt von der äußersten Ruhe ab.« - -St. Clare öffnete seine Augen und blickte starr auf die trostlosen -Wesen, welche Miß Ophelia und der Arzt aus dem Zimmer zu entfernen -bemüht waren. »Arme Geschöpfe!« sagte er, mit dem Ausdrucke bitteren -Vorwurfes gegen sich selbst. Adolph verweigerte positiv zu gehen. Der -Schrecken hatte ihm alle Besinnung geraubt; er warf sich auf den -Erdboden, und nichts konnte ihn vermögen, wieder aufzustehen. Die -Uebrigen gaben Miß Opheliens dringenden Vorstellungen nach, daß das -Leben ihres Herrn von ihrer Ruhe und ihrem Gehorsam abhänge. - -St. Clare konnte nur wenig sagen; er lag mit geschlossenen Augen da, -aber kämpfte augenscheinlich mit bitteren Gedanken. Nach einer Weile -legte er seine Hand auf die Tom's, der an seiner Seite kniete, und -sagte: »Tom! armer Mensch!« - -»Was, Master?« sagte Tom mit innigem Tone. - -»Ich sterbe!« entgegnete St. Clare, seine Hand drückend, -- »bete!« - -»Verlangen Sie vielleicht nach einem Geistlichen?« sagte der Arzt. - -St. Clare schüttelte unruhig mit dem Kopfe und wiederholte in noch -dringenderem Tone zu Tom gewendet: »bete!« - -Und Tom begann zu beten, aus vollem Herzen, für die Seele, die im -Begriff war zu scheiden, -- die Seele, die so ruhig und so traurig aus -den großen, melancholischen, blauen Augen blickte. Es war im -eigentlichsten Sinne des Wortes »ein Gebet unter Schreien und Thränen.« - -Als Tom aufgehört hatte, ergriff St. Clare seine Hand, und blickte ihn -wehmüthig an, aber sagte nichts. Er schloß seine Augen, aber hielt seine -Hand fest, denn vor den Thoren der Ewigkeit ruhen die schwarze und die -weiße Hand mit gleich warmem Drucke in einander. Er murmelte leise und -mit Unterbrechungen vor sich hin: - - _»Recordare Jesu pie -- - - * * * * * - - Ne me perdas -- illa die - Quaerens me -- sedisti lassus.«_ - -Es war deutlich erkennbar, daß die Worte, welche er am Nachmittage -gesungen hatte, seinem Geiste vorschwebten, -- Worte der Bitte an eine -unendliche Barmherzigkeit gerichtet. Seine Lippen bewegten sich mit -Unterbrechungen, während Bruchstücke der Hymne von seinen Lippen -flossen. - -»Sein Geist irrt umher,« sagte der Arzt. - -»Nein, er geht endlich ^heim^!« sagte St. Clare mit Nachdruck; -»endlich! endlich!« - -Die Anstrengungen, die er machte, um zu sprechen, erschöpften ihn. -Allmählig überzog Todesblässe sein Gesicht; aber mit ihr nahmen seine -schönen Züge einen sanften Ausdruck des Friedens an, wie den eines müden -Kindes, welches einschlafen will. - -So lag er einige Augenblicke. Die Umstehenden sahen, daß die mächtige -Hand ihn bereits berührt habe. Kurz zuvor, ehe sein Geist entfloh, -öffnete er seine Augen mit einem Glanze, aus dem die Freude der -Wiedererkennung strahlte, und mit dem Ausrufe: »Mutter!« verschied er. - - - - -Neunundzwanzigstes Kapitel. - -Die Schutzlosen. - - -Wir hören oft von dem unglücklichen Zustande der Negersklaven beim -Verluste eines guten Herrn, und nicht ohne Grund, denn kein Wesen auf -Gottes Erde ist schutzloser und verlassener, als ein Sklave unter -solchen Umständen. - -Das Kind, welches einen Vater verloren hat, genießt noch den Schutz der -Verwandten und des Gesetzes; es ist Etwas, und kann Etwas thun, -- hat -eine anerkannte Stellung und Rechte; der Sklave hat keine. Das Gesetz -sieht ihn in jeder Beziehung als so rechtlos an wie einen Ballen Waare. -Die einzig mögliche Anerkennung seiner Wünsche und Bedürfnisse, als -eines menschlichen und unsterblichen Wesens, welche ihm werden kann, muß -durch den souveränen und unverantwortlichen Willen seines Herrn -erfolgen. Die Zahl derjenigen Menschen, welche eine ohne jede -Verantwortlichkeit verliehene Gewalt mit Menschlichkeit und Edelmuth -auszuüben verstehen, ist nur klein. Jedermann weiß das, und der Sklave -weiß es am besten, daß er eher zehn grausame und tyrannische Herren, als -einen milden und gütigen findet. Deßhalb ist die Klage um einen -menschenfreundlichen Herrn so laut und so anhaltend, wie es nicht anders -sein kann. - -Als St. Clare verschieden war, hatten Schrecken und Bestürzung das ganze -Hausgesinde ergriffen. Er hatte seinen Tod so plötzlich, in der Blüthe -der Kraft und Jugend gefunden. Jedes Zimmer und jede Gallerie des -Hauses widerhallte von Schluchzen und Geschrei. - -Marie, deren reizbares Nervensystem durch eine fortwährende -Verweichlichung gänzlich geschwächt worden war, hatte nichts mehr, um -einen so plötzlichen Schlag ertragen zu können, und verfiel, während ihr -Gatte seinen Geist aufgab, von einer Ohnmacht in die andere, so daß er -aus diesem Leben schied, ohne derjenigen, die mit ihm durch das enge -Band der Ehe verbunden war, auch nur ein Abschiedswort sagen zu können. - -Miß Ophelia war mit der ihr eigenthümlichen Stärke und -Selbstbeherrschung bis zum letzten Augenblicke bei ihrem -Blutsverwandten geblieben, -- ganz Auge, ganz Ohr, ganz Aufmerksamkeit, -hatte sie Alles gethan, was geschehen konnte, und hatte von ganzem -Herzen in das weiche, inbrünstige Gebet mit eingestimmt, welches der -arme Sklave für die Seele seines sterbenden Herrn zum Himmel gerichtet -hatte. - -Als man ihn zu seiner letzten Ruhe vorbereitete, wurde auf seiner Brust -ein Miniaturgemälde in einem kleinen, einfachen Futterale gefunden, -welches sich mittelst einer Feder öffnete. Es war das Portrait eines -edlen und schönen weiblichen Gesichtes, und auf der Rückseite befand -sich unter einem Krystallglase eine Locke dunklen Haares. Man legte -Beides zurück auf seine kalte Brust, -- Staub zu Staub, -- traurige -Ueberreste jugendlicher Träume, die einst dieses kalte Herz so warm -schlagen ließen! - -Tom's ganze Seele war mit Gedanken an die Ewigkeit erfüllt; und während -er um die sterblichen Ueberreste seines Herrn beschäftigt war, dachte er -nicht einen Augenblick daran, daß dieser plötzliche Schlag ihn -hoffnungsloser Sklaverei überwiesen habe. Er war beruhigt über seinen -Herrn; denn in jener Stunde, wo das inbrünstige Gebet zum Vater seinen -Lippen entströmt war, hatte er als Antwort darauf das Gefühl einer -ruhigen Zuversicht in seiner Brust empfunden. In den Tiefen seines -eigenen gefühlvollen Gemüths fühlte er sich fähig, Spuren von der Fülle -der göttlichen Liebe zu entdecken; denn ein alter Spruch sagt: »Wer in -der Liebe bleibet, der bleibet in Gott, und Gott in ihm.« Tom hoffte, -und vertraute, und war ruhig. - -Das Begräbniß ging vorüber mit allem Prunke von schwarzem Krepp, Gebeten -und feierlichen Gesichtern; und die kalten, trüben Wellen des täglichen -Lebens rollten zurück, und die ewige, harte Frage drängte sich auf: »Was -soll nun geschehen?« Sie drängte sich dem Geiste Mariens auf, als sie in -leichten Morgengewändern, umgeben von angstvollen Dienstboten, in einem -bequemen Armstuhle saß, und verschiedene Muster von Krepp und Bombasin -untersuchte. Sie drängte sich Miß Ophelien auf, welche begann, ihre -Gedanken ihrer nördlichen Heimath zuzuwenden; und sie drängte sich mit -geheimen Schrecken den Geistern der Sklaven auf, welche den gefühllosen, -tyrannischen Charakter ihrer Mistreß, in deren Händen sie jetzt allein -waren, kannten. Alle wußten sehr wohl, daß die Nachsicht, deren sie sich -bisher erfreut hatten, nicht von ihrer Mistreß, sondern nur von ihrem -Herrn ausgegangen war, und daß von nun an, wo er todt war, kein Schutz -und Schirm mehr zwischen ihnen und jeder tyrannischen Maßregel vorhanden -sei, welche ein durch Leiden verbittertes Gemüth ersinnen konnte. - -Es war ungefähr vierzehn Tage nach dem Leichenbegängniß, daß Ophelia -eines Tages, als sie in ihrem Zimmer beschäftigt war, ein leises Klopfen -an ihre Thür hörte. Sie öffnete, und vor ihr stand Rosa, die niedliche, -kleine Mulattin, deren wir schon früher öfters erwähnt haben, mit -verstörten Haaren und verweinten Augen. - -»O, Miß Feely!« rief sie, auf ihre Kniee fallend, und den Saum von -Opheliens Kleide fassend, -- »bitte, bitte, gehen Sie zu Miß Marien für -mich! und bitten Sie für mich! Sie will mich fortschicken, um -gepeitscht zu werden, -- sehen Sie hier!« Und sie händigte Miß Ophelien -ein Papier ein. - -Es war ein Befehl, welcher in Mariens zarter, italienischer Hand an den -Vorsteher des Stockhauses geschrieben war, und den Auftrag enthielt, der -Ueberbringerin fünfzehn Hiebe zu ertheilen. - -»Was hast Du gethan?« fragte Miß Ophelia. - -»Sie wissen, Miß Feely, ich habe ein so hitziges Temperament; -- es ist -recht häßlich von mir. Ich paßte Mistreß Marien ein Kleid an, und sie -schlug mir ins Gesicht, und ich sprach, ehe ich dachte, und war -ungezogen; und da sagte sie, sie wolle mich herunterbringen, und ich -solle ein für allemal wissen, daß ich nicht mehr so verwegen sein dürfe, -wie ich immer gewesen wäre; und sie schrieb dies und sagte, ich solle es -hintragen. Ich wollte lieber, sie brächte mich auf der Stelle um.« - -Miß Ophelia überlegte, mit dem Papier in der Hand. - -»Sehen Sie, Miß Feely,« sagte Rosa, »ich würde nicht so viel nach den -Hieben fragen, wenn Miß Marie oder Sie sie mir gäben; aber, an einen -^Mann^ geschickt zu werden! -- und solchen schrecklichen Mann, o, die -Schande, Miß Feely!« - -Miß Ophelia wußte recht wohl, daß es allgemeine Sitte war, Frauen und -junge Mädchen nach den Stockhäusern zu schicken und sie dort den Händen -der niedrigsten Menschen zu übergeben, -- Menschen, die roh genug waren, -dies zu ihrem Geschäfte zu machen, -- um dort gepeitscht und der -schamlosesten Bloßstellung preisgegeben zu werden. Sie wußte dies, aber -hatte sich bisher nie selbst davon überzeugt, bis sie die zarte Gestalt -Rosa's jetzt in fast krampfhaftem Schmerze vor sich stehen und beben -sah. Alles Gefühl von Weiblichkeit, das in Neu-England so kräftige -Gefühl für Freiheit röthete ihre Wangen und ließ ihr Herz im höchsten -Unwillen heftiger schlagen; allein, mit gewohnter Klugheit und -Selbstbeherrschung unterdrückte sie ihr Gefühl, und sagte nur, während -sie das Papier in ihrer Hand zerdrückte, zu Rosa: - -»Setze Dich hier, Kind, während ich zu Deiner Mistreß gehe.« - -»Schändlich! abscheulich!« sagte sie zu sich selbst, während sie durch -das Zimmer ging. - -Sie fand Marien in ihrem Armstuhle sitzend, und Mammy neben ihr stehend -und beschäftigt, ihr Haar zu kämmen, während Jane am Boden saß, zu ihren -Füßen, und diese zu wärmen bemüht war. - -»Wie befinden Sie sich heut?« sagte Miß Ophelia. - -Ein tiefer Seufzer, wobei sie ihre Augen schloß, war Marien's einzige -Antwort im ersten Augenblicke; dann fuhr sie fort: »O, ich weiß nicht, -Cousine; ich glaube, ich befinde mich so wohl, wie ich überhaupt sein -kann!« wobei sie ihre Augen mit einem weißen Taschentuch trocknete, -welches eine zollbreite, schwarze Einfassung hatte. - -»Ich kam,« sagte Miß Ophelia mit einem kurzen, trockenen Husten, von dem -gewöhnlich die Einführung eines schwierigen Gegenstandes begleitet wird, --- »ich kam hierher, um mit Ihnen über die arme Rosa zu sprechen.« - -Bei diesen Worten öffneten sich Marien's Augen weit genug, und ihre -bleichen Wangen rötheten sich, während sie mit scharfer Stimme -antwortete: - -»Nun, was ist's mit ihr?« - -»Sie bereut ihren Fehler sehr.« - -»Wirklich? Sie wird ihn wahrscheinlich noch mehr bereuen, ehe ich mit -ihr ganz fertig bin! Ich habe die Unverschämtheit dieses Kindes lange -genug ertragen, und will sie jetzt demüthig machen, -- sie soll mir im -Staube liegen!« - -»Aber könnten Sie sie nicht auf irgend eine andere Weise bestrafen, -- -die weniger die Scham verletzte?« - -»Das ist grade meine Absicht; sie soll sich schämen. Sie hat sich ihr -ganzes Leben so viel auf ihre Zartheit zu gut gethan, auf ihr hübsches -Gesicht, und auf ihre feinen Manieren, bis sie endlich ganz vergessen -hat, wer und was sie eigentlich ist. Ich will ihr jetzt eine Lehre -geben, die sie zur Besinnung bringen wird, wie ich hoffe!« - -»Aber, Cousine, bedenken Sie doch, daß wenn Sie in einem jungen Mädchen -das Schamgefühl und Zartgefühl vernichten, Sie sie augenblicklich -gänzlich verderben.« - -»Zartgefühl!« sagte Marie mit verächtlichem Lachen, -- »ein schönes Wort -für so Eine, wie sie ist! Ich will ihr, mit allen ihren feinen Manieren, -lehren, daß sie nichts Besseres ist, als das zerlumpteste schwarze -Mensch, das sich auf den Straßen umhertreibt! Sie soll sich mir -gegenüber keine Miene mehr geben!« - -»Sie werden Gott Rechenschaft geben müssen über solche Grausamkeit!« -sagte Miß Ophelia mit Nachdruck. - -»Grausamkeit, -- ich möchte wissen, wo hier Grausamkeit ist! Ich schrieb -einen Befehl für fünfzehn Hiebe, und bemerkte ausdrücklich, daß sie -leicht gegeben werden sollten. Ich dächte, das wäre keine Grausamkeit!« - -»Keine Grausamkeit!« sagte Miß Ophelia. »Ich bin gewiß, daß jedes junge -Mädchen sich lieber geradezu umbringen ließe!« - -»So mag es jemanden von Ihrem Gefühle erscheinen, aber alle diese -Geschöpf sind daran gewöhnt; denn es ist der einzige Weg, auf dem sie in -Ordnung gehalten werden können. Erlauben Sie ihnen nur ein einziges Mal -Mienen von Zartgefühl und dergleichen anzunehmen, und Sie haben sie alle -auf dem Halse, grade wie es meine Dienstboten mit mir gemacht haben. Ich -habe jetzt angefangen, sie wieder zur Unterwürfigkeit zu bringen; und -sie sollen mir alle wissen, daß ich jeden, ohne Unterschied, will -auspeitschen lassen, wenn sie sich nicht in Acht nehmen!« sagte Marie, -während sie sich mit einem sehr determinirten Blicke unter den -Anwesenden umsah. - -Jane ließ bei diesen Worten erschreckt ihren Kopf hängen, denn es war -ihr, als seien diese Worte besonders an sie gerichtet. Miß Ophelia saß -einige Augenblicke da, als wenn sie eine explodirende Mixtur eingenommen -hätte, und im Begriffe sei zu bersten; sodann aber die völlige -Nutzlosigkeit jedes ferneren Streites mit einer solchen Natur in -Betracht ziehend, preßte sie entschlossen ihre Lippen zusammen, erhob -sich, und verließ das Zimmer. - -Es war für sie eine harte Aufgabe, zu Rosa zurückzugehen, und ihr zu -sagen, daß sie nichts habe für sie thun können; und gleich darauf -erschien ein männlicher Sklave mit dem Befehle seiner Mistreß, Rosa nach -dem Stockhause zu bringen, wohin sie, ihrer Thränen und Bitten -ungeachtet, unverzüglich geschleppt wurde. - -Wenige Tage nachher stand Tom sinnend an einem der Balkone, als Adolph -zu ihm trat, der seit dem Tode seines Herrn im höchsten Grade -niedergeschlagen und trostlos gewesen war. Adolph wußte, daß er von -jeher für Marien ein Gegenstand des Widerwillens gewesen war; allein so -lange sein Herr lebte, hatte er sich wenig darum gekümmert. Jetzt, da er -todt war, bewegte er sich in täglichem Zittern und Beben umher, ohne zu -wissen, welches Schicksal ihn zunächst treffen werde. Marie hatte -vielfache Consultationen mit ihrem Rechtsanwalte gehalten, und man war -endlich, nachdem auch St. Clare's Bruder zur Berathung gezogen worden -war, dahin übereingekommen, daß die Besitzung und sämmtliche Sklaven -verkauft werden sollten, mit alleiniger Ausnahme der ihr persönlich -zugehörigen, mit denen sie nach der Pflanzung ihres Vaters -zurückzukehren beabsichtigte. - -»Weißt Du, Tom, daß wir Alle verkauft werden sollen?« sagte Adolph. - -»Wo hast Du das gehört?« entgegnete Tom. - -»Ich hatte mich hinter den Gardinen versteckt, als Missis mit dem -Anwalte sprach. In wenigen Tagen sollen wir Alle zur Auktion geschickt -werden,« sagte Adolph. - -»Des Herrn Wille geschehe!« erwiderte Tom mit schwerem Seufzer, seine -Hände faltend. - -»Wir werden nie einen solchen Herrn wieder bekommen,« fuhr Adolph -furchtsam fort; »aber ich will doch lieber verkauft werden, als bei -Missis bleiben.« - -Tom wandte sich ab, -- sein Herz war schwer. Die Hoffnung auf Freiheit, -der Gedanke an sein fernes Weib und seine Kinder stieg vor seiner -geduldigen Seele auf, wie vor dem Seemanne, der dicht vor dem Hafen noch -Schiffbruch leidet, der Kirchthurm und die geliebten Dächer seines -heimatlichen Dorfes aufsteigen, die er nur über den Gipfel einer -schwarzen Welle hinweg sieht, um ihnen für immer Lebewohl zu sagen. Er -zog seine Arme dicht über die Brust zusammen und drückte die -andringenden, bitteren Thränen zurück, und versuchte zu beten. Die arme, -alte Seele hatte eine so unerklärliche Liebe zur Freiheit, daß es ein -harter Kampf für ihn war; und je öfter er sagte: »Dein Wille geschehe!« -desto schwerer wurde ihm das Herz. - -Er suchte Miß Ophelien auf, die seit Eva's Tode ihn stets mit besonderer -Güte und Achtung behandelt hatte. - -»Miß Feely,« sagte er, »Master St. Clare versprach mir meine Freiheit. -Er sagte mir, daß er den Anfang dazu gemacht habe; und wenn nun -vielleicht Miß Feely so gut sein wollte, ein Wort für mich mit Missis zu -sprechen, so würde sie vielleicht das thun, was Mr. St. Clare's Wille -war.« - -»Ich will für Dich sprechen, Tom, und mein Bestes thun,« sagte Miß -Ophelia; »allein, wenn es von Mrs. St. Clare abhängt, so kann ich Dir -nicht viel Hoffnung machen, -- dennoch will ich es versuchen.« - -Dieser Umstand ereignete sich wenige Tage nach dem Vorfalle mit Rosa, -als Miß Ophelia grade mit ihren Vorbereitungen zur Rückkehr nach Norden -beschäftigt war. - -Ernstlich hierüber nachdenkend kam sie zu der Ansicht, daß sie in ihrer -früheren Zusammenkunft mit Marien sich vielleicht einer zu heftigen -Sprache bedient habe, und nahm sich deßhalb vor, jetzt in einem so -gemäßigten und versöhnenden Tone als möglich zu reden. Die gute Seele -erhob sich deßhalb, nahm ihr Strickzeug, und beschloß in Mariens Zimmer -zu gehen, sich dort so angenehm wie möglich zu machen, und für Toms -Sache mit aller diplomatischen Kunst, die ihr zu Gebot stand, zu -arbeiten. - -Sie fand Marien der Länge nach auf einem Sopha ausgestreckt, mit einem -Ellbogen auf Kissen gestützt, während Jane verschiedene Muster feinen, -schwarzen Stoffes vor ihr ausbreitete. - -»Dieses hier würde mir gefallen,« sagte Marie, ein Muster auswählend; -- -»nur weiß ich nicht, ob es sich für Trauer paßt.« - -»O Missis,« sagte Jane mit geläufiger Zunge, »die Frau Generalin -Derbennon trug grade dasselbe Zeug, als der General im vorigen Sommer -gestorben war; es macht sich wunderschön!« - -»Was denken Sie?« sagte Marie zu Miß Ophelien. - -»Das ist Sache des Geschmackes,« entgegnete Miß Ophelia. »Sie können -darüber besser urtheilen als ich.« - -»Die Sache ist die,« sagte Marie, »daß ich kein einziges Kleid habe, was -ich tragen kann; und da ich hier das Haus und Alles verkaufen, und -nächste Woche fortgehen will, so muß ich mich zu Etwas entschließen.« - -»Gehen Sie schon so bald?« - -»Ja. St. Clare's Bruder hat geschrieben, daß er und der Anwalt es für am -zweckmäßigsten hielten, die Mobilien und die Sklaven zu verkaufen, und -das Grundstück dem Anwalte zur Verwaltung zu überlassen.« - -»Ich möchte gern über einen Gegenstand mit Ihnen sprechen,« sagte Miß -Ophelia. »Augustin versprach Tom seine Freiheit, und begann die -Einleitung der dazu erforderlichen, gesetzlichen Förmlichkeiten. Ich -hoffe, daß Sie Ihren Einfluß benutzen werden, um seine Freilassung zu -vollenden.« - -»Wirklich? Ich habe nicht die Absicht, etwas Derartiges zu thun!« sagte -Marie mit scharfem Tone. »Tom ist einer der werthvollsten Sklaven der -ganzen Besitzung -- das geht unmöglich an. Ueberdies, wozu braucht er -seine Freiheit? Er ist so viel besser daran.« - -»Aber er sehnt sich so sehr danach, und sein Herr hat sie ihm -versprochen,« entgegnete Miß Ophelia. - -»O freilich, er sehnt sich danach,« sagte Marie. »sie sehnen sich Alle -danach, weil sie ein unzufriedenes Geschmeiß sind, und immer danach -verlangen, was sie nicht besitzen. Es ist durchaus gegen meine -Grundsätze, irgend Einen frei zu lassen. So lange ein Neger unter einem -Herrn ist, befindet er sich wohl, und thut gut; aber sobald man ihn -freiläßt, wird er faul, will nicht mehr arbeiten, fängt an zu trinken, -und wird gemein und nichtsnutzig. Habe das hundertmal gesehen; 's ist -gar keine Wohlthat für sie, freigelassen zu werden.« - -»Aber Tom ist so ordentlich, so fleißig und so fromm!« - -»O, Sie brauchen mir das nicht zu sagen! Ich habe hundert gesehen, wie -er. Er wird sich so lange gut betragen, als er unter strenger Aufsicht -steht, -- länger nicht.« - -»Aber bedenken Sie doch,« sagte Miß Ophelia, »wie leicht er einen -schlechten Herrn bekommen kann, wenn Sie ihn zum Verkaufe ausstellen.« - -»O, das ist Alles Thorheit!« entgegnete Marie. »Nicht einmal unter -hundert geschieht es, daß ein guter Dienstbote einen schlechten Herrn -bekömmt. Die meisten Herren sind gut, was auch immer gesprochen werden -möge. Ich habe hier im Süden gelebt, und bin hier aufgewachsen, und habe -nie einen Herrn kennen gelernt, der seine Leute nicht gut behandelte, -- -grade so gut, als es nöthig ist. Darüber bin ich ganz ruhig.« - -»Wohl,« sagte Miß Ophelia mit Nachdruck, »ich weiß, daß es einer der -letzten Wünsche Ihres Gatten war, daß Tom seine Freiheit haben solle; es -war ein Versprechen, welches er der lieben, kleinen Eva auf ihrem -Sterbebette gemacht hatte, und ich glaubte nicht, daß Sie sich für -berechtigt halten würden, dies zu vergessen.« - -Marie bedeckte bei dieser Anrede ihr Gesicht mit dem Taschentuche, und -begann heftig zu schluchzen und ihr Riechfläschchen zu gebrauchen. - -»Jeder Mensch ist gegen mich!« sagte sie. »Jeder ist so rücksichtslos! -Ich hätte nicht gedacht, daß ^Sie^ auch mir alle diese Erinnerungen -meiner Leiden vorhalten würden, -- es ist so rücksichtslos! aber Niemand -hat die geringste Rücksicht für mich, -- meine Leiden sind -unaussprechlich! Ist es nicht schrecklich, daß, wenn ich nur eine -einzige Tochter habe, ich auch diese verlieren muß? -- und daß mir mein -Mann, der grade für mich paßte, genommen werden muß? -- Und nun scheinen -Sie auch noch so wenig Gefühl zu haben, und erinnern mich daran so -unbarmherzig, -- da Sie doch wissen, wie sehr es mich angreift! Ich -glaube recht gern, daß Sie es gut meinen, aber es ist so rücksichtslos!« -Und Marie schluchzte und suchte nach Athem, und rief Mammy zu, das -Fenster zu öffnen, und ihr die Kampferflasche zu bringen, und ihr das -Kleid aufzuhaken; und während der hierauf folgenden Unruhe trat Miß -Ophelia ihren Rückzug in ihr eigenes Zimmer an. Sie sah, daß es nutzlos -sein würde, noch mehr über den Gegenstand zu sprechen; denn Marie hatte -eine unendliche Fertigkeit, hysterische Anfälle heraufzubeschwören, und -sobald nachher irgend eine Erwähnung der von ihrem Manne oder Eva -ausgesprochenen Wünsche in Betreff der Dienstboten geschah, fand sie es -jedes Mal für angemessen, einen solchen zu Hülfe zu rufen. Miß Ophelia -that deßhalb das Einzige, was sie noch für Tom thun konnte, -- sie -schrieb an Mrs. Shelby, schilderte seine traurige Lage, und bat um Hülfe -für ihn. - -Am nächsten Tage wurden Tom und Adolph mit einem halben Dutzend anderer -Dienstboten nach einem Sklavenhause abgeführt, um daselbst den Händler -abzuwarten, der eine größere Anzahl zur öffentlichen Versteigerung -sammeln wollte. - - - - -Dreißigstes Kapitel. - -Das Sklavenhaus. - - -Ein Sklavenhaus! ein Sklavenspeicher! Vielleicht machen sich manche -unserer Leser eine schreckliche Vorstellung von einem solchen Orte, -- -halten ihn für eine schmutzige, finstere Höhle, einen schrecklichen -Tartarus, »_informis, ingens, cui lumen ademptum._« Aber nein, -unschuldiger Freund; in jetziger Zeit hat man die Kunst gelernt, auf -anständige Weise zu sündigen, so daß die Augen und Gefühle guter -Gesellschaft nicht beleidigt werden. Menschliche Waare steht in gutem -Preise, und wird deßhalb wohl genährt, wohl gereinigt und abgewartet, -damit sie glatt, kräftig und gesund auf den Markt komme. Ein Sklavenhaus -in New-Orleans unterscheidet sich äußerlich wenig von anderen Häusern -und wird in reinlichem Stande gehalten. Vor demselben kann man täglich -unter einer Art Schuppen Reihen von Männern und Weibern ausgestellt -sehen, welche als Zeichen derjenigen Waare dienen, die innerhalb -verkauft wird. Dann wirst du höflich eingeladen einzutreten und zu -untersuchen, und wirst eine große Anzahl von Ehemännern, Weibern, -Vätern, Müttern, Brüdern, Schwestern und jungen Kindern finden, die -einzeln oder zusammen, je nachdem die Käufer es wünschen, losgeschlagen -werden sollen; und die unsterbliche Seele, die einst mit dem Blute und -der Todesangst des Sohnes Gottes verkauft wurde, als die Erde erbebte -und die Felsen zersprangen, und die Gräber sich öffneten, kann jetzt -verkauft, verdungen, verpfändet oder gegen Waaren jeder Art ausgetauscht -werden, um den Bedürfnissen des Handels oder den Wünschen der Käufer zu -genügen. - -Es war, wie erwähnt, wenige Tage nach jener Unterhaltung zwischen Marien -und Miß Ophelien, daß Tom, Adolph und ein halbes Dutzend anderer zur St. -Clareschen Besitzung gehöriger Sklaven der menschenfreundlichen Fürsorge -Mr. Skeggs' überwiesen wurden, welcher einen Sklavenhandel in der -F....straße hielt, um in der am nächsten Tage Statt findenden Auktion -zum Verkaufe gestellt zu werden. Tom hatte einen ganz ansehnlichen -Koffer mit Kleidungsstücken bei sich, wie die meisten Anderen. Sie -wurden für die Nacht in ein langes Zimmer geführt, in welchem sich viele -andere Männer von jedem Alter, jeder Größe und Schattirung befanden, die -ein Gebrüll von Lachen und sorgloser Fröhlichkeit erschallen ließen. - -»Ah, ah! das ist recht. Nur zu, Jungens, -- nur zu,« sagte Mr. Skeggs, -der Verwalter. »Meine Leute sind immer lustig! -- Sambo, ich sehe!« -fügte er, an einen dicken Neger gewendet, beifällig hinzu, der durch -Possen der niedrigsten Art das Gelächter erzeugte, welches Tom gehört -hatte. - -Wie sich leicht denken läßt, war Tom nicht in der Stimmung, an diesen -Spässen Theil zu nehmen. Indem er deshalb seinen Kasten so entfernt wie -möglich von der lärmenden Gruppe auf den Boden stellte, setzte er sich -darauf nieder, und lehnte seinen Kopf gegen die Wand. - -Die Händler mit menschlichen Waaren bemühen sich gewissenhaft, auf -systematische Weise geräuschvolle Heiterkeit unter ihnen zu erhalten und -zu befördern, als ein Mittel, jedes Nachdenken zu ertödten und sie -gefühllos für ihre Lage zu machen. Der ganze Zweck der Zucht, unter -welche der Neger von dem Augenblicke an gebracht wird, wo er auf dem -nördlichen Markte verkauft worden, bis dahin, wo er nach Süden kömmt, -ist darauf berechnet, ihn gefühllos und sorglos zu machen. Der -Sklavenhändler sammelt sich eine Anzahl in Virginien oder Kentucky, und -treibt sie nach irgend einem passenden, gesunden Orte, um fett zu -werden. Hier werden sie täglich mit überflüssiger Nahrung versehen, und, -weil Manche darunter sind, welche sich zum Gram hinneigen, wird eine -Geige für sie gehalten, nach der sie täglich tanzen müssen; und -derjenige, welcher es verweigert, heiter zu sein, -- in dessen Seele -vielleicht die Gedanken an Weib, Kind oder Heimath zu stark sind, um -fröhlich sein zu können, -- wird als tückisch und gefährlich bezeichnet, -und allen Uebeln bloß gestellt, die der Unwille eines gefühllosen und -von jeder Verantwortung freien Menschen ihm auferlegen kann. -Gewandtheit, Munterkeit und Heiterkeit, besonders in Gegenwart von -Beobachtern, werden ihnen fortwährend eingeprägt, nicht nur durch die -ihnen vorgehaltene Hoffnung, dadurch einen guten Herrn zu bekommen, -sondern auch durch die Furcht vor den Uebeln, welche der Händler ihnen -zufügen darf, im Falle sie nicht verkauft werden können. - -»Was macht dieser Nigger hier?« sagte Sambo, sich Tom nähernd, nachdem -Mr. Skeggs das Zimmer verlassen hatte. Sambo war ganz schwarz, groß, -sehr lebendig, gesprächig, und voll von Possen und Grimassen. - -»Was machst Du hier?« sagte Sambo, zu Tom herankommend, und ihn -scherzhaft in die Seite stoßend: -- »nachdenken, he?« - -»Ich soll morgen verkauft werden, -- auf der Auktion,« entgegnete Tom -ruhig. - -»Verkauft -- auf Auktion, -- ho! ho! Jungens, ist das nicht ein Spaß? -Wollte, ich ginge selbst den Weg! -- sage Euch, wollt' ich sie nicht -lachen machen? Aber wie, -- die ganze Sippschaft hier soll morgen -verkauft werden?« sagte Sambo, seinen Arm vertraulich auf Adolphs -Schulter legend. - -»Ich bitte, mich in Frieden zu lassen,« sagte Adolph grimmig, und sich -mit dem Ausdruck des äußersten Abscheu's in die Höhe richtend. - -»Ho, ho! Jungens, dieser hier ist einer von den weißen Niggers, -- so -'ne Art Käsefarbe, riecht gut!« sagte er, sich Adolph nähernd und -schniffelnd. »Herr! der 's gut für 'nen Tabacksladen!« - -»Laß mich in Frieden! -- verstehst Du?« rief Adolph wüthend. - -»Sieh' Einer! wie empfindlich wir sind, -- wir weißen Nigger! Sieh' uns -nur an!« sagte Sambo, indem er Adolphs Manieren nachzuäffen suchte; -- -»wie graziös! wir sind in sehr guter Familie gewesen, -- vermuthe!« - -»Ja,« entgegnete Adolph, »ich hatte einen Master, der Euch alle für -alten Plunder hätte kaufen können.« - -»Nun sieh' Einer,« entgegnete Sambo, »was für ein Herr wir sind!« - -»Ich gehörte der Familie St. Clare,« sagte Adolph stolz. - -»Wirklich? na, ich will mich hängen lassen, wenn's nicht ein Glück für -sie ist, daß sie Dich los werden. Sie verkaufen Dich wohl mit den alten -zerbrochenen Theekannen und solcher Waare!« sagte Sambo grinsend. - -Adolph, durch diesen Hohn rasend gemacht, flog wüthend auf seinen -Gegner zu, und fluchte und schlug auf ihn los von allen Seiten. Die -Uebrigen schrieen und lachten, und der allgemeine Lärm rief endlich den -Aufseher herbei. - -»Was gibt's hier, Jungens? Ruhe -- Ruhe!« rief er eintretend, und eine -lange Peitsche schwingend. - -Alle entflohen nach verschiedenen Richtungen, ausgenommen Sambo, -welcher, im Vertrauen auf die Gunst des Aufsehers, deren er sich bisher -als privilegirter Spaßmacher erfreut hatte, stehen blieb, und seinen -Kopf mit komischem Grinsen versteckte, sobald der Master einen Angriff -auf ihn machte. - -»O, Master, wir sind's nicht, -- wir sind ganz ordentlich, -- hier, -diese Neuen sind's; -- ^die^ lassen uns nicht zufrieden, -- haben uns -zum Besten immer zu!« - -Der Aufseher wandte sich hierauf gegen Tom und Adolph, theilte einige -Stöße und Püffe ohne viel Untersuchung aus, und verließ sodann wieder -das Zimmer, nachdem er zuvor allgemeine Befehle für Alle, sich ruhig zu -verhalten und zum Schlafen niederzulegen, zurückgelassen hatte. - -Während diese Scene im Schlafzimmer der Männer spielte, ist der Leser -vielleicht nicht abgeneigt, einen Blick in das dem weiblichen Personale -angewiesene, ähnliche Gemach zu thun. Ausgestreckt auf dem Erdboden in -den verschiedenartigsten Stellungen kann er hier zahllose Gestalten, von -jeder Hautfarbe, vom schwärzesten Ebenholz bis zum reinsten Weiß, und -von jedem Alter, vom Kindes- bis zum Greisenalter, schlafen sehen. Hier -liegt ein schönes, liebliches Mädchen von zehn Jahren, dessen Mutter -gestern verkauft wurde, und welches sich diese Nacht selbst in den -Schlaf weinte, während Niemand darauf achtete. Hier befindet sich eine -alte Negerin, deren dünne Arme und knöcherige Finger von schwerer Arbeit -erzählen, und die am morgenden Tage als ein abgenutzter Artikel -losgeschlagen werden soll; und um sie her liegen vierzig bis fünfzig -Andere ausgestreckt, deren Köpfe in Bettdecken oder Theile ihrer -Kleidungsstücke gewickelt sind. Allein in der Ecke, abgesondert von den -Uebrigen, sitzen zwei Frauenzimmer, deren Aeußeres mehr Interesse als -gewöhnlich erweckt. Die Eine derselben ist eine anständig gekleidete -Mulattin zwischen vierzig und fünfzig Jahren, mit sanften Augen und -weichen, einnehmenden Zügen. Sie trägt auf dem Kopfe einen hohen, aus -rothseidenen Madrastüchern gewundenen Turban, und ihre Kleidung ist von -feinem Stoffe und sauberer Arbeit, was als Beweis gilt, daß sie einer -sorgsamen Hand bisher angehört hat. An ihrer Seite, dicht an sie -gedrückt, sitzt ein junges Mädchen von fünfzehn Jahren, -- ihre Tochter. -Sie ist eine Quadroon, wie ihre hellere Gesichtsfarbe andeutet, obgleich -ihre Aehnlichkeit mit der Mutter unverkennbar ist. Sie hat dasselbe -sanfte, dunkle Auge, nur mit längeren Wimpern, und ihr üppiges, lockiges -Haar ist von glänzendem Braun. Ihre Kleidung ist ebenfalls von der -größten Sauberkeit, und ihre zarten, weißen Hände verrathen wenig -Bekanntschaft mit niedriger Arbeit. Diese Beiden sollen am morgenden -Tage zugleich mit den St. Clare'schen Leuten verkauft werden; und der -Herr, dem sie gehören, und dem das für sie gelöste Geld zugeschickt -werden soll, ist Mitglied einer christlichen Kirche in New-York, welcher -das Geld in Empfang nehmen, und nachher zum Sakramente seines und ihres -Herrn gehen und nicht weiter an sie denken wird. - -Diese beiden Frauenzimmer, welche wir Susan und Emmeline nennen wollen, -waren Dienerinnen einer liebenswürdigen und frommen Dame in New-Orleans -gewesen, von der sie mit Sorgfalt und in Frömmigkeit erzogen und -unterrichtet worden waren. Sie hatten lesen und schreiben, und die -Wahrheiten der Religion erkennen gelernt, und ihr Loos war im -Allgemeinen ein so glückliches gewesen, als es unter ihren Verhältnissen -überhaupt möglich war. Allein der einzige Sohn ihrer Beschützerin, -welcher die Verwaltung ihres ganzen Eigenthums hatte, versank durch -Nachlässigkeit oder Verschwendung in eine tiefe Schuldenlast und -fallirte endlich. Einer der bedeutendsten Creditoren war die sehr -achtbare Firma _B. et Cie._ in New-York. Dieselbe schrieb an ihren -Anwalt in New-Orleans, welcher das vorhandene Vermögen mit Arrest -belegte (dessen werthvollster Theil in diesen beiden Frauenzimmern und -einer Anzahl Feldsklaven bestand), und der Letztere erstattete Bericht -an die Firma. Bruder _B._, der, wie gesagt, ein christlicher Mann und -ein Bewohner eines Freistaates war, fühlte einige Unbehaglichkeit über -diesen Gegenstand. Er wollte natürlich nicht gern mit Sklaven und -menschlichen Seelen handeln; allein es handelte sich um dreißig tausend -Dollars in diesem Falle, und dies war eine etwas zu große Summe, um sie -einem Principe zu opfern; und so schrieb endlich Bruder _B._ nach -langer Ueberlegung und nach Einholung von Rath bei Denjenigen, deren -Rath, wie er wußte, ihm zusagen werde, an seinen Anwalt, daß er den -Aktivbestand auf die zweckmäßigste Weise verwerthen und den Erlös an ihn -einsenden möge. - -Am Tage nach Eingang dieses Briefes wurden Susan und Emmeline mit Arrest -belegt, und an den Sklavendepot abgeliefert, um dort die am nächsten -Morgen stattfindende allgemeine Versteigerung zu erwarten; und während -sie jetzt dort schwach im Mondlichte schimmern, welches sich durch die -vergitterten Fenster stiehlt, können wir ihrer Unterhaltung lauschen. -Beide weinen, aber Jede leise und im Stillen, damit die Andere es nicht -höre. - -»Mutter, lege Deinen Kopf in meinen Schooß, und versuche, ob Du nicht -ein wenig schlafen kannst,« sagte das junge Mädchen, während es sich -Mühe gab, ruhig zu erscheinen. - -»Ich habe kein Herz zu schlafen, Em; ich kann nicht; -- es ist -vielleicht die letzte Nacht, daß wir bei einander sind!« - -»O Mutter, sage das nicht! vielleicht werden wir zusammen verkauft, -- -wer weiß!« - -»Wenn jemand anderes sich in diesem Falle befände, so würde ich das auch -sagen, Em,« entgegnete die Mutter, »aber ich habe so große Angst, Dich -zu verlieren, daß ich nichts als die Gefahr sehe.« - -»Aber Mutter, der Mann sagte doch, daß wir beide gut aussähen, und gut -verkauft werden würden.« - -Susan erinnerte sich der Blicke und Worte des Mannes. Mit innerem Beben -gedachte sie, wie er Emmelinens Hände betrachtet, und ihre Locken -aufgehoben, und sie für einen Artikel erster Klasse erklärt hatte. Susan -war auf christlichem Wege erzogen, und an ein tägliches Lesen der Bibel -gewöhnt worden, und hegte deshalb denselben Abscheu davor, ihr Kind zu -einem Leben der Schande verkauft zu sehen, wie jede andre christliche -Mutter; aber sie hatte keine Hoffnung -- keinen Schutz für sie. - -»Mutter, ich denke, wir könnten uns recht wohl befinden, wenn Du eine -Stelle als Köchin, und ich als Stubenmädchen oder Näherin in irgend -einer Familie bekämest. Ich hoffe es. Laß uns beide so heiter aussehen -wie wir können, und Alles sagen, was wir verstehen; vielleicht bekommen -wir dann solche Stellen,« sagte Emmeline. - -»Du mußt morgen Dein ganzes Haar glatt nach hinten kämmen,« sagte Susan. - -»Weshalb, Mutter? ich sehe dann bei weitem nicht so gut aus.« - -»Ja, aber Du wirst so besser verkauft werden.« - -»Ich sehe nicht ein, weshalb!« sagte das Kind. - -»Anständige Familien werden Dich eher kaufen, wenn Du einfach und -sittsam aussiehst, und Dich nicht hübsch machen willst. Ich kenne ihre -Art und Weise besser als Du,« sagte Susan. - -»Gut, Mutter, dann will ich es thun.« - -»Und wenn wir uns von morgen an nie wieder sehen sollten, Emmeline, -- -wenn ich nach irgend einer Plantage verkauft werden sollte, und Du -anderswohin, -- so denke immer daran, wie Du erzogen worden bist, und -was Missis Dir gesagt hat. Nimm' Deine Bibel und Dein Gesangbuch mit -Dir, und sei Gott getreu, so wird er Dir getreu sein.« - -So spricht die arme Seele in schmerzlicher Muthlosigkeit, denn sie weiß, -daß am folgenden Tage jeder Mensch, so gemein und roh, so gottlos und -unbarmherzig er auch immer sein möge, Herr ihrer Tochter an Leib und -Seele werden kann, sobald er das nöthige Geld für sie zu erlegen im -Stande ist; und wie soll das Kind dann seinem Gott getreu bleiben? Sie -denkt an alles dies, während sie ihre Tochter im Arme hält, und wünscht, -daß diese weniger hübsch und anziehend sein möchte. Sie hat keine andre -Zuflucht als zum Gebete; und viele solcher Gebete sind von diesen -saubern, reinlichen Sklavengefängnissen zu Gott emporgestiegen, -- -Gebete, die Gott nicht vergessen hat, wie sich an einem Tage, der noch -kommen soll, zeigen wird; denn es steht geschrieben: »Wer aber ärgert -dieser Geringsten Einen, dem wäre besser, daß ein Mühlstein an seinen -Hals gehänget würde, und er ersäufet würde im Meere da es am tiefsten -ist.« - -Die sanften, ernsten, stillen Mondesstrahlen fallen durch die Stäbe des -vergitterten Fensters, und werfen den Schatten derselben auf die -ausgestreckten, schlafenden Gestalten, während Mutter und Tochter eine -jener milden, melancholischen Trauerarien singen, welche unter den -Sklaven als Begräbnißgesänge üblich sind. - -Singt nur, arme Seelen! Die Nacht ist kurz, und der kommende Morgen wird -Euch für ewig trennen! - -Aber jetzt tagt der Morgen, und Alles ist munter; und der würdige Mr. -Skeggs ist geschäftig und guter Laune, denn eine Quantität Waare soll -zur Versteigerung in Stand gesetzt werden. Alles macht Toilette, und -Befehle ergehen an einen Jeden, das beste Gesicht anzulegen, und heiter -zu sein; und dann werden alle zur letzten Revüe in einen Kreis gestellt, -ehe sie nach der Börse abgeführt werden, und Mr. Skeggs, mit der Cigarre -im Munde, hält die letzte Schau. - -»Was ist das?« fragte er, vor Susan und Emmelinen tretend. »Wo sind -Deine Locken, Mädchen?« - -Das Mädchen blickte furchtsam auf ihre Mutter, welche mit der ihrem -Geschlechte eigenthümlichen, sanften Gewandtheit antwortete: »Ich sagte -ihr gestern Abend, ihr Haar glatt zu kämmen, und es nicht in Locken -umherhängen zu lassen, weil es anständiger aussehe.« - -»O Unsinn!« entgegnete der Mann, und fügte, sich in befehlendem Tone an -das Mädchen wendend, hinzu: »Du gehst mir auf der Stelle, und bringst -Deine Locken wieder ordentlich in Stande! -- und bist mir schnell wieder -hier!« und an die Mutter gerichtet, sagte er: »Die Locken bringen -vielleicht 'en hundert Dollar mehr beim Verkaufe.« - -Unter einem glänzenden Dome befanden sich Menschen aller Nationen, die -sich auf den Marmorplatten des Fußbodens hin und her bewegten. Auf jeder -Seite der kreisförmigen Area standen kleine Tribünen zum Gebrauche von -Rednern oder Auktionatoren. Zwei derselben auf gegenüberliegenden Seiten -der Area waren jetzt von talentvollen Männern besetzt, welche mit großem -Enthusiasmus in gemischtem Englisch und Französisch die Gebote der -Kenner ihrer verschiedenen Waaren in die Höhe trieben. Eine dritte -Tribüne auf der andern Seite, noch unbesetzt, war von einer Gruppe -umringt, welche auf den Anfang der Versteigerung wartete. Hier können -wir St. Clares ehemalige Dienstboten finden, Tom, Adolph und andere; -und außerdem Susan und Emmeline, welche mit angstvollen, -niedergeschlagenen Mienen ihr Schicksal erwarten. Mehrere Zuschauer, -theils kauflustig, theils nicht, umgaben die Gruppe, und untersuchten, -befühlten und besprachen die verschiedenen Gesichter und Gliedmaßen mit -derselben Freiheit, mit der eine Gesellschaft Roßkämme die Verdienste -eines Pferdes bespricht. - -»Holla! Alf! was bringt Dich denn hieher?« sagte ein junger Stutzer, -einem andern, auffallend geputzten jungen Manne auf die Schulter -schlagend, welcher Adolph durch eine Lorgnette beobachtete. - -»Ich brauche einen Lackei,« entgegnete dieser, »und hörte, daß St. -Clare's Leute an die Reihe kämen; und so wollt' ich mir 'mal ansehen --« - -»Wollte mich hüten; jemals einen von St. Clare's Leuten zu kaufen! -verdirbt alle seine Nigger, -- sind unverschämt wie der Teufel!« sagte -der Andere. - -»Fürchte mich nicht davor!« sagte der Erstere. »Wenn ich sie habe, will -ich ihnen bald ihre Manieren abgewöhnen, -- sollen bald wissen, daß sie -mit einem andern Master zu thun haben, als mit Monsieur St. Clare. Mein -Wort, ich kaufe den Burschen; -- er gefällt mir.« - -»Du wirst sehen, es kostet Dich Alles, was Du hast, um ihn zu halten; -- -er ist teufelsmäßig ausschweifend.« - -»Ja, aber Mylord wird sehen, daß er bei ^mir^ nicht ausschweifend sein -^kann^. Laß ihn nur erst ein paar Male nach dem Stockhause geschickt -und gründlich dressirt sein, -- dann wird er schon zur Besinnung kommen! -Ich will ihn schon reformiren. -- Du sollst es sehen. Ich kaufe ihn, das -steht fest!« - -Tom hatte inzwischen sinnend die Menge von Gesichtern derer geprüft, die -sich um ihn drängten, und nach Einem gesucht, den er seinen Herrn hätte -nennen mögen. Wenn Du, lieber Leser, Dich jemals in der Nothwendigkeit -befinden solltest, aus zweihundert Männern einen auszuwählen, der Dein -unbeschränkter Herr und Eigenthümer werden soll, so würdest Du wie Tom -sehen, wie wenige darunter zu finden sind, denen Du Dich bereitwillig zu -diesem Zwecke übermachen lassen möchtest. Tom sah eine große Anzahl von -Männern vor sich, -- große, dicke und finstere; kleine, magere und -muntere; lange und dünne, mit harten Gesichtszügen, und jede Abstufung -gemeiner Gesichter, die ihren Mitmenschen aufnehmen, wie man Späne -aufsammelt, um sie in's Feuer oder in den Korb zu werfen; aber er sah -keinen St. Clare. - -Kurz vorher, ehe der Verkauf begann, drängte sich ein kurzer, breiter, -muskulöser Mann, in einem bunten Hemde, welches auf der Brust weit offen -war, und sehr schmutzigen Beinkleidern, durch die Menge, wie Jemand, der -eifrig an ein Geschäft gehen will, und begann, als er der Gruppe näher -kam, diese systematisch zu untersuchen. Vom ersten Augenblicke, wo Tom -ihn sich nähern sah, fühlte er einen unwillkührlichen Schrecken vor ihm, -der sich steigerte, je näher er zu ihm kam. Der Mann besaß -augenscheinlich, obgleich er klein war, eine gigantische Kraft. Sein -runder, kugelförmiger Kopf, seine großen, hellgrauen Augen, mit den -zottigen, rothen Augenbrauen, und sein struppiges, sonnverbranntes Haar -waren allerdings wenig einnehmende Eigenschaften; sein großer, gemeiner -Mund dehnte sich unter großen Tabacksballen, deren Saft er von Zeit zu -Zeit mit großer Kraft und Entschiedenheit hinausschleuderte; seine Hände -waren unförmlich groß, haarig, sonnverbrannt, fleckig, sehr schmutzig, -mit langen Nägeln versehen, und überhaupt in einem ekelhaften Zustande. -Dieser Mann begann eine sehr dreiste, persönliche Untersuchung der zum -Verkauf aufgestellten Sklaven. Er ergriff Tom beim Kiefer, und riß -seinen Mund auf, um seine Zähne zu untersuchen; ließ ihn seinen Aermel -aufstreifen, um seine Muskeln zu zeigen, und drehte ihn herum, und ließ -ihn springen, um seine Gelenkigkeit zu prüfen. - -»Wo bist Du aufgebracht worden?« fragte er kurz nach diesen -Untersuchungen. - -»In Kentucky, Master,« sagte Tom, sich wie nach Hülfe umschauend. - -»Was hast Du da gethan?« - -»Habe Master's Farm verwaltet,« entgegnete Tom. - -»Sehr wahrscheinliche Geschichte!« sagte der Andere kurz, während er -weiter ging. Er blieb einen Augenblick vor Adolph stehen, feuerte eine -Ladung Tabakssaft auf seine blank geputzten Stiefeln ab, und ging mit -einem verächtlichen »Umph!« weiter. Vor Susan und Emmelinen blieb er -wieder stehen. Er streckte seine schwere schmutzige Hand aus, und zog -das Mädchen zu sich, strich ihr damit über Nacken und Brust, untersuchte -ihre Zähne, und stieß sie dann wieder zu ihrer Mutter zurück, deren -geduldiges Gesicht das tiefe Leiden verrieth, welches sie bei jeder -Bewegung des scheußlichen Fremden empfunden hatte. - -Das Mädchen war erschreckt worden, und fing an zu weinen. - -»Still da! Du Heuldirne! kein Blärren hier!« rief der Auktionator, -- -»der Verkauf beginnt.« - -Adolph wurde für eine gute Summe dem jungen Manne zugeschlagen, welcher -seine Absicht, ihn zu kaufen, vorher schon erklärt hatte; und die -übrigen Leute St. Clare's fielen verschiedenen Bietern zu. - -»Hinauf nun mit Dir, Bursche! hörst Du?« rief der Auktionator Tom zu. - -Tom stieg auf den Block und ließ seine Blicke ängstlich umher streifen, -während alles Geräusch in einem gemeinsamen, undeutlichen Lärm -zusammenfloß, -- das Geschrei des Verkäufers, welcher Tom's -Eigenschaften in Französisch und Englisch ausrief, das scharfe Feuer der -französischen und englischen Gebote; -- und einen Augenblick später -folgte der letzte Schlag des Hammers, und der deutliche Schall der -letzten Sylbe des Wortes ^Dollar^, als der Auktionator die Summe -verkündete, und Tom hatte einen Herrn! - -Er wurde vom Block hinabgestoßen; -- der kleine, rundköpfige Mann packte -ihn bei der Schulter, stieß ihn nach einer Seite, und rief ihm mit -lauter Stimme zu: »Hier bleib stehen!« - -Tom wußte kaum, was mit ihm geschah. Inzwischen dauerten die Gebote -fort, -- lärmend und geräuschvoll, bald englisch, bald französisch. -Nieder fällt der Hammer wieder, -- Susan ist verkauft! Sie steigt vom -Blocke herab, bleibt stehen, und blickt sich kummervoll um; -- ihre -Tochter streckt ihre Arme nach ihr aus. Sie schaut verzweiflungsvoll dem -Manne in's Gesicht, der sie gekauft hat, -- ein anständig aussehender -Mann von mittlerem Alter, mit wohlwollenden Zügen. - -»O Master, bitte, kaufen Sie meine Tochter auch!« - -»Ich hätte wohl Lust, aber ich fürchte, ich kann nicht!« sagte der Mann, -und schaute mit ängstlichem Interesse zu, als das junge Mädchen den -Block bestieg, und sich mit furchtsamen, scheuen Blicken umschaute. Das -Blut steigt in ihre sonst bleichen Wangen, ihr Auge glüht fieberhaft, -und ihre Mutter gewahrt verzweiflungsvoll, daß sie schöner erscheint als -zuvor. Der Auktionator sieht seinen Vortheil und läßt sich mit -geläufiger Zunge in gemischtem Englisch und Französisch über ihre -Vorzüge aus, und die Gebote folgen schnell aufeinander. - -»Ich will thun, was ich kann,« sagte der gutmüthig aussehende Mann, -drängte sich vor und fing an mitzubieten. In wenigen Augenblicken haben -die Gebote seine Börse überstiegen, und er schweigt. Der Auktionator -wird wärmer, aber die Gebote lassen allmählig nach. Es sind nur noch -zwei Bieter da, ein alter, aristokratischer Bürger, und unser -rundköpfiger Freund. Der Bürger überbietet mehrmals, und sieht seinen -Gegner verächtlich an; aber der Rundkopf ist ihm überlegen, sowohl an -Hartnäckigkeit als in geheimer Länge der Börse, und der Streit währt nur -kurze Zeit. Der Hammer fällt, -- er hat das Mädchen, Leib und Seele, so -Gott ihr nicht hilft. - -Ihr Herr ist Mr. Legree, welcher eine Baumwollen-Plantage am rothen Fluß -besitzt. Sie wird mit Tom und zwei andern Männern zusammen getrieben, -und weinend fortgeschleppt. - -Dem gutmüthigen Manne thut es leid; allein der Fall ereignet sich -täglich! Man sieht ja stets auf diesen Verkäufen Mädchen und Mütter -weinen! es läßt sich nicht ändern, u. s. w., und er entfernt sich mit -seinem neuen Besitzthume in einer anderen Richtung. - -Zwei Tage später sandte der Anwald der christlichen Firma _B et Cie._ -in New-York das Geld ein. Auf die Rückseite des auf diese Weise -erlangten Wechsels mögen sie die Worte des großen Zahlmeisters -schreiben, dem sie an einem späteren Tage werden Rechenschaft legen -müssen: »Denn er gedenket und fraget nach ihrem Blut; er vergißt nicht -des Schreiens der Armen.« - - - - -Einunddreißigstes Kapitel. - -Die Fahrt. - - Deine Augen sind rein, daß du Uebles nicht - sehen magst, und dem Jammer kannst du nicht - zusehen. Warum siehst du denn zu den Verräthern - und schweigest, daß der Gottlose verschlinget - den, der frömmer denn er ist. - - -Am unteren Ende eines kleinen Bootes, auf dem rothen Flusse, saß Tom, -- -Ketten an seinen Handgelenken, Ketten an seinen Füßen, und eine Last, -schwerer als diese Ketten, auf seiner Brust. Alles war an seinem -Horizonte verschwunden, -- Mond und Sterne; Alles war an ihm -vorübergeflogen wie die Bäume und Ufer jetzt an ihm vorüber flogen, um -nie wieder zu kehren. Die Heimath in Kentucky, mit Weib und Kindern und -der freundlichen Herrschaft; St. Clare's Haus mit allem seinem Luxus und -Glanze; der goldlockige Kopf Eva's mit seinen frommen Augen; der stolze, -heitre, hübsche, anscheinend so sorglose, aber immer gütige St. Clare; -Stunden der Muße und Behaglichkeit, -- Alles fort! und was war an dessen -Stelle geblieben? - -Es gehört mit zu den bittersten Erfahrungen des Sklavenlebens, daß der -Neger, der von Natur mitfühlend und leicht empfänglich ist, nachdem er -in einer gebildeten Familie den Geschmack und die Empfindungen der -dortigen Atmosphäre kennen gelernt hat, nichts destoweniger in jedem -Augenblick wieder der Sklave des rohesten und brutalsten Menschen -werden kann, -- gerade wie ein Stuhl oder Tisch, welcher einst den -kostbarsten Salon zierte, und endlich zerschlagen und entstellt in das -Schenkzimmer eines schmutzigen Wirthshauses oder in eine niedrige Höhle -gemeiner Ausschweifung gelangt. Der große Unterschied besteht aber -darin, daß der Stuhl und der Tisch nicht empfinden können, wohl aber der -Sklave; denn selbst der Ausspruch des Gesetzes, daß er »als ein -Gegenstand persönlicher Habe erachtet und gehalten werden solle,« ist -nicht im Stande, seine Seele, mit ihrer eigenen kleinen Welt von -Erinnerungen, Hoffnungen, Liebe, Furcht und Wünschen zu vernichten. - -Mr. Simon Legree, Tom's Herr, hatte an verschiedenen Plätzen in -New-Orleans acht Sklaven zusammengekauft, und sie geschlossen, in Paaren -von zwei und zwei, dem Dampfboote »der Pirat« zugetrieben, welches am -Ufer lag, bereit, den rothen Fluß hinauf zu fahren. - -Nachdem er sie alle an Bord gebracht hatte und das Boot abgefahren war, -kam er mit der Miene großer Geschäftigkeit, die ihm immer eigen war, -heran, um Revue zu halten. Indem er zunächst vor Tom stehen blieb, der -für den Verkauf seine beste Kleidung mit gestärkter Wäsche und blanken -Stiefeln hatte anlegen müssen, drückte er sich kurz folgender Maßen aus: - -»Steh' auf!« - -Tom stand auf. - -»Nimm die Halsbinde ab!« und als Tom, behindert durch seine Fesseln, -dazu schritt, begann er, mit nicht sehr sanfter Hand, ihm zu helfen, -indem er sie vom Halse herunterriß und sie in seine Tasche steckte. - -Sodann wandte sich Legree zu Tom's Koffer, den er schon vorher -geplündert hatte, nahm ein Paar alter Beinkleider und einen zerrissenen -Rock heraus, den Tom nur im Stall zu tragen gepflegt hatte, und sagte -zu ihm, indem er seine Handfesseln ablöste und auf einen Winkel -zwischen den Waarenballen deutete: - -»Da, gehe dahin und ziehe diese an.« - -Tom gehorchte und kam in wenigen Augenblicken zurück. - -»Ziehe Deine Stiefel aus,« fuhr Mr. Legree fort. - -Tom that es. - -»Hier,« sagte jener, ihm ein paar grobe, starke Schuhe zuwerfend, die -gewöhnlich von Sklaven getragen werden, »ziehe diese an!« - -Während seiner eiligen Umkleidung hatte Tom nicht vergessen, seine -geliebte Bibel in seine Tasche zu stecken. Und er hatte wohl gethan; -denn, nachdem Legree ihm die Handschellen wieder angelegt hatte, schritt -er sorgfältig dazu, die Taschen der abgetragenen Kleidungsstücke zu -untersuchen. Er zog ein seidenes Taschentuch hervor und steckte es in -seine Tasche. Mehrere Kleinigkeiten, welche Tom hauptsächlich deßhalb -aufgehoben hatte, weil Eva daran Gefallen gefunden, sah er mit -verächtlichem Grunzen an und warf sie rücklings über seine Schulter in -den Fluß. Jetzt zog er auch Tom's methodistisches Gesangbuch hervor, -welches er in der Eile vergessen hatte und öffnete es: - -»Hm! fromm, versteht sich. So, wie heißt Du, -- gehörst zur Kirche?« - -»Ja, Master,« entgegnete Tom mit fester Stimme. - -»So, -- will Dir das bald abgewöhnen; -- kann keine Niggers gebrauchen, -die schreien und beten und singen, -- merke das. Also paß' auf!« sagte -er, mit dem Fuße stampfend und mit einem wilden Blicke seiner grauen -Augen auf Tom, -- »^ich^ bin jetzt Deine Kirche! verstehst Du? -- Du -mußt jetzt so sein, wie ^ich^ es haben will.« - -Ein Gefühl im Innern des schwarzen Menschen antwortete ^nein!^ und, -wie von einer unsichtbaren Stimme gesprochen, kamen die Worte eines -alten prophetischen Buches in seinen Sinn, die ihm Eva öfters daraus -vorgelesen hatte: »Fürchte Dich nicht, denn ich habe Dich erlöset; ich -habe Dich bei Deinem Namen gerufen; Du bist mein.« - -Aber Simon Legree hörte keine Stimme. Er stierte nur einen Augenblick -auf das niedergeschlagene Gesicht Tom's und ging weiter. Er nahm Tom's -Koffer, der eine reichliche und gute Garderobe enthielt, mit sich nach -dem Vordertheile des Schiffes, wo er bald von verschiedenen Matrosen des -Bootes umringt war. Unter vielem Gelächter und lauten Spöttereien über -Niggers, die Gentlemen sein wollten, wurden die verschiedenen Artikel -schnell verkauft und endlich der leere Koffer zur Auktion gestellt. Alle -dachten, es sei ein guter Spaß, besonders Tom zu sehen, wie er seinen -Sachen nachblickte, die nach verschiedenen Richtungen gingen; und dann -die Versteigerung des Koffers, -- was das Spaßhafteste von Allem war und -viel Witzeleien verursachte. - -Als dieß kleine Geschäft endlich vorüber war, schlenderte Simon zu -seinem Eigenthume zurück. - -»Nun, Tom, siehst Du, ich habe Dir etwas unnützes Gepäck abgenommen. -Nimm jetzt die Kleidungsstücke da gewaltig in Acht; denn 's dauert -lange, ehe Du neue bekömmst. Ich will meine Niggers sorgsam machen; ein -Anzug muß bei mir ein Jahr aushalten.« - -Nach diesen Worten wandte Simon seine Schritte dem Orte zu, wo Emmeline -mit einem andern Frauenzimmer zusammen gekettet saß. - -»Na, meine Liebe,« sagte er, ihr unter das Kinn fassend, »hübsch -munter!« - -Der unwillkürliche Blick von Schrecken, Furcht und Abscheu, mit dem das -Mädchen ihn betrachtete, entging seinem Auge nicht. Er zog seine Stirn -in finstere Falten. - -»Nichts von Deinen Zierereien, Mädchen! hast immer ein munteres Gesicht -zu machen, wenn ich mit Dir spreche -- hörst Du? Und Du da, altes, -gelbes Mondscheingesicht!« sagte er, indem er der mit Emmelinen -zusammengeketteten Mulattin einen Stoß gab, »laß mich nicht solch ein -Gesicht sehen! -- sollst lustiger aussehen, -- verstanden?« - -»Und Ihr alle da!« fügte er, ein paar Schritte zurücktretend, hinzu, -- -»hier, seht mich an, -- seht mir grade in's Gesicht, -- grade aus!« rief -er, bei jeder Pause mit dem Fuße stampfend. - -Und wie durch Zauberkraft richtete sich jetzt jeder Blick auf die -grünlich grauen, funkelnden Augen Simon's. - -»Paßt auf!« rief er, seine große, schwere Faust ballend, so daß sie die -Form eines Schmiedehammers annahm, -- »seht Ihr diese Faust? -- Seht -hier diese Knochen! Nun merkt, diese Faust ist davon so hart geworden, -daß sie so viele Niggers niedergeschlagen hat. Habe nie 'nen Nigger -gesehen, den ich nicht mit einem Schlage niedergebracht hätte!« sagte -er, indem er seine Faust so dicht vor Tom's Gesicht hielt, daß dieser -unwillkührlich mit den Augen blinzte und den Kopf zurückbog. »Halte -keine solche miserablen Aufseher; -- führe meine Aufsicht selbst, -- und -das ist Aufsicht. Ihr müßt auf's Wort passen, -- Alle, -- den -Augenblick, wo ich spreche, -- wenn ihr mit mir fertig werden wollt. Ihr -findet keine weiche Stelle an mir, nirgend. Also nehmt Euch in Acht; -denn ich habe keine Barmherzigkeit!« - -Die Weiber hielten unwillkührlich den Athem an, und der ganze Trupp saß -mit niedergeschlagenen Gesichtern da. Inzwischen hatte Simon sich auf -den Hacken umgedreht und war an den Schenktisch des Bootes getreten, um -ein Glas Brandwein zu genießen. - -»Das ist der Weg, wie ich immer mit meinen Niggers anfange,« sagte er zu -einem anständig gekleideten Herrn, der während dieser Rede in seiner -Nähe gestanden hatte. »'s ist mein System, immer kräftig anzufangen, -- -damit sie wissen, was sie zu erwarten haben.« - -»Wirklich?« entgegnete der Fremde, während er ihn mit der Neugierde -eines Naturforschers betrachtete, der irgend ein seltenes Exemplar eines -Naturprodukts vor sich hat. - -»Ja, gewiß. Bin keiner von Euren vornehmen Pflanzern, mit Lilienfingern, -der sich von jedem alten, verdammten Aufseher betrügen läßt! Hier, faßt -'mal meine Knöchel an! Seht 'mal meine Faust! Sage Euch, Herr, das -Fleisch ist grade wie Stein geworden, -- 's macht die Praxis mit den -Niggers, -- faßt nur 'mal an!« - -Der Fremde legte seine Hände an das fragliche Werkzeug und entgegnete -trocken: - -»Hart genug! und, wie ich vermuthe, hat die Praxis Euer Herz eben so -hart gemacht.« - -»Ja, ja, kann sein,« erwiederte Simon mit herzlichem Lachen. »Glaube, 's -nicht viel Weiches in mir zu finden. Ich sage Euch, es kommt keiner über -mich! Nie kommt ein Nigger um mich herum, weder mit Schreien, noch mit -weicher Seife, -- das ist gewiß!« - -»Ihr habt einen hübschen Trupp hier.« - -»O ja,« sagte Simon. »Da ist der Tom, -- habe gehört, es soll ein -ausgezeichneter Kerl sein. Er kostet mich viel Geld, weil ich ihn als -Kutscher oder als Verwalter gebrauchen wollte; nur die Ideen müssen erst -aus ihm heraus, die er dadurch gelernt hat, daß er behandelt worden ist, -wie Niggers nie behandelt werden sollten, -- dann wird er ganz -vortrefflich sein! Das gelbe Weib sieht mir etwas kränklich aus, aber -ich will doch noch aus ihr herausdrücken, was sie werth ist. Ein oder -zwei Jahre hält sie noch vor. Schone meine Niggers nicht; -- verbrauche -sie und kaufe neue, -- 's macht weniger Umstände und 's kommt mir am -Ende billiger zu stehen,« sagte Simon, sein Glas schlürfend. - -»Und wie lange halten sie gewöhnlich aus?« fragte der Fremde. - -»Weiß nicht genau; 's hängt von der Constitution ab. Stämmige Bursche -sechs oder sieben Jahre; schwache sind in zweien oder dreien fertig. Im -Anfang hatt' ich schrecklich viel Umstände, weil ich sie erhalten -wollte, -- und dokterte, wenn sie krank waren, und ihnen Kleidungsstücke -und Decken gab, und 's ihnen bequem machen wollte. Jetzt aber, seht, -treibe ich sie grade durch, krank oder gesund, und wenn ein Nigger todt -ist, so kauf' ich 'nen andern, und 's ist viel bequemer und billiger, -find' ich.« - -Der Fremde wendete sich ab und setzte sich neben einen Herrn nieder, -welcher der ganzen Unterhaltung mit unterdrücktem Unwillen zugehört -hatte. - -»Sie dürfen die südlichen Pflanzer nicht nach diesem Kerl beurtheilen,« -sagte er. - -»Ich hoffe ^nicht^,« entgegnete der junge Mann mit Nachdruck. - -»Es ist ein niedriger, gemeiner, viehischer Kerl,« sagte der Andere. - -»Und dennoch erlauben ihm Ihre Gesetze, so viele menschliche Wesen -seinem unbeschränkten Willen unterworfen zu halten, ohne daß diese auch -nur einen Schatten von Schutz haben; und so gemein er ist, so müssen Sie -dennoch zugestehen, daß es Viele seiner Art gibt.« - -»Mag sein,« entgegnete der Andere, »aber es gibt auch viele -menschenfreundliche Männer unter den Pflanzern.« - -»Zugestanden,« sagte der junge Mann; »aber meiner Ansicht nach sind -grade Ihre menschenfreundlichen Männer für alle Unmenschlichkeit -verantwortlich, die von diesen Elenden verübt wird; denn ohne ihre -Billigung und ihren Einfluß könnte sich das ganze System nicht eine -Stunde halten. Wenn es keine anderen Pflanzer gäbe, als solche,« sagte -er, mit dem Finger auf Legree deutend, welcher ihnen den Rücken -zugewendet hatte, »so würde die ganze Sache wie ein Mühlstein zu Grunde -gehen. Es ist grade Ihre Menschenfreundlichkeit, die diese -Unmenschlichkeit beschützt.« - -»Sie müssen viel Vertrauen zu meiner Gutmüthigkeit haben,« sagte der -Pflanzer lächelnd; »aber ich würde Ihnen doch rathen, nicht so laut zu -sprechen, da sich hier viele Personen auf dem Boote befinden, die nicht -ganz so tolerant sein dürften. Sie thun besser, zu warten, bis Sie auf -meiner Plantage sind; dann mögen Sie uns Alle schmähen, so viel Sie -wollen.« - -Der junge Mann erröthete und lächelte, und Beide waren bald darauf beim -Puffspiele beschäftigt. Inzwischen fand am unteren Ende des Bootes eine -andre Unterhaltung zwischen Emmelinen und der Mulattin Statt, mit der -sie zusammengekettet war. Sie theilten sich, wie es natürlich war, -Einzelnheiten ihrer Geschichte mit. - -»Wem gehörst Du?« fragte Emmeline. - -»Mein Herr war Mr. Ellis, in Leveestreet. Vielleicht hast Du das Haus -gesehen.« - -»War er gut gegen Dich?« fragte Emmeline weiter. - -»Meistens, bis er krank wurde. Er lag länger als sechs Monate krank, und -wurde schrecklich ungeduldig. Er wollte keinen Menschen Tag und Nacht -ruhen lassen, und kein Mensch konnt' ihm 'was zu Dank thun. Jeden Tag -wurd' er schlimmer, und hielt mich alle Nächte wach, bis ich ganz hin -war und nicht mehr wachen konnte; und weil ich 'mal in einer Nacht -einschlief, wurd' er so schrecklich gegen mich, und sagte, er wolle mich -an den bösesten Herrn verkaufen, den er finden könnte! und doch -versprach er mir meine Freiheit, als er starb.« - -»Hattest Du Angehörige?« fragte Emmeline. - -»Ja, einen Mann, -- er ist ein Hufschmied. Master verdung ihn -gewöhnlich. Sie schleppten mich so schnell fort, daß ich ihn nicht 'mal -mehr sehen konnte; und ich habe vier Kinder. O mein Gott!« sagte das -Weib, und bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen. - -Es ist ein natürliches Gefühl bei Jedem, der eine Schilderung des Elends -hört, irgend ein Trostwort sagen zu wollen. Emmeline wollte auch etwas -sagen, aber sie konnte sich auf nichts besinnen. Was sollte sie sagen? -Wie aus Uebereinkommen vermieden Beide vor Furcht und Schrecken des -entsetzlichen Mannes Erwähnung zu thun, der jetzt ihr Herr war. - -Wahr ist, daß es selbst in der trübsten Stunde einen religiösen Trost -gibt. Die Mulattin war Mitglied einer methodistischen Kirche, und besaß -zwar einen unaufgeklärten Geist, aber aufrichtige Frömmigkeit. Emmeline -hatte eine bessere Bildung empfangen; sie hatte durch die Fürsorge einer -frommen Mistreß lesen, schreiben und die Bibel verstehen gelernt; aber -würde es nicht selbst den Glauben des besten Christen erschüttern, wenn -er sich anscheinend so von Gott verlassen, und in den Klauen der -rohesten Gewalt befände? Wie viel mehr mußte es den Glauben von Kindern -erschüttern, die noch schwach in Erkenntniß, und zart an Jahren waren. - -Das Boot verfolgte seinen Lauf, -- beladen mit seiner kummerschweren -Last, -- durch den röthlichen, trüben Strom, und durch die Windungen des -rothen Flusses hinauf; und traurige, müde Augen ruhten auf den steilen, -röthlichen Kalkufern, die in öder Einförmigkeit vorüber glitten. Endlich -hielt das Boot vor einer kleinen Stadt an, und Legree schiffte sich mit -seinem Trupp Sklaven aus. - - - - -Zweiunddreißigstes Kapitel. - -Finstere Orte. - - Das Land ist allenthalben jämmerlich - verheeret, und die Häuser zerrissen. - - -Müde und matt sich hinter einem rohen Wagen herschleppend, einen rauhen -Weg entlang, verfolgten Tom und seine Genossen ihre Reise. - -Im Wagen saß Simon Legree; und die beiden Frauenzimmer, noch immer -zusammengefesselt, hatten mit verschiedenem Gepäcke ihren Platz im -hinteren Theile desselben angewiesen erhalten. Auf diese Weise bewegte -sich die ganze Gesellschaft der Plantage Legree's zu, welche noch in -ziemlicher Entfernung lag. - -Es war eine wilde, öde Straße, die sich bald durch einsame -Fichtenwaldungen wand, und bald über Knippeldämme, durch lange, mit -Cypressen bewachsene Sümpfe hinlief, deren melancholische Bäume weite -Kränze schwarzen Leichenmooses trugen, während hier und dort die -widerliche Gestalt der Mokassin-Schlange zwischen Baumstämmen und -abgebrochenen Zweigen sich hinschlängelte, welche faulend im Wasser -lagen. - -Es ist eine solche Reise schon trostlos genug für den Fremden, wenn er -mit wohlgefüllter Tasche und zuverlässigem Pferde den einsamen Weg in -Geschäften verfolgen muß; aber noch viel schrecklicher und öder ist sie -für den unglücklichen Sklaven, den jeder müde Schritt weiter und weiter -von dem entfernt, was der Mensch liebt, und wonach er sich sehnt. - -So würde Derjenige gedacht haben, der den kummervollen Ausdruck jener -dunklen Gesichter sah, die sinnende, geduldige Mattigkeit, mit der jene -traurigen Augen an jedem Gegenstande hängen blieben, der ihnen auf ihrem -trostlosen Wege begegnete. - -Simon setzte inzwischen in bester Laune, wie es schien, seine Reise -fort, während er von Zeit zu Zeit einer Brandweinflasche zusprach, die -er in seiner Tasche trug. - -»Ihr da, hört!« rief er, indem er sich umwandte und mit einem flüchtigen -Blicke die muthlosen Gesichter hinter sich gewahrte. »Singt eins, -Jungens! -- los!« - -Die Männer sahen sich gegenseitig an, und die Wiederholung des Wortes -»los!« wurde mit einem kräftigen Knall der Peitsche begleitet, welche -der Fuhrmann in der Hand trug. Tom begann eine methodistische Hymne zu -singen: - - »Sei, Seele, stark und unverzagt! - Wenn irgend Dich ein Kummer plagt, - Befiehl Gott deine Sachen. - In aller Pein --« - -»Halt Dein schwarzes Maul!« brüllte Legree. »Denkst Du, ich will 'was -von Deinem verfluchten methodistischen Unsinn hören? Stimmt mir gleich -'was Lustiges an, -- schnell!« - -Einer der anderen Männer begann einen jener sinnlosen Gesänge, welche -unter Sklaven üblich sind, und schien den Text selbst zu erdichten, ohne -Rücksicht auf Sinn und Vernunft nur nach einem Reime haschend: - - »Master sah' mich 'nen Affen fangen, - Jungens hoch, Jungens hoch! - Er hätte sich vor Lachen bald aufgehangen, - Ho, ho, ho, Jungens, ho!« - -wozu die ganze Gesellschaft den Chor sang: - - »Ho! ho! ho! Jungens, ho! - Ho, he, ho! ho, he, ho!« - -Es wurde von Allen sehr laut, und mit einem erzwungenen Versuche zur -Fröhlichkeit gesungen; aber nicht das flehendste Gebet um Hülfe, nicht -die verzweiflungsvollste Klage hätte ein so tiefes Weh auszudrücken -vermocht, wie in den wilden Klängen dieses Chores lag. Als wenn das -arme, stumme Herz, bedroht und in Fesseln geschlagen, zu dem -unartikulirten Heiligthume der Musik seine Zuflucht genommen, und darin -die Sprache gefunden hätte, in der es sein Gebet zu Gott empor senden -wollte! Es lag ein Gebet darin, aber Simon konnte es nicht hören. Er -hörte nur den lauten, lärmenden Gesang der Sklaven, und war zufrieden -damit; er hatte sie »lustig« gemacht. - -»Nun, meine liebe Kleine,« sagte er, sich zu Emmelinen wendend, und -seine Hand auf ihre Schulter legend, »wir sind nun bald zu Hause.« - -Wenn Legree fluchte und stürmte, war Emmeline erschreckt; aber wenn er -sie berührte, und mit ihr sprach, wie er jetzt that, so war es ihr, als -wolle sie sich lieber von ihm mißhandeln lassen. Der Blick seiner Augen -machte ihr Herz stocken, und ihre Haut schaudern. Unwillkürlich drängte -sie sich dichter an die Seite der Mulattin, als wenn sie ihre Mutter -wäre. - -»Du hast noch nie Ohrringe getragen,« sagte er, mit seinen groben -Fingern ihre zarten Ohren anfassend. - -»Nein, Master!« entgegnete Emmeline zitternd und mit gesenkten Blicken. - -»Wohl, Du sollst ein Paar haben, wenn wir nach Hause kommen, wenn Du -artig sein willst. Brauchst Dich nicht zu fürchten: Du sollst keine -schwere Arbeit verrichten. Kannst gute Zeit bei mir haben, und wie eine -Dame leben, -- wenn Du artig sein willst.« - -Legree hatte so viel getrunken, daß er sich geneigt fühlte, in diesem -herablassenden Tone zu reden. Gleich darauf zeigten sich den Reisenden -die Umzäunungen der Plantage. - -Die Besitzung hatte früher einem Manne gehört, der Reichthum und -Geschmack besaß, und sehr viel für die Verschönerung der Anlagen gethan -hatte. Da er insolvent starb, so kaufte sie Legree um einen billigen -Preis, und benutzte sie, wie alles Andre in der Welt, lediglich als -Werkzeug, Geld zu verdienen. Der Ort hatte ein ödes, verwildertes -Ansehen, was sich immer dann zeigt, wenn die Sorgfalt eines früheren -Besitzers dem gänzlichen Verfalle überlassen worden ist. - -Was einst ein glatt geschorener Rasenplatz vor dem Hause gewesen war, -der hier und da verzierende Stauden getragen hatte, war jetzt mit -dichtem, wilden Grase überwachsen, und zur Anlage von Pferdeständen -benutzt, wo der Rasen zertreten, und der Boden mit zerbrochenen Eimern, -Maishülsen und andern Fragmenten bedeckt war. Hier und da hing ein -verwelkender Jasmin oder ein verkümmerndes Geißblatt von einer Säule -herab, die früher als Verzierung gedient, aber jetzt eine schiefe -Stellung angenommen hatte, weil sie als Pferdepfosten benutzt worden -war. Was früher ein großer Garten gewesen, war jetzt mit Unkraut -überwachsen, aus welchem hier und da noch eine einzelne Zierpflanze ihr -einsames Haupt erhob. Ein ehemaliges Gewächshaus war jetzt ohne Fenster, -und auf den modernden Blumenbrettern standen noch einige trockene, -verlassene Blumentöpfe, deren verwelkte Stöcke und Blätter kaum erkennen -ließen, daß sie einst Pflanzen gewesen waren. - -Der Wagen fuhr einen mit Unkraut bedeckten Kiesweg hinauf, durch eine -schöne Allee von Chinabäumen, deren anmuthige Formen und immergrünender -Blätterschmuck die einzigen Dinge hier zu sein schienen, die -Vernachlässigung nicht verändern konnte, gleich edlen Geistern, die -ihre Wurzeln so tief in den Boden des Guten geschlagen haben, daß sie -selbst unter Entmuthigung und Verfall blühen und kräftiger werden. - -Das Wohnhaus war groß und schön gewesen, und war in dem im Süden -gewöhnlichen Style erbaut. Eine zwei Stock hohe Veranda, deren unterer -Theil von massiven Säulen getragen wurde, umgab dasselbe auf allen -Seiten, und nach ihr öffneten sich alle äußeren Thüren des Hauses. - -Allein das ganze Gebäude sah öde und unbehaglich aus. Einige Fenster -waren mit Brettern verschlossen, andere hatten zerbrochene Scheiben, und -Laden, die nur noch an einer Angel hingen. Alles verrieth rohe -Vernachlässigung und Unbehaglichkeit. Zerbrochene Bretter, Stroh, alte, -eingefallene Fässer und Kisten bedeckten den Boden in allen Richtungen; -und drei bis vier wild aussehende Hunde, die durch das Geräusch der -Wagenräder erweckt worden waren, kamen angesprungen, und wurden nur mit -großer Mühe von den ihnen folgenden, zerlumpten Dienstboten abgehalten, -über Tom und seine Genossen herzufallen. - -»Da seht Ihr, was mit Euch geschehen würde!« sagte Legree zu Tom und -seinen Gefährten, während er seine Hunde mit grimmiger Freude liebkoste. -»Ihr seht, was mit Euch geschehen würde, wenn Ihr fortlaufen wolltet. -Diese Hunde sind dressirt, Niggers aufzuspüren, und würden eben so gut -einen von Euch zermalmen und verschlucken, wie sie ihr Abendbrod -verzehren. Also nehmt Euch in Acht! -- Sieh' da, Sambo!« sagte er zu -einem zerlumpten Kerl mit einem Hut ohne Krempe, der sehr geschäftig in -seinen Aufmerksamkeiten um ihn war. »Wie sind die Sachen hier gegangen?« - -»Vortrefflich, Master.« - -»Quimbo,« sagte Legree zu einem Andern, der sich die möglichste Mühe -gab, seine Aufmerksamkeit zu erregen, -- »Du hast das gethan, was ich -Dir gesagt habe?« - -»Gewiß hab' ich's gethan.« - -Diese beiden farbigen Männer waren die obersten Arbeiter auf der -Plantage. Legree hatte sie in Rohheit und Brutalität so systematisch -erzogen und abgerichtet wie seine Bulldogs, und hatte durch lange Uebung -in Härte und Grausamkeit ihre ganze Natur ziemlich auf denselben Stand -von Fähigkeiten reducirt. Es ist eine gewöhnliche Erfahrung, die gegen -den Charakter der Rasse stark zu sprechen scheint, daß nämlich der -schwarze Aufseher immer tyrannischer und grausamer ist als der weiße. Es -gilt dies aber von dieser Rasse nicht mehr als von jedem andern -unterdrückten Geschlechte auf der ganzen Erde. Der Sklave ist stets ein -Tyrann, sobald sich ihm Gelegenheit dazu darbietet. - -Legree, gleich andern Potentaten, von denen wir in der Geschichte lesen, -beherrschte seine Plantage mit Hülfe einer gewissen Trennung der Kräfte. -Sambo und Quimbo haßten sich gegenseitig von ganzem Herzen; die -Plantagen-Arbeiter haßten beide eben so sehr; und indem er den Einen -gegen den Andern anhetzte, war er dessen gewiß, von einem dieser drei -Theile zu erfahren, was in der Plantage vorging. - -Niemand kann ganz ohne geselligen Verkehr leben, und Legree ermunterte -deßhalb seine beiden schwarzen Satelliten zu einer Art roher -Familiarität mit ihm, die jedoch zu jedem Augenblicke den Einen oder den -Andern in eine mißliche Lage bringen konnte; denn bei der geringsten -Veranlassung stand einer von ihnen stets bereit, auf einen gegebenen -Wink seine Rache gegen den Andern auszuüben. - -Wie sie jetzt neben Legree standen, erschienen sie als eine passende -Versinnlichung der Wahrheit, daß viehische Menschen selbst noch tiefer -stehen als Thiere. Ihre rohen, dunklen, schweren Züge; ihre großen -Augen, die neidisch einander betrachteten; ihre barbarische, -thierähnliche Gutturalsprache; ihre zerrissenen Kleidungsstücke, die im -Winde flatterten, standen in bewunderungswürdiger Harmonie mit dem -gemeinen, ungesunden Charakter der ganzen Besitzung. - -»Hier, Sambo,« sagte Legree, »bringe diese Burschen nach den Quartieren; -und hier ist ein Weib, das ich ^Dir^ mitgebracht habe,« sagte er, -indem er die Mulattin von Emmelinen trennte, und sie ihm zustieß. »Du -weißt, ich versprach Dir eins.« - -Die Frau erschrack, und sagte ängstlich, sich zurückziehend: »O Master, -ich habe meinen alten Mann in New-Orleans gelassen.« - -»Was soll das heißen, Du --; brauchst Du hier keinen Mann? Keine Worte: --- fort mit Dir!« sagte Legree, während er die Peitsche aufhob. - -»Komm', Mistreß,« sagte er darauf zu Emmelinen gewendet, »Du gehst mit -mir diesen Weg.« - -Ein dunkles, wildes Gesicht wurde einen Augenblick lang am Fenster des -Hauses sichtbar, und als Legree die Thüre öffnete, sagte eine weibliche -Stimme Etwas in schnellem und befehlendem Tone. Tom, der Emmelinen mit -ängstlichem Interesse nachblickte, nahm dies wahr, und hörte Legree -ärgerlich antworten: »Du hältst Deinen Mund! Ich werde thun, was mir -gefällt, und mich um Dich nicht kümmern!« - -Tom hörte weiter nichts; denn er folgte Sambo gleich darauf nach den -Quartieren. Diese bestanden in einer Reihe roh gezimmerter Schuppen, -welche eine Art kleiner Straße bildeten, und in einem von dem Wohnhause -weit entlegenen Theile der Plantage lagen. Tom's Herz sank, als er sie -sah. Er hatte sich mit der Hoffnung auf eine Hütte getröstet, die er, -wenn sie auch in rohem Zustande war, doch zu einer reinlichen, stillen -Wohnung machen konnte, wo ein Plätzchen für seine Bibel war, und wo er -sich nach beendigten Arbeitsstunden allein aufhalten durfte. Er sah in -mehrere derselben hinein. Es waren nichts als rohe, leere Schalen, ohne -jede Art von Hausgeräth, ausgenommen einem Haufen Stroh, der vor Schmutz -in Fäulniß überging, und den Fußboden bedeckte, welcher nur aus dem -natürlichen, von zahllosen Füßen festgetretenen Erdboden bestand. - -»Welches von diesen Behältnissen ist mein?« sagte er demüthig zu Sambo. - -»Weiß nicht; -- kannst hier hinein gehen, denk' ich,« entgegnete Sambo; -»wird noch Platz drin sein für Einen; -- 's ist ein guter Haufe Niggers -in jedem drin; -- weiß gar nicht, wo ich noch mit mehr hin soll.« - - * * * * * - -Es war spät Abends, als die müden Bewohner dieser Schuppen in Haufen -nach Hause gezogen kamen, -- Männer und Weiber in zerlumpten Kleidern, -finster und mürrisch, und in keiner Stimmung, neue Ankömmlinge -freundlich zu empfangen. Das kleine Dorf wurde nun lebendig von wenig -einladenden Tönen; rauhe Stimmen stritten sich um die Handmühlen, auf -denen ihre kleine Quantität harten Kornes erst noch gemahlen werden -mußte, um den Kornkuchen daraus bereiten zu können, aus dem ihr ganzes -Abendbrod bestehen sollte. Von der ersten Morgendämmerung an waren sie -auf dem Felde gewesen, und durch die unbarmherzige Peitsche der Aufseher -zur Arbeit angetrieben worden; denn es war jetzt grade im höchsten -Drange der Jahreszeit, und kein Mittel blieb unversucht, um die -Fähigkeiten eines Jeden bis zur äußersten Spannung zu treiben. - -»Ja, aber,« sagt der nachlässige Zuschauer, »Baumwolle zupfen ist keine -harte Arbeit.« - -Wirklich nicht? Es ist auch kein sehr schmerzhaftes Gefühl, sich einen -Tropfen Wasser auf den Kopf fallen zu lassen; aber die schrecklichste -Tortur der Inquisition bestand darin, Tropfen auf Tropfen einen -Augenblick nach dem andern, in gleichmäßiger Einförmigkeit auf dieselbe -Stelle fallen zu lassen; und Arbeit, die an sich nicht schwer ist, wird -dadurch schwer, daß sie eine Stunde nach der andern mit derselben -unveränderlichen, unerbittlichen Gleichförmigkeit, ohne freien Willen, -dieselbe unterbrechen zu dürfen, fortgesetzt wird. - -Tom schaute sich unter dem Trupp der Sklaven, als er sich heran wälzte, -vergeblich nach umgänglichen Gesichtern um. Er sah nur finstere, -mürrische, viehische Männer, und schwarze, muthlose Weiber, oder solche, -die keine Weiber mehr waren; die Stärkeren stießen die Schwachen bei -Seite, und es zeigte sich ganz die rohe, ungebändigte, thierische -Selbstsucht menschlicher Wesen, von denen nichts Gutes mehr erwartet und -verlangt wurde, und die, behandelt wie das Vieh, dem Standpunkte -desselben so nahe gekommen waren, wie es für menschliche Wesen überhaupt -möglich war. Das Geräusch der Handmühlen wurde bis spät in die Nacht -hinein gehört; denn die Anzahl derselben war im Verhältniß zur Zahl der -Mahlenden nur gering, und die Müden und Schwachen wurden von den Starken -zurück getrieben, und kamen zuletzt an die Reihe. - -»Hör Du!« rief Sambo, sich der Mulattin nähernd, und einen Sack mit Korn -vor sie nieder werfend; »wie heißt Du?« - -»Lucy,« entgegnete die Frau. - -»Na denn, Lucy, -- bist jetzt meine Frau. Hier, mahle das Korn, und -mache ^mein^ Abendbrod zurecht, -- hörst Du?« - -»Ich bin Deine Frau nicht, und will es nicht sein!« rief das Weib mit -dem plötzlichen Muthe der Verzweiflung; -- »laß mich zufrieden!« - -»Ich werde Dir 'nen Tritt geben!« sagte Sambo, drohend seinen Fuß -aufhebend. - -»Du magst mich umbringen, wenn Du willst, -- je eher, je besser! -Wünschte mir, ich wäre schon todt!« sagte sie. - -»Höre, Sambo -- Du willst die Arbeiter mißhandeln, ich werd's Master -sagen,« rief Quimbo, welcher mit der Handmühle beschäftigt war, von der -er zwei oder drei ermüdete Weiber zurückgedrängt hatte, die lange darauf -gewartet hatten, um ihr Korn zu mahlen. - -»Und ich werde ihm erzählen, daß Du die Weiber nicht an die Mühle lassen -willst, Du alter Nigger!« sagte Sambo. »Du bekümmere Dich um Deine -eigene Sachen.« - -Tom war bei seiner Tagesarbeit hungrig geworden, und beinahe ohnmächtig -vor Mangel an Nahrung. - -»Da, Du!« sagte Quimbo, einen groben Sack, welcher eine Metze Korn -enthielt, vor ihn niederwerfend; -- »da, Nigger, Futter, sieh' Dich mit -vor, -- bekömmst weiter nichts ^diese^ Woche.« - -Tom wartete bis zu einer späten Stunde, um einen Platz an der Mühle zu -erlangen; und dann, Mitleid mit zwei todtmüden Frauen empfindend, die er -sich abmühen sah, ihr Korn zu mahlen, that er es für sie, und legte die -verglimmenden Feuerbrände zusammen, an denen Viele ihre Kuchen vorher -gebacken hatten, und schritt dann endlich dazu, sein eignes Abendbrod zu -bereiten. Dieses Werk der Liebe, so geringfügig es war, erweckte eine -antwortende Regung im Herzen der Frauen, und ein Ausdruck weiblichen -Gefühls kam über ihre harten Züge. Sie mengten den Kuchen für ihn, und -buken ihn; und er setzte sich dann beim Scheine des Feuers nieder und -suchte seine Bibel hervor, -- denn er bedurfte Trost. - -»Was ist das?« sagte eine der Frauen. - -»Eine Bibel,« entgegnete Tom. - -»Guter Gott! habe keine gesehen seit ich in Kentucky war.« - -»Bist Du in Kentucky aufgebracht worden?« fragte Tom mit Interesse. - -»Ja, und gut aufgebracht; -- hätte nimmer gedacht, daß ich hierher -kommen würde!« entgegnete die Frau seufzend. - -»Was für 'ne Art Buch ist das?« fragte die andere Frau. - -»Nun, 'ne Bibel.« - -»Wie? was ist das?« fragte jene wieder. - -»Sprich doch! -- Du hast nie davon gehört? Ich hörte Missis oft drin -lesen, in Kentucky, aber hier -- o Herr! hier hört man nichts als -peitschen und fluchen.« - -»Lies doch ein Stück, -- eins!« sagte die erste Frau neugierig zu Tom, -den sie eifrig darin studiren sah. - -Tom las: -- »Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, -ich will euch erquicken.« - -»Sind gute Worte,« sagte die Frau, »wer sagt sie denn?« - -»Der Herr,« entgegnete Tom. - -»Ich möchte nur wissen, wo ich ihn finden könnte,« fuhr die Frau fort; --- »ich würde zu ihm gehen. 's ist grade als sollt' ich gar keine Ruhe -mehr haben. Mein Fleisch ist wund und ich zittere jeden Tag von Morgen -bis Abend, denn Sambo schimpft immerzu auf mich los, daß ich nicht -schnell genug zupfe; und Abends wird's fast immer Mitternacht, ehe ich -mein Essen bekomme; und dann, kaum habe ich mich hingelegt und meine -Augen geschlossen, so bläst das Horn schon wieder zum Aufstehn, und dann -geht 's wieder los. Wenn ich nur wüßte, wo der Herr wäre, -- ich wollt -'s ihm sagen.« - -»Er ist hier, er ist überall,« sagte Tom. - -»Ach, geh' weg, Du wirst mir das nicht einreden! Ich weiß, der Herr ist -nicht hier,« sagte die Frau; »'s nützt nichts, das Reden. Will mich -hinlegen und schlafen, so lange ich kann.« - -Die Weiber gingen fort nach ihren Hütten, und Tom saß allein beim -verglimmenden Feuer, welches seinen röthlichen Schein über sein Gesicht -warf. Der freundliche silberne Mond stieg auf am Nachthimmel, und still -und schweigend, wie Gott auf die Scenen des Elends und der Unterdrückung -herabschaut, blickt er nieder auf den einsamen schwarzen Menschen, der -mit untergeschlagenen Armen seine Bibel auf dem Knie haltend, dort saß. - -»Ist Gott hier?« O wie ist es für das ungelehrte Herz möglich, seinen -Glauben ohne Wanken im Angesichte und unter dem Drucke gräßlicher, -unverkennbarer Ungerechtigkeiten zu bewahren! In jenem schlichten Herzen -kämpfte ein wilder Kampf; das zerschmetternde Gefühl des erlittenen -Unrechts, die Ahnung eines ganzen übrigen Lebens voll Elend, die Trümmer -aller früheren Hoffnungen, die vor der Seele traurig auf- und -niedertauchten, wie die Leichname von Weib, Kind und Freunden aus der -schwarzen Welle hervor noch einmal den Blicken des schon versinkenden -Seemannes erscheinen! War es ^hier^ leicht zu glauben, und -festzuhalten an der großen Parole des christlichen Glaubens, »daß er -sei, und denen die er suche, ein Vergelter sein werde!« - -Tom erhob sich trostlos und stolperte in die Hütte, die ihm angewiesen -worden war. Der Fußboden war bereits mit müden Schläfern bedeckt, und -die schlechte Luft des Behältnisses schreckte Tom beinahe zurück; aber -der schwere Nachtthau war kalt, und seine Glieder waren müde; und indem -er sich deßhalb in eine zerrissene Decke wickelte, welche sein einziges -Bettzeug ausmachte, streckte er sich auf das Stroh und entschlief. - -Eine sanfte Stimme schlug im Traume an sein Ohr. Er saß auf dem -Moossitze im Garten am See Pontchartrain, und Eva, mit ihren ernsten -Augen niederblickend, las ihm die Bibel vor, und er hörte sie lesen: - - »Denn so Du durchs Wasser gehest, will Ich bei Dir sein, daß Dich - die Ströme nicht sollen ersäufen; und so Du in's Feuer gehst, - sollst Du nicht brennen und die Flamme soll Dich nicht anzünden. - Denn Ich bin der Herr, Dein Gott, der Heilige in Israel, Dein - Heiland.« - -Allmählig schienen die Worte sich in himmlische Musik aufzulösen und zu -verhallen; das Kind schlug seine tiefen Augen auf und richtete sie -liebevoll auf ihn, und wärmende, tröstende Strahlen fielen auf sein -Herz; und wie getragen von den heiligen Tönen, schien sie sich auf -glänzenden Flügeln zu erheben, von denen goldene Funken und Flocken -gleich Sternen herabfielen, und sie war verschwunden. - -Tom erwachte. War es ein Traum? Es möge dafür gelten; aber wer will -behaupten, daß es jenem sanften, jugendlichen Geiste, der im Leben stets -bemüht war, die Unglücklichen zu trösten und zu beruhigen, von Gott -verwehrt worden sei, dieses Amt auch nach dem Tode zu verrichten? - - - - -Dreiunddreißigstes Kapitel. - -Cassy. - - Und siehe, da waren Thränen derer, so Unrecht - litten, und hatten keinen Tröster; und die ihnen - Unrecht thaten, waren zu mächtig, daß sie - keine Tröster haben konnten. - - -Es erforderte nur kurze Zeit, um Tom mit Allem bekannt zu machen, was er -auf seinem neuen Lebenswege zu hoffen und zu fürchten hatte. Er war ein -erfahrener, geschickter Arbeiter in jeder Beschäftigung, die er -unternahm, und aus Princip und Gewohnheit pünktlich und getreu. Ruhig -und friedfertig von Natur, hoffte er durch unausgesetzten Fleiß -wenigstens theilweise die in seiner Lage ihm drohenden Uebel abzuwenden. -Er sah genug Mißhandlung und Elend, um ihn krank und lebensmüde zu -machen; aber er beschloß angestrengt fortzuarbeiten, und mit frommer -Geduld auf Den zu vertrauen, der gerecht richtet, nicht ohne Hoffnung, -daß sich doch vielleicht ein Weg der Rettung öffnen könne. - -Legree beachtete im Stillen Toms Brauchbarkeit wohl. Er hielt ihn für -einen vorzüglichen Arbeiter, und dennoch empfand er einen gewissen -Widerwillen gegen ihn, -- die natürliche Antipathie des Schlechten gegen -das Gute. Er sah deutlich, daß wenn, was oft der Fall war, seine Rohheit -und Gewaltthätigkeit auf die Hülflosen fiel, Tom dies jedesmal -beachtete; denn so fein ist die Atmosphäre der Gedanken, daß sie sich -selbst ohne Worte fühlbar macht, und selbst die Gedanken eines Sklaven -können einen Herrn verletzen. Tom verrieth in mannigfachen Beziehungen -eine Zartheit des Gefühls, und ein Mitleid für seine Leidensgenossen, -welches diesen durchaus neu war, und von Legree mit eifersüchtigen Augen -beobachtet wurde. Er hatte Tom in der Absicht gekauft, ihn zu einer Art -Aufseher zu machen, dem er, während Abwesenheiten von kurzer Dauer, -seine Geschäfte übertragen könne, und nach seiner Ansicht war das erste, -zweite und dritte Erforderniß zu einer solchen Stellung -- ^Härte^. Da -nun Tom für diesen Zweck nicht hart genug war, so nahm sich Legree vor, -ihn abzuhärten; und als Tom einige Wochen dort gewesen war, beschloß er -diesen Prozeß zu beginnen. - -Eines Morgens, als die Arbeiter für die Feldarbeit gemustert wurden, -bemerkte Tom mit Erstaunen einen neuen Ankömmling unter ihnen, dessen -Erscheinung seine Aufmerksamkeit erregte. Es war eine Frau, von großem, -schlanken Wuchse, mit außerordentlich zarten Händen und Füßen, die -reinlich und anständig gekleidet war. Ihrem Gesichte nach zu urtheilen, -konnte sie zwischen fünfunddreißig und vierzig Jahr alt sein; und es war -dies ein Gesicht, das, einmal gesehen, sich nie wieder vergessen ließ, --- eins derjenigen, die uns auf den ersten Blick eine wilde, -schmerzvolle, romantische Lebensgeschichte ahnen lassen. Ihre Stirn war -hoch, und ihre Augenbrauen waren fein und schön gezogen. Ihre -griechische Nase, ihr fein geschnittener Mund und die reizenden Umrisse -ihres Kopfes und Nackens zeigten, daß sie einst sehr schön gewesen sein -müsse; aber ihr Gesicht trug tiefe Furchen von Schmerz und stolzen und -bitteren Leidens. Ihre Gesichtsfarbe war bleich und ungesund, ihre -Wangen waren eingefallen, ihre Züge scharf, und ihre ganze Gestalt -abgezehrt. Aber ihr Auge war der merkwürdigste Theil ihrer ganzen -Erscheinung, -- so groß, so tiefschwarz, beschattet von langen und eben -so schwarzen Wimpern, und dem Ausdrucke wilder Verzweiflung. In jeder -Linie ihres Gesichts, in jeder Biegung ihrer Lippen, in jeder Bewegung -ihres Körpers lagen Stolz und wilder Trotz; aber in ihrem Auge lag eine -stille, tiefe Nacht von Angst, die in schrecklichem Gegensatze zu dem -Stolze und Trotze stand, welcher aus ihrem ganzen Wesen sprach. - -Woher sie kam, und wer sie war, wußte Tom nicht. Seine erste Wahrnehmung -von ihr bestand darin, daß er sie stolz und grade an seiner Seite durch -die erste Morgendämmerung schreiten sah. Den Uebrigen schien sie jedoch -bekannt zu sein; denn Aller Köpfe wendeten sich nach ihr um, und -blickten nach ihr hin, und eine unterdrückte, aber unverkennbare Freude -sprach sich unter den elenden, zerlumpten, halb verhungerten Wesen aus, -von denen sie umgeben war. - -»Endlich doch gekommen? -- freue mich!« sagte Einer. - -»Ha! ha! ha!« sagte ein Anderer, »sollst sehen, wie gut es ist, Missis!« - -»Wollen sie nun 'mal arbeiten sehen!« - -»Soll mich wundern, ob sie heut Abend 'mal eine Tracht Prügel bekömmt, -wie wir anderen!« - -»Sollte mich freuen, wenn sie auch 'mal die Peitsche kriegte, -- meiner -Seel!« sagte wieder ein Anderer. - -Die Frau nahm keine Notiz von allen diesen Spöttereien, sondern schritt -mit dem Ausdruck kalter Verachtung weiter, als höre sie nichts. Tom -hatte von jeher unter gebildeten Leuten gelebt, und erkannte an ihrem -Wesen und ihrer ganzen Haltung, daß sie dieser Klasse angehöre; aber wie -oder weßhalb sie in diese entehrende Verhältnisse gesunken sei, konnte -er sich nicht erklären. Die Frau sah ihn weder an, noch sprach sie mit -ihm, obgleich sie während des ganzen Weges nach dem Felde an seiner -Seite blieb. - -Tom war bald darauf mit seiner Arbeit beschäftigt, allein, da die Frau -sich nur in geringer Entfernung von ihm befand, so warf er öfters einen -Blick nach ihr hinüber, während sie bei ihrer Arbeit saß. Er erkannte -sogleich, daß ihr vermöge einer natürlichen Gewandtheit und -Geschicklichkeit die Arbeit viel leichter wurde als vielen Andern. Sie -zupfte sehr schnell und sehr reinlich, und mit einer Miene, als wenn sie -sowohl die Arbeit wie die Schande und Demüthigung der Verhältnisse -verachte, in denen sie sich befand. - -Im Laufe des Tages arbeitete Tom auch in der Nähe der Mulattin, die -zugleich mit ihm gekauft worden war. Sie befand sich augenscheinlich in -einem sehr leidenden Zustande, und Tom hörte sie öfters beten, während -sie zitterte und schwankte, und nahe daran zu sein schien, umzusinken. -Indem er sich deßhalb ihr schweigend nahte, that er einige Handvoll -Baumwolle aus seinem Sacke in den ihrigen. - -»O thue das nicht, thue das nicht!« sagte die Frau, ihn erstaunt -anblickend, »es wird Dir Schaden bringen.« - -In demselben Augenblicke kam Sambo heran. Er schien einen besondern -Groll gegen dieses Weib zu haben; und während er deßhalb seine Peitsche -schwang, rief er mit seinen rohen Kehllauten: »Was ist das hier? Luce, --- Betrügereien?« stieß das Weib mit seinem schweren Schuh in die Seite, -und hieb Tom mit der Peitsche über das Gesicht. - -Tom fuhr schweigend mit seiner Arbeit fort, aber die Frau, vorher schon -gänzlicher Erschöpfung nahe, fiel in Ohnmacht. - -»Ich will sie wieder zu sich bringen!« sagte der Treiber mit viehischem -Lachen. »Will ihr noch 'was Besseres geben als Kampher!« und indem er -sodann eine Stecknadel von seinem Aermel zog, stieß er diese bis an den -Knopf in ihr Fleisch hinein. Das Weib stöhnte, und erhob sich halb. -»Steh' auf, Du Biest, und arbeite, willst Du?« rief Sambo, »oder ich -will Dir noch was anderes zeigen.« - -Auf diese Weise zu einer unnatürlichen Kraft für einige Augenblicke -angetrieben, arbeitete die Frau mit verzweifeltem Eifer weiter. - -»Sieh' Dich vor, daß Du so fortfährst,« sagte der Mann, »oder Du sollst -wünschen, daß Du heut Abend noch todt wärst, -- glaubs mir!« - -»Das wünsch' ich jetzt schon!« hörte Tom sie sagen, und gleich darauf: -»O Gott, wie lange noch! O Gott, warum hilfst Du uns nicht?« - -Auf die Gefahr jedes möglichen Uebels hin näherte sich ihr Tom abermals, -und that alle seine Baumwolle in den Sack der Frau. - -»O Du mußt nicht! Du weißt nicht, was sie mit Dir machen werden!« sagte -die Frau. - -»Ich kann's tragen!« sagte Tom, »eher als Du.« während er sich auf -seinen Platz zurück begab. Es war das Werk eines Augenblicks. - -Plötzlich schlug die fremde Frau, die wir geschildert haben, und die im -Laufe der Arbeit nahe genug an Tom heran gerückt war, um seine Worte -hören zu können, ihre tiefen, schwarzen Augen auf, richtete sie auf Tom -eine Sekunde lang, und nahm aus ihrem Korbe eine Quantität Baumwolle, -und that sie in den seinigen. - -»Du kennst diesen Ort nicht,« sagte sie, »sonst würdest Du das nicht -gethan haben. Wenn Du erst einen Monat hier gewesen bist, wirst Du -Niemanden mehr helfen wollen, -- wirst es schwer genug finden, für Deine -eigene Haut zu sorgen.« - -»Gott bewahre, Missis!« rief Tom, während er sich unwillkührlich gegen -seine Mitarbeiterin auf dem Felde der Höflichkeitsform bediente, welche -nur gegen die Personen höheren Standes üblich war, bei denen er gelebt -hatte. - -»Gott ist nie an diesen Orten,« entgegnete die Frau, während sie gewandt -mit ihrer Arbeit fortfuhr, und das verächtliche Lächeln wieder um ihre -Lippen spielte. - -Allein die Handlung der Frau war von dem Treiber in einiger Entfernung -wahrgenommen worden, und mit geschwungener Peitsche kam er deßhalb auf -sie zu. - -»Was? was?« rief er ihr mit triumphirender Miene zu, »^Du^ -- -betrügen? bist jetzt unter mir, -- nimm' Dich in Acht, oder Du sollst es -kriegen.« - -Ein Glanz wie Wetterleuchten fuhr plötzlich aus ihren schwarzen Augen, -und sich mit bebenden Lippen umwendend, schoß sie einen wüthenden Blick -auf den Treiber. - -»Hund!« rief sie, »berühre mich, wenn Du es wagst! Noch habe ich Macht -genug, um Dich von den Hunden zerreißen, lebendig verbrennen, oder in -Stücke zerschneiden zu lassen. Es kostet mich nur ein Wort!« - -»Wozu bist Du denn hier, zum Teufel?« sagte der Mann, augenscheinlich -eingeschüchtert, sich einige Schritte zurückziehend. »Meinte nichts -Böses, Misse Cassy!« - -»So entferne Dich von mir!« sagte die Frau. Und in der That schien der -Mensch sehr geneigt, sich am andern Ende des Feldes ein Geschäft zu -suchen, denn er zog sich sofort in möglichster Eile zurück. - -Plötzlich wandte sich die Frau wieder zu ihrem Geschäfte, und arbeitete -mit einer Schnelligkeit, die Tom wirklich wunderbar erschien. Es war, -als wenn sie mit Zauberkräften arbeitete. Ehe der Tag zu Ende war, hatte -sich ihr Korb gefüllt, fast niedergepreßt, und hoch aufgehäuft, und -dessen ungeachtet hatte sie mehrmals bedeutende Quantitäten in Tom's -Korb gelegt. Lange nachdem die Abenddämmerung vorüber war, zog der -ganze, ermüdete Haufe, mit den Körben auf den Köpfen, dem Gebäude zu, wo -das Abwägen und Aufschichten der Baumwolle Statt fand. Legree befand -sich dort, in angelegentlicher Unterhaltung mit seinen beiden Treibern. - -»Der Tom fängt an, schreckliche Unruhe zu machen; -- hat immerfort in -Lucy's Korb gepackt. So Einer wird bald alle die Niggers aufsäßig und -unzufrieden machen, wenn Master ihm nicht aufpaßt!« sagte Sambo. - -»Heisa! Der schwarze Schlingel!« sagte Legree. »Wird 'ne Dressur nöthig -haben, -- nicht wahr, Jungens?« - -Beide Neger grinsten bei dieser Mittheilung auf entsetzliche Weise. - -»Master Legree wird ihn schon dressiren, -- das kann der Teufel selbst -nicht besser, als Master!« sagte Quimbo. - -»Ich denke, Jungens, das beste Mittel ist, daß er's Auspeitschen -besorgt, bis er seine Begriffe los wird,« sagte Legree. - -»O Herr! Master wird schwere Arbeit haben, bis er die aus ihm heraus -bringt!« bemerkte Sambo. - -»Heraus müssen sie doch!« entgegnete Legree, während er seinen Taback im -Munde umher wälzte. - -»Nun, da ist Lucy, -- das ärgerlichste, häßlichste Mensch auf der ganzen -Plantage!« fuhr Sambo fort. - -»Nimm Dich in Acht, Sam,« sagte Legree, -- »werd's am Ende ausfinden, -warum Du solchen Groll gegen Lucy hast.« - -»Ja, Master weiß, sie hat sich Master widersetzt, und hat mich nicht -haben wollen, als ich's ihr sagte.« - -»Ich wollt's ihr schon einprügeln,« sagte Legree speiend, »aber 's gibt -jetzt so viel Arbeit, und 's ist nicht erst der Mühe werth, sie gerade -jetzt unter zu bringen. Sie ist nur schmächtig; aber diese Schmächtigen -lassen sich halb umbringen, um ihren Willen zu behalten!« - -»Ja, aber Lucy war faul und eigensinnig, und wollte nichts thun, -- und -Tom hat die Arbeit für sie gethan.« - -»Tom, -- wirklich? Na, dann soll Tom das Vergnügen haben, sie -auszupeitschen. 'S wird 'ne gute Uebung für ihn sein, und er wird's ihr -nicht so geben, wie Ihr, Teufels!« - -»Ho! ho! ho!« lachten die beiden schwarzen Schufte, und ihre -diabolischen Laute schienen in der That kein unpassender Ausdruck des -teuflischen Charakters zu sein, welchen Legree ihnen zuschrieb. - -»Ja, aber, Master, Tom und Misse Cassy haben beide Lucy's Korb gefüllt. -Kann mir's Gewicht schon denken, Master.« - -»^Ich will das Abwägen besorgen!^« sagte Legree mit Nachdruck. - -Beide Treiber ließen von Neuem ihr teuflisches Lachen hören. - -»So?« fügte Legree hinzu, »Misse Cassy hat ihr Tagewerk gethan?« - -»Sie zupft wie der Teufel, und alle seine Engel!« - -»Sie hat sie, glaub' ich, alle in sich!« sagte Legree, und ging, während -er einen rohen Fluch brummte, nach dem Wägezimmer. - - * * * * * - -Langsam schleppten sich die müden, muthlosen Geschöpfe in dasselbe, und -boten furchtsam und kriechend ihre Körbe zum Wägen dar. - -Legree vermerkte den Betrag eines jeden auf einer Schiefertafel, auf -deren Seite sich ein Namensverzeichniß Aller befand. - -Tom's Korb wurde gewogen und richtig befunden, worauf er mit ängstlichem -Blicke den Erfolg der armen Frau beobachtete, die er in seine -Freundschaft gezogen hatte. - -Wankend vor Mattigkeit, trat sie vor und übergab ihren Korb. Er hatte -volles Gewicht, wie Legree wohl bemerkte; aber sich zornig stellend, -sagte er: - -»Was, Du faules Thier, wieder zu wenig? tritt auf die Seite, -- sollst -es kriegen, -- gleich!« - -Das Weib ließ ein Stöhnen der äußersten Verzweiflung hören, und setzte -sich auf eine Bank nieder. - -Dann trat die Person, welche Misse Cassy genannt worden war, hervor, und -überlieferte ihren Korb mit einer stolzen, nachlässigen Miene, während -Legree sie mit einem höhnischen, fragenden Blicke beobachtete. Sie -richtete ihre schwarzen Augen fest auf ihn, ihre Lippen bewegten sich -leicht, und sie sagte etwas in französischer Sprache zu ihm. Was es war, -verstand Niemand; aber Legree's Gesicht nahm bei diesen Worten einen -dämonischen Ausdruck an, und er hob seine Hand auf wie zum Schlagen, -- -eine Bewegung, die sie mit stolzer Verachtung ansah, während sie sich -abwandte und fortging. - -»Und nun,« sagte Legree, »komme Du her, Tom. Siehst Du, ich sagte Dir -vorher, daß ich Dich nicht für gemeine Arbeit gekauft hätte. Ich will -Dich erhöhen, und 'nen Aufseher aus Dir machen, und so kannst Du heut -Abend gleich anfangen, und Deine Hand dazu thun. Also nimm' hier das -Weib, und peitsche sie aus; hast schon genug davon gesehen, um zu -wissen, wie Du's machst.« - -»Ich bitte Master um Verzeihung,« sagte Tom, -- »hoffe, Master wird das -nicht von mir verlangen. Bin nicht daran gewöhnt, -- hab's nie gethan, --- und kann's nicht thun, -- ganz unmöglich.« - -»Wirst noch Manches lernen müssen, was Du nie gewußt hast, eh' ich mit -Dir fertig bin!« sagte Legree, während er die Peitsche aufhob, und Tom -einen schweren Hieb über die Backe versetzte, und dann einen Schauer von -Hieben nachfolgen ließ. »Da!« sagte er, als er inne hielt, um -auszuruhen, -- »willst Du mir nun noch sagen, Du kannst nicht?« - -»Ja, Master,« entgegnete Tom, während er seine Hand aufhob, um das Blut -abzuwischen, welches ihm vom Gesichte herabträufelte. »Ich bin bereit, -Tag und Nacht, so lange Leben und Athem in mir ist, zu arbeiten; aber -das halt' ich nicht für recht zu thun, -- und, Master, ich werde 's -^nimmer^ thun, -- ^nimmer^!« - -Tom hatte eine außerordentlich sanfte, weiche Stimme, und beobachtete -stets, gewohnheitsgemäß, ein ehrerbietiges Benehmen, was Legree zu dem -Glauben veranlaßt hatte, daß er furchtsam und leicht zu unterwerfen sei. -Als er diese letzten Worte sprach, überlief Alle ein Schreckensschauer; -das arme Weib schlug seine Hände zusammen, und rief: »o Herr!« und alle -Anwesenden blickten sich unwillkürlich gegenseitig an, und hielten den -Athem an, wie um sich auf den Sturm vorzubereiten, der jetzt folgen -müsse. - -Legree stand starr vor Verwunderung und ganz verwirrt da; endlich aber -brach er los: - -»Was! Du verdammtes schwarzes Biest! Du willst mir sagen, Du hältst es -nicht für recht zu thun, was ich Dir heiße? Was hat eins von Euch -verfluchten Stücken Vieh nöthig, dran zu denken, was recht ist. Wart', -ich will dem Dinge ein Ende machen! Was meinst Du denn, daß Du bist? -Glaubst wohl, Du bist ein Herr, Mister Tom, der seinem Master sagen -will, was recht ist, und was nicht! Bist also der Meinung, daß es -unrecht sei, das Weib zu peitschen?« - -»Ich denke so, Master,« sagte Tom; »das arme Geschöpf ist krank und -schwach; 's würde ganz grausam sein, und ich kann 's nimmer thun. -Master, wenn Sie mich umbringen wollen, thun Sie's; aber meine Hand -werd' ich niemals gegen irgend Einen hier aufheben, -- lieber will ich -sterben!« - -Tom sprach mit sanfter Stimme, aber mit einer Bestimmtheit, die sich -nicht verkennen ließ. Legree bebte vor Zorn; seine grünlichen Augen -funkelten wild, und selbst sein Bart fing sich vor Leidenschaft an zu -kräuseln; aber, gleich einem wilden Thiere, das mit seinem Opfer spielt, -ehe es dasselbe verzehrt, hielt er seinen heftigen, inneren Drang zur -augenblicklichen Gewaltthätigkeit zurück, und brach in bittere -Spöttereien aus. - -»Sieh' da, hier ist endlich ein frommer Kerl unter uns Sünder gefallen! --- ein Heiliger, ein Gentleman, nichts weniger, um uns Sündern unsere -Sünden vorzuhalten! Muß 'ne mächtig fromme Kreatur sein! -- Hier, Du -Schlingel, der Du so fromm sein willst, hast Du nie in der Bibel -gelesen: »Ihr Knechte, seid unterthan Eurem leiblichen Herrn!« Bin ich -nicht Dein Herr? Hab' ich nicht zwölfhundert Dollar baar Geld bezahlt -für Alles, was in Deiner alten, verfluchten schwarzen Schale steckt? -Bist Du nicht mein jetzt mit Leib und Seele?« rief er, Tom einen -heftigen Stoß mit seinem schweren Stiefel versetzend, -- »sage mir!« - -Selbst in diesem heftigen physischen Leiden, und obgleich niedergebeugt -von roher Gewalt, schoß dennoch bei dieser Frage ein Strahl von Freude -und Triumph durch Toms Seele. Er richtete sich plötzlich auf, und -inbrünstig zum Himmel blickend, während Thränen und Blut sich auf seiner -Wange mischten, rief er: - -»Nein! nein! nein! meine Seele gehört Ihnen nicht, Master! Sie haben sie -nicht gekauft, -- Sie können sie nicht kaufen! ^Die^ ist gekauft und -bezahlt worden von Einem, der fähig ist, sie zu bewahren; -- thut -nichts, thut nichts, Sie können mir kein Leid zufügen!« - -»Ich kann nicht?« sagte Legree mit höhnischem Lächeln; »wollen seh'n! -- -wollen seh'n! Hier, Sambo, Quimbo, gebt diesem Hunde 'ne solche Dressur, -daß er für diesen Monat genug hat!« - -Die beiden gigantischen Neger, welche mit teuflischer Freude in ihren -Gesichtern sich jetzt Toms bemächtigten, wären nicht ungeeignet gewesen, -die Mächte der Finsterniß persönlich darzustellen. Die arme Frau schrie -laut auf vor Schrecken, und Alle, wie von demselben Impulse getrieben, -erhoben sich, während Tom, ohne Widerstand zu leisten, hinausgeschleppt -wurde. - - - - -Vierunddreißigstes Kapitel. - -Die Geschichte der Quadroon. - - Da lobte ich die Todten, die schon gestorben - waren, mehr denn die Lebendigen, die noch das - Leben hatten. - - -Es war Nacht, und Tom lag allein, stöhnend und blutend in einem alten, -verlassenen Zimmer des Gin-Hauses zwischen Stücken zerbrochenen -Maschinenwerks, Haufen verdorbener Baumwolle und anderem Unrath, der -hier aufbewahrt wurde. - -Die Nacht war feucht und warm, und die dicke Atmosphäre war angefüllt -von Myriaden Moskitos, welche die Qualen seiner Wunden vermehrten, -während ein brennender Durst, -- die größte aller Torturen, -- das -höchste Maaß physischer Leiden füllte. - -»O guter Gott! Sieh' herab, -- verleihe mir den Sieg, -- den Sieg über -Alles!« betete der arme Tom in seiner Todesangst. - -Ein menschlicher Fußtritt wurde plötzlich im Zimmer gehört, und das -Licht einer Laterne fiel auf seine Augen. - -»Wer ist da? O um des Herrn willen, reicht mir ein wenig Wasser!« - -Die Frau Cassy -- denn sie war es -- setzte die Laterne nieder, goß -Wasser aus einer Flasche, erhob seinen Kopf, und gab ihm zu trinken. -Noch einen Becher, und noch einen leerte er in seinem fieberischen -Durste. - -»Trink so viel Du willst,« sagte sie, »ich wußte schon, wie es sein -würde! 's ist nicht das erste Mal, daß ich in der Nacht ausgegangen -bin, um solchen Leuten, wie Du jetzt bist, Wasser zu bringen.« - -»Dank' Euch, Missis,« sagte Tom, nachdem er getrunken hatte. - -»Nenne mich nicht Missis! Ich bin eine elende Sklavin, gleich Dir, -- -eine niedrigere, als Du je werden kannst!« sagte sie in bitterem Tone; -»aber nun,« fügte sie hinzu, an die Thür gehend, und einen kleinen -Strohsack hereinziehend, über welchen sie leinene, in kaltes Wasser -getauchte Tücher gelegt hatte, »versuche es, mein armer Bursche, Dich -auf diesen Sack zu rollen.« - -Steif von Wunden und Quetschungen brauchte Tom lange Zeit, ehe er diese -Bewegung vollbrachte; dann aber empfand er eine merkliche Erleichterung -durch die kühlenden Umschläge auf seinen Wunden. - -Die Frau, welche durch eine lange Praxis an den Opfern der Rohheit -manche heilende Künste erlernt hatte, legte mehrfache Verbände auf Toms -Wunden, welche ihm Linderung seiner Schmerzen bereiteten. - -»Nun,« sagte die Frau, nachdem sie ihm noch eine Rolle schadhafter -Baumwolle als Kissen untergelegt hatte, »das ist Alles, was ich für Dich -thun kann.« - -Tom dankte ihr, und die Frau setzte sich auf den Boden nieder, zog ihre -Kniee an, und diese mit den Armen umfassend, blickte sie mit einem -bitteren, schmerzlichen Ausdrucke ihres Gesichts starr vor sich hin. Ihr -Hut fiel zurück, und langes, üppiges, schwarzes Haar strömte um ihr -sonderbares, melancholisches Gesicht. - -»Es ist vergeblich, mein armer Mensch!« begann sie endlich, »Es ist -vergeblich, was Du zu thun versucht hast. Warst ein braver Bursche, -- -und hattest das Recht auf Deiner Seite; aber 's hilft Dir alles nichts, -dagegen zu kämpfen. Du bist in des Teufels Händen; -- er ist der -Stärkere, und Du mußt nachgeben!« - -»Nachgeben!« und hatten nicht menschliche Schwäche und physischer -Schmerz ihm das schon zuvor in's Ohr geflüstert? Tom erschrak; denn das -bittere Weib mit den wilden Augen und der melancholischen Stimme -erschien ihm als die verkörperte Versuchung, gegen die er gekämpft -hatte. - -»O Herr! o Herr!« stöhnte er, »wie kann ich nachgeben?« - -»Es hilft nichts, den Herrn anrufen, -- er hört es nie,« sagte die Frau -mit ruhiger, fester Stimme. »Ich glaube, es gibt keinen Gott; oder, wenn -es einen gibt, so hat er gegen uns Partei genommen. Alles ist gegen uns, -Himmel und Erde; Alles hilft dazu, uns in die Hölle zu stoßen; -- warum -sollten wir nicht gehen?« - -Tom schloß seine Augen, und schauderte vor den finsteren, atheistischen -Worten. - -»Siehst Du,« fuhr die Frau fort, »Du verstehst davon nichts, -- aber -ich. Ich bin hier fünf Jahre gewesen, mit Leib und Seele unter dieses -Mannes Fuß, und hasse ihn wie den Teufel! Du bist hier auf einer -einsamen Pflanzung, zehn Meilen von jeder andern entfernt, in den -Sümpfen; und keine weiße Person ist hier, die Zeugniß ablegen könnte, -wenn Du auch lebendig verbrannt, oder geschunden, in Stücke gehauen, den -Hunden vorgeworfen, oder aufgehängt und zu Tode gepeitscht würdest. Es -gibt kein göttliches und kein menschliches Gesetz hier, das Dir von -Nutzen sein könnte, und dieser Mann! -- es gibt Nichts, das er zu gut zu -thun wäre. Ich könnte Dein Haar sträuben und Deine Zähne klappern -machen, wenn ich Dir erzählen wollte, was ich hier gesehen und gehört -habe; -- es hilft nichts, hier Widerstand zu leisten! -- ^Wollte^ ich -etwa mit ihm leben? War ich nicht ein Weib, das eine feine Erziehung -erhalten hatte? und er -- Gott im Himmel! was war er, und was ist er? -Und dennoch habe ich mit ihm seit fünf Jahren gelebt, und jeden -Augenblick meines Lebens verflucht, -- Nacht und Tag! Und jetzt hat er -eine Neue bekommen, -- ein junges Ding, erst fünfzehn Jahre alt, und -fromm erzogen, wie sie sagt. Ihre gute Mistreß hat sie gelehrt, die -Bibel lesen, und sie hat ihre Bibel mitgebracht, -- mit in die Hölle!« --- und das Weib stieß ein wildes, schmerzliches Lachen aus, das mit -sonderbarem, übernatürlichem Klange durch den verfallenen alten Schuppen -schallte. - -Tom faltete seine Hände. Alles war Schrecken und Finsterniß. - -»O Jesus! Herr Jesus! hast Du uns arme Geschöpfe ganz vergessen?« fing -er endlich an zu klagen. »O hilf, Herr! ich komme um!« - -Das Weib fuhr in strengem Tone fort: - -»Und was sind diese elenden, niedrigen Geschöpfe, mit denen Du -arbeitest, daß Du um ihretwillen leiden solltest? Ein Jeder von ihnen -würde sich bei der ersten Gelegenheit gegen Dich wenden. Sie sind Alle -gegen einander so gemein und grausam wie nur möglich. Es ist ganz -nutzlos, daß Du leidest, um ihnen nicht wehe zu thun.« - -»Arme Geschöpfe!« sagte Tom, -- »was machte sie grausam? -- und, wenn -ich nachgebe, so werd' ich mich d'ran gewöhnen, und werde nach und nach -auch so werden, wie sie sind! Nein, nein, Missis! ich habe Alles -verloren, -- Weib, Kinder und Heimath, und einen guten Master, der mich -frei gelassen haben würde, wenn er noch eine Woche länger gelebt hätte; -ich habe Alles in ^dieser^ Welt verloren, und 's ist dahin für immer, --- und nun ^kann^ ich nicht den Himmel auch noch verlieren; -- nein, -ich kann nicht auch noch schlecht werden!« - -»Aber es ist unmöglich, daß der Herr die Sünde in unser Schuldbuch -schreiben werde,« sagte die Frau; »er wird sie uns nicht zurechnen, wenn -wir dazu gezwungen werden; er wird sie denen zurechnen, die uns dazu -getrieben haben.« - -»Ja,« sagte Tom; »aber das wird uns nicht dagegen schützen, schlecht zu -werden. Wenn ich so hartherzig und so böse werden sollte, wie jener -Sambo, so würde 's mir am Ende gleich sein, wie ich dazu gekommen wäre; -es ist das ^so sein^, -- das ist's, was ich fürchte.« - -Die Frau richtete einen wilden, überraschten Blick auf Tom, als wenn ein -neuer Gedanke in ihr aufgestiegen sei; dann sagte sie tief seufzend: - -»O Gott sei uns gnädig! Du sagst die Wahrheit! O! O! O!« -- und stöhnend -sank sie wie zerschmettert und im tiefsten Seelenschmerz sich krümmend -auf den Boden nieder. - -Es trat eine Pause ein, während deren das Athmen Beider hörbar war, bis -Tom mit schwacher Stimme sagte: »O, bitte, Missis!« - -Die Frau erhob sich, und ihr Gesicht hatte wieder den gewöhnlichen -ernsten, melancholischen Ausdruck angenommen. - -»Bitte, Missis, ich sah, daß sie meinen Rock in jene Ecke warfen, und in -der Tasche ist meine Bibel; -- wenn Missis so gut sein wollte, sie mir -zu reichen.« - -Cassy ging und holte die Bibel. Tom öffnete sofort eine besonders -markirte, viel gelesene Stelle aus den letzten Lebensaugenblicken -Desjenigen, durch dessen Streiche und Leiden wir geheilt worden sind. - -»Wenn Missis doch so gut sein wollte, hier -- das zu lesen, 's ist noch -besser als Wasser.« - -Cassy nahm das Buch mit kalter, stolzer Miene, und blickte über die -Stelle. Dann las sie mit sanfter Stimme und mit eigenthümlichem, schönem -Ausdrucke die rührende Schilderung seines Todesschmerzes und seiner -Glorie. Oefters, während des Lesens, stockte ihre Stimme, oder versagte -gänzlich, und dann hielt sie mit einer Miene kalter Ruhe inne, bis sie -sich wieder vollständig gesammelt hatte. Als sie an die rührenden Worte -kam: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun!« ließ -sie das Buch fallen, barg ihr Gesicht in die dunkle Fülle ihrer Haare, -und begann laut und mit krampfhafter Heftigkeit zu schluchzen. - -Tom weinte auch und ließ zuweilen einen unterdrückten Ausruf hören. - -»Wenn wir nur das erreichen könnten!« sagte Tom; »es schien bei ihm so -natürlich zu sein, und wir müssen so schwer darum kämpfen! O Herr, hilf -uns! o heiliger Herr Jesus, hilf uns!« - -Nach einer Weile fuhr Tom fort: »Missis, ich kann das ganz deutlich -sehen, Missis ist in allen Dingen weit über mir, aber da ist eins, das -Missis selbst vom armen Tom lernen könnte. Ihr sagtet, der Herr habe -Partei gegen uns genommen, weil er zuläßt, daß man uns zu Boden schlägt -und mißhandelt: aber Ihr seht, was seinem eigenen Sohne widerfahren ist, --- dem Herrn der Herrlichkeit, -- war er nicht immer arm? und ist Einer -von uns schon so elend geworden, wie er war? Nein, Gott hat uns nicht -vergessen, -- das weiß ich gewiß! Wenn wir mit ihm leiden, so werden wir -auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden, sagt die Schrift; aber wenn -wir Ihn verleugnen, so wird er uns auch verleugnen. Haben sie nicht Alle -gelitten? -- der Herr und die Seinigen? Hören wir nicht, wie sie -gesteinigt und auseinander gesägt wurden, und wie sie in Schaaffellen -und Ziegenhäuten umherwanderten, und hülflos, und betrübt, und gequält -waren? Leiden ist kein Grund, um uns glauben zu lassen, daß sich der -Herr von uns gewendet habe, sondern gerade das Gegentheil, wenn wir zu -ihm halten und nicht der Sünde weichen.« - -»Aber warum setzt er uns dahin, wo wir nicht anders können, als -sündigen?« sagte die Frau. - -»Ich glaube, wir ^können^ anders,« entgegnete Tom. - -»Du wirst es sehen,« sagte Cassy; »was willst Du thun? Morgen werden sie -wieder über Dich herfallen. Ich kenne sie; ich habe alle ihre Thaten -gesehen; ich kann nicht an alles das denken, was sie noch über Dich -bringen werden, -- und zuletzt wirst Du doch nachgeben müssen!« - -»Herr Jesus!« sagte Tom, »Du ^willst^ Dich meiner Seele annehmen? O -Herr, thue es! -- lasse mich nicht wanken!« - -»O mein Gott!« sagte Cassy; »Ich habe alles dieses Schreien und Beten -schon oft gehört, und dennoch sind sie gebrochen und bezwungen worden. -Da ist Emmeline, die sich zu halten versucht, und Du versuchst, -- aber -was hilft es? Du mußt nachgeben, oder Dich langsam umbringen lassen.« - -»Gut, so ^will^ ich sterben!« sagte Tom. »Sie mögen es in die Länge -ziehen, so weit sie können, sie können doch nicht verhindern, daß ich -endlich sterbe! -- und dann können sie nichts mehr thun. Das ist klar, -ich bin bereit! Ich ^weiß^, der Herr wird mir helfen und mich hindurch -führen.« - -Die Frau antwortete nicht; sie blieb schweigend sitzen, während sie mit -ihren schwarzen Augen vor sich hin auf den Boden starrte. - -»Vielleicht ist das der rechte Weg,« murmelte sie für sich; »aber für -Diejenigen, die es einmal aufgegeben haben, ist keine Hoffnung mehr, -- -keine! Wir leben in Schmutz, und werden eckelhaft, bis wir uns selbst -zum Eckel werden! Wir sehnen uns danach, zu sterben, und haben nicht den -Muth, uns selbst zu tödten! -- Keine Hoffnung! keine! keine! -- das -Mädchen, grade so alt, wie ich war!« - -»Du siehst mich jetzt,« fuhr sie zu Tom gewendet fort, und sehr schnell -sprechend, -- »siehst, was ich jetzt bin! Wohl, ich bin in Luxus erzogen -worden. Das erste, dessen ich mich entsinne, ist, daß ich als Kind in -glänzenden Zimmern spielte, -- daß ich wie eine Puppe gekleidet ging, -und von aller Welt gelobt und gepriesen wurde. Eine Glasthür führte aus -dem Salon in den Garten, und dort pflegte ich mit meinen Geschwistern zu -spielen. Ich wurde in ein Kloster gebracht, und lernte Musik, -Französisch und feine Stickerei und wer weiß was Alles; und als ich -vierzehn Jahre alt war, verließ ich es, um dem Begräbnisse meines Vaters -beizuwohnen. Er starb plötzlich, und als der Nachlaß regulirt werden -sollte, ergab sich's, daß kaum genug vorhanden war, um seine Schulden zu -decken; und die Gläubiger nahmen ein Inventarium auf, und ich wurde mit -darin verzeichnet. Meine Mutter war eine Sklavin gewesen, und mein Vater -hatte stets die Absicht gehabt, mich für frei zu erklären; aber er hatte -es nicht gethan, und so wurde ich mit in das Verzeichniß aufgenommen. Es -war mir von jeher bekannt gewesen, was ich war, aber ich hatte nie viel -daran gedacht. Man glaubte nie, daß ein starker, gesunder Mann plötzlich -sterben könne. Mein Vater war noch vier Stunden vor seinem Tode gesund -und wohl. Es war einer der ersten Cholerafälle in New-Orleans. Am Tage -nach dem Begräbniß nahm die Frau meines Vaters ihre Kinder und ging -damit nach der Plantage ihres Vaters. Ich dachte, sie behandelten mich -recht sonderbar, aber ich verstand es nicht. Es war da ein junger -Advokat, der den Auftrag hatte, die Geschäfte in Ordnung zu bringen; -dieser kam jeden Tag und sprach sehr höflich mit mir. Eines Tages -brachte er einen jungen Mann mit sich, den ich für den schönsten hielt, -den ich jemals gesehen hatte. Ich werde niemals jenen Abend vergessen. -Wir gingen zusammen im Garten spazieren. Ich fühlte mich so einsam und -so traurig, und er war so sanft und so freundlich gegen mich, und -erzählte mir, daß er mich schon früher gesehen habe, ehe ich nach dem -Kloster gebracht worden sei, und daß er mich so lange geliebt habe, und -daß er mein Freund und Beschützer sein wolle; -- kurz, obgleich er es -mir nicht sagte, er hatte zweitausend Dollar für mich bezahlt, und ich -war sein Eigenthum. Ich wurde es gern, denn ich liebte ihn. -- Liebte!« -wiederholte die Frau inne haltend. »O! wie liebte ich ihn! wie liebe ich -ihn jetzt noch, -- und werde ihn ewig lieben, so lange ich athme! Er war -so schön, so erhaben, so edel! Er wies mir ein schönes Haus an, mit -Dienern, Pferden und Wagen, mit Möbeln und schönen Kleidungsstücken. -Alles was Geld erkaufen konnte, gab er mir; aber ich legte keinen Werth -darauf, -- er galt mir über Alles. Ich liebte ihn mehr als Gott und -meine Seele; und ich konnte nichts Anderes thun, als was er wünschte. - -Nur einen Wunsch hegte ich, -- den, daß er mich ^heirathen^ solle. -Ich dachte, wenn er mich so liebte wie ich ihn, und wenn ich das -wirklich war, wofür er mich zu halten schien, so würde er gern bereit -sein, mich zu heirathen und in Freiheit zu setzen. Allein er überzeugte -mich davon, daß es unmöglich sei, und sagte mir, daß wenn wir einander -treu seien, es eine Ehe vor Gott sei. Wenn das wahr ist, war ich denn -nicht jenes Mannes Weib? War ich nicht treu? Bewachte ich nicht sieben -Jahre lang jeden Blick und jede Bewegung, nur bemüht, ihm zu gefallen? -Er bekam das gelbe Fieber, während dessen ich zwanzig Tage und Nächte -bei ihm wachte. Ich allein; -- ich reichte ihm alle seine Arzneien, und -verrichtete jede Dienstleistung für ihn, und er nannte mich seinen guten -Engel, und sagte, daß ich ihm das Leben gerettet habe. - -Wir hatten zwei schöne Kinder. Das erste war ein Knabe, den wir Henry -nannten. Er war das Abbild seines Vaters; -- er hatte so schöne Augen, -eine so schöne Stirn und so schöne, lange Locken, -- und ganz seines -Vaters Geist und Fähigkeiten! Die kleine Elise war mir ähnlich, wie ihr -Vater sagte. Er pflegte mich das schönste Weib in Louisiana zu nennen -und mich zu versichern, daß er stolz auf mich und die Kinder sei. Er -sah es gern, daß ich sie hübsch anzog, um mit ihnen und mir sodann in -einem offenen Wagen umherzufahren und die Bemerkungen der Leute über uns -zu hören; und fortwährend erzählte er mir nachher die Lobsprüche, die -über mich und die Kinder geäußert worden waren. O, das waren glückliche -Tage! Ich fühlte mich so glücklich, wie ein Mensch nur sein konnte; aber -dann kamen böse Zeiten. Es war ein Cousin von New-Orleans gekommen, der -sein intimster Freund war, -- und von dem er außerordentlich viel hielt. -Allein vom ersten Augenblicke, wo ich ihn sah, fürchtete ich ihn, ohne -zu wissen, weßhalb; denn ich fühlte die Gewißheit in mir, daß er Unglück -über uns bringen werde. Er verleitete Henry, mit ihm auszugehen, und -kehrte oft erst um zwei oder drei Uhr nach Hause. Ich wagte nichts -darüber zu sagen, denn Henry war heftigen Temperaments, und ich -fürchtete mich. Er ließ sich von seinem Cousin in Spielhäuser führen, -und er war einer von denjenigen, die, wenn sie einmal dort gewesen sind, -sich nicht mehr davon zurückhalten lassen. Bald darauf machte ihn jener -mit einer andern Dame bekannt, und ich bemerkte bald, daß sein Herz sich -von mir gewendet hatte. Er sagte mir es nie, aber ich sah es deutlich, --- ich fühlte es jeden Tag mehr, -- mein Herz brach, aber ich konnte -kein Wort darüber sagen! Dann erbot sich jener Elende, mich und die -Kinder von Henry zu kaufen, um seine Spielschulden davon bezahlen zu -können, welche ihn verhinderten, sich so zu verheirathen, wie er -wünschte; -- und ^er verkaufte uns^! Er sagte mir eines Tages, daß er -Geschäfte auf dem Lande habe, und zwei oder drei Wochen abwesend sein -werde. Er sprach freundlicher, als gewöhnlich, und versicherte mich, daß -er zurückkehren werde; allein ich ließ mich dadurch nicht täuschen. Ich -wußte, daß die Zeit gekommen sei. Mir war, als sei ich in Stein -verwandelt worden: ich konnte weder sprechen, noch eine Thräne -vergießen. Er küßte mich und die Kinder viele, viele Male, und ging -hinaus. Ich sah ihn noch das Pferd besteigen und folgte ihm mit den -Augen, bis er meinen Blicken entschwand. Dann sank ich ohnmächtig -nieder. - -Dann kam ^er^, der verfluchte Elende! -- und nahm Besitz von mir. Er -sagte mir, daß er mich und meine Kinder gekauft habe, und zeigte mir die -Papiere. Ich verfluchte ihn vor Gott und sagte ihm, daß ich lieber -sterben als mit ihm leben würde. - -›Ganz wie Du willst,‹ entgegnete er, ›aber wenn Du dich nicht -vernünftig beträgst, so verkaufe ich beide Kinder, so daß Du sie nie im -Leben wieder siehst.‹ Er sagte mir, daß es vom ersten Augenblicke an, -wo er mich gesehen, seine Absicht gewesen sei, mich zu besitzen, und daß -er Henry absichtlich verleitet und in Schulden gestürzt habe, um ihn -dazu zu bringen, mich zu verkaufen; daß er ihn aus demselben Grunde zu -dem Verhältniß mit einer andern Dame geführt habe, und daß er selbst -endlich nicht gesonnen sei, seinen Plan um ein paar Thränen halber -aufzugeben. - -Ich gab nach, denn meine Hände waren gebunden. Er hatte meine Kinder in -seiner Gewalt; und sobald ich mich irgendwie seinem Willen widersetzte, -fing er davon an zu sprechen, daß er sie verkaufen wolle, und machte -mich dadurch so unterwürfig, als er nur wünschte. O, was für ein Leben -war das! Jeden Tag mit brechendem Herzen leben und liebevoll und -zärtlich sein zu müssen, während es doch nichts als Elend war; und mit -Leib und Seele an jemanden gebunden zu sein, den ich haßte. Meinem Henry -las ich gern vor, ich spielte und tanzte mit ihm, oder sang ihm etwas -vor; aber Alles, was ich für diesen thun mußte, war mir eine Qual; -- -und dennoch wagte ich nicht, irgend Etwas zu verweigern. Sein Benehmen -war herrisch und hart gegen die Kinder. Elise war ein kleines, -furchtsames Wesen; aber Henry war wie sein Vater kühn und muthig, und -hatte sich nie durch irgend Jemanden zur Unterwürfigkeit bringen lassen. -Ihn tadelte und schalt er fortwährend, und ich lebte in steter Angst. -Ich bemühte mich, den Knaben ehrerbietiger zu machen, -- ich suchte ihn -von ihm entfernt zu halten, denn ich hing an diesen Kindern mit meinem -ganzen Leben; aber es half nichts. ^Er verkaufte beide Kinder.^ Eines -Tags nahm er mich mit auf eine Spazierfahrt, und als ich zu Hause kam, -waren sie verschwunden! Er sagte mir, daß er sie verkauft habe und er -zeigte mir das Geld, den Preis ihres Blutes. - -Von nun an schien mich alles Gute zu verlassen. Ich raste und fluchte, --- fluchte Gott und Menschen; und eine Zeit lang fürchtete er sich -wirklich vor mir. Allein er gab nicht nach. Er sagte mir, daß meine -Kinder verkauft seien, aber daß, ob ich ihre Gesichter je wiedersähe, -von ihm abhänge, und daß, wenn ich mich nicht ruhig verhalte, meine -Kinder dafür leiden sollten. Du kannst mit einer Frau Alles thun, wenn -Du ihre Kinder hast. Er machte mich demüthig, er brachte mich zur Ruhe; -er schmeichelte mir mit Hoffnungen, daß er sie zurückkaufen werde, und -so verfloßen einige Wochen. Eines Tages ging ich spazieren, und kam am -Stockhause vorüber. Ich sah eine große Menschenmenge vor dem Thore -versammelt und hörte eine Kinderstimme, -- und plötzlich riß sich mein -Henry von zwei oder drei Männern los, die ihn hielten, und lief -schreiend auf mich zu und erfaßte mein Kleid. Jene kamen fluchend hinter -ihm her, und ein Mann, dessen Gesicht ich nie vergessen werde, sagte -ihm, daß er so nicht davon kommen solle, daß er mit ihm in's Stockhaus -gehe und daß er dort eine Lehre bekommen solle, die er nicht so leicht -vergessen werde. Ich bat und flehte für ihn, -- aber die Männer lachten -nur dazu; der arme Knabe schrie und schaute mir in's Gesicht, und hielt -sich an mir fest, bis sie ihn losreißend den Rock meines Kleides halb -mit abrissen; und dann schleppten sie ihn, während er ›Mutter! Mutter! -Mutter!‹ schrie, fort. Ein Mann stand dabei, der Mitleid zu haben -schien. Ich bot ihm alles Geld an, was ich hatte, wenn er mir beistehen -wolle; aber er schüttelte seinen Kopf und entgegnete, daß der Mann ihm -gesagt habe, der Knabe sei ungehorsam und ungezogen vom ersten -Augenblicke an gewesen, daß er ihn gekauft und daß er ihm jetzt ein für -allemal eine Dressur geben wolle. Ich wandte mich um und rannte davon, -und auf jedem Schritte glaubte ich noch sein Geschrei zu hören. Ich -gelangte in das Haus und eilte athemlos in das Zimmer, wo sich Butler -befand. Ich sagte es ihm und flehte ihn an, sich des Knaben anzunehmen; -aber er lachte nur und antwortete mir, daß der Knabe bekomme, was er -verdiene, und daß er dressirt werden müsse, je eher, desto besser. - -Es war mir, als wenn irgend etwas in diesem Augenblicke in meinem Kopfe -springe. Ich wurde rasend und verlor die Besinnung. Dunkel entsinne ich -mich noch, daß ich ein großes Messer auf dem Tische liegen sah, daß ich -darnach griff und auf ihn zu sprang; dann wurde Alles schwarz vor mir, -und was nachher mit mir geschah, -- davon weiß ich viele, viele Tage -lang nichts. - -Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einem reinlichen Zimmer, --- aber nicht dem meinigen. Ein altes, schwarzes Weib bediente mich, und -ein Arzt besuchte mich, und große Aufmerksamkeit wurde mir überhaupt -geschenkt. Bald nachher erfuhr ich, daß er den Ort verlassen und mich in -diesem Hause zurückgelassen habe, um verkauft zu werden. Das war der -Grund, weßhalb man mir so große Sorgfalt bewies.« - -»Mein Wunsch und meine Hoffnung war, nicht wieder gesund zu werden; aber -trotz dessen verließ mich das Fieber, ich wurde gesund und stand endlich -wieder auf. Dann wurde ich gezwungen, mich jeden Tag zu putzen; und -Herren kamen herein, und rauchten ihre Cigarren, und betrachteten mich, -und richteten Fragen an mich, und sprachen über meinen Preis. Ich war -stumm und finster, so daß Niemand mich kaufen wollte. Man drohte mir mit -der Peitsche, wenn ich nicht heitrer wäre und mir mehr Mühe gäbe, mich -angenehm zu machen. Endlich kam eines Tages ein Herr, Namens Stuart, der -etwas Gefühl für mich zu haben schien. Er sah, daß etwas Schreckliches -an meinem Herzen nage, und kam sehr oft allein, und beredete mich -endlich, mich ihm mitzutheilen. Er kaufte mich und versprach mir, Alles, -was er könne, zu thun, um meine Kinder zu ermitteln und zurückzukaufen. -Er ging nach dem Hotel, wo mein Henry gewesen war; aber man sagte ihm, -daß er an einen Pflanzer am Perlfluß verkauft worden sei, und das war -das letzte, was ich über ihn gehört habe. Dann fand er meine Tochter, -die von einem alten Weibe gehalten wurde. Er bot eine ungeheure Summe, -aber sie sollte nicht verkauft werden. Butler hatte in Erfahrung -gebracht, daß er sie für mich kaufen wolle, und ließ mir deßhalb -anzeigen, daß ich sie nie wieder haben solle. Kapitän Stuart war sehr -gütig gegen mich. Er besaß eine große Pflanzung und führte mich dahin. -Im Laufe eines Jahres gebar ich einen Sohn. O, das Kind, wie liebte ich -es! Wie ähnlich das kleine Wesen meinem armen Henry war! Aber mein -Entschluß war gefaßt. Ich wollte nie wieder ein Kind am Leben erhalten, -um es aufwachsen zu lassen. Ich nahm das kleine Geschöpf in meine Arme, -als es vierzehn Tage alt war, und küßte es und weinte über ihm; und dann -flößte ich ihm Laudanum ein, und hielt es an meinen Busen, während es -zum Tode einschlief. Ich trauerte und weinte über es, und Niemand -glaubte anders, als daß ich dem Kinde aus Irrthum Laudanum gegeben habe; -aber es ist eins der wenigen Dinge, deren ich mich jetzt noch freue. Ich -habe nie bereut, es gethan zu haben, denn das arme Wesen ist nun -wenigstens frei von Schmerzen. Was konnte ich ihm Besseres geben, als -den Tod?« - -»Bald nachher kam die Cholera, und Kapitän Stuart starb. Jeder starb, -der zu leben wünschte, -- und ich, -- ich, obgleich ich bis an die -Pforten des Grabes gebracht wurde, -- ich mußte ^leben^! Dann wurde -ich verkauft und ging von einer Hand in die andere, bis ich verwelkt war -und runzelig wurde, und das Fieber gehabt hatte. Dann kaufte mich dieser -Elende, und brachte mich hierher, -- und hier bin ich!« - -Die Frau hielt inne. Sie war wild und leidenschaftlich über ihre -Erzählung hingeeilt, bald ihre Worte an Tom richtend, bald wie im -Selbstgespräche redend. So gewaltig und hinreißend war die Kraft ihrer -Rede, daß Tom selbst die Schmerzen seiner Wunden vergaß, und, sich auf -einen Ellbogen stützend, sie aufmerksam beobachtete, während sie ruhelos -auf und nieder schritt, und ihr langes, schwarzes Haar um ihre Schultern -schwer herabfiel. - -»Du sagst mir,« fuhr sie nach einer Pause fort, »daß es einen Gott gebe, --- einen Gott, der herabblicke und alle diese Dinge sehe. Mag sein! -- -Die Schwestern im Kloster erzählten mir von einem Tage des Gerichts, an -welchem Alles an das Licht kommen werde; -- o, das wird ein Tag der -Vergeltung sein!« - -»Die Menschen glauben, es sei nichts, was wir leiden, -- nichts, was -unsere Kinder leiden! -- es sei Alles nur Kleinigkeit; und doch bin ich -oft durch die Straßen gegangen und glaubte so viel Elend und Jammer in -meinem eigenen Herzen zu haben, daß die Stadt darüber versinken müsse. -Ich wünschte, daß die Häuser auf mich fallen und die Steine unter mir -versinken möchten! Ja! am Tage des Gerichts will ich vor Gott hintreten -und Zeugniß gegen Jene ablegen, die mich und meine Kinder an Leib und -Seele ruinirt haben!« - -»Als ich noch ein Mädchen war, glaubte ich, ich sei fromm; ich liebte -Gott und betete gern. Jetzt bin ich eine verlorene Seele, von Teufeln -verfolgt, die mich Tag und Nacht plagen, -- die mich immer weiter und -weiter treiben, -- und ich ^will^ es thun, -- bald, recht bald!« sagte -sie, ihre Faust ballend, während ein sinnverwirrter Blick aus ihren -schwarzen Augen hervorschoß. »Ich will ihn dahin schicken, wohin er -gehört, -- und auf recht kurzem Wege, -- in einer dieser Nächte, -- und -wenn sie mich lebendig verbrennen!« - -Ein wildes, anhaltendes Lachen scholl durch den öden Raum und endete in -hysterischem Schluchzen, während sie sich mit krampfhafter Heftigkeit -auf die Erde niederwarf. Wenige Augenblicke nachher war dieser Anfall -vorüber; sie erhob sich langsam und schien sich zu sammeln. - -»Kann ich sonst noch etwas für Dich thun, mein armer Mensch?« sagte sie, -sich Tom nähernd; -- »soll ich Dir mehr Wasser geben?« - -Bei diesen Worten lag in ihrer Stimme und in ihrem Wesen eine anmuthige, -mitleidsvolle Sanftmuth, die in sonderbarem Gegensatze zu ihrer -vorherigen Wildheit stand. - -Tom trank das Wasser und blickte sie ernst und traurig an. - -»O Missis,« sagte er, »ich wünschte, Ihr wolltet Euch zu Ihm wenden, der -Euch lebendiges Wasser reichen kann!« - -»Zu ihm wenden! Wo ist er? wo ist er?« sagte Cassy. - -»Zu Ihm, von dem Ihr mir vorgelesen habt, -- dem Herrn!« - -»Als ich noch ein Mädchen war, sah ich oft sein Bild über dem Altare,« -sagte Cassy, während sie in trüber Träumerei vor sich hinstarrte; -- -»aber ^hier ist er nicht^! Hier ist nichts als Sünde und lange, lange -Verzweiflung! Oh!« - -Sie legte ihre Hand auf die Brust, und hielt den Athem an, als wolle sie -eine schwere Last aufheben. - -Tom schien weiter reden zu wollen, allein sie unterbrach ihn mit einer -entschiedenen Bewegung. - -»Sprich nicht, mein armer Mensch; versuche lieber zu schlafen, wenn Du -kannst,« sagte sie, indem sie das Wasser in seine Nähe stellte; und -nachdem sie sodann noch einige kleine Anordnungen für seine -Bequemlichkeit getroffen hatte, verließ sie ihn. - - - - -Fünfunddreißigstes Kapitel. - -Die Zeichen. - - Ein kleiner Anlaß, der sich eingeschlichen, - Bringt in die Brust zurück, was längst entwichen - Das Herz gewöhnt: -- ein Laut, ein süßer Klang. -- - Das Meer, -- der Wind aus fernen Himmelsstrichen -- - Der Frühling -- eine Blume macht uns bang, - Berührt die Kette, die elektrisch uns umschlang. - - Ritter Harold's Pilgerfahrt, 4ter Gesang. - - -Das Wohngemach in dem Hause Legree's war ein großes, langes Zimmer mit -einem weiten und geräumigen Kamine. Es war früher mit einer prächtigen -und kostbaren Tapete bekleidet gewesen, die jetzt modernd, zerrissen und -verfärbt an den feuchten Wänden herabhing. Der Ort hatte jenen -eigenthümlichen, Eckel erregenden und ungesunden Geruch, der sich aus -einer Mischung von Feuchtigkeit, Schmutz und Verfall entwickelt, und -welchen man oft in verschlossenen, alten Häusern findet. Die Tapeten an -der Wand waren stellenweise von Bier- und Weinflecken verunstaltet, -oder mit Kreidezeichen und langen summirten Rechnungen geziert, als wenn -hier Jemand arithmetische Versuche gemacht hätte. Im Kamine stand ein -Becken voll brennender Holzkohlen; denn, obgleich das Wetter nicht kalt -war, schienen die Abende in jenem großen Zimmer immer feucht und kühl zu -sein, und überdies brauchte Legree einen Ort, um seine Cigarren -anzustecken und sein Wasser zum Punsche heiß zu machen. Der röthliche -Schein der Kohlen zeigte das unordentliche und unfreundliche Aussehen -des Zimmers -- Sättel, Zäume, verschiedene Arten Geschirr, -Reitpeitschen, Oberröcke und verschiedene Kleidungsstücke in verwirrter -Mannigfaltigkeit im Zimmer hin und her gestreut; und dazwischen hatten -sich die Hunde, von welchen wir zuvor gesprochen haben, nach eignem -Belieben und Geschmacke gelagert. - -Legree mischte sich eben ein Glas Punsch, indem er das heiße Wasser aus -einer zerbrochenen Kanne goß und dabei vor sich hin brummte: - -»Die Pest über den Sambo! so einen Lärm zwischen mir und den neuen -Arbeitern anzufangen! Der Kerl wird nun eine ganze Woche lang nicht -arbeiten können -- grade im Drange der Erntezeit!« - -»Das sieht Euch ganz ähnlich,« sagte eine Stimme hinter seinem Stuhle. -Es war Cassy, die sich während seines Monologs herangeschlichen hatte. - -»Ha, Teufel von einem Weibe! Bist Du wieder gekommen?« - -»Ja,« sagte sie kalt, »ich bin wieder gekommen, und zwar um meinen -Willen zu haben!« - -»Du lügst, alte Vettel! Ich halte Wort. Entweder betrage Dich -ordentlich, oder bleibe in den Quartieren und lebe und arbeite mit den -Andern.« - -»Ich wollte tausendmal lieber,« sagte das Weib, »im schmutzigsten Loche -der Quartiere, als unter Euren Klauen leben!« - -»Aber Du bist trotz alle dem in meinen Klauen,« sagte er, indem er sich -mit rohem Grinsen nach ihr umdrehte; »das ist ein Trost. So setze Dich -also her auf meinen Schooß, meine Liebe, und nimm Vernunft an,« sagte -er, indem er sie bei der Hand ergriff. - -»Simon Legree, nehmt Euch in Acht!« sagte das Weib mit einem scharfen -Blitz des Auges, einem Blicke so wild und irre in seinem Lichte, daß er -fast Grauen erregte. »Ihr fürchtet Euch vor mir, Simon,« fügte sie -bedächtig hinzu, »und Ihr habt Ursache dazu! Hütet Euch, denn ich habe -den Teufel im Leibe!« - -Die letzten Worte flüsterte sie in einem zischenden Tone in sein Ohr. - -»Hinaus! Ich glaube, meiner Seele, 's ist wahr!« sagte Legree, indem er -sie von sich stieß und sie unbehaglich anschaute. »Aber sage mir, -Cassy,« sagte er, »warum kannst Du nicht Freundschaft mit mir halten, -wie Du früher zu thun pflegtest?« - -»Pflegtest?« sagte sie bitter. Sie hielt inne -- eine Welt von -erstickenden Gefühlen, die in ihrem Herzen aufstiegen, ließ sie -schweigen. - -Cassy hatte von jeher über Legree die Art Einfluß behalten, welche ein -leidenschaftliches Weib immer über den rohesten Mann bewahren kann; aber -seit Kurzem war sie immer reizbarer und ruheloser unter dem -abscheulichen Joche ihrer Knechtschaft geworden, so daß ihre Reizbarkeit -zuweilen in Raserei ausbrach, wodurch sie zu einem Gegenstande der -Furcht für Legree wurde, der jenes abergläubige Grauen vor Wahnsinnigen -hatte, welches rohen und nicht unterrichteten Gemüthern eigen ist. Als -Legree Emmelinen in das Haus führte, loderte die Flamme weiblichen -Gefühls aus ihrer verlöschenden Asche in dem müden Herzen Cassy's noch -einmal auf; sie trat auf die Seite des Mädchens, und ein heftiger Streit -zwischen ihr und Legree war die Folge. Legree schwor in der Wuth, sie -solle an die Feldarbeit gestellt werden, wenn sie keinen Frieden halten -wolle. Cassy erklärte mit stolzer Verachtung, sie ^wolle^ auf das Feld -gehen. Und sie arbeitete daselbst einen Tag, wie vorher geschildert -worden, um zu zeigen, wie sehr sie die Drohung verachte. - -Legree war im Stillen den ganzen Tag unruhig, denn Cassy hatte einen -Einfluß auf ihn, wovon er sich nicht frei machen konnte. Als sie ihren -Korb an der Waage überreichte, hatte er auf Nachgeben von ihrer Seite -gehofft, und sie in halb versöhnlichem, halb verächtlichem Tone -angeredet, worauf sie nur mit der bittersten Verachtung geantwortet -hatte. - -Die empörende Behandlung des armen Tom hatte sie noch mehr aufgebracht, -und sie war Legree ins Haus gefolgt nur in der Absicht, ihm über seine -Rohheit Vorwürfe zu machen. - -»Ich wollte, Cassy,« sagte Legree, »Du betrügest Dich vernünftiger.« - -»^Ihr^ sprecht von vernünftigem Betragen! Und was habt Ihr gethan? -Ihr, der nicht einmal Verstand genug hat, um nicht einen Eurer besten -Leute unbrauchbar zu machen, grade in der dringendsten Erntezeit, und -nur Eurer teuflischen Laune wegen!« - -»Ich war ein Narr, 's ist wahr, so eine Zänkerei aufkommen zu lassen,« -sagte Legree; »aber als der Bursche seinen Kopf aufsetzte, mußte er -gebändigt werden.« - -»Ich denke, Ihr werdet ^ihn^ nicht bändigen.« - -»Nicht?« sagte Legree, indem er heftig aufstand. »Ich möchte doch -wissen, ob nicht. Er wäre der erste Nigger, mit dem ich nicht fertig -würde! Ich zerbreche ihm jeden Knochen im Leibe, aber nachgeben ^soll^ -er!« - -Die Thür ging auf und Sambo trat ein. Er näherte sich gebeugt und hielt -etwas in einem Papiere vor sich hin. - -»Was ist das, Hund?« sagte Legree. - -»'s ist ein Hexending, Master!« - -»Was?« - -»Etwas, das Nigger von Hexen bekommen. Es macht, daß sie nichts fühlen, -wenn sie geprügelt werden. Er hatte es an einem schwarzen Bande um den -Hals.« - -Legree war abergläubisch, wie fast alle gottlosen und grausamen -Menschen. Er nahm das Papier und öffnete es widerstrebend. - -Heraus fiel ein Silberdollar und eine lange, glänzende Locke blonden -Haares -- Haar, welches sich gleich etwas Lebendiges um Legree's Finger -wand. - -»Donnerwetter!« schrie er plötzlich wüthend auf, indem er auf den Boden -stampfte und an den Haaren riß, als wenn er sich daran verbrenne. »Woher -ist das gekommen? Nimm es weg! -- verbrenne es! -- verbrenne es!« schrie -er, indem er sie abriß und in die Kohlen warf. »Wozu hast Du mir das -gebracht?« - -Sambo stand da mit seinem plumpen Munde weit offen vor Schreck und -Staunen, und Cassy, die im Begriffe war, das Gemach zu verlassen, blieb -da und sah ihn verwundert an. - -»Daß Du mir nie wieder etwas von Deinem Teufelszeuge bringst!« sagte er, -die Faust gegen Sambo ballend, der sich eilig nach der Thür zurückzog; -und nachdem er den Dollar aufhob, warf er denselben durch die klirrende -Fensterscheibe hinaus in die Finsterniß. - -Sambo war froh, daß er die Flucht ergreifen konnte. Als er fort war, -schien sich Legree seines Anfalles von Schreck zu schämen. Er setzte -sich mürrisch auf seinen Stuhl und begann verdrießlich seinen Punsch zu -schlürfen. - -Cassy wollte sich entfernen, ohne von ihm bemerkt zu werden, und -schlüpfte davon, um dem armen Tom beizustehen, wie wir schon berichtet -haben. - -Und was war es mit Legree? und was für eine Bewandtniß hatte es mit -einer einfachen Locke blonden Haares, daß dieselbe jenen rohen Menschen -zu erschrecken vermochte, der mit Grausamkeit in jeder Gestalt vertraut -war? Um dies zu beantworten, müssen wir den Leser in der Geschichte -dieses Menschen zurückführen. So hart und verworfen auch der gottlose -Mann jetzt erschien, so hatte es doch eine Zeit gegeben, wo er am Busen -einer Mutter gewiegt -- mit Gebeten und frommen Liedern eingelullt -- -und seine jetzt gefurchte Stirne mit dem Wasser der heiligen Taufe -bethaut worden war. In früher Kindheit hatte ihn eine Frau mit schönem, -blondem Haare beim Klange der Sabath-Glocke zur Andacht und zum Gebete -geführt. Fern von dort, in Neu-England, hätte jene Mutter ihren einzigen -Sohn mit unermüdlicher Liebe und frommen Gebeten auferzogen. Von einem -hartgelaunten Vater entsprossen, an welchen jenes sanfte Weib eine Welt -von ungewürdigter Liebe verschwendet hatte, war Legree in die Fußstapfen -seines Vaters getreten. Ungestüm, unlenksam und tyrannisch verachtete er -alle ihre Rathschläge und wollte von ihrem Vorwurfe nichts hören, und -riß sich von ihr in frühem Alter los, um sein Glück auf der See zu -suchen. Nur einmal kam er wieder nach Hause; und damals klammerte sich -seine Mutter mit dem Jammer eines Herzens, das etwas lieben muß, und -nichts weiter zu lieben hat, an ihn und suchte ihn mit -leidenschaftlichem Bitten und Flehen von einem Leben der Sünde zum Heile -seiner Seele zurückzuführen. - -Das war Legree's Gnadentag. Damals riefen ihn gute Engel, da war er fast -gewonnen, und die Gnade nahm ihn bei der Hand. Sein Herz wurde weich, -- -es entstand ein Kampf; aber die Sünde siegte und er setzte alle Kraft -seiner rauhen Natur der Ueberzeugung seines Gewissens entgegen. Er trank -und schwor, war wilder und roher als je; und eines Abends, als seine -Mutter in ihrer letzten Verzweiflungsangst ihm zu Füßen kniete, stieß -er sie von sich, warf sie besinnungslos auf den Boden und floh mit rohen -Flüchen auf sein Schiff. Das nächste Mal, daß Legree etwas von seiner -Mutter hörte, war, als er eines Abends mit seinen trunknen Gefährten -zechte, wo ihm ein Brief in die Hand gesteckt wurde. Er öffnete -denselben, und heraus fiel eine lange sich ringelnde Haarlocke, die sich -um seine Finger schlängelte. Der Brief sagte ihm, daß seine Mutter todt -sei und daß sie sterbend ihn gesegnet und ihm verziehen habe. - -Es gibt eine schreckliche unheimliche Zauberei des Bösen, welche das -Süßeste und Heiligste in Gebilde des Schreckens und Entsetzens -verwandelt. Jene blasse, liebevolle Mutter -- ihr Sterbegebet, ihre -vergebende Liebe, wirkten auf jenes teuflische Sündenherz nur wie ein -verdammendes Urtheil, welchem die fürchterliche Erwartung des Gerichts -und feurigen Zornes folgte. Legree verbrannte die Haare und verbrannte -den Brief, und als er Beides zischen und knistern sah in der Flamme, -schauderte er innerlich bei dem Gedanken an das ewige Feuer. Er -versuchte zu trinken und zu schwärmen und die Erinnerung wegzufluchen; -aber oft in tiefer Nacht, deren feierliche Stille die schlechte Seele -zum Verkehre mit sich selbst zwingt, hatte er jene blasse Mutter an -seinem Bette aufsteigen sehen und jenes Haar sich sanft um seine Finger -schlängeln gefühlt, bis der kalte Schweiß ihm am Gesicht herablief, und -er mit Entsetzen in seinem Bette aufsprang. Ihr, die ihr euch gewundert -habt, aus demselben Evangelium zu hören, daß Gott die Liebe, und daß -Gott ein verzehrendes Feuer ist, seht ihr nicht, wie für die zum Bösen -entschlossene Seele die vollkommene Liebe die fürchterlichste Qual ist, -das Siegel und der Spruch der gräßlichsten Verzweiflung. - -»Hol 's der Teufel!« sagte Legree zu sich selbst, als er an seinem -Getränke nippte, »woher hat er das? Wenn es nicht aussah, grade wie -- -ach! Ich dachte, ich hätte das vergessen. Will verflucht sein, wenn ich -glaube, es gibt dergleichen; wie etwas vergessen, irgendwie -- hol's der -Henker! Ich bin allein! will Em rufen. Sie haßt mich -- der Affe! Mich -kümmert's nicht -- ich will es schon ^machen^, daß sie kommt!« - -Legree schritt hinaus in einen großen Vorsaal, welcher vermittelst einer -großen Wendeltreppe, die vormals prächtig gewesen war, in's erste Stock -führte; aber der Gang war schmutzig und öde, mit Kasten und häßlichen -Dingen, die zerstreut umherlagen, versperrt. Die mit keinem Teppiche -belegte Treppe schien sich in der Düsterkeit hinaufzuwinden zu wer weiß -wohin! Der bleiche Mondschein strömte durch ein zerschmettertes -Bogenfenster über der Thür, die Luft war ungesund und feucht, wie die -eines Grabgewölbes. - -Legree blieb am Fuße der Treppe stehen und hörte eine Stimme singen. Sie -klang ihm fremdartig und geisterhaft in jenem öden, alten Hause, -vielleicht wegen des schon erschütterten Zustandes seiner Nerven. Horch! -was ist das? - -Eine wilde, rührende Stimme singt ein unter den Sklaven gewöhnliches -Lied: - - »O, es wird Trauer, Trauer sein, - O, es wird Trauer sein an Christi Richterstuhle!« - -»Hol der Teufel das Mädchen!« sagte Legree. »Ich will ihr den Mund -stopfen. -- Em! Em!« rief er barsch; aber nur ein höhnender Widerhall -antwortete ihm von den Wänden. Die süße Stimme sang weiter: - - »Da müssen Eltern und Kinder scheiden! - Da müssen Eltern und Kinder scheiden! - Scheiden, um nimmer sich wieder zu sehn!« - -Und hell und klar schwoll durch die leeren Hallen der Schlußreim: -- - - »O, es wird Trauer, Trauer sein, - O, es wird Trauer sein an Christi Richterstuhl!« - -Legree blieb stehen. Er würde sich geschämt haben, es zu gestehen, aber -große Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn; das Herz schlug ihm -schwer und schnell vor Furcht, er dachte sogar, er sähe etwas Weißes -sich erheben und vor ihm im Zimmer schimmern, und schauderte bei dem -Gedanken, daß die Gestalt seiner todten Mutter ihm plötzlich erscheinen -könne. - -»Das weiß ich,« sagte er zu sich selbst, als er in das Wohnzimmer -zurückstolperte und sich niedersetzte; »ich will den Kerl künftig gehen -lassen! Was wollt' ich mit seinem verfluchten Papiere? Ich glaube -wahrhaftig, ich bin behext! Es schauert und schwitzt mich seit der Zeit! -Woher hat er die Haare? Es kann nicht ^das^ gewesen sein! ^Das^ habe -ich verbrannt, ich weiß es! Es wäre doch spaßhaft, wenn Haare von den -Todten auferstehen könnten!« - -Ja, Legree! Jene goldene Locke ^war^ verzaubert; jedes Haar derselben -enthielt einen Zauber, der den Schrecken und Gewissensbisse in Dir -erweckte, und wurde von einer höhern Macht benutzt, Dir die grausamen -Hände zu binden, damit sie nicht den Hülflosen das tiefste Elend zufügen -möchten! - -»Hört!« sagte Legree, indem er den Hunden pfiff und stampfte, -»aufgewacht, Einer von euch, und mir Gesellschaft geleistet!« Aber die -Hunde öffneten nur schläfrig ein Auge nach ihm und schloßen es wieder. - -»Sambo und Quimbo sollen heraufkommen und singen, und einen ihrer -höllenmäßigen Tänze aufführen und diese schauerlichen Gedanken -verjagen,« sagte Legree; er setzte seinen Hut auf, ging in die Veranda -und blies ein Horn, womit er gewöhnlich seine zwei schwarzen Aufseher -rief. - -Wenn Legree bei guter Laune war, pflegte er oft diese zwei Ehrenmänner -in sein Wohnzimmer zu rufen, dieselben mit Whisky zu erwärmen, und sich -dann ein Vergnügen daraus zu machen, sie singen, tanzen, oder sich -raufen zu lassen, wie er gerade die Laune hatte. - -Es war zwischen ein und zwei Uhr des Nachts, als Cassy, die von der -Pflege des armen Tom zurückkehrte, den Schall wilden Gekreisches, -Geschrei's, Halloh-Rufen und Singen aus dem Wohnzimmer kommen hörte, -vermischt mit Hundegebell und andern Zeichen eines allgemeinen Aufruhrs. - -Sie ging die Verandatreppe hinauf und sah hinein. Legree und die beiden -Aufseher, im Zustande wüthender Trunkenheit, sangen, schrien, warfen die -Stühle um und schnitten sich allerhand lächerliche und schauderhafte -Gesichter. - -Sie stützte ihre kleine, zarte Hand auf das Fenstersims und sah sie -unverwandt an. Es lag eine Welt von Angst, Verachtung und grimmiger -Bitterkeit in ihren schwarzen Augen. »Wär' es eine Sünde, die Welt von -einem solchen Elenden zu befreien?« sagte sie für sich. - -Sie drehte sich schnell um, ging zu einer Hinterthür, schlüpfte hinauf -und klopfte an Emmelinens Thür. - - - - -Sechsunddreißigstes Kapitel. - -Emmeline und Cassy. - - -Cassy trat in das Zimmer und fand Emmeline blaß vor Furcht im äußersten -Winkel desselben sitzen. Als sie hereinkam, fuhr das Mädchen erschrocken -auf; aber als diese sah, wer es war, stürzte sie hervor, ergriff Cassy's -Arm und sagte: »O, Cassy, Ihr seid es? Ich bin froh, daß Ihr gekommen -seid! Ich fürchtete, es wäre --. O, Ihr wisset nicht, was für ein -schauerlicher Lärm diese ganze Nacht unten gewesen ist!« - -»Ich sollte das kennen,« sagte Cassy trocken. »Ich habe es oft genug -gehört!« - -»O, Cassy, sagt mir doch nur ja, können wir nicht von diesem Orte -wegkommen? Ich kümmere mich nicht darum, wohin -- in die Sümpfe unter -die Schlangen -- irgendwohin?« - -»Nirgendhin, es sei denn in unsre Gräber,« sagte Cassy. - -»Habt Ihr es je versucht?« - -»Ich habe es nur zu oft versuchen sehen und was dabei herauskommt,« -sagte Cassy. - -»Ich wollte gern in den Sümpfen leben und Baumrinde nagen. Ich fürchte -mich nicht vor Schlangen! Ich wollte lieber eine Schlange bei mir haben, -als ihn,« sagte Emmeline heftig. - -»Es sind ziemlich Viele hier Deiner Meinung gewesen,« sagte Cassy. »Aber -Du könntest nicht in den Sümpfen bleiben -- die Hunde würden Dich -ausspüren und zurückbringen, und dann -- dann --« - -»Was würde er thun?« sagte das Mädchen, indem sie ihr mit athemloser -Spannung ins Gesicht schaute. - -»Was würde er ^nicht^ thun, frage lieber,« sagte Cassy. »Er hat sein -Handwerk unter den Räubern Westindiens gut gelernt. Du würdest nicht -viel schlafen, wenn ich Dir erzählte, was ich gesehen habe -- was er -zuweilen als gute Spässe erzählt. Ich habe Schreie hier gehört, die ich -wochenlang nicht habe aus dem Ohre los werden können. Da ist unten bei -den Hütten ein entlegener Ort, wo man einen schwarzen verdorrten Baum -und den ganzen Boden mit schwarzer Asche bedeckt sehen kann. Frage nur -irgend Einen, was da geschehen ist, und siehe zu, ob er wagen wird, es -Dir zu sagen.« - -»Was wollt Ihr damit sagen?« - -»Ich will es Dir nicht sagen. Ich denke nicht gern daran; und ich sage -Dir, Gott allein weiß, was wir morgen sehen werden, wenn jener arme Kerl -fortfährt, wie er angefangen hat.« - -»Schauderhaft!« sagte Emmeline, indem ihr jeder Blutstropfen aus den -Wangen trat. »O, Cassy, sagt mir doch nur, was ich thun soll!« - -»Was ich gethan habe. Thu' Dein Bestes; thu' was Du mußt, und mache es -durch Haß und Verwünschung wieder gut!« - -»Er wollte mich von seinem verhaßten Branndwein trinken lassen,« sagte -Emmeline; »und ich hasse ihn so --« - -»Trinkt lieber,« sagte Cassy. »Ich haßte ihn auch; und jetzt kann ich -nicht ohne ihn leben. Man muß etwas haben; die Sachen sehen nicht so -schrecklich aus, wenn man den nimmt.« - -»Die Mutter pflegte mir zu sagen, ich solle nie so etwas anrühren,« -sagte Emmeline. - -»Die Mutter sagte 's Dir!« rief Cassy mit scharfem und bittern -Nachdrucke auf dem Worte Mutter. »Was hilft's, daß Mütter etwas sagen? -Ihr werdet alle gekauft und bezahlt, und eure Seelen gehören dem, -welcher euch bekommt. So geht 's. Hörst Du! ^trink^ Branndwein: trinke -so viel Du kannst, und Du wirst Alles leichter tragen.« - -»O, Cassy! habt doch Mitleid mit mir!« - -»Mitleid mit Dir! Habe ich etwa keins? Habe ich keine Tochter? -- Gott -weiß, wo sie ist, und wem sie jetzt gehört! Sie geht vermuthlich den -Weg, welchen ihre Mutter vor ihr ging, und den ihre Kinder nach ihr -gehen müssen! Der Fluch hört nie auf!« - -»Ich wollte, ich wär' nie geboren!« sagte Emmeline, ihre Hände ringend. - -»Das ist ein alter Wunsch von mir,« sagte Cassy. »Ich habe mich ganz -daran gewöhnt, das zu wünschen. Ich stürbe, wenn ich es wagte,« sagte -sie, indem sie in die Dunkelheit hinausschaute mit jener stillen, -starren Verzweiflung, dem gewöhnlichen Ausdrucke ihres Antlitzes, wenn -es ruhig war. - -»Es wär gottlos, sich das Leben zu nehmen,« sagte Emmeline. - -»Ich weiß nicht warum; nicht gottloser, als was wir Tag für Tag erleben -und thun. Als ich aber im Kloster war, haben mir die Schwestern Dinge -erzählt, die mir vor dem Sterben bange machen. Wär' es nur mit uns zu -Ende, ja dann --« - -Emmeline wendete sich ab und verbarg ihr Gesicht mit den Händen. - -Während diese Unterhaltung in der Kammer vor sich ging, war Legree, -überwältigt vom Zechgelage, im untern Zimmer in Schlaf gesunken. Er war -nicht von Gewohnheit ein Trunkenbold. Seine rohe, starke Natur verlangte -und ertrug eine fortwährende Aufregung, welche eine schwächere gänzlich -aufgerieben haben würde. Aber Vorsicht hielt ihn ab, sich der -Schwelgerei in einem solchen Maaße hinzugeben, daß er dadurch die -Herrschaft über sich selbst verlor. - -Diese Nacht hatte er sich jedoch in seinen fieberhaften Anstrengungen, -aus seinem Gemüthe jene furchtbaren Gewissensbisse zu verbannen, welche -in ihm erwachten, mehr als gewöhnlich erlaubt, so daß er, nachdem er -seine schwarzen Diener verabschiedet hatte, schwer in einen Sessel fiel -und fest einschlief. - -O, wie darf die schlechte Seele die Schattenwelt des Schlafes betreten? --- jenes Land, dessen dunkle Gränzen dem geheimnißvollen Schauplatze der -Vergeltung so furchtbar nahe liegen! Legree träumte. In seinem schweren -und fieberischen Schlafe stand eine verschleierte Gestalt neben ihm, und -legte eine kalte, weiche Hand auf ihn. Er glaubte zu wissen, wer es sei; -er schauderte und Grauen beschlich ihn, obgleich das Antlitz -verschleiert war. Bald glaubte er, er fühle ^jenes^ ^Haar^ sich um -seine Finger schlängeln, bald, daß es sich sanft um seinen Hals -schlinge, und sich immer dichter zusammenzöge, bis er keinen Athem mehr -holen konnte; bald dachte er, Stimmen ^flüsterten^ ihm zu, ein -Geflüster, das ihn mit Grauen erfüllte. Dann schien es ihm, als sei er -am Rande eines fürchterlichen Abgrundes, sich festhaltend und in -Todesfurcht ringend, während schwarze Hände sich herausstreckten, um ihn -hinabzuziehen; und Cassy kam lachend hinter ihn und stieß ihn hinunter. -Und nun erhob sich jene feierlich verschleierte Gestalt und warf den -Schleier zurück. Es war seine Mutter; und sie wendete sich von ihm ab, -und er fiel hinab, hinab, hinab unter verworrenem Geschrei und Gestöhn -und Jauchzen höllischen Gelächters -- und Legree erwachte. - -Ruhig stahl sich das rosige Licht der Morgendämmerung in das Zimmer. Der -Morgenstern stand am heller werdenden Horizonte und schaute mit seinem -feierlichen, heiligen Lichtauge auf den Mann der Sünde hernieder. O, mit -welcher Frische, welcher Feierlichkeit und Schönheit wird jeder neue Tag -geboren, als wolle er dem Unempfindlichen sagen: »Sieh! Du hast noch -eine Möglichkeit! ^Kämpfe^ für unsterblichen Ruhm!« Es gibt keine Rede -oder Sprache, in der diese Stimme nicht gehört wird; aber der freche, -schlechte Mensch hörte sie nicht. Er erwachte mit einem Fluche. Was galt -ihm das Gold und der Purpur, das tägliche Wunder des Morgens! Was die -Heiligkeit jenes Sternes, welchen Gottes Sohn zu seinem eigenen -Sinnbilde geweiht hat? Thierähnlich sah er, ohne wahrzunehmen; er -stolperte vorwärts, schenkte ein Glas Branndwein ein und trank es halb. - -»Ich habe eine höllische Nacht gehabt!« sagte er zu Cassy, welche eben -dann durch eine gegenüber befindliche Thüre hereintrat. - -»Ihr werdet bald mehr von der Art haben,« sagte sie trocken. - -»Was willst Du damit sagen, Vettel?« - -»Ihr werdet es dieser Tage erfahren,« erwiderte Cassy in demselben Tone. -»Jetzt, Simon, habe ich Euch einen guten Rath zu geben.« - -»Den Teufel hast Du!« - -»Ich rathe Euch,« sagte Cassy gelassen, während sie Einiges im Zimmer zu -ordnen begann, »daß Ihr Tom gehen laßt.« - -»Was geht das Dich an?« - -»Was? Ich weiß wahrhaftig nicht, was es mich angehen könnte. Wenn Ihr -zwölf Hundert Dollar für einen Kerl zahlen wollt und ihn grade im Drange -der Erntezeit zu Grunde richten wollt, nur um Eurer Wuth zu fröhnen, so -geht 's mich nichts an. Ich habe für ihn gethan, was ich konnte.« - -»So? Was hast Du Dich in meine Angelegenheiten zu mischen?« - -»Ich habe Euch schon manches Tausend Dollar gerettet, dadurch, daß ich -zuweilen für Eure Leute Sorge getragen habe -- das ist nun aller Dank, -den ich davon habe. Wenn Eure Ernte geringer auf den Markt kommt, so -verliert Ihr Eure Wette nicht. Tompkins wird Euch nicht den Rang -ablaufen und Ihr werdet ganz niedlich hinzahlen müssen, nicht wahr? Mir -ist schon, als sähe ich Euch dabei!« - -Legree hatte, wie manche andre Pflanzer, nur eine Art Ehrgeiz, die beste -Ernte zu haben; und er hatte gerade jetzt verschiedene Wetten in der -nächsten Stadt schweben. Cassy berührte daher mit weiblicher Gewandtheit -die einzige Saite, die bei ihm anzuschlagen war. - -»Gut, ich will ihn mit dem loslassen, was er schon bekommen hat,« sagte -Legree; »aber er soll mich um Verzeihung bitten, und bessere Manieren -versprechen.« - -»Das thut er nicht,« sagte Cassy. - -»Nicht, he?« - -»Nein, er thut 's nicht,« sagte Cassy. - -»Ich möchte doch wissen, ^warum^, Mistreß,« sagte Legree mit der -äußersten Verachtung. - -»Weil er recht gethan hat, und das weiß, und nicht sagen will, er habe -Unrecht gethan.« - -»Wer zum Teufel kümmert sich darum, was er weiß? Der Nigger soll sagen, -was mir beliebt, oder --« - -»Oder Ihr wollt Eure Wette auf die Baumwollen-Ernte verlieren, indem Ihr -ihn gerade in dieser dringenden Zeit vom Felde entfernt haltet.« - -»Aber er ^wird^ nachgeben, natürlich wird er; ich weiß ja, wie es mit -Niggern ist. Diesen Morgen wird er schon betteln wie ein Hund.« - -»Er wird nicht, Simon; Ihr kennt diese Art Menschen nicht. Ihr könnt ihn -zollweise tödten, aber Ihr werdet nicht ein Wort eines solchen -Bekenntnisses aus ihm heraus bringen.« - -»Wollen sehen. Wo ist er?« sagte Legree, indem er hinausging. - -»In der alten Kammer des Ginhauses,« sagte Cassy. - -Obgleich Legree so zuversichtlich mit Cassy sprach, so verließ er doch -das Haus mit einer Art bösen Vorgefühls, welches nicht gewöhnlich bei -ihm war. Die Träume der vergangenen Nacht, vereint mit Cassy's -Weisungen, beunruhigten ihn in hohem Grade. Er beschloß, daß Niemand -Zeuge seines Zusammentreffens mit Tom sein solle, und nahm sich vor, daß -wenn er ihn nicht durch Drohungen zwingen könne, er es auf eine -gelegenere Zeit verschieben wolle, seine Rache auszuüben. - -Das feierliche Licht der ersten Dämmerung, die engelgleiche Herrlichkeit -des Morgensterns war durch das rohe Fenster des Schuppens gedrungen, wo -Tom lag, und wie auf den Strahlen dieses Sternes nieder gleitend, kamen -die feierlichen Worte zu ihm: »Ich bin die Wurzel des Geschlechtes -David's, ein heller Morgenstern!« Die geheimnißvollen Warnungen und -Andeutungen Cassy's, weit entfernt, seine Seele zu entmuthigen, hatten -dieselbe am Ende wie durch einen himmlischen Ruf erhoben. Er wußte nicht -anders, als daß sein Todestag am Himmel dämmere und das Herz schlug ihm -mit feierlichem Klopfen der Freude und des Verlangens, als er dachte, -daß das wundervolle All, worüber er so viel gesonnen, der große weiße -Thron mit seinem immer strahlenden Regenbogen, die Schaar der weißen -Engel, die Kronen, die Palmen, die Harfen -- sich ihm zeigen würden, ehe -jene Sonne wieder unterginge; und deßhalb hörte er ohne Schauder und -Beben die Stimme seines Verfolgers, als derselbe sich näherte: - -»Nun, Junge,« sagte Legree mit einem verächtlichen Fußstoß, »wie -befindest Du Dich? Habe ich Dir nicht gesagt, ich könne Dir Eins oder -das Andre beibringen? Wie gefällt's Dir, he? Wie bekommen Dir die -Schwielen, Tom? Bist nicht ganz so keck wie Du gestern Abend warst? -Könntest jetzt wohl nicht einen armen Sünder auf ein Bischen Predigt -freihalten, nicht, he?« - -Tom antwortete Nichts. - -»Auf, Vieh!« sagte Legree, indem er ihn wieder stieß. - -Das war eine schwere Aufgabe für einen so zerschlagenen und entkräfteten -Menschen, und als Tom sich bemühte, es zu thun, brach Legree in ein -viehisches Gelächter aus. - -»Wovon bist Du diesen Morgen so sanft, Tom? Vielleicht gestern Abend -erkältet?« - -Tom war indessen auf die Füße gekommen und stand seinem Herrn gegenüber -mit fester, standhafter Stirne. - -»Teufel, Du kannst's!« sagte Legree, indem er ihn betrachtete. »Ich -glaube, Du hast noch nicht genug gekriegt. Jetzt, Tom, ohne Umstände auf -die Knie und bitte mich um Verzeihung wegen Deiner Streiche von gestern -Abend.« - -Tom bewegte sich nicht. - -»Nieder, Hund!« sagte Legree, indem er ihn mit der Reitpeitsche schlug. - -»Herr Legree,« sagte Tom, »ich kann es nicht thun. Ich habe nur gethan, -was ich für recht gehalten habe. Ich werde es jedes Mal gerade wieder so -machen. Ich werde nie eine Grausamkeit begehen, komme, was da wolle.« - -»Ja, aber Du weißt nicht, was kommen will, Master Tom. Du denkst, was Du -gekriegt hast, ist etwas. Ich sage Dir, 's ist nichts -- gar nichts. Wie -würde es Dir gefallen, an einen Baum gebunden zu werden, und ein -langsames Feuer um Dich angezündet zu haben? Wäre das nicht angenehm -- -he, Tom?« - -»Master,« sagte Tom, »ich weiß, Ihr könnt Schreckliches thun; aber« -- -er streckte sich aufwärts und faltete die Hände, -- »aber nachdem Ihr -den Leib getödtet habt, könnt Ihr nichts mehr thun. Und o, dann folgt -alle ^Ewigkeit^!« - -^Ewigkeit^ -- das Wort durchbebte die Seele des schwarzen Menschen mit -Licht und Kraft, als er sprach -- es durchzuckte auch des Sünders Seele -wie Scorpionenbiß. Legree knirschte mit den Zähnen, aber Wuth hielt ihn -still, und Tom sprach, wie ein aus der Knechtschaft befreiter Mensch, -mit klarer und heitrer Stimme: - -»Master Legree, Ihr habt mich gekauft, und ich will Euch ein treuer und -redlicher Diener sein. Ich will Euch alle Arbeit meiner Hände geben, -alle meine Zeit, alle meine Kraft, aber meine Seele will ich keinem -Sterblichen opfern. Ich will am Herrn festhalten, und seine Gebote vor -Allem befolgen, mag ich leben oder sterben, darauf verlaßt Euch. Master -Legree, ich fürchte den Tod nicht im Geringsten. Ich sterbe eben so gern -wie nicht. Ihr könnt mich zu Tode peitschen, verhungern, verbrennen -lassen, es bringt mich nur früher dahin, wohin ich mich sehne.« - -»Ich will Dich doch nachgiebig machen, ehe ich mit Dir fertig bin!« -sagte Legree wüthend. - -»Ich werde ^Hülfe^ bekommen,« sagte Tom. »Ihr könnt es nicht.« - -»Wer zum Teufel wird Dir helfen?« sagte Legree verächtlich. - -»Der allmächtige Gott!« sagte Tom. - -»Hol Dich der Teufel!« sagte Legree, indem er Tom mit einem Faustschlage -zu Boden streckte. - -Eine kalte, weiche Hand legte sich in diesem Augenblick auf die -Legree's. Er drehte sich um -- es war Cassy's; aber die kalte, sanfte -Berührung rief ihm den Traum der letzten Nacht zurück, und durch die -Kammern seines Hirnes blitzend, kamen alle die fürchterlichen Bilder der -Nachtwachen zurück, mit einem Theile der Schrecknisse, die jene -begleiteten. - -»Wollt Ihr ein Thor sein?« sagte Cassy auf französisch. »Laßt ihn gehen. -Laßt mich ihn herstellen, um wieder im Felde arbeiten zu können. Ist's -nicht gerade wie ich Euch sagte?« - -Man sagt, der Alligator, das Nashorn, obschon in kugelfesten Panzer -gehüllt, haben einen Fleck, wo sie verwundbar sind; und freche, -ungläubige Verworfene haben gewöhnlich diesen Punkt in abergläubischer -Furcht. - -Legree wendete sich weg, entschlossen, einstweilen die Sache gehen zu -lassen. - -»Nun, so habe Deinen Willen,« sagte er mürrisch zu Cassy. - -»Höre Du,« fuhr er zu Tom gewendet fort, »ich will Dich für jetzt gehen -lassen, weil die Geschäfte dringend sind, und ich alle meine Arbeiter -brauche, aber ich vergesse ^niemals^. Ich will es Dir ankreiden, und -die Zeit kommt, wo es mir Dein altes schwarzes Fell bezahlen soll -- -merk' Dir das!« - -Legree drehte sich um und ging hinaus. - -»Gehe nur,« sagte Cassy ihm finster nachschauend; »Deine Rechnung kommt -auch noch! -- Armer Mensch, wie geht's Dir?« - -»Der Herr hat seinen Engel gesendet und des Löwen Rachen für diesmal -verschlossen,« sagte Tom. - -»Für diesmal gewiß,« sagte Cassy; »aber jetzt habt Ihr seinen Haß auf -Euch, der Euch Tag für Tag verfolgt, wie ein Hund, der an Eurer Kehle -hängt, Euer Blut saugt und Euer Leben tropfenweise verbluten läßt. Ich -kenne den Menschen.« - - - - -Siebenunddreißigstes Kapitel. - -Freiheit. - - »Es kommt nicht darauf an, mit welchen Feierlichkeiten - er auf dem Altare der Sklaverei geweiht worden - sei; sobald er den heiligen, brittischen Boden - betritt, versinken der Altar und der Gott in Staub, - und erlöst wiedergeboren, entfesselt steht er da durch - den unwiderstehlichen Genius allgemeiner Emancipation.« - ^Curran.^ - - -Für einige Zeit müssen wir Tom in den Händen seiner Verfolger lassen, -während wir uns zurückwenden, um die Schicksale Georgs und seiner Frau -zu verfolgen, die wir in einem Farmhause an der Straße in -freundschaftlichen Händen ließen. - -Tom Locker verließen wir, stöhnend und lärmend in einem fleckenlos -reinen Quäcker-Bett, unter der mütterlichen Aufsicht von Base Dorcas, -welche in ihm einen ganz so lenksamen Patienten fand, wie in einem -kranken Büffelochsen. - -Man denke sich eine hohe, würdevolle Frau, deren reine Musselinhaube ein -wellenartiges Silberhaar beschattet, das auf der breiten, hintern Stirn -gescheitelt ist, welche gedankenvolle, graue Augen überwölbt; ein -schneeweißes Tuch von geglättetem Krepp legt sich glatt über ihrem -Busen; ihr glänzend braunes Seidenkleid rauscht friedlich, wenn sie in -der Stube auf und nieder gleitet. - -»Alle Teufel!« sagt Tom Locker, indem er der Bettdecke einen starken -Schlag versetzt. - -»Ich muß Dich ersuchen, Thomas, nicht solche Ausdrücke zu gebrauchen,« -sagt Base Dorcas, während sie ruhig das Bett wieder in Ordnung bringt. - -»Nun, ich will 's nicht thun, Großmutter, wenn ich kann,« sagt Thomas; -»aber 's ist genug, einen armen Kerl zum Fluchen zu bringen, so verdammt -heiß ist's!« - -Dorcas entfernte eine Decke vom Bette, ordnete das Bettzeug wieder und -stopfte es unter, bis Tom fast wie eine Puppe aussah, indem sie dabei -bemerkte: - -»Ich wollte, Freund, Du ließest das Fluchen und Schwören, und dächtest -an Deine Wege.« - -»Was der Teufel,« sagte Tom, »soll ich daran denken? 's ist immer 's -Letzte, woran ich gern denke -- hol 's der Henker!« Und Tom stampfte, -schlug die Decken auf und brachte Alles auf eine entsetzliche Art in -Unordnung. - -»Der Kerl und die Dirne sind hier, glaube ich?« sagte er nach einer -Weile mürrisch. - -»Ja,« sagte Dorcas, »sie sind hier.« - -»Die sollten sich lieber aufmachen, fort nach dem See,« sagte Tom, »je -schneller desto besser.« - -»Wahrscheinlich werden sie das thun,« sagte Base Dorcas, indem sie ruhig -weiter strickte. - -»Und hört,« sagte Tom; »wir haben Freunde in Sandusky, welche die Boote -für uns bewachen. Kümmere mich nicht mehr darum, 's zu sagen. Ich -wollte, sie entwischten, nur um Marks zu ärgern -- den verfluchten -Laffen! -- hol ihn der Teufel!« - -»Thomas!« sagte Dorcas. - -»Ich sage Euch, Großmutter, wenn Ihr einen armen Kerl zu dicht -einpfropft, so platzt er,« sagte Tom. »Aber wegen der Dirne -- sagt -ihnen, daß sie sich so ankleide, daß sie nicht mehr kenntlich ist. Ihre -Beschreibung ist in Sandusky.« - -»Wir wollen dafür sorgen,« sagte Dorcas mit der ihrer Sekte -eigenthümlichen Gelassenheit. - -Da wir an dieser Stelle von Tom Locker Abschied nehmen, so können wir -hier zugleich erwähnen, daß, nachdem er drei Wochen in dem Quäckerhause -am rheumatischen Fieber darniederlag, welches zu seinen übrigen Leiden -hinzu trat, er sich vom Lager als ein etwas weiserer und bessrer Mensch -erhob; und fortan statt Sklaven zu fangen, sich in einer der neuen -Ansiedlungen niederließ, wo seine Fähigkeiten sich in der Jagd von -Bären, Wölfen und andern Bewohnern des Forstes glücklicher entwickelten, -wodurch er sich einen Namen im Lande machte. Tom sprach immer -ehrfurchtsvoll von den Quäkern. »Hübsche Leute,« pflegte er zu sagen; -»wollten mich bekehren, konnten 's aber nicht zu Stande bringen. Aber -eins will ich euch sagen, Fremder, einen kranken Kerl warten sie -vortrefflich ab, -- das ist richtig! Kochen die beste Sorte Kraftbrühe -und Brezeln.« - -Da Tom den Flüchtlingen mitgetheilt hatte, daß ihre Gesellschaft in -Sandusky gesucht werde, so hielt man es für gerathen, sich zu theilen. -Jim wurde mit seiner alten Mutter besonders fortgeschafft; und ein oder -zwei Nächte später wurden Georg und Elise mit ihrem Kinde in's Geheim -nach Sandusky gefahren und unter einem gastfreien Dache untergebracht, -während die Vorbereitungen zu ihrer letzten Einschiffung auf den See -getroffen wurden. - -Ihre Nacht neigte sich jetzt dem Ende und schön erhob sich vor ihnen der -Morgenstern der Freiheit. Freiheit! Begeisterndes Wort! Was ist es? Ist -es denn etwas mehr als ein Name oder ein rednerischer Ausdruck? Warum -Ihr Männer und Frauen Amerikas, beben Eure Herzen vor Wonne bei dem -Worte, für welches Eure Väter bluteten und Eure noch bravere Mütter -willig ihre Besten und Edelsten sterben sahen? - -Liegt darin etwas Ruhmreiches und Theures für ein Volk, das nicht auch -ruhmreich und theuer für den einzelnen Menschen ist? Was ist Freiheit -eines Volkes anders als Freiheit der Individuen desselben? Was ist -Freiheit für jenen jungen Mann, welcher dort sitzt, die Arme über die -breite Brust geschlagen, die Farbe des afrikanischen Blutes auf den -Wangen, dessen dunkles Feuer im Auge -- was ist Freiheit für George -Harris? Für Eure Väter war Freiheit das Recht eines Volkes, ein Volk zu -sein. Für ihn ist es das Recht eines Menschen, ein Mensch zu sein und -kein Vieh; das Recht, das Weib seines Herzens sein Weib nennen, und sie -vor gesetzlicher Gewaltthätigkeit schützen zu können; das Recht, sein -Kind zu beschützen und zu erziehen; das Recht, eine eigne Heimath, eine -eigne Religion, einen eignen Charakter zu haben, der nicht dem Willen -eines Andern unterworfen ist. Alle diese Gedanken arbeiteten in Georgs -Brust, während er gedankenvoll den Kopf auf die Hand stützte, und seine -Frau beobachtete, als sie ihrer zarten und hübschen Gestalt männliche -Kleidung anpaßte, in der man es für das Sicherste hielt, daß sie ihre -Flucht bewerkstellige. - -»Jetzt gilt's,« sagte sie, als sie vor dem Spiegel stand und die seidene -Fülle des schwarzen Lockenhaares herabschüttelte. »Sieh! Georg, 's ist -fast ein Jammer, nicht wahr?« sagte sie, indem sie scherzhaft einige -Locken in die Höhe hielt. »'s ist ein Jammer, daß sie alle ab müssen.« - -Georg lächelte traurig und gab keine Antwort. - -Elise kehrte sich gegen den Spiegel und die Scheere schimmerte, als eine -lange Locke nach der andern vom Haupte getrennt wurde. - -»Nun, das wird genug sein,« sagte sie, indem sie eine Haarbürste -ergriff, »jetzt ein Paar Phantasiestriche.« - -»Da, bin ich nicht ein hübscher junger Mensch?« sagte sie, indem sie -sich nach ihrem Gatten umwandte, lachend und erröthend zugleich. - -»Du bist immer hübsch, Du magst thun, was Du willst,« sagte Georg. - -»Was macht Dich so ernst?« sagte Elise, indem sie sich auf ein Knie -niederließ, und ihre Hände auf das seinige legte. »Wir sind nur noch 24 -Stunden von Canada entfernt. Nur einen Tag und eine Nacht auf dem See, -und dann -- o, dann!« - -»O, Elise!« sagte Georg, indem er sie an sich zog, »das ist 's gerade! -Jetzt naht sich mein Schicksal dem entscheidenden Punkt. So nahe zu -kommen, es fast vor Augen haben und dann Alles verlieren. Ich könnte es -nicht überleben, Elise.« - -»Habe keine Furcht,« sagte seine Frau zuversichtlich. »Der gute Gott -hätte uns nicht so weit gebracht, wenn er uns nicht durchbringen wollte. -Mir ist 's, als fühlte ich, daß er mit uns ist, Georg.« - -»Du bist ein gesegnetes Weib, Elise!« sagte Georg, indem er sie -krampfhaft umarmte. »Aber -- ach, sag'! kann uns diese große Gnade zu -Theil werden? Werden diese Jahre des Elend's wirklich ein Ende nehmen? --- werden wir frei werden?« - -»Gewiß, Georg,« sagte Elise, indem sie aufwärts blickte, während Thränen -der Hoffnung und Begeisterung an ihren langen, dunkeln Wimpern glänzten. -»Ich fühle es in mir, daß Gott uns heut aus der Knechtschaft erlösen -wird.« - -»Ich will Dir glauben, Elise,« sagte Georg, indem er plötzlich aufstand. -»Ich will es glauben; komm, laß uns fort. Ja, wahrlich,« sagte er, indem -er sie auf Armeslänge von sich hielt, und sie voll Bewunderung -betrachtete. »Du ^bist^ ein hübsches Kerlchen. Die kleinen kurzen -Backen stehen Dir vortrefflich. Setze Deine Mütze auf. So -- ein Bischen -auf eine Seite. Du hast nie so hübsch ausgesehen. Aber es ist fast Zeit -für den Wagen, ich soll mich wundern, ob Mrs. Smyth den Harry -aufgetakelt hat?« - -Die Thür öffnete sich und eine Frau von achtbarem Aeußern und mittleren -Jahren trat ein, den kleinen Harry an der Hand, der in Mädchenkleider -gehüllt war. - -»Was für ein hübsches Mädchen er abgibt,« sagte Elise, indem sie ihn -herumdrehte. »Wir nennen ihn Harriet, paßt der Name nicht hübsch?« - -Das Kind stand da und betrachtete seine Mutter ernst und schweigend in -ihrem neuen und fremdartigen Anzuge, während es zuweilen tief seufzte -und unter seinen dunkeln Locken hervor scheue Blicke auf sie heftete. - -»Kennt Harry Mama?« sagte Elise, indem sie die Hände gegen ihn -ausstreckte. - -Das Kind hing sich furchtsam an die Frau. - -»Komm, Elise, warum versuchst Du, ihn zu liebkosen, da Du doch weißt, -daß er sich fern von Dir zu halten hat?« - -»Ich weiß, 's ist thöricht,« sagte Elise, »aber ich kann es nicht -ertragen, daß er sich von mir abwendet. Doch komm -- wo ist mein Mantel? -Hier -- wie nehmen die Männer den Mantel um, Georg?« - -»Du mußt ihn so tragen,« sagte ihr Mann, indem er denselben über die -Schultern warf. - -»So also,« sagte Elise, indem sie die Bewegung nachahmte; »und ich muß -fest auftreten und große Schritte machen, und dreist auszusehen suchen.« - -»Gib Dir keine Mühe,« sagte Georg. »Es gibt hier und da auch bescheidene -junge Männer; und ich glaube, es wird Dir leichter werden, diese Rolle -zu spielen.« - -»Und diese Handschuhe! Gott sei uns gnädig!« sagte Elise, »meine Hände -verlieren sich darin.« - -»Ich rathe Dir, sie hübsch ordentlich anzubehalten,« sagte Georg. »Dein -zartes Pfötchen könnte uns Alle verrathen. Nun, Mrs. Smyth, tretet Euren -Dienst an, und seid unser Tantchen -- merkt darauf.« - -»Ich habe gehört,« sagte Mrs. Smyth, »daß Männer unten gewesen sind, die -alle Schiffscapitäne vor einem Manne und einer Frau mit einem kleinen -Knaben gewarnt haben.« - -»So!« sagte Georg. »Nun, wenn wir solche Leute sehen, so können wir 's -ihnen sagen.« - -Ein Miethwagen fuhr nun vor, und die freundliche Familie, welche die -Flüchtlinge aufgenommen hatte, drängte sich um dieselben, um Abschied -von ihnen zu nehmen. - -Die Verkleidung, welche die Flüchtlinge angenommen hatten, war nach den -Winken des Tom Locker eingerichtet worden. Mrs. Smyth, eine achtbare -Frau aus der Niederlassung in Canada, wohin sie flohen, die glücklicher -Weise grade im Begriffe war, über den See dahin zurückzukehren, hatte -eingewilligt, als die Tante des kleinen Harry aufzutreten; und um ihn an -dieselbe zu gewöhnen, hatte man ihn die letzten zwei Tage allein unter -ihrer Obhut bleiben lassen; und ein besonderer Aufwand von Liebkosungen, -in Verbindung mit einem unendlichen Betrage von Kuchen und Zuckerwerk, -hatten die Anhänglichkeit von Seiten des jungen Herrn befestigt. - -Der Miethwagen fuhr nach dem Landungsplatze. Die zwei vermeintlichen -jungen Männer schritten über das Brett in das Boot, indem Elise Mrs. -Smyth mit vieler Artigkeit am Arm führte und Georg für das Gepäck Sorge -trug. - -Als Georg vor dem Büreau des Kapitäns stand, um für seine -Reisegesellschafter Zahlung zu leisten, hörte er zwei Männer neben sich -reden. - -»Ich habe jeden, der an Bord kam, beobachtet,« sagte der Eine, »und -weiß, sie sind nicht in diesem Boot.« - -Die Stimme war die des Bootsschreibers. Der Andre, mit dem er sprach, -war unser alter Freund Marks, der mit jener unschätzbaren -Beharrlichkeit, welche ihn charakterisirte, nach Sandusky gekommen war, -um zu sehen, wen er verschlingen könne. - -»Ihr könnt das Frauenzimmer kaum von einer Weißen unterscheiden,« sagte -Marks. »Die Mannsperson ist ein sehr heller Mulatte. Er hat ein Brandmal -an der einen Hand.« - -Die Hand, womit Georg eben die Zettel und das heraus erhaltene Geld -nahm, bebte ein wenig; aber er drehte sich kalt um, heftete den Blick -unbefangen auf das Gesicht des Sprechenden und ging gemächlich nach -einem andern Theile des Boots, wo Elise auf ihn wartete. - -Mrs. Smyth mit dem kleinen Harry ging nach der Damenkajüte, wo die -dunkle Schönheit des vermeintlichen kleinen Mädchens den Reisenden -manche schmeichelhafte Bemerkungen entlockte. - -Georg hatte die Genugthuung, daß er, als die Glocke zum Abschied -läutete, Marks über das Brett an das Ufer gehen sah; und stieß einen -tiefen Seufzer der Erleichterung aus, als das Boot eine Entfernung, die -keine Rückkehr zuließ, erreicht hatte. - -Es war ein prächtiger Tag. Die blauen Wogen des Erie-Sees tanzten, sich -kräuselnd und im Sonnenlicht glänzend. Ein frisches Lüftchen wehte vom -Ufer, und das herrliche Boot pflügte seinen Weg tapfer durch das Wasser. - -Oh, was für eine unaussprechliche Welt in ^einem^ menschlichen Herzen -liegt! Wer dachte, als Georg ruhig das Verdeck des Dampfbootes auf- und -abschritt, mit seinem schüchternen Gefährten an der Seite, an Alles das, -was in seinem Busen brannte? Das große Gut, dem er sich nahte, schien -ihm zu groß, um wirklich sein werden zu können; und er fühlte jeden -Augenblick die Besorgniß, daß sich etwas erheben möchte, es ihm wieder -zu entreißen. - -Aber das Boot flog weiter -- Stunden verflogen, und endlich erhob sich -klar und deutlich die gesegnete englische Küste -- ein Gestade, dem die -mächtige Zauberkraft verliehen ist, -- mit einer Berührung jede -Sklaverei zu vernichten, gleichviel, in welcher Sprache ihre Formel -gesprochen, oder von welcher Staatsgewalt sie bestätigt worden ist. - -Georg stand mit seiner Frau Arm in Arm, als das Boot sich dem Städtchen -Armherstberg in Canada näherte. Sein Athem wurde schwer und kurz; wie -Nebel sammelte es sich vor seinen Augen, und er drückte schweigend die -kleine Hand, welche zitternd auf seinem Arme lag. Die Glocke erscholl -- -das Boot hielt an. Kaum sehend, was er that, suchte er sein Gepäck und -sammelte die Seinigen um sich. Die kleine Gesellschaft wurde an das Ufer -gesetzt. Sie standen still, bis das Boot ausgeladen hatte; und dann -knieten mit Thränen und Umarmungen Gatte und Gattin, das staunende Kind -in den Armen, nieder und erhoben ihre Herzen zu Gott! - - 'S war wie wenn Leben bricht durch Todesnacht, - Aus Grabes Hülle zu des Himmels Licht; - Vom Reich der Sünde und des Bösen Macht, - Zu der erlösten Seele Freiheitsmorgenroth; - Zerbrochen sind die Ketten, die geschmiedet Tod; - Den Sterblichen Unsterblichkeit umweht, - Wenn Gnadenhand den goldnen Schlüssel dreht - Und ein zur Freiheitsherrlichkeit die Seele geht. - -Der kleine Kreis wurde darauf von Mrs. Smyth zur gastlichen Wohnung -eines guten Missionärs geführt, den christliche Liebe hierher verpflanzt -hatte, als einen Hirten für die Verstoßenen und Wandernden, die -beständig an diesem Gestade eine Zuflucht finden. - -Wer kann den Segen des ersten Freiheitstages aussprechen? Ist nicht der -Sinn der Freiheit ein höherer und feinerer, als irgend einer der fünf -anderen. Sich zu bewegen, zu reden, zu athmen, zu gehen und zu kommen -unbewacht und ohne Gefahr! Wer kann die Segnungen des Schlafes -schildern, der sich auf des freien Mannes Kissen niedersenkt, unter -Gesetzen, welche ihm die Rechte sichern, die Gott den Menschen -verliehen? Wie schön erschien jener Mutter des schlafenden Kindes -Antlitz, theurer durch die Erinnerung an tausend Gefahren! Wie unmöglich -war es zu schlafen im überschwänglichen Genusse solchen Segens! Und doch -hatten diese zwei nicht eine Hufe Land, kein Dach, das sie ihr eigen -nennen konnten; sie hatten ihr Alles dahingegeben bis auf den letzten -Thaler. Sie hatten nicht mehr, als die Vögel der Luft, oder die Blumen -des Feldes -- und doch konnten sie nicht schlafen vor Freude. »O Ihr, -die Ihr dem Menschen die Freiheit raubt, wie wollt Ihr das vor Gott -verantworten?« -- - - - - -Achtunddreißigstes Kapitel. - -Der Sieg. - - »Dank sei Gott, der uns den Sieg verleiht.« - - -Haben nicht viele von uns in mancher Stunde mühseligen Lebensweges -gefühlt, wie weit leichter es sei, zu sterben, als zu leben? - -Der Märtyrer, wenn er unter körperlichen Qualen dem Tode in die Augen -schaut, findet selbst im Schrecken seines Looses eine Stärkung. Es liegt -eine lebendige Aufregung darin, welche ihn durch jede Krisis des Leidens -führen kann, und sie zur Geburtsstunde ewigen Ruhmes und ewigen Friedens -macht. - -Aber zu leben, und Tag für Tag in niederer, bitterer, gemeiner und -quälender Knechtschaft sich hinzuschleppen, jede Nerve erschlafft und -abgespannt, jede Gefühlskraft allmählig erstickt -- dieses lange, -zehrende Märtyrerthum des Herzens, dieses langsame, tägliche Verbluten -des inneren Lebens, tropfenweise, stündlich -- dies ist der wahre -Probirstein dessen, was im Menschen ist. - -Als Tom seinem Verfolger gegenüberstand, und dessen Drohungen hörte, und -in seiner innersten Seele dachte, daß seine Stunde gekommen sei, schwoll -ihm muthig die Brust, und er glaubte, er könne Folter und Feuer, Alles -ertragen, mit dem Blicke auf Jesus und den Himmel gerichtet; als -derselbe aber fortgegangen und die Aufregung verschwunden war, kehrte -der Schmerz seiner gequetschten, müden Glieder zurück und das Gefühl -seines völlig herabgewürdigten, hoffnungslosen und verlornen Zustandes; -und der Tag verging ihm traurig. - -Legree bestand darauf, daß Tom lange vorher, ehe dessen Wunden geheilt -waren, wieder an die regelmäßige Feldarbeit gestellt werden sollte; und -dann kamen Tag für Tag Schmerz und Müdigkeit, erschwert durch jede Art -von Ungerechtigkeit und Unwürdigkeit, welche der böse Wille einer -gemeinen und boshaften Seele ersinnen konnte. Wer nur immer in -^unsern^ Umständen eine Schmerzensprüfung zu bestehen hatte, selbst -mit allen Erleichterungen, welche dieselben bei uns gewöhnlich -begleiten, muß die Gereiztheit kennen, die uns in derselben nie verläßt. -Tom wunderte sich nicht mehr über die gewohnheitsmäßige Verdrießlichkeit -seiner Gefährten: ja, er fand die ruhige, heitere Stimmung, welche ihn -durch sein ganzes Leben begleitet hatte, zerstört und jämmerlich -zerrissen. Er hatte auf Muße gehofft, seine Bibel lesen zu können, aber -Muße gab es hier nicht. In der dringendsten Erntezeit trug Legree kein -Bedenken, alle seine Arbeiter Sonntags wie Wochentags gleich zu quälen. -Warum nicht? Er erzielte dadurch mehr Baumwolle, und gewann seine Wette; -und wenn es einige Leute mehr aufrieb, konnte er bessere kaufen. Zuerst -war Tom gewohnt gewesen, beim Leuchten des Feuers einige Bibelverse zu -lesen, nachdem er von der Tagesarbeit zurückgekehrt war; nach der -grausamen Behandlung aber, die er erfahren hatte, pflegte er so -erschöpft nach Hause zu kommen, daß der Kopf sich ihm drehte und ihm die -Augen den Dienst versagten, wenn er zu lesen versuchte, und er froh war, -sich mit den Andern in völliger Erschöpfung niederstrecken zu können. - -Ist es auffallend, daß der Gottesfriede und das Himmelsvertrauen, welche -ihn bisher aufrecht erhalten hatten, Gemüthserschütterungen und -finsterem Verzagen weichen konnten? Die düsterste Aufgabe dieses -geheimnißvollen Lebens war ihm beständig vor den Augen; zerschmetterte -und zu Grunde gerichtete Seelen, Böses triumphirend und Gott schweigend. -Wochen, Monate rang Tom in seinem Geiste in Dunkelheit und Betrübniß. Er -dachte an Miß Ophelia's Brief, an seine Freunde in Kentucky, und betete -ernstlich, daß ihm Gott Erlösung senden möge; und dann wartete er Tag -für Tag in derlei unbestimmter Hoffnung, Jemanden zu sehen, der zu -seiner Erlösung ausgesendet sei; und wenn Niemand kam, drängte er -bittere Gedanken in sein Herz zurück -- daß es eitel sei, Gott zu -dienen, daß Gott ihn vergessen habe. Zuweilen sah er Cassy, und wenn er -zuweilen nach dem Hause gerufen wurde, erblickte er dann und wann die -gebeugte Gestalt Emmelinens, er hatte aber mit keiner viel Verkehr; es -blieb wirklich keine Zeit, mit irgend Jemanden Umgang zu haben. - -Eines Abends saß er in völliger Niedergeschlagenheit und Abspannung bei -ein paar erlöschenden Feuerbränden, an denen er sein kärgliches -Abendessen bereitete. Er legte etwas Reisig auf, um das Feuer wieder in -Brand zu setzen, und zog dann seine verbrauchte alte Bibel aus der -Tasche. Darin waren alle die Stellen gezeichnet, welche so oft seine -Seele angeregt hatten -- Worte von Erzvätern und Sehern, Dichtern und -Weisen, die von frühen Zeiten her dem Menschen Muth zugesprochen -- -Stimmen aus der großen Wolke von Zeugen, welche uns immer auf der -Lebensbahn umgeben. Hatte das Wort seine Kraft verloren, oder waren das -versagende Auge und der müde Sinn nicht länger empfänglich für jene -mächtigen Eingebungen? Schwer seufzend steckte er das Buch in die -Tasche. Ein rohes Gelächter erwartete ihn; er sah auf -- Legree stand -ihm gegenüber. - -»Nun, alter Junge,« sagte er, »Du findest, Deine Religion wirkt nicht; -es scheint so! Ich dachte ja, ich würde das aus Deiner Wolle -herausbringen!« - -Der grausame Hohn war schlimmer, als Hunger, Kälte und Nacktheit. Tom -war still. - -»Du warst ein Narr,« sagte Legree, »denn ich dachte Dir Gutes zu thun, -als ich Dich kaufte. Du hättest besser daran sein können, als Sambo oder -Quimbo, und gute Zeiten haben; und anstatt alle paar Tage geprügelt und -gedroschen zu werden, könntest Du Freiheit gehabt haben, rings umher zu -herrschen, und die andern Nigger zu peitschen, und hättest Dich zuweilen -an einem guten Whiskeypunsch erwärmen können. Nun, mach keine Umstände -und sei vernünftig! Wirf den alten Plunder hier ins Feuer und schlag -Dich zu meiner Kirche!« - -»Gott behüte mich!« sagte Tom inbrünstig. - -»Du siehst, Gott will Dir nicht helfen; wenn er gewollt hätte, so hätte -er Dich nicht in ^meine^ Hände kommen lassen. Deine Religion ist ein -Gemisch von lauter Lügenkram, Tom. Ich weiß es. Halt lieber zu mir; ich -bin etwas und kann etwas thun!« - -»Nein, Master,« sagte Tom, »ich will festhalten. Gott mag mir nun helfen -oder nicht; aber ich will an ihm halten und bis aufs Letzte an ihn -glauben!« - -»Um so mehr bist Du ein Narr!« sagte Legree, indem er ihn verächtlich -anspie und mit dem Fuße trat. »Nun, es macht nichts aus; ich will Dich -doch noch niederhetzen und herunterbringen, Du wirst 's sehen!« und -Legree wendete sich weg. - -Wenn ein schweres Gewicht die Seele zur tiefsten Tiefe menschlichen -Duldens herunterdrückt, so tritt eine plötzliche und verzweifelte -Anstrengung jedes physischen und geistigen Nervs ein, das Gewicht -abzuwerfen, und dadurch wird der größte Schmerz oft zu einer -rückströmenden Fluth der Freude und des Muthes. So war es jetzt mit Tom. -Die gottesläugnerischen Verhöhnungen seines grausamen Herrn senkten -seine vorher schon niedergeschlagene Seele zur tiefsten Ebbe hinab; und -obgleich die Hand des Glaubens sich noch an dem ewigen Felsen festhielt, -so war es doch nur mit einem starren, verzweifelten Griffe. Tom saß wie -betäubt am Feuer. Plötzlich schien Alles um ihn zu verschwinden, und -vor ihm erhob sich die Erscheinung einer mit Dornen gekrönten, -geschlagenen und blutenden Gestalt. Tom schaute mit Staunen und -Bewunderung auf die würdevolle Ruhe des Antlitzes; die tiefen, rührenden -Augen drangen ihm bis in das innerste Herz; seine Seele erwachte, -während er mit strömendem Gefühle seine Hände ausstreckte und auf seine -Kniee fiel; und allmählig veränderte sich die Erscheinung, die scharfen -Dornen wurden zur Strahlenkrone, und im unbegreiflichen Glanze sah er -dasselbe Antlitz sich mitleidsvoll zu ihm neigen, und eine Stimme sagte: -»Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Stuhle zu -sitzen, wie Ich überwunden habe, und bin mit meinem Vater gesessen auf -seinem Stuhle.« - -Wie lange Tom so gelegen hatte, wußte er nicht. Als er wieder zu sich -kam, war das Feuer erloschen, seine Kleider von feuchtem Thaue -durchnäßt, aber der fürchterliche Seelenkampf war entschieden, und in -der Freude, welche ihn erfüllte, fühlte er nicht mehr Hunger, Kälte, -Erniedrigung, Widerwärtigkeit und Elend. Aus tiefster Seele schied er in -jener Stunde von jeder Hoffnung dieses Lebens, und brachte seinen -eigenen Willen als ein williges Opfer dem Unendlichen dar. Tom sah auf -zu den stillen, ewigen Sternen, den Sinnbildern der Engelsschaaren, die -immer auf den Menschen herabschauen; und die Einsamkeit der Nacht -wiederhallte von den Siegesworten eines Lobgesanges, welchen er oft in -glücklicheren Tagen gesungen, aber nie mit einem solchen Gefühle wie -jetzt: - - »Die Erde wird wie Schnee zergehn, - Die Sonne nicht mehr scheinen; - Doch Gott, der mich hier ließ entstehn, - Wird sich mit mir vereinen.« - - »Und wenn dies ird'sche Leben flieht, - Und Fleisch und Sinn vergehn, - Der Engel Schaar mich jenseits zieht, - Wo Fried und Freude wehn.« - - »Und wenn zehntausend Jahr wir da - Hell scheinend wie die Sonn', - So sing'n wir noch Halleluja, - Wie einst auf Erden schon.« - -Wer vertraut ist mit der Religionsgeschichte der Sklavenbevölkerung, -wird wissen, daß Verhältnisse gleich denen, welche wir erzählt haben, -sehr gewöhnlich unter ihnen sind. Wir haben von ihren eigenen Lippen -einige der rührendsten und ergreifendsten Züge gehört. Der -Seelenforscher erzählt uns von einem Zustande, in welchem die Bewegungen -und Bilder des Gemüths so herrschend und übermächtig werden, daß sie die -äußeren Sinne in ihren Dienst zwingen, und diese den inneren Gebilden -eine erkennbare Gestalt verleihen. Wer kann ermessen, was ein -alldurchdringender Geist mit diesen Fähigkeiten unserer sterblichen -Natur wirken, oder wie er die verzagenden Seelen der Untröstlichen -ermuthigen kann? Wenn der arme, vergessene Sklave glaubt, daß Jesus ihm -erschienen sei und mit ihm geredet habe, wer wird ihm widersprechen? -Sagte er nicht, daß seine Sendung zu allen Zeiten sei, »zu heilen, die -zerstoßenen Herzens sind, zu predigen den Zerschlagenen, daß sie frei -und ledig sein sollen.« - -Als das dunkle Grau der Morgendämmerung die Schläfer erweckte, hinaus -auf das Feld zu gehen, da war einer unter jenen zerlumpten und -schauernden Unglücklichen, der mit frohlockendem Schritte einherging, -denn fester, als der Boden, welchen er betrat, war sein starker Glaube -an die allmächtige, ewige Liebe. Ach, Legree! versuche jetzt alle Deine -Kräfte! Völlige Seelenangst, Wehe, Erniedrigung, Mangel und Verlust von -Allem werden nur den Proceß beschleunigen, der ihn zum König und -Priester Gottes weiht! - -Von dieser Zeit an umgab ein unverletzbarer Kreis des Friedens das -demüthige Herz des Bedrückten -- ein immer gegenwärtiger Erlöser weihte -es zu einem Tempel. Vorüber ist nun das Bluten irdischen Schmerzes, -vorüber seine schwankende Hoffnung und Furcht, sein schwankendes -Verlangen -- der menschliche Wille gebeugt und blutend, und lange -ringend, war nun ganz in dem göttlichen aufgegangen. So kurz schien -jetzt die übrige Lebensreise -- so nahe, so lebendig der ewige Segen -- -daß des Lebens äußerstes Weh harmlos an ihm vorüberging. - -Alle bemerkten die Veränderung in seiner Erscheinung. Heiterkeit und -Freudigkeit schien in ihn zurückzukehren, und eine Ruhe, welche keine -Kränkung oder Beleidigung stören konnte, schien ihn zu beherrschen. - -»Was der Teufel ist in den Tom gefahren?« sagte Legree zu Sambo. »Vor -einiger Zeit war er ganz wie stumm, und jetzt ist er vergnügt wie ein -Heimchen.« - -»Weiß nicht, Master, will vielleicht fortlaufen.« - -»Möchte ihn das versuchen sehen,« sagte Legree mit wildem Grinsen; -»nicht wahr, Sambo?« - -»Ja, ich glaube! Ha! ha!« sagte der schwarze Gnom, indem er -dienstpflichtig lachte. »O Herr, der Spaß! Ihn im Schlamme stecken, -durch die Büsche jagen und reißen zu sehen, die Hunde an den Fersen! -Herr, ich lachte, daß ich dachte, ich sollte platzen, damals, als wir -Molly fingen. Ich dachte, sie hätten ihr alles Zeug vom Leibe gerissen, -ehe ich sie von ihr kriegen konnte. Sie hat noch immer die Male von dem -Spasse.« - -»Ich glaube, sie wird sie mit ins Grab nehmen,« sagte Legree. »Aber -jetzt, Sambo, pass' auf! Wenn der Neger dergleichen im Schilde hat, -stelle ihm ein Bein.« - -»Herr, laßt mich dafür sorgen!« sagte Sambo. »Ich will den Affen -fangen.« - -Das wurde gesprochen, als Legree auf sein Pferd stieg, um zur -benachbarten Stadt zu reiten. Als er jenen Abend zurückkehrte, fiel es -ihm ein, sein Pferd umzudrehen und um die Hütten zu reiten und zu -sehen, ob Alles in Ordnung sei. - -Es war eine prächtige Mondnacht; die Schatten der schönen -Pomeranzenbäume lagen scharf gezeichnet auf den Rasen, und es herrschte -jene durchsichtige Stille in der Luft, deren Störung unheilig erscheint. -Als Legree in geringer Entfernung von den Hütten war, hörte er eine -Stimme singen. Es war kein gewöhnlicher Gesang, und er hielt deshalb an, -um zu horchen. Eine klangvolle Tenorstimme sang: - - »Wenn ich mein Recht klar lesen kann - Auf himmlischen Besitz, - So kommt mich keine Furcht mehr an, - Und scheu' ich nicht der Hölle Blitz.« - - »Und ringt mit Erdenlust mein Geist - Und fliegt der Hölle Pfeil, - Mein Heiland, Satan von mir weist, - Und schützt mein Seelenheil.« - - »Kömmt Sorge wie 'ne Sündfluth an, - Und Unglücksstürme wehn, - Komm ich doch nicht von meiner Bahn, - Die kann ich deutlich sehn.« - -»So! ha!« sagte Legree bei sich, »denkt er das wirklich? Wie ich diese -verfluchten Methodistenlieder hasse! Her! Nigger!« sagte er, indem er -plötzlich auf Tom zukam und seine Reitpeitsche in die Höhe hob, »wie -kannst Du Dich unterstehen, diesen Lärm hier zu machen, wenn Du zu Bette -sein mußt? Halt Deinen alten schwarzen Rachen und packe Dich fort!« - -»Ja, Master,« sagte Tom mit bereitwilliger Freundlichkeit, als er sich -erhob, um heimzugehen. - -Legree war auf's Aeußerste gereizt durch Toms sichtliche Glückseligkeit; -er ritt an ihn heran und bearbeitete ihn mit Schlägen über Kopf und -Schultern. - -»Da, Hund,« sagte er, »sieh zu, ob Dir danach noch immer so wohl ist!« - -Aber die Schläge fielen jetzt nur auf den äußern Menschen und nicht, wie -zuvor, auf das Herz. Tom stand völlig unterwürfig da; und doch konnte -sich Legree nicht verhehlen, daß seine Macht über seinen Leibeigenen -aufgehört hatte. Als Tom in seiner Hütte verschwand, und er sein Pferd -herumwarf, durchzuckte sein Herz plötzlich einer jener lebendigen -Blitze, welche oft das Licht des Gewissens durch die dunkle, ruchlose -Seele senden. Er fühlte deutlich, daß es Gott sei, der zwischen ihm und -seinem Opfer stand, und er lästerte ihn. Jener unterwürfige und stille -Mensch, den weder Hohn, noch Drohungen, weder Streiche, noch -Grausamkeiten stören konnten in der Ruhe des Gemüthes, erweckte eine -Stimme in ihm, wie sie vor Alters sein Herr erweckte in der besessenen -Seele, die da sagte: »Ach Jesu, Du Sohn Gottes, was haben wir mit Dir zu -thun? Bist Du gekommen, uns zu quälen, ehe denn es Zeit ist?« - -Toms ganzes Herz floß über von Mitleid und Theilnahme für die armen -Elenden, von welchen er umringt war. Ihm schien es, als wenn sein -Lebenskummer noch nicht vorüber sei, und als wenn er aus jenem seltsamen -Schatze von Frieden und Freude, mit dem er von Oben begnadigt worden -war, etwas zur Erleichterung ihres Elends ausgießen müsse. Die -Gelegenheit war freilich selten; aber auf dem Wege in die Felder und -wieder zurück, und während den Arbeitsstunden bot sich ihm die -Gelegenheit dar, den Müden, Verzagten und Kleinmüthigen eine hülfreiche -Hand zu reichen. Die armen, ausgemergelten entmenschten Geschöpfe -konnten das anfangs kaum begreifen; als es aber wöchentlich und -monatlich fortgesetzt wurde, begann es endlich, Saiten, die lange -geschwiegen, in ihren erstarrten Herzen anzuschlagen. Allmählig und -unmerkbar begann der seltsame, stille, geduldige Mensch, der immer -bereit war, Jedermanns Bürde zu tragen, und von Niemanden Hülfe -verlangte -- der Allen den Platz räumte, und zuletzt kam und zuletzt -nahm, jedoch der Erste war, das Wenige, was er hatte, mit Jedem zu -theilen, der es bedurfte -- der Mensch, welcher in kalten Nächten seine -zerrissene Decke willig zur Bequemlichkeit einer Frau hergab, die an -Frost oder Krankheit litt; welcher im Felde die Körbe der Schwächern -füllte, in der furchtbaren Gefahr, in seinem eigenen Maße zu kurz zu -kommen -- und welcher, obgleich mit unablässiger Grausamkeit von ihrem -gemeinschaftlichen Tyrannen verfolgt, nie mit einem Worte in die -Schmähungen und Flüche einstimmte, welche man über jenen ausstieß -- -dieser Mensch begann zuletzt eine seltene Gewalt über seine Umgebung zu -erlangen; und als die drängende Erntezeit vorüber war, und sie den -Sonntag wieder zu ihrer eigenen Benutzung frei hatten, sammelten sich -Manche um ihn, um von ihm über Jesus zu hören. Sie hätten sich gern -irgendwo versammelt, um zu hören, zu beten und zu singen, aber Legree -wollte das nicht erlauben und störte solche Versuche öfters mit Fluchen -und rohen Verwünschungen, so daß die gesegneten Worte unter den -Einzelnen von Munde zu Munde gehen mußten. Wer kann jedoch die einfache -Freude schildern, womit einige dieser armen Verstoßenen, für die das -Leben eine freudenleere Reise zu einer unbekannten, finstern Zukunft -war, von einem mitleidigen Erlöser und einer himmlischen Heimath hörten? -Missionäre versichern, daß keine Menschenrace der Erde das Evangelium -mit so eifriger Gelehrigkeit empfangen hat, wie die afrikanische. Das -Princip des zuversichtlichen Vertrauens und zweifellosen Glaubens, der -seine Grundlage bildet, ist bei diesem Stamme mehr, als bei jedem andern -natürlich vorhanden; und man hat oft unter ihnen gefunden, daß ein -zerstreutes Samenkorn der Wahrheit, von einem Lüftchen des Zufalls in -das unwissendste Herz gelegt, Frucht getragen hat, deren Reichthum das -mit höherer Bildung begabte beschämt hat. - -Die arme Mulattin, deren einfältiger Glaube fast zerdrückt und -zerschmettert worden war durch die Lawine von Grausamkeit und Unrecht, -welche sie überschüttet hatte, fühlte ihre Seele gehoben von den -Gesängen und Stellen der heiligen Schrift, welche dieser demüthige -Missionar von Zeit zu Zeit in ihr Ohr hauchte, wenn sie zur Arbeit -gingen oder davon zurückkehrten; und selbst der halb zerrüttete und -irregehende Geist Cassy's wurde besänftigt und beruhigt durch seinen -schlichten und ungesuchten Einfluß. - -Zu Wahnsinn und Verzweiflung von den zermalmenden Martern ihres Lebens -getrieben, hatte Cassy oft in ihrer Seele eine Stunde der Vergeltung -beschlossen, in der ihre Hand an ihrem Unterdrücker alle Ungerechtigkeit -und Grausamkeit rächen sollte, zu deren Zeugin er sie gemacht oder -welche ^sie^ in ihrer eigenen Person geduldet hatte. - -In einer Nacht, nachdem Alles in Toms Hütte in Schlaf gesunken war, -wurde derselbe plötzlich erweckt, indem er ihr Gesicht an einer Oeffnung -zwischen den Balken gewahrte, die als Fenster diente. Sie winkte ihm -schweigend, herauszukommen. - -Tom trat zur Thür hinaus. Es war zwischen ein und zwei Uhr Morgens -- -heller, ruhiger, stiller Mondschein. Als das Mondlicht auf Cassy's -große, schwarze Augen fiel, gewahrt' er, daß darin ein wilder, -eigenthümlicher Glanz leuchtete, ungleich ihrer gewöhnlichen, starren -Verzweiflung. - -»Komm her, Vater Tom,« sagte sie, indem sie ihre kleine Hand auf sein -Handgelenk legte, und ihn mit einer Kraft, als wenn die Hand von Stahl -wäre, fortzog; »komm her -- ich habe Neuigkeiten für Euch.« - -»Was, Misse Cassy?« sagte Tom ängstlich. - -»Tom, möchtest Du nicht gern Deine Freiheit haben?« - -»Ich werde sie haben, Misse, »zur Zeit Gottes,«« sagte Tom. - -»Ja, aber Du kannst sie diese Nacht noch haben,« sagte Cassy mit einem -Strahl plötzlichen Feuers. »Komme!« - -Tom zögerte. - -»Komm'!« sagte sie flüsternd, indem sie ihre schwarzen Augen auf ihn -heftete. »Komm mit mir! Er schläft -- fest. Ich habe genug in seinen -Brandwein gethan, um ihn so zu erhalten. Ich wollte, ich hätte mehr -gehabt; dann hätte ich Dich nicht gebraucht. Aber komm, die Hinterthür -ist unverschlossen; dort ist eine Axt; ich habe sie dahingelegt -- seine -Stubenthür ist offen, ich will Dir den Weg zeigen. Ich hätte es selbst -gethan; aber meine Arme sind zu schwach. Komm! komm!« - -»Nicht für zehntausend Welten, Misse!« sagte Tom fest, indem er still -stand und sie zurückhielt, als sie vorwärts drängte. - -»Aber denke doch an alle diese armen Geschöpfe,« sagte Cassy. »Wir -könnten sie alle in Freiheit setzen und irgendwo in die Sümpfe gehen und -eine Insel finden und für uns leben; ich habe gehört, daß es schon -geschehen ist. Jedes Leben ist besser als dieß.« - -»Nein!« sagte Tom fest. »Nein! Nie entsteht Gutes aus Bösem. Ich wollte -mir lieber die rechte Hand abhacken!« - -»Dann will ^ich^ es thun,« sagte Cassy, indem sie sich umdrehte. - -»O, Misse Cassy!« sagte Tom, indem er sich vor sie niederwarf, »um des -lieben Herrn willen, der für Euch gestorben ist, verkauft nicht so Eure -kostbare Seele dem Teufel. Nichts als Böses kommt davon. Der Herr hat -uns nicht zu Zorn berufen. Wir müssen leiden und seine Zeit erwarten.« - -»Erwarten!« sagte Cassy. »Habe ich nicht gewartet -- gewartet, bis mein -Kopf schwindelig und mein Herz krank geworden ist? Was hat er mich -dulden lassen? Was hat er Hunderte von armen Geschöpfen leiden lassen? -Preßt er nicht das Lebensblut aus Euch? Ich bin berufen! Man ruft mich! -Seine Zeit ist gekommen, und ich will sein Herzblut haben!« - -»Nein, nein, nein!« sagte Tom, indem er ihre kleinen Hände festhielt, -die sie mit krampfhafter Gewalt geballt hatte. »Nein, arme, verlorne -Seele, das dürft Ihr nicht. Der liebe Herr vergoß kein anderes Blut, als -sein eigenes, und das vergoß er für uns, als wir seine Feinde waren. -Herr, hilf uns in Deine Fußstapfen zu treten und unsere Feinde zu -lieben!« - -»Lieben!« sagte Cassy mit einem grimmigen Blick, »^solche^ Feinde -lieben! Fleisch und Blut kann das nicht.« - -»Nein, Fräulein,« sagte Tom, indem er aufsah; »aber ^Er^ gibt es uns, -und das ist der ^Sieg^. Wenn wir lieben und beten können über Alles -und durch Alles, so ist der Kampf vorüber und der Sieg ist da -- -gepriesen sei Gott!« Und mit strömenden Augen und erstickender Stimme -schaute der schwarze Mensch zum Himmel auf. - -Und dies, Afrika! -- zuletzt berufen unter allen Völkern, berufen zur -Dornenkrone, zur Geißel, dem blutigen Schweiße, dem Kreuze des -Todeskampfes -- dies soll ^Dein^ Sieg sein; dadurch sollst Du mit -Christus herrschen, wenn sein Königreich kommen wird auf Erden. - -Die tiefe Gluth von Tom's Gefühlen, seine sanfte Stimme, seine Thränen -fielen wie Thau auf den wilden, unstäten Geist der unglücklichen Frau. -Ein sanfter Ausdruck sammelte sich um das düstere Feuer ihres Auges; sie -blickte nieder, und Tom konnte fühlen, wie die Muskeln ihrer Hand -nachließen, als sie sagte: - -»Habe ich Dir nicht gesagt, daß böse Geister mich verfolgten? O, Vater -Tom, ich kann nicht beten. Ich wollte, ich könnte. Ich habe nie gebetet, -seitdem meine Kinder verkauft wurden! Was Du sagst, muß wahr sein -- -ich weiß, es muß; aber wenn ich zu beten versuche, kann ich nur hassen -und fluchen. Ich kann nicht beten!« - -»Arme Seele!« sagte Tom mitleidig. »Satan möchte Euch gerne haben und -wie Waizen sieben. Ich bete für Euch zum Herrn. O, Miß Cassy, wendet -Euch zu dem lieben Herrn Jesus. Er ist gekommen, die zerstoßenen Herzens -sind, zu heilen und die Trauernden zu trösten.« - -Cassy stand still, während große, schwere Thränen aus ihren -niedergeschlagenen Augen tropften. - -»Misse Cassy,« sagte Tom mit zögernder Stimme, nachdem er sie einen -Augenblick stillschweigend mit den Blicken gemessen, »wenn Ihr nur von -hier fortkommen könntet, wenn es nur möglich wäre -- ich möchte Euch und -Emmeline rathen, es zu thun, das heißt, wenn ihr ohne Blutschuld gehen -könntet, nicht anders.« - -»Wolltest Du es mit uns versuchen, Vater Tom?« - -»Nein,« sagte Tom; »es gab eine Zeit, wo ich gewollt hätte; aber der -Herr hat mir ein Werk aufgetragen unter diesen armen Seelen, und ich -will mit ihnen stehen und mein Kreuz mit ihnen tragen bis zum Ende. Es -ist etwas Anderes mit Euch: für Euch ist es eine Falle -- es ist mehr, -als Ihr tragen könnt; und Ihr solltet lieber gehen, wenn Ihr könnet.« - -»Ich kenne keinen Weg, als durch das Grab,« sagte Cassy. »Es giebt kein -Thier, keinen Vogel, der nicht irgendwo eine Heimath finden könnte, -selbst die Schlangen und die Alligators haben ihre Orte, wo sie sich in -Ruhe niederlegen können; aber wir haben keinen Ort. Unten in den -dunkelsten Sümpfen werden uns ihre Hunde aufjagen. Alles und Alles ist -gegen uns, selbst die Thiere nehmen Partei gegen uns, -- und wohin -sollen wir uns wenden?« - -Tom stand stille; endlich sagte er: - -»Er, der Daniel in der Löwengrube errettete -- der die Kinder im -feurigen Ofen bewahrte -- der auf der See wandelte und dem Winde Stille -gebot -- er lebt noch; und ich habe den Glauben an ihn, daß er Euch -befreien kann. Versucht es, und ich will mit aller Kraft für Euch -beten.« - -Nach welchem Gesetz des Geistes geschieht es, daß eine Idee, die lange -unbeachtet gewesen ist, und wie ein unnützer Stein mit Füßen getreten -worden ist, plötzlich in neuem Lichte aufflammt, wie ein neu entdeckter -Edelstein! - -Cassy hatte oft stundenlang alle möglichen und wahrscheinlichen -Fluchtpläne überlegt und alle als hoffnungslos und unausführbar bei -Seite gelegt; aber in diesem Augenblick flog ein Plan durch ihre Seele, -so einfach und leicht ausführbar in allen seinen Einzelnheiten, um -augenblickliche neue Hoffnung zu erwecken. - -»Vater Tom, ich will es versuchen!« sagte sie plötzlich. - -»Amen!« sagte Tom. »Der Herr helfe Euch!« - - - - -Neununddreißigstes Kapitel. - -Der Kunstgriff. - - Der Gottlosen Weg ist dunkel, und sie wissen - nicht, wo sie fallen werden. - - -Der Boden des Hauses, welches Legree bewohnte, war, wie die meisten -anderen Böden, ein großer, öder Platz, staubig, mit Spinneweben behangen -und mit verbrauchtem Gerölle überstreut. Die reiche Familie, welche das -Haus in den Tagen seines Glanzes bewohnte, hatte viel glänzendes -Hausgeräth hineingebracht, wovon sie einen Theil mit sich weggenommen -hatte, während ein anderer verlassen in modernden, unbewohnten Zimmern -stehen geblieben, oder an diesen Ort aufgehäuft worden war. Ein oder -zwei sehr große Kisten, in denen dies Geräth gebracht worden war, -standen an den Seiten des Bodens. Es befand sich dort ein kleines -Fenster, welches durch seine schmutzigen, staubigen Scheiben ein -dürftiges, ungewisses Licht auf die hohen Stühle und staubigen Tische -fallen ließ, die einst bessere Tage gesehn hatten. Im Ganzen war es ein -gespenstiger, unheimlicher Ort; aber so geisterhaft er war, fehlte es -ihm doch nicht an Sagen unter den abergläubischen Negern, seine -Schrecknisse zu erhöhen. Wenige Jahre vorher, war eine Negerin, welche -Legrees Mißvergnügen erregt hatte, mehrere Wochen lang dort -eingeschlossen worden. Wir sagen nicht, was dort geschah; die Neger -pflegten es sich einander zuzuflüstern; aber es war bekannt, daß der -Leichnam des unglücklichen Geschöpfes eines Tages von dort -heruntergebracht und beerdigt wurde; und darauf hieß es, daß -Verwünschungen und Flüche und der Schall heftiger Schläge, vermischt mit -Klagen und Stöhnen der Verzweiflung durch die alte Bodenkammer zu -schallen pflegten. Als einst Legree zufällig etwas der Art hörte, -gerieth er in heftige Leidenschaft, und schwor, daß der Nächste, welcher -Geschichten von dieser Bodenkammer erzähle, Gelegenheit haben solle, zu -erfahren, was darin vorgänge, denn er wolle ihn eine Woche lang dort in -Ketten legen. Dieser Wink reichte hin, um alles weitere Gespräch darüber -zu unterdrücken, obgleich er natürlich den Glauben an die Wahrheit der -Geschichte nicht verminderte. - -Allmählig wurde die Treppe, welche zu der Oberstube führte, und selbst -der Gang zu jener Treppe, von jedermann im Hause gemieden, da jeder -davon zu sprechen fürchtete, und die Sage kam allmälig in Vergessenheit. -Plötzlich war es Cassy eingefallen, von der abergläubischen -Erregbarkeit, welche bei Legree so stark war, zum Zwecke ihrer Befreiung -und der ihrer Mitdulder Gebrauch zu machen. - -Cassy's Schlafzimmer war gerade unter dem Boden. Eines Tages begann sie -plötzlich, ohne Legree dabei zu Rathe zu ziehen, mit bedeutendem -Aufsehen alles Geräth und Zubehör ihres Zimmers nach einem andern in -beträchtlicher Entfernung davon schaffen zu lassen. Die Unterbedienten, -welche Auftrag erhalten hatten, diesen Umzug zu bewerkstelligen, rannten -und lärmten umher mit großem Eifer und viel Verwirrung, als Legree -gerade von einem Ritte zurückkam. - -»Hallo! Cass'!« sagte Legree, »was ist hier im Werke?« - -»Nichts; ich bin nur gesonnen, ein anderes Zimmer zu haben,« sagte Cassy -mürrisch. - -»Und warum denn das?« sagte Legree. - -»Weil mir's beliebt,« sagte Cassy. - -»Und weßhalb denn, zum Teufel?« - -»Ich möchte gern zuweilen ein Bischen Schlaf haben.« - -»Schlaf! gut, warum kannst Du denn nicht schlafen?« - -»Ich glaube, ich kann es Euch sagen, wenn Ihr es hören wollt,« sagte -Cassy trocken. - -»Heraus damit, Mensch!« sagte Legree. - -»O! Nichts. Es wird Euch vermutlich nicht stören. Nichts als Stöhnen und -Balgen und Umherrollen auf dem Boden die halbe Nacht hindurch, von Zwölf -bis zum Morgen.« - -»Leute auf dem Boden?« sagte Legree mit Unbehagen, sich jedoch zum -Lachen zwingend. »Wer ist es, Cassy?« - -Cassy schlug ihre scharfen, schwarzen Augen auf und sah Legree mit einem -Ausdrucke in's Gesicht, der ihm durch Mark und Bein ging, als sie sagte: -»Wahrhaftig, Simon, wer es ist? Ich wollte gern, daß ^Ihr^ es mir -sagtet. Ihr wißt 's vermuthlich nicht!« - -Legree schlug fluchend mit der Reitpeitsche nach ihr, aber sie schlüpfte -auf die Seite, eilte zur Thüre hinaus und sagte, indem sie -zurückschaute: »Wenn Ihr in jenem Zimmer schlafen wollt, erfahrt Ihr -Alles. Vielleicht versucht Ihr 's lieber selbst!« Und dann machte sie -sogleich die Thür zu und verschloß dieselbe. - -Legree tobte und fluchte, und drohte die Thür einzuschlagen, besann sich -aber sichtlich eines Bessern und ging unruhig in sein Wohnzimmer. Cassy -bemerkte, daß der Pfeil den rechten Fleck getroffen hatte, und von jener -Stunde an hörte sie mit der ausgezeichnetsten Geschicklichkeit nie mehr -auf, die Einwirkungen, welche sie begonnen, fortzusetzen. - -In einem Astloche auf dem Boden hatte sie einen alten Flaschenhals so -angebracht, daß wenn der geringste Wind war, jammervolle und traurige -Klagetöne daraus hervorgingen, welche bei einem starken Winde zu -völligen Schreien anwuchsen, so daß es leichtgläubigen und in -Aberglauben befangenen Ohren leicht scheinen konnte, als wenn sie -Schreckens- und Verzweiflungs-Laute hörten. - -Jene Töne, welche die Dienerschaft von Zeit zu Zeit hörte, erweckten die -Erinnerung an die alte Gespenstergeschichte in voller Kraft. Eine -abergläubische Furcht schien das ganze Haus zu beschleichen, und -obgleich sie Niemand gegen Legree äußern durfte, fand er sich doch davon -wie von einem Dunstkreise umgeben. - -Niemand ist so durchaus abergläubisch, als der Gottlose. Der Christ ist -gesammelt im Glauben an einen weisen, Alles beherrschenden Vater, -dessen Gegenwart die unbekannten Räume mit Licht und Ordnung erfüllt; -aber einem Menschen, welcher Gott verläugnet, ist das Geisterland in der -That, mit den Worten des hebräischen Dichters zu reden, »ein Land der -Dunkelheit und der Schatten des Todes,« ohne jede Ordnung und ohne -Licht. Leben und Tod sind für ihn gespenstige Gebiete, angefüllt mit -Koboldgestalten und drohenden Schatten. - -Bei Legree waren die schlummernden moralischen Elemente durch sein -Zusammentreffen mit Tom geweckt worden -- geweckt, nur um Widerstand an -der entschlossenen Kraft des Bösen zu finden; aber dennoch lag eine -Mahnung an die finstere, innere Welt in jedem Worte, jedem Gebete oder -Liede, und rief abergläubische Furcht hervor. - -Der Einfluß Cassy's auf ihn war eigenthümlicher Art. Sie war sein -Eigenthum und er ihr Tyrann und Quäler. Sie war, wie sie wußte, ganz und -ohne jede Möglichkeit von Hülfe oder Rettung in seinen Händen, und doch -ist es so, daß selbst der roheste Mann nicht in beständigem Verkehr mit -einem starken, weiblichen Einflusse leben kann, ohne in hohem Grade -davon beherrscht zu werden. Als er sie kaufte, war sie, wie wir sie -haben sagen hören, ein wohlerzogenes Frauenzimmer, und er zermalmte sie, -ohne Gewissensbisse, unter seinen thierischen Füßen. Als aber die Zeit, -erniedrigende Einflüsse und Verzweiflung das weibliche Gefühl in ihr -abgestumpft, und die Gluthen wilder Leidenschaften in ihr erwacht waren, -war sie seine Geliebte geworden und er quälte und fürchtete sie -wechselsweise. - -Dieser Einfluß war plagender und entschiedener geworden, seit -theilweiser Wahnsinn allen ihren Worten und ihrer ganzen Sprache einen -fremden, spukhaften und unstäten Anstrich gegeben hatte. - -Ein oder zwei Abende später saß Legree in dem alten Wohnzimmer bei einem -flackernden Holzfeuer, das einen ungewissen Schein im Zimmer umher warf. -Es war eine stürmische Regennacht, eine solche, die ganze Schaaren -unbeschreibbarer Töne und Laute in baufälligen alten Häusern erweckt. -Fenster rasselten, Laden schlugen auf und zu, der Wind lärmte, und fuhr -den Schornstein herab, und peitschte dann und wann Rauch und Asche -umher, als wenn eine Legion Geister hinter ihm käme. Legree hatte ein -Paar Stunden lang Rechnungen geprüft und Zeitungen gelesen, während -Cassy in der Ecke saß und mürrisch in das Feuer sah. Legree legte die -Papiere hin und da er ein altes Buch auf dem Tische liegen sah, welches -er Cassy im ersten Theile des Abends hatte lesen sehen, nahm er es auf -und begann darin zu blättern. Es war eine jener Sammlungen von -Geschichten blutiger Morde, Gespenstern und übernatürlichen -Erscheinungen, welche in ihrem rohen Gewande und mit Kupfern verziert, -einen eigenthümlichen Reiz für den haben, der sie einmal zu lesen -anfängt. - -Legree sagte wiederholt: Pah! und Pfui! las aber zu, indem er Blatt auf -Blatt umkehrte, bis er endlich, nachdem er eine gute Strecke -hineingelesen, das Buch mit einem Fluche wegwarf. - -»Du glaubst nicht an Geister, Cassy, nicht wahr?« sagte er, indem er die -Zange nahm und das Feuer schürte. »Ich dachte, Du hättest mehr Verstand, -als Dich von solchem Lärm in Furcht jagen zu lassen.« - -»Es kommt nichts darauf an, was ich glaube,« sagte Cassy mürrisch. - -»Auf der See pflegten die Kerle zu versuchen, mir mit ihren Geschichten -bange zu machen,« sagte Legree. »Mich übertölpelt Keiner auf die Art. -Ich bin zu fest für dergleichen Plunder, das kann ich Dir sagen.« - -Cassy saß im Schatten der Ecke und schaute ihn mit durchdringenden -Blicken an. Es war jenes seltsame Licht in ihren Augen, das auf Legree -immer einen unheimlichen Eindruck machte. - -»Der Lärm war nichts als Ratten und Wind,« sagte Legree. »Ratten machen -einen Teufelslärm. Ich habe sie zuweilen unten im Schiffsraume gehört; -und Wind -- um Gottes Willen! man kann Alles aus Wind machen.« - -Cassy wußte, daß es Legree unter ihrem Blicke nicht wohl war, und sie -antwortete deßhalb nicht, sondern fuhr fort, den Blick auf ihn zu heften -mit demselben seltsamen, unheimlichen Ausdruck wie vorher. - -»Sprich doch, Weib -- nicht wahr?« sagte Legree. - -»Können Ratten die Treppe heruntergehen, durch die Halle kommen und die -Thür aufmachen, wenn man sie zugeschlossen und einen Stuhl davor gesetzt -hat?« sagte Cassy; »und gerade auf das Bett kommen, und ihre Hand -ausstrecken, so?« - -Cassy heftete ihr blitzendes Auge auf Legree, als sie so sprach, und er -starrte sie an, wie ein Mensch unter Alpdrücken, bis er, als sie damit -endete, daß sie ihre eiskalte Hand auf die seine legte, mit einem Fluche -zurücksprang. - -»Weib! Was willst Du? Es war Niemand!« - -»O, nein -- natürlich -- sagte ich, es war Jemand?« sagte Cassy mit -einem Lächeln kalten Hohnes. - -»Aber -- hast Du wirklich gesehen? Komm', Cass', was ist es? Sprich!« - -»Ihr könnt selbst da schlafen,« sagte Cassy, »wenn Ihr es wollt.« - -»Kam es vom Boden herunter, Cassy?« - -»Es -- was?« sagte Cassy. - -»Nun, wovon Du sprachst.« - -»Ich habe Euch Nichts gesagt,« sagte Cassy mit finsterem Tone. - -Legree schritt unruhig im Zimmer auf und ab. - -»Ich will das heraushaben. Ich will diesen Abend noch untersuchen. Ich -nehme meine Pistolen --« - -»Das thut,« sagte Cassy; »schlaft in dem Zimmer. Ich wollte, Ihr thätet -es. Schießt mit den Pistolen -- thut's!« - -Legree stampfte mit dem Fuße und fluchte gewaltig. - -»Flucht nicht,« sagte Cassy; »Niemand weiß, wer Euch hören kann. Horcht! -Was war das?« - -»Was?« sagte Legree zurückfahrend. - -Eine schwerfällige, alte, holländische Uhr, welche in einem Winkel der -Stube stand, hob an und schlug langsam Zwölf. - -Aus einem oder dem andern Grunde sprach Legree weder, noch bewegte er -sich; ein unbestimmtes Grauen befiel ihn; während Cassy, mit einem -scharfen, spöttischen Glanze im Auge, ihn ansah und die Schläge zählte. - -»Zwölf Uhr; gut, ^nun^ wollen wir sehen,« sagte sie, indem sie sich -umdrehte und die Thür nach dem Gange öffnete, wie um zu lauschen. - -»Horcht! Was ist das?« sagte sie, indem sie den Finger aufhob. - -»Es ist bloß der Wind,« sagte Legree. »Hörst Du nicht, wie verdammt er -bläst.« - -»Simon, kommt her,« sagte Cassy flüsternd, indem sie ihre Hand auf die -Seinige legte und ihn an den Fuß der Treppe führte; »wißt Ihr, was das -ist? Horcht!« - -Ein wilder Schrei schallte die Treppe herunter. Er kam aus dem Boden. -Legree's Beine schlotterten; sein Gesicht wurde weiß vor Furcht. - -»Wollt Ihr nicht lieber Eure Pistolen zur Hand nehmen?« sagte Cassy mit -einem Hohn, der Legree's Blut erstarren ließ. »Jetzt ist's Zeit, es zu -untersuchen. Ich dächte, Ihr ginget jetzt hinauf; ^jetzt sind sie -dran!^« - -»Ich gehe nicht!« sagte Legree mit einem Fluche. - -»Warum nicht? So etwas wie Geister gibt es nicht, wisset Ihr! Vorwärts!« -und Cassy schlüpfte die Wendeltreppe hinauf, lachend nach ihm -zurückblickend. »Kommt doch!« - -»Ich glaube, Du bist der Teufel!« sagte Legree. »Komm zurück, Hexe -- -komm zurück, Cass'! Du sollst nicht gehen.« - -Aber Cassy lachte wild und flog weiter. Er hörte sie die Thür öffnen, -welche zum Boden führte. Ein heftiger Windstoß fegte herunter und -löschte das Licht aus, welches er in der Hand hielt, und dabei hörte er -furchtbares, gräßliches Geschrei, was gerade in sein Ohr hinein zu -kreischen schien. - -Legree floh außer sich in das Wohnzimmer, wohin ihm in Kurzem Cassy -folgte, blaß, ruhig, kalt wie ein Rachegeist und mit demselben -furchtbaren Feuer im Auge. - -»Ihr seid hoffentlich befriedigt,« sagte sie. - -»Hol' Dich der Teufel, Cass'!« sagte Legree. - -»Warum?« sagte Cassy. »Ich ging bloß hinauf und schloß die Thür zu. Was -denkt Ihr, ^daß das zu bedeuten hat auf der Bodenkammer^, Simon?« -sagte sie. - -»Das geht Euch nichts an!« sagte Legree. - -»Nicht? Nun,« sagte Cassy, »ich bin jedenfalls froh, daß ich nicht -darunter schlafe.« - -Cassy, die vorhergesehen hatte, daß sich diesen Abend ein Sturm erheben -werde, war oben gewesen und hatte das Bodenfenster geöffnet. Natürlich -hatte im Augenblick, als die Thür aufgemacht wurde, der Wind nach unten -hin Zug verursacht und das Licht ausgelöscht. - -Dies kann als Probe des Spiels dienen, welches Cassy mit Legree trieb, -bis er eher seinen Kopf in des Löwen Rachen gesteckt, als die -Bodenkammer untersucht hätte. - -Inzwischen hatte Cassy bei Nacht, wenn Alles schlief, langsam und -sorgfältig daselbst eine Niederlage von Lebensmitteln angelegt, die -hinreichend war, um eine Zeit lang Nahrung zu gewähren, und sie brachte -einen großen Theil ihrer und Emmelinens Kleidung stückweise dahin. Als -Alles angeordnet war, wartete sie nur auf eine passende Gelegenheit, -ihren Plan in Ausführung zu bringen. - -Indem Cassy Legree schmeichelte und einzelne gutmüthige Momente -benutzte, hatte sie denselben bewogen, sie mit sich zur benachbarten -Stadt zu nehmen, welche dicht am »Red River« lag. Mit einem zu fast -übernatürlicher Helle geschärften Gedächtnisse merkte sie jede Wendung -des Weges und berechnete im Geiste die Zeit, welche erforderlich sei, -denselben zurückzulegen. - -Da jetzt Alles zum Handeln reif ist, so schauen unsere Leser vielleicht -gern hinter den Vorhang, um den endlichen _coup d'état_ selbst mit -anzusehen. - -Es war gegen Abend. Legree war auf ein benachbartes Gut geritten. -Mehrere Tage war Cassy ungewöhnlich gnädiger und gefälliger Laune -gewesen; und Legree war scheinbar auf dem besten Fuße mit ihr. Jetzt -sehen wir sie und Emmeline in dem Zimmer der Letzteren emsig -beschäftigt, zwei Bündelchen zu schnüren. - -»Da, die werden groß genug sein,« sagte Cassy. »Nun setz Deinen Hut auf -und laß uns fort: 's ist gerade die rechte Zeit.« - -»Aber, sie können uns noch sehen,« sagte Emmeline. - -»Das sollen sie gerade,« sagte Cassy kaltblütig. »Weißt Du nicht, daß -sie auf jeden Fall Jagd auf uns machen müssen? Die Sache muß -folgendermaßen gehen. Wir stehlen uns aus der Hinterthür und laufen nach -den Hütten hinunter. Sambo und Quimbo sehen uns gewiß. Sie machen Jagd -und wir machen uns in die Sümpfe; dann können sie uns nicht weiter -folgen, bis sie hinaufgehen und Lärm machen, und die Hunde loslassen und -so weiter; und während sie umherstolpern und über einander fallen, wie -sie es immer machen, schleichen wir den Bach entlang, der hinter dem -Hause fließt, und waten darin fort, bis wir an die Hinterthür kommen. -Die Hunde verlieren dadurch die Spur, denn das Wasser hält keine -Witterung. Alle werden zum Hause hinaus laufen, um nach uns zu sehen, -und dann schlüpfen wir zur Hinterthür hinein und hinauf in die -Bodenkammer, wo ich ein hübsches Bett in einer von den großen Kisten -zurecht gemacht habe. Wir müssen dort eine gute Weile bleiben; denn ich -sage Dir, er wird Himmel und Erde nach uns aufbieten. Er wird einige -alte Aufseher an den andern Pflanzungen zusammenbringen und eine große -Hetze halten; und sie werden jedes Fleckchen in dem Sumpfe durchsuchen. -Er setzt seinen Stolz darein, daß ihm nie Einer hat entkommen können. So -laß ihn denn nach Belieben jagen.« - -»Cassy, wie gut Ihr das angelegt habt!« sagte Emmeline. »Niemand als Ihr -hätte das ausgedacht!« - -Es lag weder Vergnügen, noch Frohlocken in Cassy's Augen -- nur eine -verzweifelte Festigkeit. - -»Komm',« sagte sie, Emmeline die Hand gebend. - -Die beiden Flüchtlinge schlichen geräuschlos aus dem Hause, und eilten -durch die zunehmenden Schatten des Abends an den Hütten entlang. Der -Mond, der wie eine silberne Sichel am westlichen Himmel stand, verschob -ein wenig das Herannahen der Nacht. Wie Cassy erwartet hatte, hörten -sie, als sie den Sümpfen ganz nahe waren, welche die Pflanzung -einschlossen, eine Stimme ihnen Halt! zurufen. Es war indeß nicht Sambo, -sondern Legree, der sie mit heftigen Verwünschungen verfolgte. Bei dem -Tone brach der schwächere Geist Emmelinens zusammen: und indem sie sich -an Cassy's Arm hielt, sagte sie: »O, Cassy, ich werde ohnmächtig!« - -»Geschieht das, so tödte ich Dich!« sagte Cassy, indem sie einen kleinen -schimmernden Dolch zog, und vor den Augen des Mädchens blitzen ließ. - -Die Drohung entsprach dem Zwecke. Emmeline wurde nicht ohnmächtig, und -es gelang ihr, sich mit Cassy in einen Theil des Sumpflabyrinths zu -stürzen, welches so tief und dunkel war, daß Legree an ein Verfolgen -derselben ohne Hülfe nicht denken konnte. - -»Gut,« sagte er, indem er ein viehisches Gelächter aufschlug, »nun sind -sie in der Falle -- das Pack. Sie sind jetzt sicher genug; sollen mir -dafür schwitzen.« - -»Holla, da! Sambo! Quimbo! Kommt Alle her!« rief er, die Quartiere -erreichend, als die Leute gerade von der Arbeit kamen. »Da sind zwei -Ausreißer in den Sümpfen. Ich gebe dem Nigger, der sie fängt, fünf -Dollar. Laßt die Hunde los. Laßt Tiger, Furie und alle andern los!« - -Diese Nachricht brachte sogleich große Aufregung hervor. Viele sprangen -eifrig herbei, um ihre Dienste anzubieten, entweder in der Hoffnung -einer Belohnung oder aus jener kriechenden Bereitwilligkeit, welche eine -der kläglichsten Wirkungen der Sklaverei ist. Einige rannten dahin, -Andere dorthin. Einige suchten nach Kienfackeln; Andere ließen die Hunde -los, deren heiseres, wildes Gebell nicht wenig zur Belebung der Scene -beitrug. - -»Herr, sollen wir auf sie schießen, wenn wir sie nicht fangen können?« -sagte Sambo, dem sein Herr eine Büchse gebracht hatte. - -»Du kannst auf Cassy feuern, wenn Du willst; es ist Zeit, daß sie zum -Teufel geht, wohin sie gehört; aber nicht auf die Dirne,« sagte Legree. -»Und nun, Jungen, seid hurtig und flink. Fünf Dollar für den, der sie -fängt, und ein Glas Brandwein Jedem von Euch!« - -Die ganze Bande begab sich nun, unter leuchtendem Fackelschein, mit -Geschrei und Gebrüll, und wildem Getöse von Menschen und Thieren, hinab -zum Sumpfe, während in einiger Entfernung alle übrigen Sklaven folgten. -Das ganze Haus war folglich verlassen, als Cassy und Emmeline auf dem -hintern Wege wieder hineinschlüpften. Das Schreien und Rufen ihrer -Verfolger erfüllte noch die Luft: und Cassy und Emmeline konnten von den -Fenstern des Wohnzimmers aus den Trupp sehen, wie er sich mit den -Fackeln am Sumpfe vertheilte. - -»Sieh da!« sagte Emmeline, indem sie Cassy drauf aufmerksam machte: »die -Jagd hat angefangen! Sieh, wie diese Lichter umhertanzen! Horch! die -Hunde! Hörst Du nicht? Wären wir dort, so wäre unser Spiel keinen -Picayune werth. O, um Gottes Willen, wir wollen uns verstecken. -Schnell!« - -»Es hat keine Eile,« sagte Cassy kalt, »Alles ist auf der Jagd -- das -ist das Abendvergnügen! Wir gehen bald hinauf. Indessen,« sagte sie, -indem sie bedächtig einen Schlüssel aus der Tasche eines Rockes nahm, -den Legree in der Eile abgeworfen hatte, »inzwischen will ich etwas -nehmen, um die Reisekosten zu decken.« - -Sie schloß das Pult auf und nahm eine Rolle Anweisungen heraus, welche -sie schnell überzählte. - -»O, laßt uns das nicht thun!« sagte Emmeline. - -»Nicht?« sagte Cassy, »warum nicht? Sollen wir in den Sümpfen -verhungern, oder das nehmen, was unsere Reise in die freien Staaten -bezahlen wird. Mit Geld richtet man Alles aus, Mädchen.« Und indem sie -dies sagte, steckte sie das Geld in den Busen. - -»Das ist Stehlen,« flüsterte Emmeline ängstlich. - -»Stehlen!« sagte Cassy mit verächtlichem Gelächter. »Wer Leib und Seele -stiehlt, braucht uns keine guten Lehren zu geben. Jede dieser -Anweisungen ist gestohlen -- gestohlen von armen, verhungerten, elenden -Geschöpfen, die zuletzt zu seinem Besten zum Teufel gehen müssen. Laß -^ihn^ vom Stehlen sprechen! Aber komm', wir können nun ebenso gut auf -die Bodenkammer gehen; ich habe da einen Vorrath von Lichtern und -einige Bücher, um uns die Zeit zu vertreiben. Du kannst ganz ruhig -sein, daß sie ^dahin^ nicht kommen, um uns zu suchen; und wenn sie's -thun, so will ich ihnen den Geist spielen.« - -Als Emmeline die Bodenkammer erreichte, fand sie daselbst eine ungeheure -Kiste, in der früher irgend ein schweres Möbelstück hierher gebracht -worden war, auf die Seite gelegt, so daß die Oeffnung gegen die Wand -oder vielmehr das Dach gekehrt war. Cassy steckte eine kleine Lampe an, -und beide krochen unter dem Dache herum und ließen sich in der Kiste -nieder. Es befanden sich darin ein Paar kleine Matratzen und einige -Kissen, und ein in der Nähe stehender Kasten enthielt einen reichlichen -Vorrath von Lichtern, Lebensmitteln und allen zu ihrer Reise nöthigen -Kleidungsstücken, welche Cassy in Bündelchen von erstaunlich kleinem -Umfange gepackt hatte. - -»Da,« sagte Cassy, als sie die Lampe an einen kleinen Haken hing, -welchen sie zu dem Zwecke in die Seite der Kiste getrieben hatte; »dies -soll für jetzt unsere Heimath sein. Wie gefällt sie Dir?« - -»Seid Ihr gewiß, daß sie nicht kommen und die Dachstube durchsuchen?« - -»Ich möchte Simon Legree das thun sehen,« sagte Cassy. »Nein, -wahrhaftig; er ist zu froh, daß er wegbleiben kann. Was die Dienstboten -anbetrifft, so würde Jeder von ihnen sich lieber todt schießen lassen, -als sich hier zeigen.« - -Etwas beruhigt ließ sich Emmeline auf ihre Kissen nieder. - -»Was wolltet Ihr damit sagen, Cassy, daß Ihr mich umzubringen drohtet?« -sagte sie arglos. - -»Ich wollte Dich verhindern, ohnmächtig zu werden,« sagte Cassy, »und es -gelang mir. Und jetzt sage ich Dir, Emmeline, Du mußt Dich entschließen, -^nicht^ ohnmächtig zu werden, komme, was da wolle; das ist ganz und -gar nicht nöthig. Wenn ich Dich nicht davon abgehalten hätte, so wärst -Du jetzt schon in den Händen jenes Elenden.« - -Emmeline schauderte. - -Beide schwiegen. Cassy beschäftigte sich mit einem französischen Buche, -und Emmeline, von Erschöpfung übermannt, schlummerte ein und schlief -einige Zeit. Plötzlich wurde durch sie lautes Schreien und Rufen, durch -Getrampel von Pferden und Bellen von Hunden erweckt, und fuhr mit einem -leisen Schrei empor. - -»Die Jagdpartie kommt nun zurück,« sagte Cassy kalt; »fürchte nichts. -Schau' durch dieses Astloch. Kannst Du sie nicht Alle unten sehen? Simon -muß es für diesen Abend aufgeben. Sieh', wie schmutzig sein Pferd ist, -wie mißmuthig die Hunde aussehen. Ach, mein guter Herr, Ihr müßt die -Hetze wieder und wieder versuchen -- das Wild ist nicht da.« - -»O, sprecht nicht!« sagte Emmeline; »wie, wenn man Euch hörte?« - -»Wenn sie irgend etwas hören sollten, so würden sie sich nur um so mehr -vorsehen, von hier weg zu bleiben,« sagte Cassy. »Keine Gefahr; wir -können so viel Lärm machen, als wir wollen, und es wird nur um so mehr -Wirkung haben.« - -Endlich legte sich die Stille der Mitternacht über das Haus, und Legree, -sein Unglück verfluchend, und schreckliche Rache für den folgenden Tag -gelobend, ging zu Bette. - - - - -Vierzigstes Kapitel. - -Der Märtyrer. - - Glaub nicht den Guten vom Himmel vergessen, - Wenn auch das Leben ihm Alles verweigert, -- - Wenn mit gebrochenem, blutenden Herzen, - Unter Hohn und Verachtung er langsam stirbt; - Denn Gott hat jeden Kummer verzeichnet, - Und jede bittre Thräne gezählt; - Und lange Jahre himmlischen Segens - Zahlen, was seine Kinder geduldet. - - -Der längste Tag muß sein Ende haben -- auf die früheste Nacht folgt ein -Morgen. Ein ewiger, unerbittlicher Verlauf von Augenblicken treibt immer -den Tag des Bösen zur ewigen Nacht, und die Nacht des Gerechten zu einem -ewigen Tage. Wir sind mit unserem demüthigen Freunde so weit durch das -Thal der Sklaverei gewandelt; erst durch blumige Gefilde der Ruhe und -Gemächlichkeit, dann durch die herzzerreißende Trennung von Allem, was -den Menschen theuer ist. Dann haben wir mit ihm auf einem sonnigen -Eilande verweilt, wo edle Hände seine Ketten unter Blumen verbargen; und -zuletzt sind wir ihm dahin gefolgt, wo der letzte Strahl irdischer -Hoffnung verschwand, und haben gesehn, wie in der Finsterniß irdischer -Macht die Feste des Ungesehenen mit Sternen eines neuen und -bedeutungsvollen Glanzes schimmerte. - -Der Morgenstern steht nun über den Gipfeln der Berge, und überirdische -Winde und Lüfte verkünden, daß die Pforten des Tages sich öffnen. - -Die Flucht Cassy's und Emmelinen's reizte die vorher schon mürrische -Stimmung Legree's im höchsten Grade; und, wie zu erwarten war, fiel -seine Wuth auf das vertheidigungslose Haupt Tom's. Als er seinen Leuten -hastig die Neuigkeit mittheilte, glänzten Tom's Augen, und er hob seine -Hände empor. Das entging ihm nicht. Er sah, daß er sich dem Aufgebot der -Verfolger nicht anschloß, und dachte darauf, ihn dazu zu zwingen; aber -da er schon von früher her Erfahrungen über seine Unbeugsamkeit hatte, -wenn ihm befohlen wurde, Theil an einer Grausamkeit zu nehmen, so wollte -er sich jetzt in seiner Eile nicht dadurch aufhalten lassen, daß er -einen Streit mit ihm anfing. - -Tom blieb also mit einigen Wenigen zurück, die von ihm beten gelernt -hatten, und flehte mit ihnen für das Entkommen der Flüchtlinge zum -Himmel. - -Als Legree getäuscht und betrogen zurückkehrte, fing der ganze Haß, der -ihm schon lange gegen seinen Sklaven in der Seele arbeitete, an, eine -tödtliche und verzweifelte Gestalt anzunehmen. Hatte ihm der Mann nicht -getrotzt -- hartnäckig, mächtig, unwiderstehlich -- seit dem er ihn -gekauft hatte! War nicht ein Geist in demselben, der, wenn auch -schweigend, ihn wie Feuer der Verdammniß brannte! - -»Ich ^hasse^ ihn!« sagte Legree in jener Nacht, als er sich in seinem -Bette aufrichtete; »ich ^hasse^ ihn! Und gehört er nicht mir? Kann ich -mit ihm nicht machen, was ich will? Es soll mich doch wundern, wer 's -mir wehren will?« Und Legree ballte die Faust und schüttelte sie, als -wenn er etwas in der Hand hätte, das er in Stücke brechen wollte. - -Aber Tom war doch ein treuer, werthvoller Diener; und obgleich Legree -ihn deßhalb um so mehr haßte, so war diese Rücksicht doch immer noch -etwas, das ihn in Schranken hielt. - -Er beschloß, am nächsten Morgen noch nichts zu sagen; sondern eine -Gesellschaft von den benachbarten Pflanzungen mit Hunden und Flinten zu -versammeln, den Sumpf zu umstellen und die Jagd systematisch zu -betreiben. Wenn es gelänge, gut; wenn nicht, so wollte er Tom vor sich -fordern, und ^dann^ -- er knirschte mit den Zähnen und sein Blut -siedete -- ^dann^ wollte er den Burschen niederbrechen, oder -- und -seine Seele antwortete auf ein gräßliches innerliches Geflüster. - -Man sagt, daß der ^Vortheil^ des Herrn ein hinreichender Schutz für -den Sklaven sei. In der Wuth des tollen Willens verkauft der Mensch -wissentlich und mit offnen Augen seine eigne Seele dem Teufel, um zu -seinem Zwecke zu gelangen; und wird er für seines Nächsten Leib mehr -Sorge tragen? - -»Nun,« sagte Cassy am nächsten Tage, als sie von der Dachkammer aus -durch das Astloch spähte, »die Jagd wird heute wieder anfangen!« - -Drei bis vier Reiter galoppirten auf dem Platze vor dem Hause umher; und -mehrere Koppeln fremder Hunde sträubten sich gegen die Neger, welche -dieselben hielten, und bellten sich einander an. - -Zwei der Leute waren Aufseher in benachbarten Pflanzungen; die Andern -gehörten zu Legree's Genossen in der Schenke einer benachbarten Stadt, -welche der Reiz der Jagd hergezogen hatte. Eine rohere Rotte konnte man -sich nicht vorstellen. Legree schenkte Brandwein im Ueberflusse unter -sie wie unter die Neger aus, welche von verschiedenen Pflanzungen zu -dieser Dienstleistung gestellt worden waren, denn es war Gebrauch, jeden -derartigen Dienst für die Neger so viel als möglich zu einem Festtage zu -machen. - -Cassy legte das Ohr an das Astloch; und da die Morgenluft gerade auf das -Haus zu wehte, so konnte sie ziemlich viel von der Unterhaltung hören. -Ein tiefer Hohn lagerte sich über dem dunkeln, strengen Ernst ihres -Antlitzes, als sie horchte und hörte, wie sie das Feld vertheilten, die -verschiednen Vorzüge der Hunde abhandelten, Befehle in Betreff des -Feuerngebens und der Behandlung einer Jeden im Falle des -Gefangennehmens. - -Cassy zog sich zurück; sie schaute mit gefalteten Händen empor und -sagte: »O, großer, allmächtiger Gott! Wir sind ^alle^ Sünder; aber was -haben ^wir^ mehr, als die übrige Welt verbrochen, daß wir so behandelt -werden?« - -Es lag ein furchtbarer Ernst in ihrem Antlitz und ihrer Stimme, als sie -sprach. - -»Wenn es nicht für Dich wäre, Kind,« sagte sie, auf Emmeline blickend, -»^ginge^ ich zu ihnen hinaus; und würde es dem Dank wissen, der mich -^niederschöße^; denn was kann mir die Freiheit helfen? Kann sie mir -meine Kinder wieder geben, oder mich wieder dazu machen, was ich war?« - -Emmeline in ihrer kindlichen Einfalt fürchtete sich fast vor der -finstern Stimmung Cassy's. Sie sah bestürzt aus und gab keine Antwort. -Sie ergriff blos ihre Hand mit einer sanften, liebkosenden Bewegung. - -»Nicht doch!« sagte Cassy, indem sie dieselbe zurückzuziehen versuchte; -»Du willst mich zwingen, Dich lieb zu haben; aber ich will nichts wieder -lieben!« - -»Arme Cassy!« sagte Emmeline, »hegt nicht solche Gefühle! Wenn Gott uns -die Freiheit schenkt, schenkt er Euch auch vielleicht Eure Tochter -wieder. Ich weiß, ich werde meine arme, alte Mutter nicht wieder sehen! -Ich will Euch lieben, Cassy, gleichviel, ob Ihr mich auch liebt oder -nicht!« - -Der sanfte, kindliche Geist siegte. Cassy setzte sich zu ihr nieder, -legte den Arm um ihren Nacken, und strich ihr sanft das braune Haar; da -erstaunte Emmeline über die Schönheit ihrer prachtvollen Augen, die nun -sanft schimmerten unter Thränen. - -»O, Em!« sagte Cassy, »ich habe nach meinen Kindern gehungert und nach -ihnen gedurstet, und meine Augen sind trübe geworden vom Ausschauen nach -ihnen! Hier! hier!« sagte sie, an ihre Brust schlagend, »ist Alles -verödet und leer! Wenn Gott mir meine Kinder wiedergäbe, dann könnte ich -beten.« - -»Ihr müßt auf ihn vertrauen, Cassy,« sagte Emmeline; »er ist unser -Vater!« - -»Sein Zorn lastet auf uns,« sagte Cassy, »er hat sich im Zorn von uns -gewendet.« - -»Nun, Cassy! Er wird noch gütig gegen uns sein! Laßt uns auf ihn -hoffen,« sagte Emmeline; -- »ich habe immer Hoffnung gehabt.« - - * * * * * - -Die Jagd währte lange; sie wurde sehr lebhaft und gründlich ausgeführt, -aber blieb erfolglos, und Cassy schaute mit ernstem, höhnischem -Frohlocken auf Legree hinab, als er müde und verdrießlich vom Pferde -stieg. - -»Nun, Quimbo,« sagte Legree, als er sich im Wohnzimmer niederstreckte, -»geh und bring den Tom hier herauf, sogleich! Der alte Schuft steckt -hinter der ganzen Geschichte; und ich will es aus seinem alten schwarzen -Fell heraus haben; oder den Grund wissen!« - -Sambo und Quimbo, obgleich sie sich einander haßten, stimmten doch -vollkommen in einem nicht weniger herzlichen Haß gegen Tom überein. -Legree hatte ihnen gleich Anfangs gesagt, daß er ihn gekauft habe, um -einen Oberaufseher in seiner Abwesenheit aus ihm zu machen; und dies -hatte bei ihnen einen Groll erregt, welcher in ihren erniedrigten und -knechtischen Naturen noch zunahm, als sie sahen, daß er bei ihrem Herrn -in Mißgunst fiel. Quimbo ging deßhalb bereitwillig fort, um seine -Befehle in Ausführung zu bringen. - -Tom hörte die Botschaft mit ahnendem Herzen; denn er kannte den ganzen -Plan von dem Entweichen der Flüchtlinge; und den Ort ihres -gegenwärtigen Verstecks. Er kannte den wilden Charakter des Mannes, mit -dem er zu thun hatte, und dessen grausame Gewalt. Aber er fühlte sich -stark in Gott, lieber dem Tode zu begegnen, als die Hülflosen zu -verrathen. - -Er setzte seinen Korb in die Reihe nieder, blickte auf und sagte: »In -deine Hände befehle ich meinen Geist! Du hast mich erlöset, Gott der -Wahrheit!« und dann überließ er sich ruhig dem rohen, thierischen Griffe -womit ihn Quimbo packte. - -»Ja, ja!« sagte der Riese, als er ihn entlang schleppte, »wirst 's nun -kriegen! Will verdammt sein, wenn Master nicht grimmig wild ist! Hilft -nun kein Wegschleichen mehr! Ich sage Dir, Du wirst 's kriegen, das -steht fest! Nun sieh zu, was Du für ein Gesicht machen wirst, Masters -Nigger helfen davon zu laufen! Wirst's sehen, was Du kriegst!« - -Keines der wilden Worte erreichte sein Ohr -- eine höhere Stimme sagte -dann: »Fürchte Dich nicht vor denen, die den Leib tödten, und dann -nichts mehr thun können!« - -Diese Worte durchbebten Mark und Bein des Armen, wie vom Finger Gottes -berührt; und er fühlte die Kraft von tausend Seelen in einer. Als er -dahin schritt, schienen die Bäume und Büsche, die Hütten seiner -Knechtschaft, der ganze Schauplatz seiner Erniedrigung an ihm vorbei zu -fliegen, wie eine Landschaft an dahineilenden Wagen. Das Herz schlug ihm --- seine Heimath war ihm vor Augen -- und die Stunde der Erlösung schien -gekommen. - -»Nun, Tom,« sagte Legree, indem er auf ihn los ging, ihn grimmig am -Rockkragen packend und in rasender Wuth durch die Zähne sprechend, -»weißt Du, ich bin entschlossen, Du sollst sterben!« - -»So scheint es, Master,« sagte Tom ruhig. - -»^Ich habe^,« sagte Legree mit grimmiger, furchtbarer Ruhe, »^eben^ --- ^das^ -- ^gethan^, Tom, wenn Du mir nicht sagst, was Du von den -Mädchen weißt!« - -Tom schwieg. - -»Hörst Du?« sagte Legree, mit den Füßen stampfend und mit einem Gebrülle -wie das eines wüthenden Löwen. »Sprich!« - -»^Ich kann nichts sagen, Master,^« sagte Tom mit langsamem, festem und -bedächtigem Tone. - -»Wagst Du, mir zu sagen, alter, schwarzer Christ, Du ^weißt^ es -nicht?« sagte Legree. - -Tom antwortete nicht. - -»Rede!« donnerte Legree, indem er ihn wüthend schlug. »Weißt Du etwas -davon?« - -»Ich weiß was, Master, kann aber nichts sagen. ^Ich kann sterben!^« - -Legree holte tief Athem, nahm, seine Wuth unterdrückend, Tom beim Arme, -zog dessen Gesicht dicht an das seinige heran, und sagte mit -schrecklicher Stimme: »Höre, Tom -- Du denkst, weil ich Dich früher -losgelassen habe, 's ist nicht mein Ernst, was ich sage, aber diesmal -^bin ich entschlossen^, ich habe die Kosten berechnet. Du hast Dich -mir immer widersetzt -- jetzt will ich ^Dich unterwerfen oder -umbringen^! Eins oder 's Andre. Ich will jeden Tropfen Blut in Dir -zählen und einen nach dem andern abzapfen, bis Du nachgibst!« - -Tom sah zu seinem Herrn auf und antwortete: »Herr, wenn Ihr krank wärt -oder in Noth, oder am Tode, und ich könnte Euch retten, wollte ich Euch -gern mein Herzblut geben; und wenn es Eure köstliche Seele retten -könnte, daß Ihr jeden Blutstropfen nähmt, der in diesem armen, alten -Leibe ist, so wollte ich ihn willig geben, wie der Herr sein Blut für -mich gab. O, Master, ladet nicht diese große Sünde auf Euch! Es schadet -Euch mehr als mir! Thut das Schlimmste, was Ihr könnt, meine Noth wird -bald vorüber sein; aber wenn Ihr nicht bereut, wird Eure ^nie^ enden!« - -Gleich einem Accorde himmlischer Musik, nachdem sich der Sturm gelegt -hat, schuf dieser Ausbruch des Gefühls eine plötzliche Pause. Legree -stand erstaunt da, und sah Tom an; es herrschte eine so tiefe Stille, -daß man das Ticken der alten Uhr hören konnte, die mit stiller Berührung -dem verhärteten Herzen die letzten Augenblicke der Gnade und Prüfung -zumaß. - -Es war nur ein Augenblick. Eine Pause des Zögerns, der -Unentschlossenheit, des Widerstrebens, und der Geist des Bösen kehrte -mit siebenfacher Heftigkeit zurück; und Legree, schäumend vor Wuth, -schmetterte sein Opfer zu Boden. - - * * * * * - -Scenen von Blut und Grausamkeit sind verletzend für unser Ohr und unser -Herz. Was der Mensch den Muth hat zu thun, hat er oft nicht den Muth zu -hören. Was Mitmenschen und Mitchristen leiden müssen, lassen wir uns -selbst nicht in unsrer geheimsten Kammer erzählen; so sehr zerreißt es -unser Herz. Und doch, o! mein Vaterland! geschehen diese Dinge unterm -Schatten deiner Gesetze! O, Christ! Deine Kirche sieht es fast -schweigend! - -Aber vor alten Zeiten war einer, dessen Leiden ein Marterwerkzeug, ein -Werkzeug der Erniedrigung und Schande in ein Sinnbild des Ruhms und des -unsterblichen Lebens verwandelte; und wo sein Geist ist, können weder -erniedrigende Streiche, noch Blut, noch Hohn des Christen letzten Kampf -anders als glorreich machen. - -War er allein in jener langen Nacht, dessen edler, liebevoller Geist in -jenem alten Schuppen nicht verzagte unter Stößen und viehischen -Streichen? - -Nein! Neben ihm stand ^Einer^, nur von ihm gesehen, »gleich dem Sohne -Gottes.« - -Der Versucher stand auch neben ihm, verblendet durch seinen wüthenden, -despotischen Willen, jeden Augenblick in ihn dringend, diesem Todeskampf -durch den Verrath der Unschuldigen zu entgehen. Aber das brave treue -Herz stand fest auf dem ewigen Felsen. Wie sein Meister wußte er, daß -wenn er Andre rette, er sich selbst nicht retten könne; auch konnte die -äußerste Gewaltmaßregel ihm keine anderen Worte abzwingen, als die des -Gebetes und heiligen Vertrauens. - -»Er ist fast hin, Master,« sagte Sambo, wider Willen von der Geduld -seines Opfers gerührt. - -»Ausgezahlt, bis er nachgibt! Gieb 's ihm, gieb 's ihm!« brüllte Legree. -»Ich will ihm jeden Blutstropfen abzapfen, den er hat, wenn er nicht -gesteht.« - -Tom öffnete die Augen und sah seinen Herrn an. »Ihr armes, elendes -Geschöpf!« sagte er; »es gibt nichts mehr für Euch zu thun! Ich vergebe -Euch mit ganzem Herzen!« und er sank vollständig in Ohnmacht. - -»Ich glaube meiner Seele, 's ist aus mit ihm,« sagte Legree, indem er -herzutrat und ihn betrachtete. »Ja, 's ist aus! Nun, so ist ihm doch -wenigstens der Mund gestopft -- das ist ein Trost!« - -Ja, Legree; aber wer wird jene Stimmen in Deiner Seele zum Schweigen -bringen, -- jener Seele, ohne Reue, ohne Gebet, ohne Hoffnung, in -welcher das Feuer schon brennt, welches nie gelöscht werden wird. - -Tom war jedoch noch nicht ganz dahin. Seine wundervollen Worte und -frommen Gebete hatten die Herzen der entmenschten Schwarzen getroffen, -welche die Werkzeuge der an ihm verübten Grausamkeit gewesen waren; und -den Augenblick, als sich Legree zurückzog, nahmen sie ihn ab und suchten -ihn in ihrer Unwissenheit zum Leben zurückzurufen -- als wenn das eine -Wohlthat für ihn gewesen wäre. - -»Wir haben wahrhaftig 'was schrecklich Böses gethan!« sagte Sambo; »ich -hoffe, Master hat dafür Rechenschaft zu geben, -- nicht wir.« - -Sie wuschen seine Wunden -- bereiteten ihm ein rohes Bett von -schadhafter Baumwolle -- und Einer von ihnen schlich nach dem Hause und -erbat sich einen Schluck Brandwein von Legree, unter dem Vorgeben, daß -er ermattet sei und ihn für sich brauche. Er brachte denselben zurück -und flößte ihn Tom in den Mund. - -»O, Tom!« sagte Quimbo, »wir haben sehr schlecht gegen Dich gehandelt!« - -»Ich vergebe Euch mit ganzem Herzen!« sagte Tom mit schwacher Stimme. - -»O, Tom! sag uns, wer ^Jesus^ ist?« sagte Sambo, »-- Jesus, der die -ganze Nacht bei Dir gestanden hat! Wer ist 's?« - -Das Wort erweckte den sinkenden, ohnmächtigen Geist. Ueber seine Lippen -strömten einige kräftige Sprüche jenes Wunderbaren -- von seinem Leben, -seinem Tode, seiner ewigen Gegenwart, und seiner Macht zu erlösen. - -Sie weinten -- die beiden rohen Menschen. - -»Warum habe ich das noch nie gehört?« sagte Sambo; »aber ich glaube! -- -ich kann nicht anders! Herr Jesus, erbarme Dich unser.« - -»Arme Geschöpfe!« sagte Tom, »ich will gern Alles getragen haben, wenn -es Euch nur zu Christus bringt! O Gott! ich bitte Dich, gib mir nur noch -diese beiden Seelen!« - -Das Gebet wurde erhört. - - - - -Einundvierzigstes Kapitel. - -Der junge Master. - - -Zwei Tage darauf fuhr ein junger Mann in einem leichten Wagen durch die -Orangen-Allee herauf, warf die Zügel eilig auf die Rücken der Pferde, -sprang heraus und fragte nach dem Besitzer der Plantage. - -Es war Georg Shelby; und um zu zeigen, wie er hierher kam, müssen wir in -unsrer Geschichte zurück gehen. - -Der Brief Opheliens an Mrs. Shelby war durch einen unglücklichen Zufall -einen oder zwei Monate auf einer entlegenen Post liegen geblieben, ehe -er seine Bestimmung erreichte; und ehe er ankam, war Tom schon in den -fernen Sümpfen des Red River verschwunden. - -Mrs. Shelby las die Nachricht mit dem tiefsten Kummer; aber irgend ein -unmittelbares Handeln darauf hin war eine Unmöglichkeit. Sie war damals -am Krankenlager ihres Gatten beschäftigt, der in der heftigsten -Phantasie einer Fieberkrisis lag. Der junge Master, Georg Shelby, der -indessen aus einem Knaben ein großer, junger Mann geworden war, stand -ihr als beständiger und treuer Gehülfe zur Seite, und war ihre einzige -Stütze in der Leitung der Angelegenheiten seines Vaters. Miß Ophelie -hatte die Vorsicht gebraucht, den Namen des Anwalts zu melden, der die -Geschäfte der St. Clares betrieb; und das Einzige, was in dieser -Angelegenheit gethan werden konnte, war, schriftlich bei ihm anzufragen. -Der plötzliche Tod Mr. Shelby's wenige Tage nachher hatte natürlich eine -Menge dringender Geschäfte zur Folge, die alles Uebrige eine Zeit lang -in den Hintergrund drängten. - -Mr. Shelby hatte sein Vertrauen in die Geschicklichkeit seiner Gattin -dadurch an den Tag gelegt, daß er sie zur alleinigen Vollstreckerin des -letzten Willens ernannte; und so hatte sie augenblicklich eine Masse der -verwickeltesten Geschäfte zu ordnen. - -Mrs. Shelby unternahm mit der ihr eignen Entschlossenheit das Geschäft, -das verwickelte Netz dieser Angelegenheiten zu entwirren, und sie und -Georg waren eine Zeit lang mit dem Sammeln und Prüfen von Rechnungen, -dem Verkaufe von Vermögensstücken und der Berichtigung von Schulden -beschäftigt; denn Mrs. Shelby war entschlossen, daß Alles in eine klare -und übersichtliche Gestalt gebracht werden solle, möchten die Folgen -sein, welche sie wollten. Inzwischen empfingen sie ein Schreiben von dem -Anwalt, an welchen sie Ophelie gewiesen hatte, des Inhalts, daß ihm -nichts von der Angelegenheit bekannt sei; daß der Mann in öffentlicher -Versteigerung verkauft worden, und er daher von der Sache nur so viel -wisse, daß das Kaufgeld für denselben an ihn berichtigt worden sei. - -Weder Georg noch Mrs. Shelby konnten sich bei diesem Erfolge beruhigen, -und demgemäß beschloß der Letztere nach sechs Monaten, als er für seine -Mutter den Fluß hinab Geschäfte zu besorgen hatte, New-Orleans in Person -zu besuchen und die Nachforschungen weiter zu betreiben, in der -Hoffnung, Tom's Aufenthalt zu entdecken und ihn auszulösen. - -Nach einigen Monaten erfolglosen Nachsuchens traf Georg durch bloßen -Zufall in New-Orleans Jemanden, der zufällig die gewünschte Auskunft -geben konnte, und unser Held ging sofort mit dem Gelde in der Tasche auf -einem Dampfschiffe nach Red River ab, entschlossen, seinen alten Freund -aufzusuchen und wieder zu kaufen. - -Er wurde in das Haus geführt, wo er Legree im Wohnzimmer fand. - -Legree empfing den Fremden mit einer Art von mürrischer -Gastfreundlichkeit. - -»Ich höre,« sagte der junge Mann, »daß Ihr in New-Orleans einen -Burschen, Namens Tom, gekauft habt. Er war früher bei meinem Vater, und -ich bin gekommen, um zu sehen, ob ich ihn wieder kaufen könnte.« - -Legree's Stirn verdunkelte sich, und er brach heftig in die Worte aus: -»Ja, ich habe so einen Kerl gekauft, und habe dabei einen höllischen -Handel gemacht! Der aufrührerischste, frechste, unverschämteste Hund! -Hetzt meine Nigger auf, davon zu laufen, brachte zwei Mädchen weg, das -Stück acht hundert oder tausend Dollar werth. Er hat es eingestanden, -und als ich ihm befahl, zu sagen, wo sie wären, fuhr er auf und sagte, -er wisse es, wolle es aber nicht sagen, und blieb dabei, obgleich ich -ihm die höllischsten Hiebe geben ließ, die je ein Nigger bekommen hat. -Ich glaube, er wird wohl drauf gehn, weiß aber nicht, ob er schon damit -fertig ist.« - -»Wo ist er?« sagte Georg heftig. »Zeigt mir ihn!« Die Wangen des -Jünglings glühten und seine Augen sprühten Feuer; aber er beschloß, -nichts weiter zu sagen. - -»Er ist in jenem Schuppen,« sagte ein kleiner Bursche, der Georg's Pferd -hielt. - -Legree gab dem Knaben einen Fußtritt und stieß Flüche gegen ihn aus; -Georg aber drehte sich, ohne ein Wort weiter zu sagen, um, und schritt -auf den Ort zu. - -Tom hatte zwei Tage seit dem verhängnißvollen Abend da gelegen; nicht -leidend, denn jeder Nerv des Leidens war abgestumpft und zerstört. Er -lag meistens in einer ruhigen Betäubung; denn die Natur seines -gewaltigen und kräftigen Körpers wollte den gefesselten Geist nicht auf -einmal erlöschen. Es waren heimlich in der Nacht arme, trostlose -Geschöpfe da gewesen, die sich etwas von ihrer kurzen Ruhe entzogen, um -ihm einige der Liebesdienste zurückzuzahlen, mit denen er immer so -freigebig gewesen war. Wahrlich, diese armen Schüler hatten wenig zu -geben -- nur eine Schale kaltes Wasser; aber es wurde mit vollem Herzen -gegeben. - -Thränen waren auf das ehrliche, empfindungslose Gesicht gefallen -- -Thränen später Reue aus den Augen der armen, unwissenden Heiden, die -seine sterbende Liebe und Geduld zur Reue erweckt hatte, und bittere -Gebete waren über ihm zu einem spät gefundenen Heiland gehaucht worden, -von welchem sie kaum mehr als den Namen kannten, aber den das sehnende, -unwissende Herz des Menschen nie vergebens anruft. - -Cassy, die aus ihrem Versteck geschlichen war und durch Lauschen gehört -hatte, welches Opfer für sie und Emmeline gebracht war, hatte ihn, der -Gefahr der Entdeckung trotzbietend, in der vorigen Nacht besucht; und, -von den wenigen letzten Worten bewegt, welche die liebevolle Seele noch -Kraft zu hauchen hatte, war der lange Winter der Verzweiflung, das Eis -von Jahren aufgethaut, und das finstere, verzweifelnde Weib hatte -geweint und gebetet. - -Als Georg in den Schuppen trat, fühlte er seinen Kopf schwer und sein -Herz krank werden. - -»Ist es möglich? -- ist es möglich?« sagte er, indem er zu ihm -niederkniete. »Onkel Tom, mein armer, armer alter Freund!« - -Etwas in der Stimme drang zu dem Ohr des Sterbenden. Er bewegte sanft -den Kopf, lächelte und sagte: - - »Jesus macht ein Sterbebett - Weich wie Dunen-Kissen sind.« - -Aus des Jünglings Augen fielen Thränen, welche seinem männlichen Herzen -Ehre machten, als er sich über seinen armen Freund beugte. - -»O, lieber Onkel Tom! wach auf -- sprich noch einmal! Sieh auf! Hier ist -der junge Master Georg -- Dein kleiner junger Master Georg. Kennst Du -mich nicht?« - -»Der junge Master Georg!« sagte Tom, indem er die Augen öffnete, und mit -schwacher Stimme sprach, »der junge Master Georg!« Er blickte ihn -verwirrt an. - -Allmählig schien der Gedanke seine Seele zu erfüllen; das irre Auge -wurde stätiger und heller, das ganze Antlitz klärte sich auf, die harten -Hände falteten sich und Thränen rannen seine Wangen hinab. - -»Gelobt sei Gott! es ist -- es ist -- es ist Alles, was ich wollte! Sie -haben mich nicht vergessen. Es wärmt mein Herz; es macht meinem alten -Herzen Freude! Nun will ich zufrieden sterben! Gepriesen sei Gott, o -meine Seele!« - -»Du sollst nicht sterben! Du ^darfst^ nicht sterben, oder nur daran -denken! Ich bin gekommen, Dich zu kaufen und nach Hause zu nehmen,« -sagte Georg mit stürmischer Heftigkeit. - -»O, Master Georg, Sie kommen zu spät. Der Herr hat mich gekauft und will -mich nach Hause nehmen -- und ich sehne mich, mit ihm zu gehen. Der -Himmel ist besser als Kentucky.« - -»O, stirb nicht! Es wird mich tödten! -- es wird mir das Herz brechen, -wenn ich daran denke, was Du gelitten hast -- und hier in diesem alten -Schuppen zu liegen! armer, armer Mensch!« - -»Sagen Sie nicht, armer Mensch!« sagte Tom feierlich. »Ich ^bin^ ein -armer Mensch ^gewesen^, aber das ist jetzt vorüber. Ich bin gerade in -der Pforte, und gehe zum Ruhme ein! O, Master Georg! ^Der Himmel ist -geöffnet!^ Ich habe den Sieg errungen! -- der Herr Jesus hat mir ihn -gegeben. Gepriesen sei sein Name!« - -Georg war tief ergriffen von der Kraft und dem Feuer, womit diese -abgebrochenen Sätze ausgestoßen wurden. Schweigend betrachtete er den -Sterbenden. - -Tom ergriff seine Hand und fuhr fort: -- »Sie müssen Chloe nichts davon -sagen, der armen Seele! wie Sie mich gefunden haben; es wäre so -schrecklich für sie. Sagen Sie ihr bloß, daß Sie mich gefunden haben, -als ich zur Herrlichkeit einging, und daß ich nicht hätte bleiben -können. Und sagen Sie ihr, der Herr habe bei mir gestanden überall und -immer und Alles leicht und schmerzlos gemacht. Und ach, die armen -Kinder, und das Kleine -- mein altes Herz ist ihretwegen lange -gebrochen. Sagen Sie Allen, daß Sie mir folgen -- mir folgen! Grüßen Sie -Master freundlich und die liebe, gute Missis und Jedermann auf dem Gute! -Sie wissen nicht! 's ist mir, als liebte ich sie Alle! Ich liebe jedes -Geschöpf, überall -- 's ist ^nichts^ als Liebe! O, Master Georg! was -ist 's doch, wenn man ein Christ ist!« - -Diesen Augenblick trat Legree an die Thür des Schuppens, sah hinein mit -verdrießlicher Miene und affektirter Gleichgültigkeit, und ging wieder -fort. - -»Der alte Satan!« sagte Georg in seinem Unwillen. »'s ist ein Trost zu -glauben, daß der Teufel ihn dafür bald bezahlen wird.« - -»O, nicht doch! -- oh, das müssen Sie nicht!« sagte Tom, indem er seine -Hand ergriff; »er ist ein armes, elendes Geschöpf 's ist schrecklich -daran zu denken! O, wenn er nur bereuen könnte, Gott würde ihm noch -immer vergeben; aber ich fürchte, er wird es niemals.« - -»Ich hoffe, er wird nicht!« sagte Georg. »Ich möchte ^ihn^ nicht im -Himmel sehen.« - -»Still, Master Georg! das thut mir weh. Denken Sie nicht so. Er hat mir -kein wirkliches Leid gethan -- mir nur die Thore des Himmelreichs -geöffnet; das ist Alles!« - -In diesem Augenblick schwand die plötzliche Kraft, welche die Freude, -seinen jungen Herrn wiederzusehen, dem Sterbenden eingeflößt hatte. Eine -plötzliche Ohnmacht befiel ihn; er schloß die Augen; und jener -geheimnißvolle und erhabene Wechsel kam über sein Antlitz, der das Nahen -einer andern Welt verkündete. - -Er begann mit langen und tiefen Zügen zu athmen; und seine breite Brust -hob sich schwer und sank. Der Ausdruck seines Gesichts war der eines -Ueberwinders. - -»Wer -- wer -- wer soll uns scheiden von der Liebe Christi?« sagte er -mit einer Stimme, die gegen sterbliche Schwäche ankämpfte; und sank -lächelnd in den tiefen Schlaf. - -Georg saß da wie von feierlichem Grauen gebannt. Der Ort schien ihm -heilig zu sein; und als er die leblosen Augen schloß und sich von dem -Todten erhob, erfüllte ihn nur der Gedanke -- den sein schlichter, alter -Freund ausgesprochen: »Was ist es doch, wenn man ein Christ ist!« - -Er wendete sich um, Legree stand mürrisch hinter ihm. - -Die Sterbescene hatte die natürliche Heftigkeit der jugendlichen -Leidenschaft gezügelt. Die Gegenwart des Menschen war Georg nur -widerlich und er fühlte nur das Verlangen, mit so wenig Worten wie -möglich von ihm abzukommen. - -Indem er sein scharfes, dunkles Auge auf Legree heftete, sagte er -einfach, indem er auf den Todten hindeutete: »Ihr habt Alles aus ihm -heraus, was Ihr habt herausbekommen können. Was soll ich Euch für den -Körper zahlen? Ich will ihn mit mir nehmen und anständig beerdigen.« - -»Ich verkaufe keinen todten Nigger,« sagte Legree finster. »Ihr könnt -ihn begraben, wo und wann Ihr wollt.« - -»Burschen,« sagte Georg in einem befehlenden Tone zu zwei oder drei -Negern, welche um den Leichnam standen, »helft mir ihn zu meinem Wagen -tragen; und verschafft mir einen Spaten.« - -Einer von ihnen lief nach einem Spaten; die andern beiden halfen Georg -den Körper nach dem Wagen tragen. - -Georg sprach weder mit Legree, noch sah er denselben an; und dieser gab -keine Gegenbefehle, sondern stand pfeifend da mit der Miene erzwungener -Unbekümmertheit, und folgte ihnen trotzig zum Wagen, der am Thor stand. - -Georg breitete seinen Mantel im Wagen aus und legte den Körper -sorgfältig hinein, indem er den Sitz so ordnete, daß Platz gewonnen -wurde. Dann drehte er sich um, heftete das Auge auf Legree und sagte mit -erzwungener Ruhe: - -»Ich habe Euch noch nicht gesagt, was ich von dieser scheußlichen -Angelegenheit denke; dies ist nicht Zeit und Ort. Aber diesem -unschuldigen Blute muß Gerechtigkeit werden. Ich will diesen Mord -veröffentlichen. Ich werde zur nächsten Behörde gehen und Euch -anklagen.« - -»Das könnt Ihr!« sagte Legree, verächtlich mit den Fingern schnippend. -»Ich möchte das wohl sehen. Woher wollt Ihr Zeugen nehmen? -- Wie wollt -Ihr es beweisen? He?« - -Georg sah sogleich, wie wohl begründet dieses Trotzbieten war. Es war -kein Weißer am Orte; und in allen südlichen Gerichtshöfen hat das -Zeugniß der Farbigen keinen Werth. Ihm war in dem Augenblicke, als könne -er den Himmel zerreißen mit seines Herzens empörtem Rufe nach -Gerechtigkeit; aber vergebens. - -»Aber was für Geschrei um einen todten Nigger!« sagte Legree. - -Das Wort wirkte wie ein Funke in einer Pulverkammer. Vorsicht war nie -eine Haupttugend des Kentucky'schen Jünglings. Georg drehte sich um und -schmetterte mit einem wüthenden Schlage Legree zu Boden; und als er über -ihm stand, schäumend vor Zorn und Wuth, hätte er kein unpassendes Bild -seines großen Namensvetters abgegeben, wie derselbe über den Drachen -triumphirt. - -Einige Leute werden indeß entschieden dadurch gebessert, daß sie zu -Boden geschlagen werden. Wenn Jemand dieselben ehrlich und redlich in -den Staub streckt, scheinen sie sogleich Achtung vor ihm zu bekommen; -und Legree gehörte zu diesen. Als er sich daher erhob und den Staub von -seinen Kleidern strich, schaute er dem langsam sich entfernenden Wagen -mit sichtlicher Achtung nach; auch that er den Mund nicht eher auf, als -bis ihm derselbe aus dem Gesichte war. - -Jenseits der Grenzen der Pflanzung hatte Georg einen trockenen, sandigen -Hügel bemerkt, der von wenigen Bäumen beschattet war; dort gruben sie -das Grab. - -»Sollen wir den Mantel abnehmen, Herr?« sagten die Neger, als das Grab -fertig war. - -»Nein, nein: begrabt ihn damit. Es ist Alles, was ich Dir jetzt geben -kann, armer Tom, und Du sollst ihn haben.« - -Sie legten ihn hinein, und die Leute schaufelten ihn still zu. Sie -häuften einen Hügel auf und legten grüne Rasen darauf. - -»Ihr könnt nun gehen, Jungens,« sagte Georg, indem er jedem ein -Geldstück in die Hand drückte. Sie zögerten aber. - -»Wenn Master so gut sein wollte, uns zu kaufen --« sagte der Eine. - -»Wir wollten so treu dienen!« sagte der Andere. - -»Schlechte Zeiten hier, Master!« sagte der Erste. »Kauft uns doch, -Master, kauft uns!« - -»Ich kann nicht! -- Ich kann nicht,« sagte Georg mit schwerem Herzen, -indem er sie fortdrängte, »es ist unmöglich!« - -Die armen Kerle machten niedergeschlagene Gesichter und gingen -schweigend fort. - -»Bezeuge mir, ewiger Gott,« sagte Georg, indem er am Grabe seines armen -Freundes knieete, »o, bezeuge mir, daß ich von dieser Stunde an Alles -thun will, ^was ein Mensch kann^, um diesen Fluch der Sklaverei aus -meinem Vaterlande zu verbannen!« - -Kein Denkmal bezeichnet die letzte Ruhestätte unseres Freundes. Er -bedarf keines. Sein Gott weiß, wo er liegt, und wird ihn zur -Unsterblichkeit erwecken, um mit ihm zu erscheinen, wenn er in seiner -Herrlichkeit erscheinen wird. - -Bemitleide ihn nicht! Solch' ein Leben und Tod sind nicht zu -bemitleiden. Nicht in der Fülle von Allmacht ist der höchste Ruhm Gottes -zu finden, sondern in der selbstverleugnenden, duldenden Liebe. Und -gesegnet sind Die, welche er zur Gemeinschaft mit sich ruft, und ihr -Kreuz ihm nachtragen in Geduld. Von denen steht es geschrieben: -»Gesegnet sind die Traurigen, denn sie sollen getröstet werden.« - - - - -Zweiundvierzigstes Kapitel. - -Eine wirkliche Geistergeschichte. - - -Aus irgend einem besondern Grunde waren Geistergeschichten um diese Zeit -ungewöhnlich im Schwunge unter den Dienstboten auf Legree's Gute. - -Man flüsterte sich zu, daß Fußtritte um Mitternacht die Dachstubentreppe -herabgekommen und im Hause umher gehört worden seien. Vergebens hatte -man die Thüre des obern Einganges geschlossen; der Geist trug entweder -einen Nachschlüssel in der Tasche, oder bediente sich des unverjährbaren -Vorrechtes der Geister, durch das Schlüsselloch zu kommen, und ging nach -wie vor mit beunruhigender Freiheit im Hause umher. - -Die Ansichten waren einigermaßen getheilt über die Gestalt des Geistes, -nach der unter Negern -- und so viel wir wissen, auch unter Weißen -- -vorherrschenden Sitte, unveränderlich die Augen zu schließen, und den -Kopf unter der Bettdecke, Unterröcken, oder was sonst bei dergleichen -Gelegenheiten zum Schutze gebraucht zu werden pflegt, zu verbergen. - -Natürlich ist, wie Jedermann weiß, das geistige Auge besonders scharf -und durchdringend, sobald die leiblichen Augen außer Thätigkeit gesetzt -sind; und deshalb gab es eine Menge Portraits des Geistes in voller -Lebensgröße, die bezeugt und beschworen wurden, und, wie es oft mit -Portraiten der Fall ist, keine andre Aehnlichkeit mit einander hatten, -als die Familienähnlichkeit des ganzen Geistergeschlechts, -- ein weißes -Gewand. - -Sei dem wie ihm wolle, wir haben besondre Gründe, zu wissen, daß eine -große Figur in einem weißen Gewande allnächtlich zur echten -Geisterstunde um Legree's Wohnung schritt, durch Thüren ging, das Haus -umschlich, -- zuweilen verschwand, dann wieder erschien, und jene -einsame Treppe hinauf in den verrufenen Boden ging; und daß am nächsten -Morgen alle Thüren eben so fest verschlossen gefunden wurden, wie zuvor. - -Legree mußte nothwendig dies Geflüster hören, und es regte ihn um so -mehr auf, je mehr Mühe man sich gab, es ihm zu verhehlen. Er trank mehr -Brandwein, als gewöhnlich, trug seinen Kopf hoch und fluchte lauter als -jemals bei Tage. Aber er hatte böse Träume, und die Erscheinungen, die -sich an seinem Bette zeigten, waren nichts weniger als angenehm. Am -Abende, nachdem Tom's Leichnam fortgeschafft worden war, ritt er nach -der nächsten Stadt zu einem Zechgelage. Er kam spät und ermüdet nach -Hause, verschloß seine Thür, zog den Schlüssel aus, und ging zu Bett. - -Mag ein Mensch sich auch noch so viel Mühe geben, seine Seele -einzuschläfern, sie ist für einen bösen Menschen doch ein entsetzlich -gespenstiges Besitzthum. Wer kennt ihre Grenzen? Wer kennt alle ihre -Ahnungen, ihre Schauer, ihr Beben, die sie eben so wenig unterdrücken -kann, wie ihre eigne Ewigkeit überleben! Welcher Thor ist Derjenige, der -seine Thür verschließt, um Geister abzuhalten, und in seinem eignen -Busen einen Geist trägt, dem er nicht zu begegnen wagt, -- dessen -Stimme, obgleich unterdrückt durch Berge von Weltlichkeit, dennoch wie -die warnende Stimme des jüngsten Gerichtes ertönt! - -Aber Legree verschloß seine Thür, und setzte einen Stuhl davor; er -stellte seine Lampe zu Häupten des Bettes, und legte seine Pistolen -daneben. Er untersuchte den Verschluß der Fenster, und schwur dann, »daß -er sich nicht vor dem Teufel und allen seinen Engeln fürchte,« und legte -sich schlafen. - -Wohl, er schlief, denn er war müde, -- er schlief fest. Endlich aber -breitete sich über seinen Schlaf ein Schatten, ein Schrecken, eine -Ahnung von etwas Entsetzlichem, was über ihm schwebe. Er hielt es für -das Sterbehemd seiner Mutter, aber Cassy hielt es empor, und zeigte es -ihm. Er hörte ein verworrenes Geräusch von Schreien und Stöhnen; und -dennoch wußte er, daß er schlief, und bemühte sich, wach zu werden. -Endlich wurde er halb wach, und glaubte mit Bestimmtheit zu erkennen, -daß Etwas in sein Zimmer komme. Er wußte, daß die Thür offen war, aber -er konnte weder Hand noch Fuß rühren. Endlich wendete er sich mit einer -plötzlichen Anstrengung um. Die Thür war geöffnet, und er sah eine Hand -sein Licht auslöschen. - -Es war eine trübe, nebelige Mondnacht, und doch sah er es! -- etwas -Weißes, was herein schlich! Er hörte das leise Rauschen der gespenstigen -Gewänder. Es stand an seinem Bette still; -- eine kalte Hand berührte -die seinige; eine Stimme sagte dreimal in leisem, schrecklichen -Flüstern: »Komm'! komm'! komm'!« Und während er vor Schrecken in Schweiß -gebadet da lag, bemerkte er nicht, wann und wie die Erscheinung wieder -verschwand. Er sprang aus dem Bette, und riß an der Thür. Sie war fest -verschlossen, und der Mann stürzte ohnmächtig zu Boden. - -Von dieser Zeit an wurde Legree ein stärkerer Trinker als je zuvor. Er -trank nicht mehr mit Vorsicht und Besonnenheit, sondern ohne Grenze und -Maaß. Bald nachher verbreitete sich in der Umgegend das Gerücht, daß er -krank sei und dem Tode nahe. Unmäßigkeit hatte jene schreckliche -Krankheit erzeugt, welche die düstern Schatten einer kommenden -Vergeltung auf dieses Leben zurückzuwerfen scheint. Niemand konnte die -Schrecken jenes Krankenzimmers ertragen, wenn er raste und schrie, und -von Gesichten sprach, die das Blut Derjenigen, die ihn hörten, erstarren -ließ; und an seinem Sterbebette stand eine ernste, weiße, unerbittliche -Gestalt, die ihm zurief: »Komme! komme! komme!« - -Durch ein sonderbares Zusammentreffen wurde nach derselben Nacht, in der -Legree diese Erscheinung hatte, die Hausthür am Morgen offen gefunden; -und einige Neger hatten zwei weiße Gestalten die Allee hinab der -Landstraße zugehen sehen. - -Es war kurz vor Sonnenaufgang, als Cassy und Emmeline einen Augenblick -in einem kleinen Gehölze in der Nähe der Stadt anhielten. Cassy war nach -der Mode spanischer Creolinnen gekleidet, -- ganz schwarz. Ein kleiner, -schwarzer Hut, der mit einem dicht gestickten Schleier bedeckt war, -verbarg ihr Gesicht. Nach getroffener Uebereinkunft sollte sie auf der -Flucht die Rolle einer vornehmen Creolin spielen, und Emmeline für ihre -Dienerin gelten. - -Da Cassy sich von früher Jugend an in den höchsten Gesellschaftskreisen -bewegt hatte, so harmonirten ihre Sprache, ihre Bewegungen, ihr ganzes -Wesen mit dieser Idee; und sie hatte von ihrer einst glänzenden -Garderobe noch genug bewahrt, um diese Rolle mit äußerem Anstande und -mit Erfolg spielen zu können. - -In der Vorstadt kaufte sie an einem ihr bekannten Orte einen hübschen -Reisekoffer, und ersuchte den Mann, ihr denselben nachtragen zu lassen; -und auf diese Weise von dem Burschen, der ihren Koffer karrte, und -Emmelinen, welche eine Reisetasche und verschiedene andre Effekten trug, -gefolgt, erschien sie vor dem kleinen Gasthofe wie eine Dame von Stande. - -Die erste Person, welche ihr nach ihrer Ankunft daselbst auffiel, war -Georg Shelby, der daselbst das nächste Boot erwartete. Cassy hatte den -jungen Mann aus ihrem Verstecke auf dem Boden bemerkt, und ihn den -Leichnam Tom's fortschaffen sehen, und mit geheimer Freude sein -Zusammentreffen mit Legree beobachtet. Späterhin hatte sie aus den -Unterhaltungen der Neger, die sie behorchte, wenn sie Nachts in ihrer -gespenstigen Verkleidung umher schlich, erfahren, wer er war, und in -welchem Verhältniß er zu Tom stand. Aus diesem Grunde fühlte sie sich -augenblicklich durch eine Art Vertrauen zu ihm hingezogen, als sie sah, -daß er gleich ihr das nächste Boot erwarte. - -Cassy's Haltung und ganzes Aeußere, so wie die ihr zu Gebote stehenden -Geldmittel verdrängten im Gasthofe jede Möglichkeit eines Verdachtes. -Die Leute untersuchen nie zu genau die Verhältnisse solcher Personen, -die in dem Hauptpunkte, einer guten Zahlung, befriedigend sind, was -Cassy vorher gewußt zu haben schien, als sie sich mit Gelde versah. - -Gegen Abend näherte sich ein Boot, und Georg Shelby geleitete Cassy mit -einer Höflichkeit an Bord, die jedem Eingeborenen von Kentucky natürlich -ist, und bemühte sich, ihr eine gute Cajüte zu verschaffen. - -Cassy blieb während der ganzen Zeit, daß sie auf dem rothen Flusse -waren, unter dem Vorwande von Krankheit in ihrem Zimmer und ihrem Bette, -und wurde mit dem dienstfertigsten Eifer von ihrer Begleiterin bedient. -Als sie den Mississipppi erreichten, und Georg in Erfahrung brachte, daß -die fremde Dame denselben Weg aufwärts den Fluß wie er nehme, machte er -ihr den Vorschlag, eine Cajüte für sie auf demselben Boote nehmen zu -dürfen, auf dem er zu fahren beabsichtigte, -- indem er in seiner -Gutmüthigkeit Mitleid für ihre schwache Gesundheit hegte, und ihr so -viel Beistand wie möglich zu leisten wünschte. - -Wir sehen deshalb die ganze Gesellschaft wohlbehalten auf das gute -Dampfboot Cincinnati übergehen, welches unter Leitung einer gewaltigen -Dampfsäule den Fluß hinauf arbeitet. - -Cassy's Gesundheit hatte sich bedeutend gebessert. Sie saß auf dem -Verdeck, kam zu Tische, und wurde von Allen auf dem Boote für eine Dame -gehalten, die sehr schön gewesen sein müsse. - -Vom ersten Augenblicke an, wo Georg ihr Gesicht gewahrte, fiel ihm eine -jener flüchtigen, und dunklen Aehnlichkeiten auf, die wohl fast jedem -Menschen begegnet sind. Er konnte sich nicht enthalten, sie fortwährend -anzusehen und zu beobachten. Sie mochte bei Tische, oder in der Thür -ihrer Kajüte sitzen, immer begegnete sie den auf ihr ruhenden Augen des -jungen Mannes, der seine Blicke jedoch sogleich abwandte, sobald er in -ihrem Gesichte bemerkte, daß sie sich von ihm beobachtet fühlte. - -Cassy wurde unruhig. Sie begann zu fürchten, daß er Verdacht geschöpft -habe, und beschloß deshalb endlich, sich seinem Edelmuthe gänzlich -anzuvertrauen, und theilte ihm ihre ganze Geschichte mit. - -Georg war gern geneigt, für Jeden Sympathie zu empfinden, der von -Legree's Plantage entflohen war, -- einem Orte, an den er nicht ohne -Aufregung denken konnte, -- und er versprach ihr deshalb mit jener -muthigen, seinem Alter eigenthümlichen Nichtbeachtung aller möglichen -Folgen, daß er sie mit allen seinen Kräften unterstützen und -durchbringen wolle. - -Das nächste, an Cassy's Kajüte stoßende Gemach war von einer -französischen Dame, Namens de Thoux, bewohnt, welche sich in Begleitung -einer schönen, kleinen Tochter, einem Mädchen von ungefähr zwölf Jahren, -befand. Diese Dame, welche aus Georg's Unterhaltung entnommen hatte, daß -er aus Kentucky gebürtig war, schien offenbar geneigt, seine -Bekanntschaft zu machen, worin sie durch die Anmuth ihrer kleinen -Tochter unterstützt wurde, die ein so niedliches, kleines Spielwerk war, -als nur je eins die Langeweile einer vierzehntägigen Fahrt auf dem -Dampfboote vertrieb. - -Georgs Stuhl befand sich oft an der Thür ihrer Kajüte, und Cassy konnte, -wenn sie auf dem Verdecke saß, ihre Unterhaltung hören. - -Madame de Thoux befragte ihn sehr umständlich über Kentucky, wo sie, wie -sie sagte, in einer frühern Periode ihres Lebens gewohnt hatte; und -Georg entdeckte zu seinem großen Erstaunen, daß ihr früherer Aufenthalt -in der Nähe seiner eignen Besitzung gewesen sein müsse, denn ihre Fragen -verriethen eine Bekanntschaft mit Leuten und Dingen in jener Gegend, die -ihn förmlich in Verwundrung setzte. - -»Kennen Sie,« sagte Madame de Thoux eines Tages, »einen Mann in Ihrer -Nachbarschaft, der den Namen Harris führt?« - -»Es gibt dort einen Menschen dieses Namens, der nicht weit von der -Besitzung meines Vaters wohnt; allein wir haben nie Umgang mit ihm -gehabt,« entgegnete Georg. - -»Er besitzt, glaube ich, eine große Anzahl Sklaven,« fuhr Madame de -Thoux in einer Weise fort, die mehr Interesse verrieth, als sie schien -sehen lassen zu wollen. - -»Ja, ich glaube,« entgegnete Georg, überrascht durch ihr Wesen. - -»Haben Sie jemals davon gehört, -- vielleicht haben Sie davon gehört, -daß er einen Mulattenburschen Namens Georg besaß?« - -»O gewiß -- Georg Harris -- ich kenne ihn recht wohl. Er heirathete eine -Sklavin meiner Mutter, aber ist jetzt nach Canada entflohen.« - -»Ist er entflohen?« sagte Madame de Thoux schnell. »Gott sei gedankt!« - -Georg richtete einen fragenden Blick auf sie, aber sagte nichts. - -Madame de Thoux stützte ihren Kopf in die Hand und brach in Thränen aus. - -»Er ist mein Bruder,« sagte sie. - -»Madame!« rief Georg mit dem Ausdruck des höchsten Erstaunens. - -»Ja,« entgegnete Madame de Thoux stolz, ihren Kopf empor richtend und -ihre Thränen trocknend, -- »Mr. Shelby, Georg Harris ist mein Bruder!« - -»Ich bin im höchsten Grade erstaunt,« sagte Georg, indem er seinen Stuhl -zurückschob und Madame de Thoux betrachtete. - -»Ich wurde nach dem Süden verkauft, als er noch ein Knabe war,« sagte -sie, »und von einem guten, menschenfreundlichen Manne gekauft. Er nahm -mich mit sich nach den westindischen Inseln, gab mir meine Freiheit und -heirathete mich. Erst vor Kurzem starb er, und ich wollte nach Kentucky -gehen, um zu sehen, ob ich meinen Bruder loskaufen könne.« - -»Ich habe ihn von einer Schwester Emilie sprechen hören, die nach Süden -verkauft wurde,« sagte Georg. - -»Ja, das bin ich,« entgegnete Madame de Thoux. -- »Bitte, sagen Sie mir, -was für ein --« - -»Ein sehr hübscher, junger Mann,« erwiederte Georg, »ungeachtet des -Fluches der Sklaverei, der auf ihm lastete. Er erwarb sich stets in -Bezug auf Intelligenz und Grundsätze die besten Zeugnisse. Ich kenne ihn -deßhalb,« fügte er hinzu, »weil er in unsere Familie geheirathet hat.« - -»Was für ein Mädchen?« fragte Madame de Thoux eifrig. - -»Einen wahren Schatz,« entgegnete Georg; -- »ein schönes, kluges, -liebenswürdiges und sehr frommes Mädchen. Meine Mutter hatte sie fast so -sorgsam auferzogen, als wenn sie ihre eigene Tochter gewesen wäre. Sie -konnte lesen und schreiben, sehr schön, und sticken, und sang -vortrefflich.« - -»Wurde sie in Ihrem Hause geboren?« fragte Madame de Thoux. - -»Nein. Mein Vater kaufte sie auf einer seiner Reisen nach New-Orleans -und brachte sie meiner Mutter als Geschenk mit. Sie mochte damals acht -oder neun Jahre alt sein. Vater wollte uns nie sagen, wie viel er für -sie gegeben hatte; allein vor Kurzem, als wir seine alten Papiere -durchsahen, fanden wir den Verkaufsbrief. Er hatte eine ungeheure Summe -für sie bezahlt, ich glaube, mit Rücksicht auf ihre ungewöhnliche -Schönheit.« - -Georg saß mit dem Rücken gegen Cassy gewendet, und konnte deßhalb die -gespannte Aufmerksamkeit ihrer Züge nicht bemerken, während er diese -Details mittheilte. Bei diesem Punkte der Erzählung berührte sie seinen -Arm und sagte mit einem vor ängstlicher Spannung bleich gewordenen -Gesichte: »Kennen Sie den Namen der Leute, von denen sie gekauft wurde?« - -»Ein Mann Namens Simmons, glaube ich, war die Hauptperson in dem -Geschäfte; wenigstens, denke ich, stand dieser Name im Verkaufsbriefe.« - -»O mein Gott!« rief Cassy, und fiel bewußtlos auf den Boden der Kajüte. - -Georg war im höchsten Grade überrascht, und ebenso Madame de Thoux. -Obgleich keines von Beiden errathen konnte, was die Ursache ihrer -Ohnmacht sei, so machten sie doch allen, in solchen Fällen gewöhnlichen, -Tumult; -- Georg stieß in dem Eifer seiner Menschenfreundlichkeit ein -Waschbecken um und zerbrach zwei Gläser; und mehrere andere Damen, die -davon gehört hatten, daß Jemand in Ohnmacht gefallen sei, drängten sich -um die Thür, und hielten alle frische Luft ab, so viel sie konnten; so -daß, im Ganzen genommen, Alles geschah, was nur erwartet werden konnte. - -Arme Cassy! Als sie wieder zu sich kam, lehnte sie ihr Gesicht gegen die -Wand und weinte und schluchzte wie ein Kind. Vielleicht weißt Du, o -Mutter, woran sie dachte, vielleicht auch nicht; aber sie fühlte in -dieser Stunde, daß Gott ihr gnädig gewesen sei, und daß sie ihre Tochter -wieder sehen werde, -- wie mehrere Monate später geschah, -- als -- doch -wir greifen vor. - - - - -Dreiundvierzigstes Kapitel. - -Ergebnisse. - - -Der Rest unserer Geschichte ist bald erzählt. Georg Shelby, der, wie -jeder andere junge Mann an seiner Stelle, durch das Romantische des -Falles und seine eigenen menschenfreundlichen Gefühle bewogen, -besonderes Interesse an dieser Angelegenheit genommen hatte, sendete -Cassy den Verkaufsbrief über Elisa, dessen Datum und Name mit ihrer -eigenen Kenntniß der Umstände übereintraf, und also keinen Zweifel über -die Identität ihres Kindes zurückließ. Es kam jetzt nur noch darauf an, -die Spur der Flüchtlinge zu verfolgen. - -Sie und Madame de Thoux, die auf diese Weise durch die seltsame -Berührung ihrer Schicksale zusammengeführt worden waren, begaben sich -sofort nach Canada, und begannen hier ihre Nachforschungen auf den -Stationen, wo die zahlreichen Flüchtlinge aus der Sklaverei -untergebracht werden. - -In Amherstberg fanden sie den Missionär, bei dem Georg und Elisa nach -ihrer ersten Ankunft in Canada ein Unterkommen gefunden hatten; und -durch ihn wurden sie in den Stand gesetzt, der Familie nach Montreal zu -folgen. - -Georg und Elisa waren jetzt seit fünf Jahren frei. Georg hatte -fortwährende Beschäftigung in der Werkstatt eines achtbaren Maschinisten -gefunden, wo er einen hinreichenden Unterhalt für seine Familie erwarb, -die sich inzwischen um eine Tochter vermehrt hatte. Der kleine Harry, -- -ein hübscher, munterer Knabe, -- war in eine gute Schule gebracht -worden, und machte schnelle Fortschritte. - -Der würdige Geistliche der Station in Amherstberg, wo Georg zuerst -gelandet war, hatte so großen Antheil an den Mittheilungen der Madame de -Thoux und Cassy's genommen, daß er den Bitten der Ersteren nachgab, sie -zum Zwecke ihrer Nachforschungen bis nach Montreal zu begleiten. - -Die Scene verwandelt sich jetzt in eine kleine niedliche Wohnung in den -Vorstädten von Montreal. Es ist Abend. Ein lustiges Feuer brennt auf dem -Heerde; der Theetisch ist mit einem weißen Tuche bedeckt, und steht zum -Abendessen bereit. In der einen Ecke des Zimmers befindet sich ein -Tisch, der mit einem grünen Tuche überzogen ist, und auf dem man -Schreibzeug, Papier und Federn bemerkt, während über demselben ein Brett -mit einer ausgesuchten Sammlung von Büchern angebracht ist. Dies war -Georg's Studirzimmer. Derselbe Eifer für Belehrung, der ihn dazu -antrieb, die von ihm so sehr ersehnten Künste des Lesens und Schreibens -sich heimlich, unter den Mühseligkeiten und Demüthigungen seines -früheren Lebens anzueignen, vermochte ihn auch jetzt, alle seine -Mußestunden zu seiner Ausbildung zu verwenden. - -In diesem Augenblicke sitzt er am Tische, und ist damit beschäftigt, -Auszüge aus einem Bande der Familienbibliothek zu machen, den er gelesen -hat. - -»Komm', Georg,« sagt Elisa, »Du bist den ganzen Tag aus dem Hause -gewesen. Lege jetzt Dein Buch bei Seite, und laß uns zusammen plaudern, -während ich den Thee bereite.« - -Und die kleine Elisa unterstützt die Bitte, indem sie zu ihrem Vater -herum getrippelt kömmt und ihm das Buch aus der Hand zu ziehen versucht, -um sich an dessen Stelle auf sein Knie niederzulassen. - -»O Du kleine Hexe!« sagt Georg nachgebend, wie ein Mann unter solchen -Umständen immer muß. - -»Das ist recht,« sagt Elisa, während sie das Brod zu schneiden beginnt. -Sie ist etwas älter geworden, ihre Gestalt etwas voller, und ihre Miene -etwas matronenhafter; aber zufrieden und glücklich scheint sie zu sein. - -»Harry, mein Junge, wie bist Du heut mit Deiner Rechnung fertig -geworden?« fragt Georg, während er seine Hand auf des Sohnes Kopf legt. - -Harry hat seine Locken verloren; aber er kann nie jene Augen und -Augenlider verlieren, und die schöne, kühne Stirne, die von Triumph -strahlt, während er antwortet: »Ich habe sie ^ganz allein^ gemacht, -und ^Niemand^ hat mir geholfen!« - -»Das ist recht,« sagt der Vater, »verlaß Dich immer auf Dich selbst, -mein Sohn. Du hast mehr Aussicht, als Dein armer Vater jemals hatte.« - -In diesem Augenblick wird ein Klopfen an der Thür gehört, und Elisa geht -und öffnet sie. Das freudige: »Wie! -- Sie sind es?« ruft den Mann -herbei, und der gute Pastor von Amherstberg wird bewillkommt. Zwei -andere Frauenzimmer begleiten ihn, welche Elisa zum Sitzen einladet. - -Wenn wir die Wahrheit sagen sollen, so hatte der gute Pastor ein kleines -Programm entworfen, nach welchem sich diese Angelegenheit entwickeln -sollte; und auf dem Wege dahin hatten Alle sich gegenseitig ermahnt, -vorsichtig zu sein und nichts vor der Zeit zu verrathen, sondern der -getroffenen Verabredung getreu zu bleiben. Wie groß war daher des guten -Mannes Bestürzung, als gerade in dem Augenblicke, wo er sein Taschentuch -hervorzog, um seinen Mund abzuwischen, und seine Einleitungsrede in -guter Ordnung beginnen wollte, Madame de Thoux den ganzen Plan -vereitelte, indem sie ihre Arme um Georg's Hals schlang und Alles durch -die Worte verrieth: »O Georg! kennst Du mich nicht? Ich bin Deine -Schwester Emilie!« - -Cassy hatte sich mit mehr Fassung niedergesetzt, und würde ihre Rolle -wahrscheinlich sehr gut durchgeführt haben, wenn nicht plötzlich die -kleine Elisa grade in derselben Gestalt, mit denselben Zügen und Locken -vor ihr erschienen wäre, wie sie ihre Tochter hatte, als sie sie zum -letzten Male sah. Das kleine Wesen schaute ihr in's Gesicht, und Cassy -fing sie in ihren Armen, drückte sie an ihren Busen und rief, was sie in -diesem Augenblicke wirklich glaubte: »Mein Liebling, ich bin Deine -Mutter!« - -Es war in der That eine schwierige Aufgabe, gehörige Ordnung wieder -herzustellen; allein endlich gelang es dem guten Pastor doch, Alle zur -Ruhe zu bringen, und seine Rede zu halten, mit der er die Sache hatte -eröffnen wollen, welche eine solche Wirkung äußerte, daß seine -sämmtliche Zuhörerschaft in ein Schluchzen ausbrach, das jeden Redner, -älterer oder neuerer Zeit, befriedigt haben würde. Sie knieten zusammen -nieder, und der gute Mann betete, -- denn es gibt Gefühle so gewaltiger -Art, daß sie nur dann Ruhe finden können, wenn sie in den Busen der -allmächtigen Liebe ausgegossen werden; -- und sodann erhoben sich die -Mitglieder der neugefundenen Familie, und umarmten einander mit heiligem -Vertrauen zu ihm, der sie aus solchen Gefahren, und auf so dunklen Wegen -hier zusammengeführt hatte. - -Das Tagebuch eines Missionärs unter den canadischen Flüchtlingen enthält -wahre Thatsachen, die wunderbarer sind als Erfindungen irgend einer Art. -Wie kann es anders sein, wo ein System besteht, welches die Familien -zerreißt und ihre Mitglieder zerstreut, wie der Wind die Blätter des -Herbstes zerstreut? Diese Küsten vereinigen oft, wie die der Ewigkeit, -Herzen, die schon lange Jahre um einander als verloren getrauert hatten; -und unbeschreiblich rührend ist der Eifer, mit dem jeder neue Ankömmling -von ihnen empfangen wird, um zu hören, ob er vielleicht Nachrichten von -Mutter, Schwester, Kind oder Weib bringe, die noch in der Nacht der -Sklaverei schmachten. Größere Heldenthaten werden hier vollbracht, als -im Romane geschildert werden können, wenn der Flüchtling, den Martern -und selbst dem Tode trotzend, freiwillig zu den Schrecken und Gefahren -jenes dunklen Landes zurückkehrt, um seine Mutter, seine Schwester oder -seine Frau zu erretten. - -Ein junger Mann, von dem uns ein Missionär erzählte, war zweimal wieder -gefangen worden, und hatte die schrecklichsten Mißhandlungen erduldet, -als er zum dritten Male entfloh; und zeigte seinen Freunden in einem -Briefe an, der uns vorgelesen worden ist, daß er zum dritten Male -zurückkehre, um endlich seine Schwester zu befreien. Ist dieser Mensch -ein Held oder ein Verbrecher? Wer würde nicht dasselbe für seine -Schwester thun? Wer kann ihn tadeln? - -Aber wir müssen zu unsern Freunden zurückzukehren, die wir verließen, -als sie ihre Augen trockneten, und sich von einer zu großen und zu -plötzlichen Freude erholten. Jetzt sitzen sie um den gastlichen Tisch, -und beginnen ganz ernstlich gesellig zu werden; nur daß Cassy, welche -die kleine Elisa auf ihrem Schooße hält, das kleine Wesen zuweilen auf -eine Weise drückt, welche dasselbe in Erstaunen setzt, und sich -hartnäckig weigert, sich den Mund in einem solchen Maaße mit Kuchen -stopfen zu lassen, wie die Kleine es wünscht, -- indem sie sagt, worüber -sich das Kind in hohem Grade wundert, daß sie etwas Besseres als Kuchen -habe und dessen nicht bedürfe. - -Und in der That ist mit Cassy in Zeit von zwei bis drei Tagen eine -solche Veränderung vorgegangen, daß unsere Leser sie kaum kennen würden. -Der verzweifelnde, wilde Ausdruck des Gesichts ist dem eines sanften -Vertrauens gewichen. Sie scheint auf einmal in den Busen der Familie zu -sinken, und die Kleinen in ihr Herz zu schließen, wie Etwas, worauf sie -lange gewartet hat. Wirklich schien ihre Liebe sich mehr der kleinen -Elisa, als ihrer Tochter zuzuwenden; denn sie war das getreue Abbild des -Kindes, welches sie verloren hatte. Das kleine Wesen war ein Blumenband -zwischen Mutter und Tochter, durch welches Bekanntschaft und Zuneigung -wieder aufwuchsen. Elisa's beständige, durch fortwährendes Lesen der -heiligen Schrift geregelte Frömmigkeit machte sie zu einer geeigneten -Führerin für das zerrissene Gemüth ihrer Mutter. Cassy war schnell und -von ganzem Herzen für jeden guten Einfluß empfänglich, und wurde eine -aufrichtige und andächtige Christin. - -Nach einigen Tagen machte Madame de Thoux ihrem Bruder genauere -Mittheilungen über ihre Verhältnisse. Der Tod ihres Mannes hatte sie in -den Besitz eines bedeutenden Vermögens gesetzt, welches sie großmüthig -mit der Familie zu theilen sich erbot. Als sie Georg fragte, auf welchem -Wege sie es am Besten für ihn verwenden könne, antwortete er ihr: -»Verleihe mir Bildung, Emilie; danach hat immer mein Herz verlangt. Dann -kann ich alles Uebrige thun.« - -Nach reiflicher Ueberlegung wurde beschlossen, daß die ganze Familie auf -einige Jahre nach Frankreich gehen solle, wohin sie alsbald abreiste und -Emmeline mitnahm. Das hübsche Aeußere der Letzteren erweckte die Liebe -des ersten Steuermanns auf dem Schiffe, und Emmeline wurde bald nach dem -Einlaufen in den Hafen sein Weib. - -Georg blieb vier Jahre auf einer französischen Universität, und erlangte -durch unermüdlichen Fleiß eine gründliche Bildung. Die politischen -Unruhen Frankreichs bewogen endlich die Familie, von Neuem eine Zuflucht -in diesem Lande zu suchen. Georg's Empfindungen und Ansichten als eines -gebildeten Mannes lassen sich am Besten aus einem an seine Freunde -gerichteten Briefe entnehmen: - - »Ich bin noch nicht ganz einig mit mir über mein zukünftiges - Verhalten. Zwar könnte ich mich, wie Sie mir sagten, in die Kreise - der Weißen in diesem Lande mischen, da meine eigene Farbe so hell - und die meiner Frau und Familie kaum bemerkbar ist. Kann sein, ich - würde vielleicht dort geduldet werden. Aber um die Wahrheit zu - sagen, ich mag es nicht thun.« - - »Meine Sympathien gehören nicht dem Geschlechte meines Vaters, - sondern dem meiner Mutter. Ihm galt ich nicht mehr als ein schöner - Hund oder ein schönes Pferd; aber meiner armen Mutter mit ihrem - gebrochenen Herzen war ich ein Kind; und obgleich ich sie nach - jenem grausamen Verkaufe, der uns trennte, nie wieder sah, bis sie - starb, so weiß ich doch, daß sie mich innig liebte. Ich weiß es - durch mein eignes Herz. Wenn ich an alles das denke, was sie - litt, an meine eignen frühen Leiden, an die Schmerzen und Kämpfe - eines heldenmüthigen Weibes, an meine Schwester, die in - New-Orleans auf dem Sklavenmarkte verkauft wurde, -- so darf ich, - ohne unchristliche Empfindungen zu haben, sagen, daß ich nicht für - einen Amerikaner gelten, oder mich mit ihm identificiren möchte.« - - »Das unterdrückte, in Ketten geschlagene afrikanische Geschlecht - ist es, zu dem ich mich hingezogen fühle; und wenn ich etwas - wünschen sollte, so wäre es eher, daß ich um zwei Schattirungen - dunkler, als um eine heller wäre.« - - »Der Wunsch und das Sehnen meines Herzens richtet sich auf eine - afrikanische ^Nationalität^. Ich verlange nach einem Volke, - welches eine erkennbare, besondre Existenz für sich selbst hat; - und wo soll ich das finden? Nicht in Hayti, denn dort hatten sie - keine Grundlage für den Anfang. Ein Strom kann sich nicht über - seine Quelle erheben. Das Geschlecht, welches den Charakter der - Haytier bildete, war ein entkräftetes, verweichlichtes, und wird - deßhalb natürlich Jahrhunderte gebrauchen, um sich nur zu Etwas zu - erheben.« - - »Wo soll ich also suchen? An den Küsten Afrika's sehe ich eine - Republik, -- die von auserlesenen Männern gebildet ist, welche - sich durch Energie und selbstbildende Kraft in vielen Fällen - individuell über den Zustand der Sklaverei erhoben haben. Nachdem - diese Republik durch ein vorbereitendes Stadium von Schwäche - gegangen ist, ist sie endlich eine anerkannte Nation der Erde - geworden, -- anerkannt von Frankreich und England. Dahin wünsche - ich zu gehen, um ein Volk für mich zu finden.« - - »Ich weiß wohl, daß ich Sie jetzt alle gegen mich haben werde; - aber ehe Sie mich verdammen, hören Sie mich! Während meines - Aufenthaltes in Frankreich habe ich mit großem Interesse die - Geschichte meines Volkes in Amerika studirt. Ich habe den Kampf - zwischen dem Abolitions- und Colonisationssysteme beobachtet, und - als entfernter Zuschauer einige Wahrnehmungen gemacht, die ich als - Theilnehmer nicht würde haben machen können. Ich gebe zu, daß - dieses Liberia allen Zwecken gedient haben mag, indem es in den - Händen unserer Unterdrücker gegen uns gebraucht wurde. Ohne - Zweifel ist der Plan auf unverantwortliche Weise zur Verzögerung - unserer Emancipation gebraucht worden; aber meine Frage ist: Giebt - es nicht einen Gott, der über allen Plänen erhaben ist! Kann er - nicht ihre Absichten beherrscht, und durch sie eine Nation für uns - gegründet haben?« - - »In der jetzigen Zeit wird eine Nation in einem Tage geboren. Eine - Nation erhebt sich jetzt mit allen den großen Problemen der - Civilisation und republikanischen Lebens fertig zur Hand. Sie hat - nicht mehr zu entdecken, sondern nur anzuwenden. Laßt uns also - alle mit aller Kraft zusammenhalten, und sagen, was wir in diesem - neuen Unternehmen vermögen, und der ganze Continent Afrika's wird - sich uns und unsern Kindern öffnen. Unsere Nation wird die Fluth - der Civilisation und des Christenthums über seine Küsten ergießen, - und mächtige Republiken gründen, die, mit der Schnelligkeit - tropischer Vegetation aufwachsend, für alle kommenden Jahrhunderte - bestehen werden.« - - »Sagen Sie, daß ich meine in der Sklaverei schmachtenden Brüder - vergesse? Ich glaube nicht. Wenn ich sie eine Stunde, einen - Augenblick meines Lebens vergesse, so möge Gott mich vergessen! - Aber was kann ich hier für sie thun? Kann ich ihre Ketten - zerbrechen? Nein, nicht als Individuum; aber lassen Sie mich gehen - und ein Theil einer Nation werden, welche eine Stimme in dem Rathe - der Völker erlangen wird, und dann können wir reden. Eine Nation - hat das Recht, die Sache ihres Stammes zu besprechen, zu - vertreten, -- was ein Individuum nicht kann.« - - »Wenn Europa jemals eine große Versammlung freier Nationen wird, - -- wie ich zu Gott hoffe, -- wenn darin Knechtschaft und alle - ungerechten, drückenden, socialen Ungleichheiten aufgehoben worden - sind; und wenn sie, wie England und Frankreich bereits gethan - haben, unsere Stellung anerkennen, -- dann wollen wir in dem - großen Congreß der Nationen unsere Stimme hören lassen, und die - Sache unseres geknechteten, leidenden Stammes zur Sprache bringen; - und es ist unmöglich, daß das freie, aufgeklärte Amerika dann - nicht den schwarzen Fleck von seinem Wappenschilde vertilgen - sollte, der es schändet, und ein eben so großer Fluch für das Land - selbst wie für seine Sklaven ist.« - - »Aber Sie werden mir sagen, daß unser Stamm dasselbe Recht habe, - in der amerikanischen Republik zu leben, wie der Irländer, der - Deutsche, der Schwede, und ich gestehe das zu. Wir ^sollten^ die - Freiheit haben, dort zu leben, uns durch unsern individuellen - Werth, ohne Rücksicht auf Kaste oder Farbe, zu heben; und - Diejenigen, welche uns dieses Recht versagen, sind ihren eigenen - Grundsätzen von menschlicher Gleichheit ungetreu. Wir sollten - insbesondre hier zugelassen werden; denn wir haben ein größeres - Recht als das der gewöhnlichen Menschen ist: wir haben die - Ansprüche eines verletzten Stammes auf Entschädigung. Allein, ich - mache keine Ansprüche darauf; ich will ein eignes Land, eine - eigene Nation haben. Ich glaube, daß der afrikanische Stamm - besondere Eigenschaften hat, die noch unter dem Lichte der - Civilisation und des Christenthums entwickelt werden müssen, und - die, wenn es nicht dieselben sind, welche der angelsächsische - Stamm besitzt, in moralischer Beziehung vielleicht nur noch höher - stehen.« - - »Dem angelsächsischen Stamme sind die Geschicke der Welt während - der Periode ihres Ringens und Kämpfens anvertraut gewesen, und zu - dieser Mission waren seine strengen, unbeugsamen, energischen - Elemente wohl geeignet; aber als ein Christ sehe ich einer andern - Aera entgegen. Ich hoffe, daß wir an ihren Gränzen stehen, und daß - die Schmerzen, von denen die Nationen jetzt zerrissen werden, nur - die Geburtswehen einer Stunde sind, welche uns allgemeinen Frieden - und allgemeine Brüderschaft bringen wird.« - - »Ich hoffe, daß die Entwickelung Afrika's vorzugsweise eine - christliche sein wird. Wenn der eingeborene Stamm kein - herrschender und gebietender ist, so ist er wenigstens ein - gefühlvoller, großherziger und vergebender. Da er in den Glühofen - der Ungerechtigkeit und Unterdrückung gesunken ist, so muß er jene - erhabene Lehre der Liebe und Vergebung um so fester in sein Herz - schließen, als er durch sie allein siegen kann, und ihre - Verbreitung über den Continent Afrika's die ihm aufgetragene - Mission ist.« - - »Ich selbst bin, wie ich gestehen muß, schwach in diesem Punkte, - denn die eine Hälfte meines Blutes ist das heiße, hitzige, - sächsische; aber ich habe in der Person meines schönen Weibes - einen beredten Prediger des Evangeliums an meiner Seite. Wenn ich - mich verirre, führt mich ihr sanfterer Geist stets zurück, und - hält meinen Augen den christlichen Beruf unseres Geschlechtes vor. - Ich gehe als ein christlicher Patriot, als ein Lehrer des - Christenthums nach ^meinem Vaterlande^ -- meinem erwählten, - glorreichen Afrika! auf das ich in meinem Herzen oft jene - herrlichen Worte der Prophezeiung anwende: -- »Sintemalen Du - verlassen und verhaßt gewesen, so daß Niemand von Dir wissen - wollen, will ich Dich zu ewigem Ruhme erheben, und zur Freude - vieler Geschlechter!«« - - »Sie werden mich einen Enthusiasten nennen, und werden mir sagen, - daß ich das nicht reiflich überlegt habe, was ich zu unternehmen - im Begriffe stehe; aber ich habe überlegt und die Kosten - berechnet. Ich gehe nach Liberia, nicht wie nach einem - romantischen Elysium, sondern wie nach einem Felde der Arbeit. - Ich rechne darauf, mit beiden Händen dort zu arbeiten, -- schwer - zu arbeiten; gegen alle Arten Schwierigkeiten und Entmuthigungen - zu arbeiten, -- und zu arbeiten, bis ich sterbe. Das ist der Zweck - meines Gehens, und ich bin überzeugt, daß ich darin nicht werde - getäuscht werden.« - - »Was Sie auch immer von meinem Entschlusse denken mögen, entziehen - Sie mir deßhalb Ihr Vertrauen nicht, und sein Sie überzeugt, daß - ich bei Allem, was ich thue, mit einem Herzen handle, welches ganz - meinem Volke angehört.« - - »Georg Harris.« - -Einige Wochen später schiffte sich Georg mit seinem Weibe, seinen -Kindern, seiner Schwester und Mutter nach Afrika ein. Wenn wir uns nicht -täuschen, wird die Welt dort noch von ihm hören. - -Von unsern übrigen Personen haben wir nichts Besonderes mehr zu -erwähnen, ausgenommen ein Wort in Beziehung auf Miß Ophelia und Topsy, -und ein Schlußkapitel, welches wir Georg Shelby widmen wollen. - -Miß Ophelia nahm Topsy mit sich nach Vermont, und zwar zum großen -Erstaunen derjenigen ernsten und bedächtigen Personen, welche ein -Neu-Engländer unter dem Ausdrucke: »Unsere Leute« versteht. »Unsere -Leute« waren anfangs der Meinung, daß Topsy eine seltsame und unnöthige -Vergrößerung ihres wohlgeregelten Haushaltes sei; allein so erfolgreich -war Miß Ophelien's gewissenhaftes Streben, ihre Pflicht gegen ihren -Zögling zu thun, daß das Kind schnell bei der Familie und der -Nachbarschaft in Gunst und Gnade zunahm. Als sie das Alter der -Jungfräulichkeit erreicht hatte, wurde sie auf ihren eigenen Wunsch -getauft, wurde ein Mitglied der christlichen Gemeinde des Ortes, und -verrieth so viel Verstand, Thätigkeit, Eifer und Verlangen, Gutes in -der Welt zu wirken, daß sie endlich als Missionärin zu einer der -Stationen in Afrika empfohlen und bestätigt wurde; und wir haben gehört, -daß dieselbe Thätigkeit und Empfindungsgabe, welche sie in ihrer -Kindheit so unstät in ihrer Entwickelung machte, jetzt zu einem -heilsameren Zwecke, dem Unterrichte der Kinder ihres eigenen -Vaterlandes, verwendet wird. - -_P. S._ Es wird für manche Mutter eine Genugthuung sein, wenn wir -erwähnen, daß die von der Madame de Thoux veranlaßten Nachforschungen -den Erfolg gehabt haben, Cassy's Sohn aufzufinden. Als ein junger, -energischer Mann war es ihm schon mehrere Jahre vor seiner Mutter -geglückt, zu entfliehen, und hatte bei Freunden der Unterdrückten im -Norden Aufnahme gefunden und seine Erziehung erhalten. Er wird nächstens -seiner Familie nach Afrika nachfolgen. - - - - -Vierundvierzigstes Kapitel. - -Der Befreier. - - -Georg Shelby hatte nur eine Zeile an seine Mutter geschrieben, um ihr -den Tag seiner Ankunft anzuzeigen. Von der Sterbescene seines alten -Freundes sagte er kein Wort, -- er hatte nicht den Muth dazu. Mehrmals -hatte er versucht, aber nichts erreicht, als daß ihm vor Wehmuth der -Athem stockte, und endete jedesmal damit, daß er das Papier zerriß, sich -die Augen trocknete, und vom Sitze aufsprang, um wieder ruhig zu -werden. - -An jenem Tage fand, in Erwartung der Ankunft des jungen Master Georg, im -ganzen Shelby'schen Hause eine muntere Bewegung Statt. Mrs. Shelby saß -in ihrem bequem eingerichteten Wohnzimmer, wo ein gemüthliches Feuer die -Kühle des Herbstabends verjagte, und in der Mitte ein Abendtisch mit -Tellern und geschliffenen Gläsern gedeckt stand, dessen Anordnung unsere -alte Freundin Chloe besorgte. Angethan mit einem neuen Kattunkleide, -einer reinen, weißen Schürze und einem hohen, wohl gestärkten Turbane, -glänzte ihr schwarz polirtes Gesicht von innerer Zufriedenheit, während -sie mit unnöthiger Genauigkeit in ihren Geschäften am Tische fortfuhr, -und sich derselben als Vorwand bediente, um mit ihrer Mistreß ein wenig -plaudern zu können. - -»Sehen Sie, nun! wird's ihm nicht ganz natürlich scheinen?« sagte sie. -»Hier, da, -- ich setze seinen Teller hin, wo er am liebsten sitzt, -- -hier beim Feuer. Master Georg hat gern 'nen warmen Sitz. O, gehn Sie mir -doch! -- warum hat Sally denn nicht die ^beste^ Theekanne genommen, -- -die kleine neue, die Master Georg zu Weihnachten für Missis gekauft hat? --- Will sie holen! -- Und Missis hat von Master Georg einen Brief -bekommen?« fügte sie fragend hinzu. - -»Ja, Chloe, aber nur eine Zeile, die weiter nichts enthielt, als daß er -heut Abend hier eintreffen werde, wenn es ihm möglich sei.« - -»Hat wohl nichts gesagt von meinem alten Mann?« fuhr Chloe fort, sich -noch immer mit den Theetassen beschäftigend. - -»Nein, er hat gar nichts von ihm erwähnt, Chloe. Er sagte nur, er würde -Alles erzählen, wenn er hier wäre.« - -»Ganz wie Master Georg; -- er muß immer Alles selbst erzählen. Habe das -immer an Master Georg bemerkt. Weiß gar nicht, ich, wie die weißen Leute -so viel schreiben können, als sie gewöhnlich thun; -- schreiben ist so -'ne langsame, mühselige Arbeit.« - -Mrs. Shelby lächelte. - -»Denke, mein alter Mann wird die Jungens und 's Kleine gar nicht mehr -kennen. Herr! sie ist nun ein großes Mädchen, jetzt -- und gut ist sie -auch, und munter, Polly. Sie ist jetzt im Hause, und paßt auf die Kuchen -auf. Habe grade den rechten Teig gemacht, wie ihn mein alter Mann so -gern ißt; grade so wie damals, an dem Morgen, wo er fortgebracht wurde. -Gott sei mir gnädig! wie mir damals zu Muthe war!« - -Mrs. Shelby seufzte, und fühlte bei diesen Worten eine schwere Last auf -ihr Herz fallen. Sie hatte vom ersten Augenblicke, wo sie ihres Sohnes -Brief erhalten, eine ängstliche Unruhe darüber empfunden, daß hinter -diesem Schleier des Schweigens noch Etwas verborgen sein möchte. - -»Missis hat doch die Banknoten?« fragte Chloe besorgt. - -»Ja, Chloe.« - -»Weil ich meinem alten Manne gerne dieselben Noten zeigen möchte, die -mir der Kuchenbäcker gegeben hat. Und dann sagte er: ›Chloe, ich -wollte, Du bliebst länger hier.‹ ›Dank' Ihnen, Master,‹ sagt' ich, -›ich thät's gern, aber mein alter Mann kommt nach Hause, und Missis -- -sie kann mich nicht länger entbehren.‹ Das hab' ich ihm gesagt. War ein -sehr guter Mann, dieser Master Jones.« - -Chloe hatte hartnäckig darauf bestanden, daß dieselben Noten, in denen -ihr Lohn ausgezahlt worden war, aufbewahrt werden sollten, um sie ihrem -Manne als Beweis ihrer Geschicklichkeit zu zeigen; und Mrs. Shelby hatte -gern eingewilligt. - -»Er wird Polly gar nicht mehr kennen, -- mein alter Mann. Herr! 's ist -nun just fünf Jahre, daß sie ihn weg holten! Damals war sie noch ganz -klein, -- konnte kaum stehen. Weiß noch, wie ängstlich er immer war, -wenn sie laufen wollte und immer hin fiel.« - -Jetzt wurde das Rasseln von Rädern hörbar. - -»Master Georg!« sagte Tante Chloe, an's Fenster eilend. - -Mrs. Shelby lief nach der Thür, und befand sich gleich darauf in den -Armen ihres Sohnes. Tante Chloe stand ängstlich dabei und suchte mit -ihren Augen in der Dunkelheit. - -»Meine ^arme^ Tante Chloe!« sagte Georg, mitleidig vor ihr stehen -bleibend und ihre harte, schwarze Hand in die seinige nehmend: »ich -hätte mein ganzes Vermögen darum gegeben, wenn ich ihn hätte mitbringen -können; aber er ist in ein besseres Land gegangen.« - -Mrs. Shelby stieß einen Schrei aus, aber Tante Chloe sagte nichts. - -Alle traten hierauf in das Wohnzimmer, wo das Geld noch auf dem Tische -lag, auf welches Chloe so stolz gewesen war. - -»Da,« sagte sie, es zusammenraffend und mit zitternder Hand ihrer -Mistreß hinhaltend, -- »will nichts weiter davon sehen und hören. Grade -so, wie ich mir dachte, daß es kommen würde, -- verkauft und umgebracht -auf den alten Plantagen!« - -Chloe wandte sich um und schritt stolz zum Zimmer hinaus. Mrs. Shelby -ging ihr nach, nahm sie sanft bei der Hand und zog sie auf einen Stuhl -nieder, und setzte sich zu ihr. - -»Meine arme, gute Chloe!« sagte sie. - -Chloe lehnte ihren Kopf an die Schulter ihrer Mistreß, und schluchzte -laut: »O Missis, verzeihen Sie mir, -- mein Herz bricht.« - -»Ich weiß es,« entgegnete Mrs. Shelby, »und ich kann es nicht heilen, -aber Jesus kann es. ›Er heilet, die zerbrochenen Herzens sind, und -verbindet ihre Schmerzen.‹« - -Eine Zeit lang herrschte tiefes Schweigen, und Alle weinten. Endlich -setzte sich Georg neben die Trauernde, ergriff ihre Hand, und schilderte -mit einfachen, aber gefühlvollen Worten ihres Mannes triumphirende -Sterbescene und seine letzten Aufträge der Liebe. - -Etwa einen Monat später wurden eines Morgens alle Sklaven der -Shelby'schen Besitzung in die große Halle des Hauses zusammenberufen, um -einige Worte von ihrem jungen Herrn zu hören. - -Zum Erstaunen Aller erschien er mit einem großen Bündel Papiere in der -Hand, welche die Freilassungsscheine jedes Einzelnen enthielten, die er -nach der Reihe vorlas, und sodann unter Thränen und Schluchzen aller -Anwesenden aushändigte. Viele drängten sich um ihn und baten ihn -flehend, mit ängstlichen Gesichtern, und indem sie ihre -Freilassungsscheine zurückreichten, sie nicht fortzuschicken. - -»Wir wollen nicht freier sein, als wir sind. Wir haben immer Alles -gehabt, was wir brauchten. Wir wollen den alten Platz nicht verlassen, -und Master und Missis und alles Uebrige.« - -»Meine guten Freunde,« sagte Georg, sobald er sie zum Schweigen bringen -konnte, »es ist durchaus nicht erforderlich, daß Ihr mich verlasset. -Meine Besitzung braucht jetzt noch eben so viele Arbeiter, wie früher, -und eben so mein Haus. Aber Ihr seid jetzt freie Männer und freie -Weiber. Ich werde Euch Löhne für Eure Arbeit bezahlen, je nachdem wir -übereinkommen. Der Vortheil für Euch besteht darin, daß, im Falle ich in -Schulden gerathen, oder sterben sollte, Ihr nicht genommen und verkauft -werden könnt. Ich beabsichtige, die Bewirthschaftung meiner Besitzung -fortzusetzen, und Euch zu lehren, was Euch vielleicht einige Zeit zu -lernen kosten wird, -- nämlich, auf welche Weise Ihr von den Rechten -Gebrauch zu machen habt, die ich Euch als freien Menschen gebe. Ich -erwarte, daß Ihr gut sein und willig lernen werdet, und hoffe zu Gott, -daß ich gegen Euch treu und willig zu lehren sein werde. Und nun, meine -Freunde, blicket empor und danket Gott für den Segen der Freiheit!« - -Ein alter Neger-Patriarch, der auf der Besitzung grau und blind geworden -war, stand jetzt auf, hob seine zitternden Hände empor, und sagte: »Laßt -uns dem Herrn danken!« - -Als Alle niedergekniet waren, stieg aus der Tiefe dieses alten, -ehrlichen Herzens ein _Te Deum_ zum Himmel, wie es selbst beim Klange -der Orgel, der Glocken und Kanonen nie feierlicher gehört werden konnte. - -Als Alle sich erhoben hatten, stimmte ein Anderer eine methodistische -Hymne an, deren Schlußvers war: - - »Das Jubeljahr ist jetzt gekommen, - Kehrt Ihr, befreite Sünder, heim.« - -»Noch Eins,« sagte Georg, indem er die Gratulationen der Menge -unterbrach. -- »Ihr alle erinnert Euch unseres guten, alten Onkel Tom?« - -Hierauf gab Georg eine kurze Schilderung seiner Sterbescene, und -erwähnte des liebevollen Abschieds, den er ihm an Alle aufgetragen -hatte, und fügte hinzu: - -»An seinem Grabe, meine Freunde, gelobte ich vor Gott, nie wieder einen -Sklaven zu besitzen, wenn es in meiner Macht stehe, ihn in Freiheit zu -setzen, um nie Jemanden durch mich der Gefahr auszusetzen, von seiner -Heimath und seinen Freunden losgerissen zu werden und auf einer einsamen -Plantage sterben zu müssen, wie er starb. So oft Ihr Euch also Eurer -Freiheit freut, so denkt daran, daß Ihr sie jener alten, guten Seele -verdankt, und zeigt Euch durch Liebe gegen seine Frau und Kinder dafür -erkenntlich. Gedenkt Eurer Freiheit, so oft Ihr ^Onkel Tom's Hütte^ -seht, und laßt sie Euch daran erinnern, seinen Fußtapfen zu folgen, und -so redlich, so treu, so christlich zu sein, wie er war.« - - - - -Fünfundvierzigstes Kapitel. - -Schlußbemerkungen. - - -Die Verfasserin hat oft von verschiedenen Seiten Anfragen darüber -erhalten, ob diese Erzählung wahre Thatsachen enthalte, und sie will -deshalb hierauf die nachfolgende allgemeine Antwort geben. - -Die einzelnen Ereignisse, welche darin zusammengestellt worden, sind bis -zu einem hohen Grade authentisch, und haben sich entweder unter den -eignen Augen der Verfasserin, oder denen ihrer Freunde zugetragen. Sie -selbst oder ihre Freunde haben Gegenstücke zu fast allen Charakteren, -die hier geschildert worden sind, beobachtet, und viele der -eingeflochtenen Reden sind Wort für Wort wiedergegeben, wie sie von der -Verfasserin gehört oder ihr mitgetheilt worden sind. - -Die persönliche Erscheinung Elisa's und der ihr beigelegte Charakter -sind nach dem Leben gezeichnet. Die unbestechbare Treue, Rechtlichkeit -und Frömmigkeit Tom's hat die Verfasserin in mehr als einem persönlichen -Beispiele selbst beobachtet. Ebenso haben mehrere der tragischsten und -schrecklichsten Ereignisse ihre Originalien in der Wirklichkeit. Die -Handlung der Mutter, welche über das Eis des Ohioflusses geht, ist eine -wohlbekannte Thatsache. Die Geschichte der »alten Prue« ereignete sich -unter der persönlichen Wahrnehmung eines Bruders der Verfasserin, -welcher Kassirer eines großen Handlungshauses in New Orleans war. Aus -derselben Quelle ist der Charakter des Pflanzers Legree entnommen -worden. Ueber ihn äußerte sich derselbe, indem er einen auf seiner -Pflanzung bei Gelegenheit einer Geschäftsreise abgestatteten Besuch -schildert, folgendermaßen: »Er ließ mich in der That seine Faust -befühlen, welche dem Hammer eines Grobschmieds glich, und sagte mir -dabei, daß sie vom ^Niederschlagen der Neger^ so hart geworden sei.« - -Daß ebenso Tom's tragisches Schicksal mehr als ein Beispiel in der -Wirklichkeit hat, dafür gibt es im ganzen Lande zahlreiche lebendige -Zeugen. Man erinnere sich daran, daß es in allen südlichen Staaten ein -gesetzliches Princip ist, keine Person von farbiger Abkunft als Zeugen -gegen einen Weißen zuzulassen; und man wird deshalb leicht sehen, daß -ein solcher Fall sich überall ereignen kann, wo die Leidenschaften eines -Menschen die Rücksichten auf seinen Vortheil überwiegen, und ein Sklave -Männlichkeit und Festigkeit genug besitzt, seinem Willen zu widerstehen. -Es gibt in der That für einen Sklaven keinen andern Schutz, als den -Charakter seines Herrn. - -Thatsachen, die zu schrecklich sind, um nur gelegentlich erwähnt zu -werden, bahnen sich ihren Weg gewaltsam zur Oeffentlichkeit, und die -Bemerkungen, die darüber gemacht werden, sind oft noch schrecklicher, -als die Sache selbst. Man hört die Aeußerung: »Kann wohl sein, daß -solche Dinge sich dann und wann zutragen, aber sie sind kein Beleg für -die allgemeine Praxis.« Wenn die Gesetze von Neu-England so beschaffen -wären, daß ein Meister dann und wann einen Lehrling zu Tode quälen -könnte, ohne die Möglichkeit, denselben zur Bestrafung zu ziehen, -- -würde dies mit demselben Gleichmuthe angehört werden? Würde man sagen: -»Derartige Fälle sind selten und keine Belege für die allgemeine -Praxis?« Diese Ungerechtigkeit ist eine nothwendige Folge des -Sklavensystems, welches ohne dieselbe nicht bestehen kann. - -Der öffentliche und schamlose Verkauf reizender Mulatten und -Quadroonmädchen hat durch diejenigen Ereignisse Oeffentlichkeit erlangt, -welche der Wegnahme der ›Perl‹ folgten. Wir entnehmen das Folgende aus -der Rede des Mr. Horace Mann, eines der gesetzlich bestellten -Vertheidiger der Angeklagten. Er sagt: »Unter den sechsundsiebzig -Personen, welche im Jahre 1848 in dem Schoner ›Perl‹ von Columbia zu -entfliehen suchten, und deren Offiziere ich zu vertheidigen bemüht war, -befanden sich mehrere junge und kräftige Mädchen, welche in Zügen und -Gestalt jene besonderen Reize besaßen, die von Kennern so hoch geschätzt -werden. Elisabeth Russel gehörte zu diesen. Sie fiel augenblicklich in -die Netze der Sklavenhändler, und wurde von ihnen für den Markt in -New-Orleans bestimmt. Die Herzen Aller, die sie sahen, wurden von -Mitleid für ihr Schicksal ergriffen. Man bot achtzehnhundert Dollar, um -sie loszukaufen, aber der Teufel von einem Sklavenhändler war -unerbittlich. Sie wurde nach New-Orleans abgeführt; allein während der -Reise erbarmte Gott sich ihrer und erlöste sie durch den Tod. Zwei -andere Mädchen, Namens Edmundson, befanden sich ebenfalls unter ihnen. -Als sie nach demselben Markte abgesendet werden sollten, kam eine ältere -Schwester derselben zur Fleischbank, um den Elenden, dem sie gehörten, -bei der Liebe Gottes anzuflehen, seiner Opfer zu schonen. Er verhöhnte -sie, und stellte ihr vor, was für schöne Kleider und Möbeln sie haben -würden. ›Ja,‹ entgegnete sie, ›das mag in diesem Leben ganz angenehm -sein, aber was wird in jenem Leben aus ihnen werden?‹ Sie wurden auch -nach New-Orleans abgeführt, aber später für eine ungeheure Summe -losgekauft und zurückgebracht.« Ergibt sich aus diesen Beispielen nicht -deutlich genug, daß die Schicksale Cassy's und Emmelinens zahlreiche -Gegenstücke haben werden? - -Um gerecht zu sein, ist die Verfasserin auch genöthigt, zu bemerken, daß -die Freundlichkeit und der Edelmuth St. Clare's nicht ohne Parallelen -sind, wie sich aus der folgenden Thatsache ergibt. Vor mehreren Jahren -kam ein junger Gentleman aus dem Süden mit einem Lieblingssklaven, der -von seiner Kindheit an sein persönlicher Diener gewesen war, nach -Cincinnati. Letzterer machte von dieser Gelegenheit Gebrauch, sich seine -Freiheit zu verschaffen, und floh unter den Schutz eines Quäckers, der -im allgemeinen Rufe stand, sich derartigen Geschäften zu unterziehen. -Der Eigenthümer war empört. Er hatte den Sklaven stets mit großer -Nachsicht behandelt, und setzte ein so großes Vertrauen in seine -Anhänglichkeit zu ihm, daß er glaubte, er müsse nothwendig zu diesem -Schritte durch Andre verleitet worden sein. Er begab sich deshalb in -heftiger Aufregung zu dem Quäcker, aber wurde bald, da er ein Mann von -offenem und rechtlichem Sinne war, durch die Vorstellungen desselben -beschwichtigt. Er lernte hier die Sache von einer Seite betrachten, von -der er noch nie gehört, -- an die er noch nie gedacht hatte, und sagte -deshalb dem Quäcker sofort, daß, wenn sein Sklave ihm von Angesicht zu -Angesicht den Wunsch, frei zu werden, erklären wolle, er ihn frei lassen -werde. Die Zusammenkunft fand augenblicklich Statt, und Nathan wurde von -seinem jungen Herrn befragt, ob er irgend einen Grund habe, sich über -die von ihm zu Theil gewordene Behandlung zu beklagen? - -»Nein, Master,« sagte Nathan, »Sie sind immer gut gegen mich gewesen.« - -»Gut, weshalb willst Du mich also verlassen?« - -»Master kann sterben, und wem falle ich dann zu? -- Ich möchte lieber -frei sein.« - -Nach einiger Ueberlegung entgegnete der junge Mann: »Nathan, ich -glaube, ich würde an Deiner Stelle eben so denken. Du bist frei.« - -Sofort fertigte er seine Entlassungsscheine aus, legte eine Summe Geldes -in die Hand des Quäckers, um ihm auf zweckmäßige Weise damit -fortzuhelfen, und ließ einen herzlichen und gefühlvollen Brief an den -jungen Mann zurück, in welchem er ihm gute Rathschläge für seinen neuen -Lebensweg ertheilte. Dieser Brief ist längere Zeit in den Händen der -Verfasserin gewesen. - -Die Verfasserin hofft, daß sie der Menschenfreundlichkeit und dem -Edelmuthe volle Gerechtigkeit hat wiederfahren lassen, durch welche sich -oft einzelne Bewohner des Südens auszeichnen. Solche Beispiele bewahren -uns davor, an unserem Geschlechte ganz zu verzweifeln; aber wir fragen -Jeden, der die Welt kennt, ob solche Charaktere gewöhnlich sind? - -Viele Jahre lang hat die Verfasserin durchaus vermieden, etwas über den -Gegenstand der Sklaverei zu lesen, oder seiner irgendwie Erwähnung zu -thun, weil es zu peinlich für sie war, Ermittelungen darüber -anzustellen, und sie der Ueberzeugung lebte, daß das sich immer mehr -ausbreitende Licht der Civilisation das ganze Institut bald verdrängen -werde; allein seit sie durch die Akte von 1850 zu ihrem größten -Erstaunen gehört hat, daß Menschen und Christen die Zurücklieferung der -Entflohenen in die Sklaverei als die Pflicht eines jeden guten Bürgers -empfehlen, -- seit sie überall in den nördlichen Freistaaten -menschenfreundliche, mitleidige und achtungswerthe Leute Versammlungen -und Berathschlagungen darüber hat halten sehen, was die Christenpflicht -in diesem Falle gebiete, -- konnte sie nur glauben, daß diese Menschen -und Christen keine klare Vorstellung von dem haben, was Sklaverei -wirklich ist; denn wenn sie sie besäßen, so hätte bei ihnen eine solche -Frage nie zur Berathung kommen können. Hieraus entstand der Wunsch, sie -zum Gegenstande einer lebendigen dramatischen Darstellung zu machen. -Die Verfasserin ist bemüht gewesen, sie in ihrem besten und -schlechtesten Lichte zu zeigen. In ersterer Beziehung ist es ihr -vielleicht gelungen: aber o! wer kann sagen, was in dem jenseitigen -Thale und unter seinen Todesschatten noch unerwähnt geblieben ist? - -An Euch, Ihr edelherzigen, edelmüthigen Männer und Frauen des Südens, -- -an Euch, deren Tugend, Hochherzigkeit und Reinheit des Charakters um so -größer sind, als Ihr gegen eine schwere Versuchung zu kämpfen habt, -- -an Euch ergeht mein Ruf. Habt Ihr nicht in der Tiefe Eurer eignen Herzen -empfunden, in Eurem eignen Privatverkehr wahrgenommen, daß in diesem -fluchwürdigen Systeme viel größere Uebel und Leiden liegen, als hier hat -schwach geschildert werden können? Kann es anders sein? Ist der Mensch -ein Geschöpf, dem eine völlig unverantwortliche Gewalt anvertraut werden -darf? und macht das System der Sklaverei nicht dadurch, daß es dem -Sklaven die Fähigkeit Zeugniß abzulegen, versagt, jeden einzelnen -Besitzer von Sklaven zu einem Despoten ohne jede Verantwortlichkeit? -Kann irgend Jemand sich darüber täuschen, welche praktische Folgen -nothwendig daraus hervorgehen müssen? Wenn, was wir gern zugestehen, -unter Euch, Männern von Ehre, Menschlichkeit und Gerechtigkeit, ein -übereinstimmendes Gefühl herrscht, so frage ich Euch, herrscht nicht ein -solches andrer Art auch unter den schändlichen, rohen und entarteten -Menschen? Und kann nicht nach Eurem Sklaven-Gesetze der rohe, entartete -Mensch grade eben so viele Sklaven besitzen, wie der Beste unter Euch? -Bilden die ehrenwerthen, gerechten, mitleidigen und edelmüthigen -Menschen irgendwo in dieser Welt die Majorität? - -Der Sklavenhandel wird jetzt nach amerikanischen Gesetzen als eine Art -Räuberei betrachtet; allein ein so systematischer Sklavenhandel, wie er -nur jemals an der Küste Afrika's betrieben wurde, ist eine nothwendige -Folge der in Amerika bestehenden Sklaverei. Und können ihre Gräuel und -ihr herzzerreißendes Elend geschildert werden? - -Die Verfasserin hat nur ein schwaches Bild von der Angst und -Verzweiflung gegeben, die in diesem Augenblicke tausend Herzen -zerreißen, tausend Familien zerstören, und jene hülflose und gefühlvolle -Menschenklasse zu Wahnsinn und Verzweiflung treiben. Es gibt Viele, -denen aus eigner Wahrnehmung bekannt ist, daß durch diesen fluchwürdigen -Handel Mütter dazu getrieben worden sind, ihre eigenen Kinder zu -ermorden, und für sich selbst im Tode einen Schutz gegen Leiden zu -suchen, die für sie schrecklicher waren als der Tod. Es läßt sich nichts -so Tragisches schreiben, sagen oder vorstellen, was der furchtbaren -Wirklichkeit jener Scenen gleich käme, die sich täglich unter dem -Schutze des amerikanischen Gesetzes und dem Schatten des Kreuzes Christi -an unsern Küsten zutragen. - -Und nun, Ihr Männer und Frauen Amerika's, ist dies ein Gegenstand, der -leicht genommen, entschuldigt oder mit Schweigen übergangen werden -könnte? Ihr Farmer vom Massachusetts, New-Hampshire, Vermont und -Connecticut, die Ihr dieses Buch beim Scheine Eures winterlichen Feuers -leset, -- Ihr muthigen, edelherzigen Seeleute vom Maine, -- ist dies -eine Sache, die Ihr unterstützen und befördern wollt? Ihr braven, edlen -Männer von New-York, Ihr Farmer des reichen und fröhlichen Ohio, und Ihr -in den weiten Prairie-Staaten, -- antwortet mir, ist dies eine Sache, -die Ihr vertheidigen wollt? Und Ihr, Mütter Amerika's, -- Ihr, die Ihr -an den Wiegen Eurer eignen Kinder gelernt habt das ganze -Menschengeschlecht zu lieben, -- bei der heiligen Liebe zu Euren eignen -Kindern, bei der Freude, die Ihr über ihre reine, schöne Kindheit -empfindet, bei der mütterlichen Liebe und Zärtlichkeit, mit der Ihr ihre -reifenden Jahre bewacht, bei der Sorge für ihre Erziehung, bei den -Gebeten, die Ihr für ihr unsterbliches Seelenheil zum Himmel sendet, -- -beschwöre ich Euch, habt Mitleid für die Mutter, die alle Eure warmen -Empfindungen, und kein gesetzliches Recht hat, das Kind ihres Herzens zu -beschützen, zu leiten und zu erziehen! Bei der Sterbestunde Eures -Kindes, bei jenen brechenden Augen, die Ihr nie vergessen könnt, bei den -letzten Schreien, die Euer Herz zerrissen haben, wenn Ihr weder helfen -noch retten konntet, bei jener vereinsamten Wiege, bei jener verödeten -Kinderstube, -- beschwöre ich Euch, habt Mitleid mit jenen Müttern, die -fortwährend kinderlos werden durch den amerikanischen Sklavenhandel! Und -sagt mir, Ihr Mütter Amerika's, ist dies ein Gegenstand, der vertheidigt -oder mit Stillschweigen übergangen werden kann? - -Wollt Ihr behaupten, daß die Bewohner der Freistaaten nichts damit zu -thun haben, und nichts dafür thun können? Wollte Gott, es wäre wahr! -Aber es ist nicht wahr. Die Bewohner der Freistaaten haben das System -vertheidigt, befördert, und selbst daran Theil genommen; sie sind vor -Gott sogar schuldiger als der Süden, da sie weder den Einfluß der -Erziehung noch der Sitte für sich haben. - -Wenn die Mütter der Freistaaten in früheren Zeiten die Empfindungen und -Ansichten gehabt hätten, die sie hätten haben sollen, so würden die -Söhne der Freistaaten nicht Sklavenhalter, und, wie es sprüchwörtlich -geworden ist, die härtesten Herrn der Sklaven geworden sein; die Söhne -der Freistaaten würden nicht zur Verbreitung der Sklaverei mitgewirkt, -und nicht mit menschlichen Seelen und Körpern, wie sie thun, anstatt -Geldes gehandelt haben. Es gibt zahllose Sklaven, die von Kaufleuten der -nördlichen Städte zeitweise besessen und verkauft werden; und darf also -die ganze Schuld und Schmach der Sklaverei allein auf den Süden fallen? -Die Männer, Mütter und Christen des Nordens haben noch etwas mehr zu -thun, als ihre Brüder des Südens anzuklagen; sie haben das unter ihnen -selbst bestehende Uebel abzustellen. - -Aber was kann eine einzelne Person thun? Darüber kann Jeder urtheilen. -Es gibt Etwas, das jedes Individuum thun kann, -- dafür sorgen, daß es -richtige Empfindungen hegt. Ein jedes menschliches Wesen ist von einer -Atmosphäre sympathetischen Einflusses umgeben, und Jeder, der gesunde, -kräftige und gerechte Empfindungen in Bezug auf die großen Interessen -der Menschheit hegt, wird stets ein Wohlthäter des menschlichen -Geschlechts sein. Sorgt also für Eure Empfindungen über diesen -Gegenstand. Sind sie in Uebereinstimmung mit den Gefühlen, die Christus -lehrte, oder sind sie durch die Sophistereien einer weltlichen Politik -auf Abwege gelenkt und verderbt worden? - -Noch mehr, Ihr christlichen Männer und Weiber des Nordens! -- Ihr könnt -noch mehr thun! Ihr könnt beten! Glaubt Ihr an die Kraft des Gebetes? -oder ist es für Euch nur eine dunkle, apostolische Tradition geworden? -Ihr betet für die Heiden im Auslande; betet auch für die Heiden in Eurem -Vaterlande; und betet für die unglücklichen Christen, deren Fortschritte -in der Religion einzig und allein von Zufälligkeiten im Handel und -Wandel abhängig sind, und für die jedes Festhalten an der Moral des -Christenthums häufig eine Unmöglichkeit ist, wenn sie nicht von oben -herab mit dem Muthe des Märtyrerthums begnadigt worden sind. - -Aber noch mehr. An den Küsten unserer freien Staaten sammeln sich die -armen, verstreuten Ueberbleibsel zerrissener Familien, -- Männer und -Weiber, die durch wunderbare Fügungen der Vorsehung aus der Sklaverei -entkommen sind, -- schwach im Wissen, und meistens auch zu Grunde -gerichtet in ihrem moralischen Zustande, und zwar durch ein System, -welches jedes Princip des Christenthums und der Morallehre entstellt und -verwirrt. Sie kommen, um eine Zuflucht bei Euch zu suchen, um Erziehung, -Unterricht und Christenthum zu suchen. - -Was seid Ihr diesen Unglücklichen schuldig, o Christen? Hat nicht jeder -amerikanische Christ die Verbindlichkeit gegen das afrikanische -Geschlecht, nach Kräften das Unrecht wieder gut zu machen, welches die -amerikanische Nation über das Letztere gebracht hat? Sollen ihnen die -Thüren der Kirchen und Schulhäuser verschlossen werden? Sollen die -Staaten sich erheben und sie hinaustreiben? Soll die Kirche Christi -schweigend den Hohn mit anhören, der auf sie geworfen wird, soll sie vor -der hülflosen Hand zurückweichen, die Jene ausstrecken, und durch ihr -Schweigen die Grausamkeit gut heißen, die sie aus unsern Gränzen -vertreiben möchte? Wenn dies geschehen muß, so wird es ein trauriges -Schauspiel sein. Wenn dies geschehen muß, so wird das Land Ursache haben -zu zittern, sobald es daran denkt, daß das Schicksal der Völker in der -Hand Eines liegt, der mitleidig und barmherzig ist. - -Sagt Ihr vielleicht: »Wir wollen sie nicht hier haben, -- sie mögen nach -Afrika gehen?« - -Daß die Vorsehung Gottes ihnen einen Zufluchtsort in Afrika eröffnet -hat, ist allerdings ein großer und wichtiger Umstand, aber es ist kein -Grund, der die Kirche Christi von der Verantwortlichkeit gegen diesen -ausgestoßenen Stamm entbindet, welche ihr Glaube ihr zur Pflicht macht. -Wollte man Liberia mit einem unwissenden, unerfahrenen, halb -barbarischen Geschlechte anfüllen, welches so eben erst den Ketten der -Sklaverei entlaufen ist, so würde es nur dazu dienen, die Dauer des -Kampfes zu verlängern, der den Anfang jedes neuen Unternehmens -begleitet. Die Kirche des Nordens möge diese armen Leidenden im Geiste -Christi bei sich aufnehmen, sie der Wohlthaten einer christlich -republikanischen Gesellschaft und ihrer Schulen theilhaftig machen, und, -wenn sie eine gewisse moralische und intellektuelle Reife erlangt haben, -ihnen behülflich zu der Uebersiedelung nach jenen Küsten sein, wo sie -den in Amerika angefangenen Unterricht praktisch anwenden können. - -Es gibt im Norden einen verhältnißmäßig kleinen Verein von Männern, -welche dies bereits gethan haben, und in Folge dessen hat unser Land -bereits Beispiele von Männern aufzuweisen, die früher Sklaven gewesen -sind, und sich schnell Vermögen, Ruf und Bildung erworben haben. Talente -sind entwickelt worden, die unter Berücksichtigung der Umstände, -Bewundrung verdienen; und in Zügen von Rechtlichkeit, Herzensgüte, -Zartheit der Empfindungen, -- heroischer Aufopferung und -Selbstverläugnung; um Brüder und Angehörige, die noch in der Sklaverei -waren, zu befreien, -- haben sich diese Menschen in einem Grade -ausgezeichnet, der unter Berücksichtigung des Einflusses, unter dem sie -geboren wurden, Staunen erregen muß. - -Die Verfasserin hat viele Jahre lang an der Gränze der Sklavenstaaten -gelebt, und vielfach Gelegenheit gehabt, solche Personen zu beobachten, -die früher Sklaven gewesen waren. Sie sind Dienstboten in ihrer Familie -gewesen, und haben, in Ermangelung einer andern Schule, häufig denselben -Unterricht mit ihren Kindern genossen. Mit ihren Erfahrungen stimmen die -Ansichten der in Canada unter den flüchtigen Sklaven lebenden Missionäre -vollkommen überein, so daß die daraus zu ziehenden Folgerungen über die -Bildungsfähigkeit des Geschlechts in hohem Grade ermuthigend sind. - -Das erste Verlangen des emancipirten Negers steht in der Regel nach -Unterricht. Es gibt nichts, was sie nicht willig geben würden, um ihre -Kinder unterrichtet zu sehen; und so weit die Beobachtung der -Verfasserin selbst geht, und das Zeugniß der Lehrer reicht, welche sie -unterrichtet haben, besitzen sie eine ungewöhnliche Fassungsgabe. Die -Ergebnisse der in Cincinnati für sie von wohlthätigen Individuen -gegründeten Schulen bestätigen dies vollkommen. - -Die Verfasserin läßt hier die nachstehenden Angaben rücksichtlich der -jetzt in Cincinnati lebenden, emancipirten Sklaven folgen, und stützt -sich dabei auf die Autorität des Professors C. E. Stowe, am Lane Seminar -zu Ohio, um zu zeigen, was die diesem Geschlechte angehörigen -Individuen, selbst ohne besonderen Beistand, zu leisten vermögen. Es -sind hier nur die Anfangsbuchstaben der Namen gegeben, und sämmtliche -hier angedeutete Personen wohnen in Cincinnati. - - »B--. Tischler; zwanzig Jahre in der Stadt; besitzt an Vermögen - zehn tausend Dollar, die er selbst erworben hat, und gehört der - Baptisten Gemeinde an.« - - »C--. Ganz schwarz; gestohlen in Afrika und in New-Orleans - verkauft; ist seit fünfzehn Jahren frei; bezahlte selbst - sechshundert Dollar für sich; ist Farmer, und besitzt mehrere - Farmgrundstücke in Indiana; gehört der presbyterianischen Kirche - an, und hat ein selbst erworbenes Vermögen von fünfzehn bis - zwanzig tausend Dollar.« - - »K--. Ganz schwarz; ist vierzig Jahre alt, Gütermäkler, seit sechs - Jahren frei, und besitzt ungefähr dreißig tausend Dollar. Er - bezahlte achtzehn hundert Dollar für seine Familie, ist Mitglied - der Baptisten-Gemeinde, und empfing von seinem Herrn ein Legat, - welches er in Acht genommen und vermehrt hat.« - - »G--. Ganz schwarz, Kohlenhändler, dreißig Jahr alt; besitzt - achtzehn tausend Dollar; bezahlte zweimal für sich, da er einmal - um sechszehnhundert Dollar betrogen wurde; verdiente sein ganzes - Vermögen durch eigne Anstrengungen, -- und einen großen Theil - davon während er Sklave war, indem er seine Zeit seinem Herrn - abdung, und für sich selbst Geschäfte machte; ist ein hübscher - Mensch von anständigem Aeußern.« - - »W--. Drei Viertel schwarz; Barbier und Aufwärter, aus Kentucky; - neunzehn Jahre frei; bezahlte für sich selbst und seine Familie - drei tausend Dollar; besitzt zwanzig tausend Dollar, die er - selbst erworben hat: ist Diakon der Baptistenkirche.« - - »G. D--. Drei Viertel schwarz; Weißwäscher, von Kentucky gebürtig; - neun Jahre frei; bezahlte fünfzehn hundert Dollar für sich und - seine Familie; ist kürzlich sechszig Jahre alt gestorben, und - besaß ein Vermögen von sechs tausend Dollar.« - -Professor Stowe sagt: »Mit allen diesen, G-- allein ausgenommen, bin ich -viele Jahre persönlich bekannt gewesen, und gründe deßhalb meine Angaben -auf eigne Wahrnehmung.« - -Die Verfasserin erinnert sich deutlich einer alten, farbigen Frau, die -als Waschfrau in der Familie ihres Vaters fungirte. Die Tochter dieser -Frau heirathete einen Sklaven. Sie war eine außerordentlich thätige und -geschickte junge Frau, welche durch ihren Fleiß, ihre Anstrengungen und -die ausdauerndste Selbstverleugnung neun hundert Dollar sammelte, und an -den Herrn ihres Mannes bezahlte. Es fehlten noch hundert Dollar am -Preise, als er starb. Sie erhielt nie den geringsten Theil ihres Geldes -zurück. - -Es sind dies nur einzelne Thatsachen, einer großen Anzahl ähnlicher -entnommen, die als Belege angeführt werden könnten, um zu zeigen, welche -Selbstverleugnung, Energie, Geduld und Rechtlichkeit der frühere Sklave -im Zustande der Freiheit besitzt. Und dabei vergesse man nicht, daß es -diesen Individuen gelungen ist, sich verhältnißmäßigen Reichthum und -eine gesellschaftliche Stellung zu erobern, während sie gegen Nachtheile -und Entmuthigungen jeder Art zu kämpfen hatten. Nach den Gesetzen des -Ohio Staates kann der Farbige nicht Wähler sein, und noch bis vor -wenigen Jahren war ihm sogar versagt, Zeugniß in Prozessen gegen einen -Weißen abzulegen. Auch beschränken sich diese Beispiele keineswegs auf -den Staat Ohio allein; denn wir sehen jetzt in allen Staaten der Union -Männer, welche, nachdem sie kaum die Fesseln der Sklaverei -abgeschüttelt haben, durch eigene Kraft, die nicht genug bewundert -werden kann, zu geachteten Stellungen in der Gesellschaft emporgestiegen -sind. Pennington unter den Geistlichen, Douglas und Ward unter den -Autoren sind wohl bekannte Beispiele. - -Wenn dieses verfolgte Geschlecht, unter Nachtheilen und Entmuthigungen -jeder Art, so viel erreicht hat, wie viel würde es dann vermögen, wenn -die christliche Kirche im Geiste ihres Stifters gegen dasselbe handeln -wollte! - -Wir leben jetzt in einer Zeit, wo die Nationen zittern und in Krämpfen -liegen. Andre Theile der Erde werden von einem gewaltigen Einflusse -gehoben und erschüttert. Und ist Amerika sicher? Jede Nation, die große -und ungesühnte Ungerechtigkeiten in ihrem Busen trägt, hat auch die -Elemente zu diesen inneren Krämpfen in sich. Weßhalb erweckt jener -mächtige Einfluß in allen Nationen und Sprachen die Seufzer nach -Freiheit und Gleichheit, die nicht laut werden dürfen? - -O Kirche Christi, lies die Zeichen der Zeit! Ist nicht jene Gewalt sein -Geist, dessen Reich noch kommen soll, und dessen Wille geschehen muß auf -Erden wie im Himmel? - -Aber wer mag den Tag seines Erscheinens erwarten? »Denn dieser Tag wird -brennen wie ein Ofen: und Er wird erscheinen als ein schneller Zeuge -gegen Diejenigen, welche den Diener in seinem Solde verkürzen, Wittwen -und Waisen bedrücken, und ^den Fremden in seinen Rechten auf die Seite -setzen wollen^: und er wird den Unterdrücker in Stücke zerbrechen.« - -Sind dies nicht schreckliche Worte für eine Nation, die eine so -furchtbare Ungerechtigkeit in ihrem Busen trägt? Christen! könnt Ihr, so -oft Ihr betet, daß das Reich Christi kommen möge, vergessen, daß die -Prophezeiung in schrecklicher Verbindung mit dem Tage der Erlösung den -Tag der Wiedervergeltung verheißt? - -Noch ist uns ein Tag der Gnade geboten. Der Norden sowohl wie der Süden -ist schuldig vor Gott, und die christliche Kirche hat eine schwere -Rechnung abzulegen. Nicht dadurch, daß sich Alles verbindet, um -Ungerechtigkeit und Grausamkeit zu beschützen, und ein -gemeinschaftliches Kapital der Sünde anzulegen, -- kann die Union -gerettet werden, -- sondern nur durch Reue, Gerechtigkeit und Gnade; -denn nicht gewisser ist das ewige Gesetz, daß der Mühlstein im Oceane -versinken muß, als das noch stärkere, daß Ungerechtigkeit und -Grausamkeit den Zorn des Allmächtigen über die Nationen bringen werden. - - - ^Ende^ - - - - -Notizen des Bearbeiters: - - Gesperrte Schrift markiert durch ^ ... ^ - Schrift in Antiqua markiert durch _..._ - Nicht einheitliche Schreibweisen wurden wie im Original beibehalten. - Alte, heute nicht mehr verwendete Schreibweisen des Originals wurden - beibehalten. - - - -*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ONKEL TOM'S HÜTTE *** - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the -United States without permission and without paying copyright -royalties. 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Hart was the originator of the Project -Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. 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margin:1em 0'> -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and -most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms -of the Project Gutenberg License included with this eBook or online -at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you -are not located in the United States, you will have to check the laws of the -country where you are located before using this eBook. -</div> -</div> - -<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Title: <span lang='de' xml:lang='de'>Onkel Tom's Hütte</span></p> -<p style='display:block; margin-left:2em; text-indent:0; margin-top:0; margin-bottom:1em;'><span lang='de' xml:lang='de'>oder die Geschichte eines christlichen Sklaven</span></p> -<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Author: Harriet Beecher Stowe</p> -<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Translator: L. Du Bois</p> -<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Release Date: February 7, 2023 [eBook #69977]</p> -<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Language: German</p> - <p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em; text-align:left'>Produced by: Norbert H. Langkau, Matthias Grammel, Juliet Sutherland and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net</p> -<div style='margin-top:2em; margin-bottom:4em'>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>ONKEL TOM'S HÜTTE</span> ***</div> - - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_i">[S. i]</a></span></p> - - -<h1>Onkel Tom's Hütte</h1> - -<p class="center font09 pmb1">oder die</p> - -<p class="center font15 pmb1">Geschichte eines christlichen Sklaven.</p> - -<p class="center font09 pmb1">Von</p> - -<p class="center font14 pmb1"><b>Harriet Beecher Stowe.</b></p> - -<p class="center font13">Aus dem Englischen übertragen</p> - -<p class="center font08">von</p> - -<p class="center font12 pmb2"><b>L. Du Bois.</b></p> - - -<p class="center font11 pmb3">Dritter Band.</p> - -<div class="pmb3"></div> -<div class="figcenter" style="width: 20%; margin: auto 40%;"> - <img src="images/tb_001.jpg" width="100" height="7" alt="tb" /> -</div> - -<div class="pmb3"></div> - - -<p class="p3 center font11"><em class="antiqua"><b>S. Zickel.</b></em></p> - -<p class="center font12"><em class="antiqua">Nro. 19. Dey-Street.</em></p> - -<p class="center font12 pmb3"><em class="antiqua">NEW-YORK.</em></p> - - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_ii"></a></span></p> -<p class="pmb3" /> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_iii">[S. iii]</a></span></p> - - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Inhalt">Inhalt.</h2> -</div> - -<blockquote> - -<table border="0" cellspacing="5" cellpadding="0" class="tdl" summary="Inhalt."> - <colgroup> - <col width="15%" /> - <col width="65%" /> - <col width="15%" /> - </colgroup> - <tr> - <td align="center" colspan="2"><b><em class="antiqua">I.</em></b><br /><br /></td> - <td align="right"> <br /><br /></td> - </tr> - - <tr> - <td colspan="3" align="right"><span class="font08">Seite</span><br /></td> - </tr> - - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">I.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Worin der Leser die Bekanntschaft eines menschenfreundlichen - Mannes macht</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">1</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">II.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Die Mutter</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">16</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">III.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Der Gatte und Vater</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">21</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">IV.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Ein Abend in Onkel Tom's Hütte</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">28</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">V.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Die Empfindungen lebenden Eigenthums unter - wechselnden Herren</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">44</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">VI.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Die Entdeckung</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">57</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">VII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Der Kampf der Mutter</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">71</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">VIII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Ein würdiges Trio</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">91</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">IX.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Worin sich zeigt, daß ein Senator nur ein - Mensch ist</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">115</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">X.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Das Eigenthum wird fortgeschafft</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">139</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XI.</span><br /><br /><br /><br /></td> - <td valign="top"><span class="font08">Worin das Eigenthum in einen unpassenden<br /> - Geisteszustand geräth</span><br /><br /><br /><br /></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">155</span><br /><br /><br /><br /></td> - </tr> - - <tr> - <td align="center" colspan="2"><b><em class="antiqua">II.</em></b><br /><br /></td> - <td align="right"> <br /><br /></td> - </tr> - - <tr> - <td colspan="3" align="right"><span class="font08">Seite</span><br /></td> - </tr> - - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Ausgewähltes Beispiel von gesetzlichem Handel</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">1</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XIII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Die Quäker-Niederlassung</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">26</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XIV.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Evangeline</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">39</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XV.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Von Tom's neuen Herrn und verschiedenen - andern Gegenständen</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">54</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XVI.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Tom's Mistreß und ihre Ansichten</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">77</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XVII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Die Vertheidigung des freien Mannes</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">106</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XVIII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Miß Opheliens Erfahrungen und Ansichten</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">131</span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XIX.</span><br /><br /><br /><br /></td> - <td valign="top"><span class="font08">Miß Opheliens Erfahrungen und Ansichten<br /> - (Fortsetzung)</span><br /><br /><br /><br /></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">155</span><br /><br /><br /><br /></td> - </tr> - - <tr> - <td align="center" colspan="2"><span class="pagenum"><a id="Page_iv">[S. iv]</a></span> - <b><em class="antiqua">III.</em></b><br /><br /></td> - <td align="right"> <br /><br /></td> - </tr> - - <tr> - <td colspan="3" align="right"><span class="font08">Seite</span><br /></td> - </tr> - - <tr> <td align="left" colspan="3"> </td> </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XX.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Topsy</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_1">1</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXI.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Kentucky</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_22">22</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">»Das Gras verwelkt — die Blume verblüht«</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_29">29</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXIII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Henrique</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_39">39</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXIV.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Vorboten</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_51">51</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXV.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Der kleine Evangelist</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_60">60</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXVI.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Der Tod</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_67">67</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXVII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">»Dies ist das Letzte der Erde«</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_87">87</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXVIII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Wiedervereinigung</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_97">97</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXIX.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Die Schutzlosen</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_119">119</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXX.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Das Sklavenhaus</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_130">130</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXXI.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Die Fahrt</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_145">145</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXXII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Finstere Orte</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_154">154</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXXIII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Cassy</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_166">166</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXXIV.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Die Geschichte der Quatroon</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_178">178</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXXV.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Die Zeichen</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_194">194</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXXVI.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Emmeline und Cassy</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_203">203</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXXVII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Freiheit</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_213">213</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXXVIII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Der Sieg</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_223">223</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XXXIX.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Der Kunstgriff</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_237">237</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XL.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Der Märtyrer</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_252">252</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XLI.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Der junge Master</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_262">262</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XLII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Eine wirkliche Geistergeschichte</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_271">271</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XLIII.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Ergebnisse</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_280">280</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XLIV.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Der Befreier</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_292">292</a></span></td> - </tr> - <tr> - <td align="right" valign="top"><span class="font08">XLV.</span></td> - <td valign="top"><span class="font08">Schlußbemerkungen</span></td> - <td align="right" valign="top"><span class="font08"><a href="#Page_298">298</a></span></td> - </tr> -</table> - -</blockquote> - -<p class="pmb3" /> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_v">[S. v]</a></span></p> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Vorrede">Vorrede -zur europäischen Ausgabe.</h2> -</div> - - -<p>Indem die Verfasserin die Herausgabe dieses -Werkes für das Festland Europa's authorisirt, hat -sie nur die Bemerkung beizufügen, daß die Menschenliebe -höher steht als die Vaterlandsliebe.</p> - -<p>Das große, allen christlichen Nationen gemeinsame -Mysterium, das Bündniß Gottes mit den -Menschen durch die Menschwerdung Christi, verleiht -der menschlichen Existenz eine Ehrfurcht erweckende -Heiligkeit, und in den Augen eines jeden -wahrhaft Gläubigen muß Derjenige, welcher die -Rechte seines niedrigsten Mitmenschen mit Füßen -tritt, nicht nur als Unmensch, sondern auch als -Gotteslästerer erscheinen, — und die schrecklichste -Art dieser Gotteslästerung ist das Institut der -Sklaverei.</p> - -<p>Man hat gesagt, daß die Schilderungen dieses -Buches Uebertreibungen enthielten! Ich wünschte, -es wäre wahr! ich wünschte, dieses Buch wäre - <span class="pagenum"><a id="Page_vi">[S. vi]</a></span> -wirklich nur eine Schöpfung der Einbildungskraft, -und nicht eine Mosaik wirklicher Thatsachen! Aber -daß es keine Erfindung ist, dafür sind die Beweise -in Tausenden blutender Herzen zu finden, — sie -sind von Tausenden von Zeugen in den Sklavenstaaten -bekräftigt, und selbst von Sklavenhaltern, -mit ausdrücklicher Bezugnahme auf dieses Buch, -bestätigt worden. — Wenn noch andere Beweise -erforderlich wären, so dürften wir die ganze civilisierte -Welt nur auf das allgemein publicierte Gesetzbuch -der Sklavenstaaten verweisen, welches eine -vollständige, klare und gesetzliche Billigung jeder -Grausamkeit und Abscheulichkeit enthält, die der -Mensch überhaupt der Seele und dem Körper seines -Mitmenschen zufügen kann; und wenn das Gesetz -so beschaffen ist, — wie müssen dann die Folgen -sein? Seitdem ist jedoch, Gott sei gedankt, -jener gewaltige, unaussprechliche Angstschrei endlich -gehört worden!</p> - -<p>Es ist gesagt worden, daß die Sklavenbevölkerung -ganz ungeeignet für die Freiheit, und -deren unfähig sei, und daß die in diesem Buche -geschilderte Charaktere eingebildete Uebertreibungen -und Unmöglichkeiten seien. Allein, was man auch -über die afrikanische Race selbst sagen möge, so -läßt sich doch nicht in Abrede stellen, daß die Sklavenbevölkerung -Amerika's jetzt eine in hohem Grade -gemischte Race ist, in deren Adern das beste angelsächsische -Blut fließt, — und daß Charaktere, wie - <span class="pagenum"><a id="Page_vii">[S. vii]</a></span> -Georg Harrys und Elise, keineswegs ungewöhnlich -unter den Sklaven sind. Damit auch die Charakteristik -des »Onkel Tom« selbst nicht für eine, in -der Wirklichkeit nicht zu findende Erdichtung gehalten -werde, wollen wir aus dem publizirten Testamente -des Richters Upshur, früheren Staatssecretairs -unter Präsident Tyler, des Tributes erwähnen, -welcher darin den Verdiensten eines Lieblingssclaven -gezollt worden ist.</p> - -<blockquote> -<p>»Ich emancipire hierdurch meinen Sklaven -David Rice, und weise meine Testamentsvollstrecker -an, ihm hundert Dollar auszuzahlen. Ich empfehle -ihn der Achtung und dem Vertrauen einer jeden -Gemeinde, in der er sich niederlassen sollte. Er ist -vierundzwanzig Jahre lang mein Sklave gewesen, -während welcher Zeit ihm von mir unbedingtes -und unbegränztes Vertrauen geschenkt worden ist. -Sein Verhältniß zu mir und meiner Familie ist -stets von der Art gewesen, daß sich ihm täglich Gelegenheit -darbot, uns zu hintergehen oder zu bevortheilen, -und dennoch hat ihm nie ein erhebliches -Vergehen, selbst nicht ein Verstoß gegen die Gesetze -des Anstandes in seiner Stellung zur Last gelegt -werden können. Seine Intelligenz ist höherer Art, -seine Rechtlichkeit über jedem Verdachte, und sein -Gefühl für Recht und Schicklichkeit richtig und sogar -geläutert. Ich bin der Meinung, daß er einen -gerechten Anspruch darauf hat, dieses Zeugniß von -mir mit in die neuen Verhältnisse zu nehmen, -welche er einzugehen genöthigt ist; es gebührt seinen -langen und treuen Diensten von der aufrichtigen -Freundschaft, die ich für ihn hege. Während des -ununterbrochenen, vertrauten Verkehrs durch vierundzwanzig -Jahre habe ich ihm nie ein unfreundliches -Wort gesagt, und nie dazu Veranlassung gehabt. -Ich habe nie einen Menschen gekannt, der weniger -Fehler und mehr gute Eigenschaften hatte, als er.«</p> -</blockquote> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_viii">[S. viii]</a></span></p> - -<p>Es soll nicht behauptet werden, daß ein Charakter, -wie der Onkel Tom's gewöhnlich zu finden -sei, aber er hat mehr als einmal existirt; und es -ist so eine Schmach, Verachtung und erzwungene -Lasterhaftigkeit auf das Haupt des unglücklichen Afrikaners -gehäuft worden, daß er wohl mit Recht -einen Anspruch auf eine so günstige Schilderung -hat, als sie mit Wahrheit und Wahrscheinlichkeit -übereinstimmt.</p> - -<p>Nicht in äußerster Verzweiflung, sondern in -feierlicher Hoffnung und Zuversicht dürfen wir dem -Kampfe zuschauen, der jetzt Amerika durchwühlt. -Es ist der Angstschrei des Teufels der Sklaverei, -der von fern die Stimme eines nahenden Jesus gehört -hat, und die edle Gestalt durch Zuckungen -verzerrt, aus der er ihn endlich vertreiben wird.</p> - -<p>Es ist unmöglich, daß eine so ungeheure Verirrung -lange im Busen einer Nation bestehen könne, -die in jeder anderen Beziehung das beste Beispiel -der großen Principien einer allgemeinen Brüderschaft -giebt. In Amerika genießen der Franzose, - <span class="pagenum"><a id="Page_ix">[S. ix]</a></span> -der Deutsche, der Italiener, der Ungar, der Schwede -und der Lette, alle gleiche Rechte; — alle Nationen -entfalten hier die ihnen eigenthümlichen Vorzüge, -und werden durch die liberalen Gesetze des -Landes gleicher Privilegien theilhaftig; Alles wirkt -darauf hin, zu befreien, zu humanisiren, zu erheben, -und grade aus diesem Grunde wird der Kampf -mit der Sklaverei jedes Jahr furchtbarer. Der -Strom menschlichen Fortschritt's, der durch die zusammenfließenden -Kräfte aller Nationen immer -breiter, tiefer und kräftiger wird, stößt auf diese -Schranke, hinter welcher sich alle Unwissenheit, -Grausamkeit und Bedrückung finstrer Jahrhunderte -gesammelt hat; — jetzt schäumt und drängt er nur -gegen den Fuß, aber er steigt mit jedem Jahre, und -endlich wird er mit einem Sturze, gleich dem des -Niagara, das Hemmniß mit sich fortreißen. Dichtkunst, -Redekunst und Litteratur sind dagegen, denn -es gibt keine einzige Fähigkeit göttlichen Ursprungs -im Menschen, die nicht für Freiheit spräche! Anfangs -verbreitete sich die Sklaverei über alle Staaten -der Union. Jetzt hat der Fortschritt der gesellschaftlichen -Verhältnisse die Mehrzahl derselben -emancipirt. In Kentucky, Tennessee, Virginien und -Maryland haben zu verschiedenen Zeiten starke Bewegungen -zu Gunsten der Emancipation statt gefunden, -— Bewegungen, welche fortwährend durch -eine Vergleichung des progressiven Fortschritts der -freien Staaten mit der Armuth und Unfruchtbarkeit - <span class="pagenum"><a id="Page_x">[S. x]</a></span> -als Folge eines Systems erweckt wurden, welches -in wenigen Jahren den Boden erschöpft, ohne -im Stande zu sein, ihm wieder frische Kräfte zu -geben. Der Zeitpunkt kann nicht mehr fern sein, -wo alle diese Staaten ihrer eignen Selbsterhaltung -wegen emancipiren werden, und wenn kein -Sklavengebiet hinzukommt, so wird ein Zunehmen -der Sklavenbevölkerung Maßregeln für die Emancipation -der übrigen nothwendig machen. Dies ist -der Punkt, um den gestritten wird. Sofern kein -neues Sklavengebiet gewonnen wird, muß die Sklaverei -untergehen, — wenn es gewonnen wird, besteht -sie fort. — Um diesen Punkt manöveriren -und kämpfen die politischen Parteien, und jedes -Jahr wird der Kampf heißer, der bald zur großen -Nationalfrage werden wird. In dem Gesetze von -1850, die flüchtigen Sklaven betreffend, gewann -die Sklavenmacht allerdings einen Sieg, aber es -war nur ein Sieg des Pyrrhus, — noch ein solcher -würde ihr Untergang sein! Grade dieses Gesetz -hat mehr als alle früher wirkenden Mittel dazu -beigetragen, die moralische Kraft der Nation -gegen die Sklaverei zu erwecken und zu concentriren.</p> - -<p>Keine inneren Kämpfe irgend einer andern -Nation der Welt können für den Europäer von so -großem Interesse sein wie die Amerika's, denn Amerika -bevölkert sich immer mehr aus Europa, und jeder -Europäer, der an seinen Ufern landet, erlangt -fast unmittelbar seine Stimme in den Berathungen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_xi">[S. xi]</a></span></p> - -<p>Wenn deßhalb die Unterdrückten andrer Nationen -in Amerika ein Asyl dauernder Freiheit zu -finden wünschen, so mögen sie bereit sein, mit Herz, -Hand und Stimme gegen das Institut der Sklaverei -zu kämpfen; denn diejenigen, die Andere zu -Sklaven machen wollen, können selbst nicht lange -frei bleiben.</p> - -<p>Wahr sind die großen, lebendigen Worte: -»Keine Nation kann frei bleiben, bei der die Freiheit -nur ein Vorrecht und nicht ein Princip ist.«</p> - -<p> -<em class="gesperrt">Andover</em>, den 21. September 1852.<br /> -<br /> -<b>Harriet Beecher Stowe.</b><br /> -</p> -<p class="pmb3" /> - - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_xii"></a></span></p> -<p class="pmb3" /> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_1">[S. 1]</a></span></p> - - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Zwanzigstes_Kapitel">Zwanzigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="center font09"><b>Topsy.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - - -<p>Eines Morgens, als Miß Ophelia in ihren häuslichen -Sorgen geschäftig war, wurde St. Clare's Stimme -am Fuße der Treppe gehört, der nach ihr rief.</p> - -<p>»Komm herunter, Cousine, ich habe Dir etwas zu -zeigen!«</p> - -<p>»Was ist es denn?« fragte Ophelia, mit ihrem Nähzeuge -in der Hand herabkommend.</p> - -<p>»Ich habe hier etwas für Dein Departement angekauft, -— sieh' hier!« sagte St. Clare, indem er ein kleines -Negermädchen von acht bis neun Jahren hervorzog.</p> - -<p>Sie war eine der Schwärzesten ihrer Race, und ihre -runden, wie Glasperlen glänzenden Augen flogen mit unstäten, -ruhelosen Blicken über alle im Zimmer befindlichen -Gegenstände. Ihr Mund, der vor Erstaunen über die -Wunder im Wohnzimmer ihres Herrn halb geöffnet war, -ließ zwei Reihen glänzend weißer Zähne sehen. Ihr wolliges -Haar war in verschiedene Zöpfe geflochten, die nach -allen Richtungen hin starrten. Der Ausdruck ihres Gesichts -enthielt eine sonderbare Mischung von Muthwillen -und Schlauheit, über die, wie ein Schleier, die Miene -eines schmerzlichen Ernstes hing. Sie trug ein einziges, -schmutziges, zerlumptes Kleid aus Sackleinwand, und stand -mit ernsthaft gefalteten Händen vor Ophelien. In ihrer - <span class="pagenum"><a id="Page_2">[S. 2]</a></span> -ganzen Erscheinung lag etwas so Sonderbares, Koboldartiges, -— etwas, wie Miß Ophelia später versicherte, so -»Heidnisches,« daß diese gute Dame einen wahren Schrecken -vor ihr empfand. Indem sie sich zu St. Clare umwandte, -sagte sie:</p> - -<p>»Augustin, wozu in aller Welt hast Du denn das -Ding hierher gebracht?«</p> - -<p>»Damit Du es erziehen sollst, kein Zweifel, und es -auf den rechten Weg bringen. Ich dachte, es wäre ein -possierliches Exemplar im Jim-Crow-Geschlechte. Hier, -Topsy,« fügte er mit einem Pfiff hinzu, so wie man die -Aufmerksamkeit eines Hundes zu erregen pflegt, — »laß -uns einen Gesang hören, und zeige uns etwas von Deinen -Tanzkünsten.«</p> - -<p>Die schwarzen gläsernen Augen begannen von einer -Art boshaften Muthwillens zu glänzen, und das kleine -Wesen begann mit einer klaren, gellenden Stimme eine -jener sonderbaren Neger-Melodien, nach der sich ihre Hände -und Füße im Takte bewegten, während sie sich im Kreise -herum drehte, mit den Händen und Knien zusammenschlug, -und jene sonderbaren Kehllaute hören ließ, die der heimathlichen -Gesangsweise ihres Geschlechtes eigentümlich -sind; und endlich zwei oder drei Sprünge in die Luft machend, -kam sie mit einem gedehnten Schlußtone, der so -unirdisch klang wie die Pfeife einer Locomotive, auf den -Teppich nieder, und stand dann wieder mit gefalteten Händen -da, und dem Ausdrucke scheinheiliger Sanftmuth und -Feierlichkeit im Gesichte, der nur durch die listigen Blicke -unterbrochen wurde, die sie in schräger Richtung aus ihren -Augenwinkeln umherschoß.</p> - -<p>Miß Ophelia stand stumm und wie vom Schlage getroffen -vor Erstaunen.</p> - -<p>St. Clare, muthwillig wie er war, schien sich an -diesem Staunen zu ergötzen, und wandte sich von Neuem -an das Kind.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_3">[S. 3]</a></span></p> - -<p>»Topsy,« sagte er, »dies ist Deine neue Mistreß, ich -übergebe Dich ihr; also betrage Dich jetzt gut.«</p> - -<p>»Ja, Master,« entgegnete Topsy mit scheinheiligem -Ernste, während ihre gottlosen Augen blinzelten.</p> - -<p>»Du mußt Dich gut betragen, Topsy, verstehst Du,« -sagte St. Clare.</p> - -<p>»O ja, Master,« entgegnete Topsy, von Neuem blinzelnd, -während ihre Hände andächtig gefaltet blieben.</p> - -<p>»Nun, Augustin, in aller Welt, sage mir nur, wozu -ist das?« sagte Miß Ophelia. »Dein Haus ist so voll -von dieser Plage, daß man kaum seinen Fuß niedersetzen -kann, ohne auf eins dieser Wesen zu treten. Wenn ich -des Morgens aufstehe, so finde ich eins hinter der Thür -liegen und schlafen, einen andern schwarzen Kopf unter -dem Tische, und wieder einen andern auf der Fußdecke -vor der Thür; und an allen Gittern hängen sie, und -grinsen und schneiden Gesichter, und in der Küche wälzen -sie sich fortwährend auf dem Boden umher! Wozu hast -Du denn dieses Wesen noch nöthig gehabt?«</p> - -<p>»Ich sagte Dir ja, — damit Du es erziehen sollst, -weil Du immer von Erziehung sprichst. Ich dachte, ich -wollte Dir ein frisch eingefangenes Exemplar bringen, um -Deine Hand daran zu versuchen, und es auf den rechten -Weg zu bringen.«</p> - -<p>»Ich will dieses Wesen nicht haben, gewiß nicht. Ich -habe schon mehr mit dieser Gattung zu thun, als mir -lieb ist.«</p> - -<p>»So seid Ihr Christen alle! — Gesellschaften könnt -Ihr stiften, und ein paar arme Missionäre anwerben, um -ihr ganzes Leben unter solchen Heiden zuzubringen; aber -zeige mir Einen von Euch, der so ein Wesen zu sich in -das Haus nehmen, und die Mühe der Bekehrung selbst -übernehmen würde! Nein; wenn es dahin kommt, dann -sind sie schmutzig und widerlich, und machen zu viel Umstände, -und so weiter!«</p> - -<p>»Augustin, ich habe die Sache nicht in diesem Lichte - <span class="pagenum"><a id="Page_4">[S. 4]</a></span> -betrachtet,« sagte Miß Ophelia, augenscheinlich sanfter werdend. -»Wohl, es kann vielleicht ein ächtes Bekehrungswerk -sein,« fügte sie hinzu, das Kind mit etwas günstigeren -Blicken betrachtend.</p> - -<p>St. Clare hatte die rechte Feder berührt, denn Miß -Opheliens Gewissenhaftigkeit war immer wach. »Aber,« -bemerkte sie noch, »ich sah wirklich die Nothwendigkeit nicht -ein, dieses noch zu kaufen, da bereits genug im Hause -vorhanden sind, um alle meine Zeit und Gewandtheit in -Anspruch zu nehmen.«</p> - -<p>»Wohlan, Cousine,« sagte St. Clare, indem er sie -bei Seite zog, »ich habe Dich wegen meiner albernen Reden -um Verzeihung zu bitten. Du bist so gut, daß sie -keine Bedeutung haben können. Sieh, die Sache ist diese. -Das kleine Wesen gehörte einem Paar trunkener Geschöpfe, -die ein niedriges Wirthshaus halten, an dem ich alle Tage -vorüber komme; und ich konnte das Schreien und Prügeln -dieses Kindes nicht mehr anhören. Das Mädchen -sah aufgeweckt und possierlich aus, als wenn sich was aus -ihr machen lasse, und so kaufte ich sie, und will sie Dir -geben. Versuche Du nun, ihr eine orthodoxe, neu-englische -Erziehung zu geben, und sieh zu, was sich mit ihr machen -läßt. Du weißt, ich selbst besitze keine Fähigkeiten in dieser -Richtung, aber ich möchte, daß Du es versuchtest.«</p> - -<p>»Wohl, ich will thun, was ich kann,« sagte Miß -Ophelia, und näherte sich ihrer neuen Untergebenen ungefähr -so, wie sich eine Person einer schwarzen Spinne nähern -würde, für die sie wohlwollende Absichten hegt.</p> - -<p>»Sie ist schrecklich schmutzig, und halbnackt,« sagte sie.</p> - -<p>»So nimm sie hinunter, und laß sie sich waschen und -reinlich anziehen.«</p> - -<p>Miß Ophelia führte sie hinunter in die Regionen der -Küche.</p> - -<p>»Sehe gar nicht, wozu Master St. Clare noch 'ne Niggerin -braucht!« sagte Dinah, während sie den neuen - <span class="pagenum"><a id="Page_5">[S. 5]</a></span> -Ankömmling mit keinen sehr freundlichen Blicken betrachtete. -»Mag sie nicht unter meinen Füßen haben!«</p> - -<p>»Pah!« sagte Rosa und Jane mit vornehmem Abscheu, -»sie mag uns aus dem Wege gehen! Wozu Master -noch eine von diesen niedrigen Negerinnen nöthig hat, -kann ich nicht begreifen!«</p> - -<p>»Du geh'! Nicht mehr Niggerin als Du bist, Miß -Rosa,« sagte Dinah, welche die letztere Bemerkung auf -sich bezog. »Bild'st Dir wohl ein, Du wärst 'ne Weiße? -Bist gar nichts, nicht schwarz, nicht weiß. Will doch lieber -'was sein.«</p> - -<p>Miß Ophelia sah, daß hier Niemand zu finden sei, -der die Beaufsichtigung des Waschens und Ankleidens übernehmen -würde, und fand sich deßhalb genöthigt, es mit -einer sehr unfreundlichen und unwilligen Hülfe von Seiten -Jane's selbst zu thun.</p> - -<p>Es ist nicht für zarte Ohren geeignet, die Einzelheiten -der ersten Toilette eines vernachlässigten, mißbrauchten -Kindes zu hören. Zahllose menschliche Wesen müssen in -dieser Welt in einem Zustande leben und sterben, dessen -Schilderung zu stark für die Ohren ihrer Mitmenschen sein -würde. Miß Ophelia hatte einen guten, festen, praktischen -Willen, und ging deßhalb durch alle ekelhaften Einzelheiten -mit heroischer Gründlichkeit, obgleich nicht mit sonderlichem -Gefallen daran, — denn Beharrlichkeit war das -Einzige, wozu ihre Grundsätze sie bringen konnten. Als -sie auf dem Rücken und den Schultern des Kindes die -tiefen Narben und Schwielen sah, unverlöschliche Zeichen -des Systemes, unter dem es bisher aufgewachsen war, -fühlte sie Mitleid für dasselbe.</p> - -<p>»Sehen Sie, da!« sagte Jane, auf diese Marken -deutend, »zeigt das nicht, daß sie ein Taugenichts ist? -Wir werden schöne Arbeit mit ihr haben, glaube ich. Ich -hasse alle diese Niggerkinder! sind so ekelhaft! Ich wundere -mich, daß Master sie gekauft hat!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_6">[S. 6]</a></span></p> - -<p>Das »Niggerkind« hörte alle diese Bemerkungen mit -unterwürfiger, kläglicher Miene an, die ihm gewohnheitsgemäß -zu sein schien, aber unterließ dabei nicht, scharfe, -verstohlene Blicke auf den Schmuck zu werfen, den Jane -in ihren Ohren trug. Als Topsy endlich reinlich und -ordentlich angezogen, und ihr Haar kurz abgeschnitten -worden war, sagte Miß Ophelia mit einiger Zufriedenheit, -daß sie christlicher aussehe als zuvor, und begann -bereits im Geiste Pläne für ihren Unterricht zu entwerfen.</p> - -<p>Indem sie sich vor sie setzte, begann sie Fragen an -sie zu richten.</p> - -<p>»Wie alt bist Du, Topsy?«</p> - -<p>»Weiß nicht, Missis,« sagte das Bild mit einem -Grinsen, das alle seine Zähne zeigte.</p> - -<p>»Du weißt nicht, wie alt Du bist? Hat Dir's denn -niemals Jemand gesagt? Wer war Deine Mutter?«</p> - -<p>»Hatte nie eine!« sagte das Kind, von Neuem -grinsend.</p> - -<p>»Du hattest nie eine Mutter? Was meinst Du damit, -wo bist Du denn geboren worden?«</p> - -<p>»Bin nie geboren worden!« fuhr Topsy mit einem -neuen Grinsen fort, welches so koboldartig aussah, daß, -wenn Miß Ophelia überhaupt nervenreizbar gewesen -wäre, sie sich leicht hätte einbilden können, irgend ein -schwarzes Gnomenkind aus dem diabolischen Reiche vor -sich zu haben; allein Ophelia war nicht nervenschwach, -sondern derb und praktisch, und sagte deßhalb mit einiger -Schärfe:</p> - -<p>»Du mußt mir darauf antworten, Kind; ich spasse -nicht mit Dir. Sage mir, wo Du geboren worden bist, -und wer Dein Vater und Deine Mutter waren.«</p> - -<p>»Bin nie geboren worden,« wiederhole der Kobold -nachdrücklicher; »— habe nie Vater und Mutter gehabt, -nichts. Bin von 'nen Händler aufgezogen worden, mit - <span class="pagenum"><a id="Page_7">[S. 7]</a></span> -einer ganzen Menge Anderer. Tante Sue zog uns auf -und fütterte uns.«</p> - -<p>Das Kind war augenscheinlich aufrichtig, und Jane, -in ein kurzes Lachen ausbrechend, sagte:</p> - -<p>»O Missis, es giebt eine Menge von der Art. Die -Händler kaufen sie billig auf, wenn sie klein sind, und -ziehen sie auf für den Markt.«</p> - -<p>»Wie lange bist Du bei Deinem Master und Deiner -Mistreß gewesen?« fragte Miß Ophelia weiter.</p> - -<p>»Weiß nicht, Missis.«</p> - -<p>»Ist es ein Jahr, oder mehr, oder weniger?«</p> - -<p>»Weiß nicht, Missis?«</p> - -<p>»O, Missis,« unterbrach hier Jane wieder, — »diese -niedrigen Neger wissen so etwas nicht; die wissen nichts -von der Zeit; wissen nicht, was ein Jahr ist, und wissen -nicht, wie alt sie sind.«</p> - -<p>»Hast Du jemals etwas von Gott gehört, Topsy?«</p> - -<p>Das Kind sah bei dieser Frage verwirrt aus, aber -grinste wieder wie gewöhnlich.</p> - -<p>»Weißt Du, wer Dich geschaffen hat?«</p> - -<p>»Niemand, was ich weiß,« sagte das Kind mit -einem kurzen Lachen. Die Idee schien es besonders zu -amüsiren, denn seine Augen blinzelten, und es fügte hinzu: -»Ich denke, ich bin gewachsen; 's hat mich Niemand -geschaffen.«</p> - -<p>»Kannst Du nähen?« fragte Miß Ophelia weiter, -indem sie es für zweckmäßig hielt, die Unterhaltung auf -etwas Anderes zu lenken.</p> - -<p>»Nein, Missis.«</p> - -<p>»Was kannst Du denn? — was hast Du für Deinen -Herrn und Deine Mistreß gethan?«</p> - -<p>»Wasser geholt, und Teller gewaschen, und Messer -geputzt, und weißen Leuten aufgewartet.«</p> - -<p>»Waren sie gut gegen Dich?«</p> - -<p>»Glaube, ja,« sagte das Kind, Miß Ophelia listig -von der Seite betrachtend.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_8">[S. 8]</a></span></p> - -<p>Ophelia stand von diesem ermuthigenden Zwiegespräche -auf, während dessen St. Clare hinter ihrem Stuhle, -sich auf die Lehne stützend, gestanden hatte.</p> - -<p>»Du findest hier jungfräulichen Boden, Cousine,« -sagte er. »Lege Deine eignen Ideen hinein, — wirst -nicht viel auszurotten haben.«</p> - -<p>Miß Opheliens Ansichten über Erziehung waren wie -alle ihre anderen Ideen bestimmt und geordnet, und aus -derjenigen Schule, welche vor ungefähr hundert Jahren -in Neu England herrschend war, und noch jetzt in einigen -abgelegenen, unverderbten Theilen zu finden ist, wohin -keine Eisenbahnen führen. Sie ließen sich ziemlich genau -in wenige Worte fassen: »Den Kindern Aufmerksamkeit -zu lehren, wenn mit ihnen gesprochen wird; ihnen den -Katechismus, Nähen und Lesen zu lehren und sie zu -züchtigen, wenn sie Unwahrheiten sagen;« und obgleich -in der Fluth von Licht, welches sich jetzt über Erziehung -verbreitet, diese Principien natürlich weit in den Hintergrund -getreten sind, so läßt sich doch nicht in Abrede -stellen, daß unsere Großmütter unter ihrer Herrschaft -manche recht brave Männer und Weiber erzogen haben, -wie Viele von uns werden bezeugen können. Jedenfalls -wußte Miß Ophelia nichts Anderes zu thun, und begann -deshalb das Erziehungswerk ihres heidnischen Zöglings -mit vollem Eifer.</p> - -<p>Das Kind wurde als Miß Ophelia's Mädchen angekündigt -und im ganzen Hause so betrachtet; und da -Topsy in der Küche mit keinem sehr gnädigen Auge betrachtet -wurde, so beschloß Miß Ophelia, ihren Wirkungskreis -und Unterricht hauptsächlich auf ihr eigenes Zimmer -zu beschränken. Mit einer Selbstverleugnung, welche -vielleicht nur wenige von unsern Lesern zu würdigen im -Stande sein werden, beschloß sie, statt behaglich ihr Bett -selbst zu machen und ihr Zimmer selbst auszufegen und -abzustäuben, — was sie bisher stets mit völliger Beiseitesetzung -aller Anerbietungen des Kammermädchens im - <span class="pagenum"><a id="Page_9">[S. 9]</a></span> -Haushalte selbst besorgt hatte, — sich zu dem Märtyrerthum -zu verurtheilen, Topsy diese Verrichtungen zu lehren. -Wenn je eine unserer Leserinnen dasselbe that, so -wird sie die Größe dieses Opfers zu würdigen wissen.</p> - -<p>Miß Ophelia begann mit Topsy damit, daß sie sie -am ersten Morgen in ihr Zimmer nahm und einen Lehrcursus -in der geheimnißvollen Kunst des Bettmachens -anfing. Topsy stand, rein gewaschen und rein geschoren -von allen den geflochtenen kleinen Zöpfen, an denen ihr -Herz gehangen hatte, in einem saubern Kleide und weißer, -gestärkter Schürze, vor Ophelien mit einer so feierlichen -Miene, wie sich für ein Leichenbegängniß gepaßt haben -würde.</p> - -<p>»Nun, Topsy, will ich Dir zeigen, wie mein Bett -gemacht werden muß. Ich bin sehr eigen darin; Du -mußt lernen, es grade ebenso zu machen.«</p> - -<p>»Ja, Madame,« sagte Topsy mit einem tiefen -Seufzer und einem schmerzlich ernsthaften Gesichte.</p> - -<p>»Nun, Topsy, sieh hier; — dies ist der Saum des -Betttuches, — dies ist die rechte Seite und dies die -linke: — wirst Du das behalten?« sagte Miß Ophelia -weiter.</p> - -<p>»Ja, Madame,« wiederholte Topsy mit einem neuen -Seufzer.</p> - -<p>»Gut, das untere Betttuch mußt Du über das Pfühl -ziehen, — so, — und es glatt unter die Matratze einschlagen, -— so, siehst Du?«</p> - -<p>»Ja, Madame,« sagte Topsy mit gespanntester Aufmerksamkeit.</p> - -<p>»Aber das obere Betttuch,« fuhr Miß Ophelia fort, -»muß auf diese Weise herabgelegt und am Fußende glatt -und fest eingeschlagen werden, — so, — mit dem schmalen -Saum unten.«</p> - -<p>»Ja, Madame,« sagte Topsy wie zuvor, — allein -wir wollen hinzufügen, was Miß Ophelia nicht bemerkt -hatte, daß nämlich während der Zeit, wo die gute Dame - <span class="pagenum"><a id="Page_10">[S. 10]</a></span> -im Eifer ihrer Verrichtungen ihrer Schülerin den Rücken -zugedreht, diese ein Paar Handschuhe und ein Band zu -erhaschen gewußt und diese geschickt in ihren Aermel geschoben -hatte, worauf sie mit gefalteten Händen wieder -so ehrerbietig wie zuvor dastand.</p> - -<p>»Nun, Topsy, laß mich sehen, wie Du dies machst,« -sagte Miß Ophelia, die Betttücher wieder herabreißend -und sich setzend.</p> - -<p>Topsy ging hierauf mit großem Ernste und großer -Geschicklichkeit durch den ganzen Prozeß zu Miß Opheliens -großer Zufriedenheit; sie legte die Betttücher glatt, beseitigte -jede Falte, und zeigte während der ganzen Verrichtung -einen Ernst, an dem ihre Lehrerin nicht geringes -Gefallen fand. Allein aus einer unglücklichen Schlitze -ihrer Aermel kam ein Stückchen des Bandes zum Vorschein, -grade in dem Augenblicke, als sie ihr Geschäft -beendigte und fiel Miß Ophelien in's Auge. Augenblicklich -sprang diese darauf zu. »Was ist dies? Du ungezogenes, -böses Kind, — Du hast dies gestohlen!«</p> - -<p>Das Band wurde aus Topsy's Aermel hervorgezogen, -aber Topsy wurde dadurch durchaus nicht außer -Fassung gebracht, sondern blickte darauf nur mit einer -Miene überraschter Unschuld.</p> - -<p>»O, ah, das ist Miß Feely's Band! Wie sich das -nur in meinem Aermel hat fangen können?«</p> - -<p>»Topsy, Du unartiges Kind, sage mir keine Lügen, -— Du hast das Band gestohlen!«</p> - -<p>»Missis, ich versichere, ich hab's nicht gethan, — -hab's nie gesehen, als jetzt grade in dieser Minute.«</p> - -<p>»Topsy,« sagte Miß Ophelia, »weißt Du nicht, daß -es sündlich ist, zu lügen?«</p> - -<p>»Ich sage nie Lügen, Miß Feely,« sagte Topsy mit -tugendhaftem Ernste; »'s ist nur die Wahrheit, was ich -jetzt gesagt habe, — nichts Anderes!«</p> - -<p>»Topsy, ich werde Dich peitschen müssen, wenn Du -lügst.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_11">[S. 11]</a></span></p> - -<p>»O, Missis, wenn Sie mich peitschen den ganzen -Tag, — kann nichts Anderes sagen, gar nicht!« rief -Topsy, indem sie zu weinen anfing. »Hab's nie gesehen, -— muß sich in meinem Aermel gefangen haben. -Miß Feely muß es auf dem Bette gelassen haben und -da muß es an meinen Aermel gekommen sein.«</p> - -<p>Miß Ophelia war über diese dreiste Lüge so empört, -daß sie das Kind ergriff und es heftig schüttelte.</p> - -<p>»Sage mir das nicht noch einmal!«</p> - -<p>Das Schütteln ließ auch die Handschuhe aus dem -andern Aermel auf die Erde fallen.</p> - -<p>»Da, Du!« rief Miß Ophelia. »Willst Du mir -nun noch sagen, Du habest das Band nicht gestohlen?«</p> - -<p>Topsy bekannte jetzt in Bezug auf die Handschuhe, -aber fuhr beharrlich fort, das Stehlen des Bandes in -Abrede zu stellen.</p> - -<p>»Höre, Topsy,« sagte Miß Ophelia, »wenn Du -Alles gestehen willst, so will ich Dich für dieses Mal -nicht peitschen.«</p> - -<p>Auf diese Weise gedrängt, gestand Topsy endlich, mit -schmerzlichen Versicherungen der Reue, das Band und die -Handschuhe genommen zu haben.</p> - -<p>»Nun, sage mir, — ich weiß, Du mußt noch andre -Dinge im Hause genommen haben, denn ich habe Dich -gestern den ganzen Tag umher laufen lassen, — nun -sage mir, was Du sonst noch genommen hast, und ich -will Dich nicht peitschen.«</p> - -<p>»O Missis! ich habe Miß Eva's rothes Ding genommen, -was sie um den Hals trägt.«</p> - -<p>»Das hast Du gethan, Du böses Kind! — Wohl, -was weiter?«</p> - -<p>»Und Rosa's Ohrringe, — die rothen.«</p> - -<p>»Geh, und hole beide Stücke gleich hierher.«</p> - -<p>»O, Missis, ich kann nicht, — sind verbrannt.«</p> - -<p>»Verbrannt? was ist das wieder für eine Lüge! -Gehe gleich, oder ich peitsche Dich!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_12">[S. 12]</a></span></p> - -<p>Topsy blieb mit lauten Versicherungen, und Thränen -und Stöhnen dabei, daß sie nicht <em class="gesperrt">könne</em>, — daß sie -verbrannt seien.</p> - -<p>»Weshalb hast Du sie denn verbrannt?« sagte -Ophelia.</p> - -<p>»Weil ich unartig bin, — bin mächtig unartig; — -weiß nicht, kann nicht anders.«</p> - -<p>Grade in diesem Augenblicke kam Eva unschuldig -und ahnungslos mit dem in Rede stehenden Korallenhalsbande -in das Zimmer.</p> - -<p>»Wie, Eva, wo hast Du Dein Halsband gefunden?« -fragte Miß Ophelia.</p> - -<p>»Gefunden? Wie, ich habe es den ganzen Tag getragen,« -entgegnete Eva.</p> - -<p>»Hast Du es denn gestern gehabt?«</p> - -<p>»Gewiß! Und was sonderbar ist, Tante, ich habe es -die ganze Nacht um gehabt; ich vergaß gestern, als ich -zu Bett ging, es abzulegen.«</p> - -<p>Miß Ophelia war vollständig irre, und zwar um so -mehr, als grade in diesem Momente auch Rosa, mit einem -Korbe frisch geplätteter Wäsche auf dem Kopfe, in das -Zimmer trat, und die bewußten Ohrringe in ihren -Ohren trug.</p> - -<p>»Ich weiß nicht, was ich mit dem Kinde anfangen -soll!« sagte sie. »Was in der Welt brachte Dich -dazu, Topsy, mir zu sagen, daß Du die Dinge genommen -habest?«</p> - -<p>»Missis sagte, ich mußte gestehen, und es fiel mir -nichts Anderes ein, zu gestehen,« entgegnen Topsy, ihre -Augen reibend.</p> - -<p>»Aber natürlich habe ich nicht gewollt, daß Du -Dinge gestehst, die Du nicht gethan hast,« sagte Miß -Ophelia; »es ist eins so gut eine Lüge, wie das andere.«</p> - -<p>»So? — ist es?« sagte Topsy, mit der Miene unschuldiger -Verwunderung.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_13">[S. 13]</a></span></p> - -<p>»O, da ist keine Spur von Wahrheit in solchen -Kreaturen,« sagte Rosa, verächtlich auf Topsy blickend. -»Wenn ich Master St. Clare wäre, so wollt' ich sie peitschen -lassen, bis das Blut strömte, — sicherlich, sie sollt' -es kriegen!«</p> - -<p>»Nein, nein, Rosa,« sagte Eva mit einer befehlenden -Miene, die das Kind zuweilen annehmen konnte; -»Du mußt nicht so sprechen, Rosa! ich kann es nicht -hören.«</p> - -<p>»O, Miß Eva! Sie sind so gut, Sie wissen nichts -davon, wie man mit Niggern umgehen muß. 's gibt -kein andres Mittel, als sie derb zu peitschen, — glauben -Sie nur!«</p> - -<p>»Rosa!« rief Eva, während ihr Auge flammte, und -ihre Wangen sich purpurroth färbten, — »still! sprich kein -Wort mehr davon!«</p> - -<p>Rosa verstummte augenblicklich.</p> - -<p>»Miß Eva hat St. Clare'sches Blut, — das ist -klar; sie kann grade so sprechen, wie ihr Vater,« murmelte -sie, während sie zum Zimmer hinausging.</p> - -<p>Eva stand vor Topsy, und betrachtete sie.</p> - -<p>Da standen die beiden Kinder als würdige Repräsentanten -der Extreme der bürgerlichen Gesellschaft. Das -schöne, hoch erzogene Kind mit dem goldenen Lockenkopfe, -den tiefen Augen, den geistreichen, edlen Zügen, und den -feinen Bewegungen; und daneben sein schwarzer, schlauer, -kriechender und doch scharfsinniger Nachbar. Sie waren -die Repräsentanten ihrer Geschlechter: des sächsischen, das -durch Jahrhunderte von Bildung, Herrschaft, Erziehung, -physischer und geistiger Entwickelung gegangen war, und -des afrikanischen, das Jahrhunderte in Druck, Unterwürfigkeit, -Unwissenheit, Mühe und Laster durchlebt -hatte!</p> - -<p>Etwas Aehnliches mochte vielleicht in diesem Augenblicke -Eva's Gedanken beschäftigen; allein die Gedanken -eines Kindes sind nur dunkle und unbestimmte Ahnungen, - <span class="pagenum"><a id="Page_14">[S. 14]</a></span> -und in Eva's edler Natur mochten viele solche geistige -Regungen thätig sein, für die ihr die Kraft des Ausdrucks -fehlte. Als sich Miß Ophelia über Topsy's Ungezogenheit -und schlechtes Betragen ausließ, sah das Kind bestürzt -und traurig aus, aber sagte sanft:</p> - -<p>»Arme Topsy, warum mußt Du stehlen? Du wirst -nun unter strenge Aufsicht kommen. Ich wollte Dir -lieber Etwas von meinen Sachen schenken, als daß Du -es stiehlst.«</p> - -<p>Es waren die ersten freundlichen Worte, die das -Kind in seinem Leben gehört hatte. Der sanfte, liebevolle -Ton machte einen sonderbaren Eindruck auf das wilde, -rohe Herz, und der Glanz einer Thräne zeigte sich einen -Augenblick lang in dem scharfen, runden Auge; aber -gleich darauf folgte wieder das kurze Lachen und Grinsen. -Nein! das Ohr, das nie etwas Anderes als Scheltworte -gehört hat, glaubt nicht an etwas so Himmlisches -wie Güte; und Topsy hielt deshalb Eva's Rede nur für -etwas Spaßhaftes, etwas Unerklärliches, — sie glaubte -ihr nicht.</p> - -<p>Aber was war mit Topsy zu machen? Miß Ophelia -wußte es nicht. Ihre Regeln für Erziehung schienen -auf das Kind nicht zu passen. Sie dachte, sie wolle sich -Zeit nehmen, um den Fall zu überlegen, und schloß deshalb, -im Vertrauen auf gewisse, unbestimmte, wirksame -Kräfte, die dunkelen Gemächern zugeschrieben werden, -Topsy in ein solches ein, bis daß sie zu einem bestimmteren -Entschlusse gekommen sein werde.</p> - -<p>»Ich sehe nicht ein,« sagte Miß Ophelia zu St. -Clare, »wie ich das Kind in Ordnung halten soll, ohne -es zu peitschen.«</p> - -<p>»Gut, so peitsche es, so viel Du willst. Ich will -Dir volle Machtvollkommenheit geben.«</p> - -<p>»Kinder müssen immer körperlich gezüchtigt werden,« -sagte Miß Ophelia, »ich weiß nicht, wie man sie ohne -das erziehen kann.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_15">[S. 15]</a></span></p> - -<p>»O, natürlich,« sagte St. Clare, »mache es ganz -so, wie Du es für am Besten hältst. Nur eine Bemerkung -wollte ich mir erlauben. Ich habe das Kind mit -der Feuerzange, mit Schüreisen und Schüssel, was grade -am nächsten zur Hand war, prügeln und niederschlagen -sehen; und da es also an diese Art von Operation gewohnt -ist, so müssen Deine Züchtigungen ziemlich energisch -eingerichtet werden, wenn sie großen Eindruck machen -sollen.«</p> - -<p>»Was ist denn aber nun mit ihr zu thun?« fragte -Ophelia.</p> - -<p>»Du hast eine sehr wichtige Frage aufgeworfen,« -sagte St. Clare, »und ich wollte, Du könntest sie beantworten. -Was ist mit einem menschlichen Wesen zu thun, -das nur durch die Peitsche regiert werden kann, — wenn -selbst diese wirkungslos wird? Es ist ein sehr häufiger -Fall hier bei uns im Süden.«</p> - -<p>»Ich weiß es nicht; ich habe nie ein solches Kind -gesehen.«</p> - -<p>»Solche Kinder sind bei uns sehr gewöhnlich, und -sogar solche Männer und Weiber. Wie sollen <em class="gesperrt">die</em> regiert -werden?« sagte St. Clare.</p> - -<p>»Es ist jedenfalls mehr, als ich zu beantworten vermag,« -entgegnete Miß Ophelia.</p> - -<p>»Und ich gleichfalls,« sagte St. Clare. »Jene schrecklichen -Grausamkeiten, die von Zeit zu Zeit durch die -Zeitungen bekannt werden, — solche Fälle, wie zum -Beispiel Prue's, — woher kommen sie? In vielen Fällen -ist es ein allmähliger Abhärtungsprozeß auf beiden -Seiten, — indem der Besitzer immer grausamer, und der -Sklave immer unempfindlicher dagegen wird. Peitschen -und Mißhandlung sind wie Laudanum; die Dosis muß -in demselben Grade erhöht werden, in welchem die Nerven -sich abstumpfen. Ich erkannte das sehr bald, als ich -Besitzer wurde, und beschloß deßhalb, nie damit anzufangen, -weil ich nicht wußte, wann ich aufhören würde. - <span class="pagenum"><a id="Page_16">[S. 16]</a></span> -Die Folge davon ist, daß meine Sklaven sich wie verzogene -Kinder betragen; aber ich halte es für besser, als -wenn wir beiderseits entmenscht wären. Du hast viel über -unsere Verantwortlichkeit in Bezug auf Erziehung gesprochen, -und deshalb wollte ich, daß Du es mit einem -Kinde versuchen möchtest, welches als Beispiel von Tausenden -gelten kann.«</p> - -<p>»Aber es ist Euer System, welches solche Kinder -erzeugt,« sagte Miß Ophelia.</p> - -<p>»Ganz richtig, ich weiß das; aber sie sind einmal -so, — sie sind da, — und was ist mit ihnen zu -machen?«</p> - -<p>»Wohl, ich kann nicht sagen, daß ich Dir für diesen -Versuch besonders dankbar wäre: allein, da es einmal -eine Pflicht zu sein scheint, so will ich darin fortfahren, -und thun, was ich kann,« sagte Miß Ophelia, und hielt -ihr Wort, denn sie fuhr fort, mir einem Grade von Eifer -und Energie an der Bildung ihres Zöglings zu arbeiten, -der Achtung verdiente. Sie bestimmte regelmäßige Stunden -und Beschäftigungen für das Kind, und versuchte es, sie -lesen und nähen zu lehren.</p> - -<p>In der erstern Kunst machte Topsy schnelle Fortschritte. -Sie lernte die Buchstaben wie durch Zauberei, -und war sehr bald im Stande, einfache Schrift zu lesen; -aber das Nähen war eine schwierigere Aufgabe. Das -Wesen war geschmeidig wie eine Katze, und behende wie -ein Affe; und da ihr das Stillsitzen beim Nähen zuwider -war, so zerbrach sie ihre Nadeln, und warf sie verstohlen -zum Fenster hinaus, oder in Spalten der Wände; sie -verwickelte, zerriß und beschmutzte ihren Zwirn, oder -warf ein ganzes Knäul verstohlen in einen versteckten -Winkel. Ihre Bewegungen waren beinahe so schnell, -wie die eines geübten Taschenspielers, und die Herrschaft -über ihre Gesichtszüge war eben so groß; und obgleich -Miß Ophelia sich nicht denken konnte, daß so viele Zufälle -sich nach einander ereignen könnten, so war sie ja - <span class="pagenum"><a id="Page_17">[S. 17]</a></span> -dennoch außer Stande, sie ohne eine besondre Wachsamkeit -zu ertappen, die ihr keine Zeit zu andern Geschäften übrig -gelassen haben würde.</p> - -<p>Topsy war sehr bald im ganzen Hause bekannt. -Ihr Talent für jede Art von Possen, Grimassen und -Nachäffung, — für tanzen, klettern, singen, pfeifen und -Nachahmung jedes Tones, der ihr gefiel, schien unerschöpflich. -Während ihrer Spielstunden hatte sie regelmäßig -sämmtliche Kinder des ganzen Hauses hinter sich, -die sie offenen Mundes vor Staunen und Verwunderung -anstarrten, — selbst Eva nicht ausgenommen, welche sich -von ihren wilden Teufeleien in derselben Weise angezogen -fühlte, wie eine Taube zuweilen an dem Glanz und -Schimmer einer Schlange Gefallen findet. Miß Ophelia -wurde darüber unruhig, daß Eva so vielen Gefallen an -Topsy's Gesellschaft fand, und bat St. Clare, es zu -verbieten.</p> - -<p>»Pah, laß das Kind gehen,« sagte St. Clare, -»Topsy wird ihr keinen Schaden thun.«</p> - -<p>»Aber ein so verderbtes Kind, — mußt Du denn -nicht fürchten, daß sie ihr eine Unart lehre?«</p> - -<p>»Sie kann ihr keine Unart lehren; andern Kindern -wohl, aber von Eva's Gemüthe rollt das Böse ab wie -Thau von einem Kohlblatte, nicht ein Tropfen fällt -hinein.«</p> - -<p>»Sei dessen nicht zu gewiß,« sagte Ophelia. »Ich -würde mein eignes Kind nie mit Topsy spielen lassen.«</p> - -<p>»Wohl, Deine Kinder haben's nicht nöthig,« sagte -St. Clare, »aber meine mögen es thun. Wenn Eva -hätte verdorben werden können, so hätte es schon vor -Jahren geschehen müssen.«</p> - -<p>Topsy wurde anfangs von den oberen Dienstboten -verachtet; allein sie fanden bald Grund genug, ihre Meinung -zu ändern. Es zeigte sich, daß, wer sie irgendwie -beschimpft hatte, mit Sicherheit darauf rechnen konnte, - <span class="pagenum"><a id="Page_18">[S. 18]</a></span> -bald darauf irgend einem unangenehmen Zufalle zu begegnen. -Entweder wurden plötzlich ein Paar Ohrringe, -oder andrer Lieblingsschmuck vermißt, oder ein Kleidungsstück -wurde vollständig ruinirt gefunden, oder die betreffende -Person mußte über einen Eimer heißen Wassers -stolpern, oder es kam plötzlich, unerwartet und unerklärlich, -eine Fluth Spülicht von oben auf sie herab, wenn -sie sich grade in vollem Staate befand; — und in allen -diesen Fällen fand sich, wenn eine Untersuchung veranlaßt -wurde, Niemand, der zu dem Schimpfe Gevatter stehen -wollte. Topsy wurde citirt und mußte wiederholt vor -allen den häuslichen Richtern erscheinen, aber bestand -alle Verhöre mit der erbaulichsten Unschuld. Niemand -in der Welt war zweifelhaft über die Thäterschaft; aber -auch nicht der entfernteste Beweis ließ sich zur Rechtfertigung -des Verdachtes führen, und Miß Ophelia hatte -zu viel Gerechtigkeitsgefühl, um ohne einen solchen weiter -in der Sache gehen zu wollen. Mit einem Worte, Topsy -machte dem ganzen Haushalte begreiflich, daß es am -Rathsamsten sei, sie in Ruhe zu lassen, und man ließ -sie in Ruhe.</p> - -<p>Topsy war in allen Handverrichtungen gewandt, und -lernte mit überraschender Schnelligkeit Alles, was ihr gezeigt -wurde. In wenigen Unterrichtsstunden hatte sie -gelernt, alle Geschäfte für Miß Opheliens Zimmer in -einer solchen Weise zu verrichten, daß selbst diese eigne -Dame keine Fehler daran finden konnte. Menschliche -Hände konnten kein Bettuch glätter, kein Kissen richtiger -legen, als Topsy, wenn sie es wollte, — aber sie wollte -es sehr oft nicht. Wenn in Miß Ophelien, nach drei -oder vier Stunden sorgsamer und geduldiger Ueberwachung, -die sanguinische Hoffnung aufstieg, daß Topsy -endlich auf den rechten Weg gekommen sei, und sie von -ihrer Beaufsichtigung abgehen könne, um sich andern Geschäften -zu widmen, so pflegte Topsy einige Stunden -lang einen wahren Carneval von Confusion zu halten. - <span class="pagenum"><a id="Page_19">[S. 19]</a></span> -Eines Tages fand sie Miß Ophelia mit ihrem besten -indianischen Florshawl als Turban um den Kopf gebunden, -deklamatorische Vorstellungen vor dem Spiegel -geben.</p> - -<p>»Topsy!« pflegte sie dann zu ihr zu sagen, wenn -alle Geduld am Ende war, »weshalb machst Du solche -Streiche?«</p> - -<p>»Weiß nicht, Missis, — glaube, weil ich so unartig -bin!«</p> - -<p>»Ich weiß nicht mehr, was ich mit Dir machen -soll, Topsy.«</p> - -<p>»Müssen mich peitschen, Missis; meine alte Missis -peitschte mich immer; — kann nichts thun, wenn ich -nicht gepeitscht werde.«</p> - -<p>»Topsy, ich mag Dich nicht peitschen. Du kannst -gut und artig sein, wenn Du willst; — warum willst -Du nicht?«</p> - -<p>»Bin an's Peitschen gewöhnt, Missis; — glaube -'s thut mir gut,« entgegnete Topsy.</p> - -<p>Miß Ophelia versuchte das Recept, und Topsy verursachte -dann regelmäßig einen entsetzlichen Lärm, schrie, -heulte und flehte, und saß eine halbe Stunde später auf -irgend einem Vorsprunge des Balkons, umgeben von der -Heerde ihrer jungen Bewunderer, und drückte die äußerste -Verachtung über die ganze Sache aus.</p> - -<p>»Pah, Miß Feely peitschen! — bringt keine Fliege -um, ihr Peitschen. Hättet sehen sollen, wie mein alter -Master 's Fleisch fliegen ließ; — alte Master verstand -'s!«</p> - -<p>Sonntags pflegte sich Miß Ophelia angelegentlichst -damit zu beschäftigen, Topsy den Katechismus zu lehren. -Topsy hatte ein ungewöhnliches Wortgedächtniß und lernte -mit einer Leichtigkeit und Sicherheit, die für ihre Lehrerin -sehr ermuthigend waren.</p> - -<p>»Welchen Nutzen erwartest Du davon für sie?« -fragte St. Clare.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_20">[S. 20]</a></span></p> - -<p>»Nun, es ist immer für Kinder von Nutzen gewesen. -Kinder haben das immer lernen müssen,« entgegnete -Ophelia.</p> - -<p>»Ob sie es verstehen oder nicht — gleichviel!« -sagte St. Clare.</p> - -<p>»O, Kinder verstehen es in der Zeit nie; aber -wenn sie aufwachsen, kommt die Zeit, wo sie es verstehen -lernen.«</p> - -<p>»Nun, meine ist noch nicht gekommen, obgleich ich -bezeugen kann, daß Du es mir gründlich genug beigebracht -hast, als ich ein Knabe war,« entgegnete St. -Clare.</p> - -<p>»Du warst immer ein guter Lerner, Augustin. Ich -hegte damals große Hoffnungen von Dir,« sagte Ophelia.</p> - -<p>»So, hast Du denn jetzt keine?« fragte St. Clare.</p> - -<p>»Ich wollte, Du wärest so gut, wie Du als Knabe -warst, Augustin!«</p> - -<p>»Das wünschte ich auch, Cousine,« sagte St. Clare. -»Wohl, fahre fort, und katechisire Topsy: vielleicht machst -Du doch noch etwas aus ihr.«</p> - -<p>Topsy, die während dieser Unterhaltung gleich einer -schwarzen Statue, mit demüthig gefalteten Händen da -gestanden hatte, fuhr jetzt auf einen Wink von Miß -Ophelia fort:</p> - -<p>»Unsere ersten Eltern, da sie der Freiheit ihres -eignen Willens überlassen blieben, fielen aus dem Stande, -in dem sie erschaffen worden waren.«</p> - -<p>Topsy's Augen blinzelten, und sie blickte fragend -auf Ophelien.</p> - -<p>»Was willst Du, Topsy?« fragte Miß Ophelia.</p> - -<p>»Bitte, Missis, war es der Stand Kentucky?«</p> - -<p>»Was für ein Stand?«</p> - -<p>»Der Stand, aus dem sie fielen. Ich hörte Master -sagen, daß wir von Kentucky gekommen wären.«</p> - -<p>St. Clare lachte.</p> - -<p>»Du wirst ihr eine Erklärung geben müssen, oder - <span class="pagenum"><a id="Page_21">[S. 21]</a></span> -sie macht sich eine,« sagte er. »Es scheint hier die -Theorie der Auswanderung darunter verstanden zu werden.«</p> - -<p>»O, still, Augustin!« sagte Miß Ophelia, »wie kann -ich etwas thun, wenn Du dabei lachst?«</p> - -<p>»Gut, ich will Dich nicht wieder stören, auf mein -Wort,« sagte St. Clare, nahm seine Zeitung, und setzte -sich nieder, bis Topsy ihre Recitationen beendigt hatte. -Diese waren ganz gut, nur daß sie dann und wann, in -den wichtigsten Stellen, die Worte auf eine sonderbare -Weise versetzte, und bei dem Irrthume aller Gegenvorstellungen -ungeachtet beharrte; und St. Clare, trotz aller -seiner Versprechungen, fand ein muthwilliges Vergnügen -darin, sich diese anstößigen Stellen wiederholen zu lassen, -ohne Miß Opheliens Gegenvorstellungen zu beachten.</p> - -<p>»Aber wie kannst Du glauben, daß ich mit dem -Kinde etwas erreichen kann, wenn Du so fortfährst,« -pflegte sie zu sagen.</p> - -<p>»Gut, es ist unrecht, — ich will es nicht wieder -thun; aber es ist gar zu drollig, das kleine Bild über -diese Worte stolpern zu hören.«</p> - -<p>»Ja, aber Du bestärkst sie ja in ihrem schlechten -Wege.«</p> - -<p>»Was macht 's denn aus? Ein Wort ist für sie so -gut wie ein anderes.«</p> - -<p>»Du willst, daß ich sie gut erziehen soll, und solltest -also mit dem Einfluß, den Du ausübst, vorsichtig sein.«</p> - -<p>»O Elend! freilich sollte ich das! aber wie Topsy -selbst sagt: »ich bin so unartig!««</p> - -<p>In dieser Weise schritt Topsy's Erziehung ein oder -zwei Jahre fort, während deren Miß Ophelia sich täglich -mit ihr plagte, wie mit einem chronischen Leiden, an -dessen Beschwerden sie sich endlich so gewöhnte, wie andre -Personen an ein Nerven- oder Kopfleiden.</p> - -<p class="pmb3">St. Clare fand an dem Kinde dasselbe Vergnügen, -wie an den Spässen eines Papagei's oder Hühnerhundes. -Topsy dagegen pflegte, wenn sie in irgend einem andern - <span class="pagenum"><a id="Page_22">[S. 22]</a></span> -Departement in Ungnade gefallen war, hinter seinem -Stuhle Schutz zu suchen, und St. Clare wirkte dann -stets auf eine oder die andre Weise Vergebung für sie -aus. Von ihm erhielt sie auch so manche kleine Münze, -die sie zu Nüssen und Zuckerkant verwendete, um sie -mit sorgloser Freigebigkeit unter alle Kinder des Hauses -zu vertheilen; denn Topsy war, um ihr Gerechtigkeit -widerfahren zu lassen, von Natur gutmüthig und freigebig, -und nur bösartig in ihrer eignen Selbstvertheidigung.</p> - -<p class="pmb3">Sie ist jetzt in unser <em class="antiqua">corps de ballet</em> -genügend eingeführt -worden, und wird darin von Zeit zu Zeit, neben -den andern handelnden Personen, ihre Rolle spielen.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Einundzwanzigstes_Kapitel">Einundzwanzigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="center font09"><b>Kentucky.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - - -<p>Unsere Leser sind vielleicht nicht abgeneigt, einen -kurzen Rückblick auf Onkel Toms Hütte zu thun, um zu -sehen, was unter denen, die er zurückgelassen hat, vorgeht.</p> - -<p>Es war spät an einem Sommer-Nachmittage, und -die Thüren und Fenster des großen Wohnzimmers in -Mr. Shelby's Haus waren alle geöffnet, um jedes frische -Lüftchen, das dazu geneigt war, hereinzulassen. Mr. -Shelby saß in einer großen Halle, welche mit diesem -Zimmer in Verbindung stand, und durch das ganze Haus -zu einem am andern Ende befindlichen Balkon lief. -Nachlässig in seinen Stuhl zurückgelegt, und seine Füße - <span class="pagenum"><a id="Page_23">[S. 23]</a></span> -auf einem andern wiegend, rauchte er seine Nachmittags-Cigarre. -Mrs. Shelby saß in der Thür, mit feiner -Näherei beschäftigt, und schien etwas auf dem Herzen -zu haben, zu dessen Vorbringen sie eine Gelegenheit -suchte.</p> - -<p>»Hast Du gehört,« sagte sie, »daß Chloë einen Brief -von Tom erhalten hat?«</p> - -<p>»Wirklich? Tom scheint dort einen Freund zu haben. -Was macht der alte Junge?«</p> - -<p>»Er muß von einer sehr anständigen Familie gekauft -worden sein, sollte ich denken,« sagte Mrs. Shelby, — -»er hat sehr gute Behandlung, und nicht viel zu thun.«</p> - -<p>»So! nun das freut mich, — wahrlich,« sagte Mr. -Shelby mit Herzlichkeit. »Ich hoffe, Tom wird sich an -eine südliche Residenz gewöhnen, — und kaum wünschen, -hieher zurückzukehren.«</p> - -<p>»Im Gegentheil, er fragt mit großer Aengstlichkeit -danach, wann das Geld für seine Wiedereinlösung werde -aufgebracht werden können.«</p> - -<p>»Ich weiß es nicht,« sagte Mr. Shelby. »Wenn -die Geschäfte einmal angefangen, schief zu gehen, so -hörts nicht wieder auf. Es ist gerade wie durch einen -Sumpf von einer trockenen Stelle auf die andere springen; -hier borgen und dort bezahlen, und dann wieder borgen, -um den Letzten zu bezahlen; — und diese verdammten -Wechsel laufen immer ab, ehe ein Mensch Zeit hat, eine -Cigarre zu rauchen und sich umzudrehen, — nichts als -Mahnbriefe und Drängen und Treiben.«</p> - -<p>»Ich sollte denken, mein Lieber, es könnte so Manches -geschehen, um unsere Angelegenheiten zu ordnen. -Wenn wir zum Beispiel alle unsere Pferde und eine -Farm verkauften, um Alles abzuzahlen?«</p> - -<p>»O lächerlich, Emilie! Du bist die gescheiteste Frau -in Kentucky, aber hast doch nicht Einsicht genug zu sehen, -daß Du von Geschäften nichts verstehst; — Weiber verstehen -und können davon nie etwas verstehen.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_24">[S. 24]</a></span></p> - -<p>»Aber könntest Du mich denn nicht wenigstens einen -Blick in Deine Verhältnisse thun lassen? mich ein Verzeichniß -aller Deiner Schulden und Forderungen sehen, -und mich versuchen lassen, ob ich Dir keinen Rath zu -ökonomischen Maßregeln geben könnte?«</p> - -<p>»O Thorheit! quäle mich nicht, Emilie! — das kann -ich nicht. Ich weiß recht wohl, wie meine Sachen stehen, -und die lassen sich nicht kneten und drücken und in jede -mögliche Form bringen, wie Chloë es mit ihren Pasteten -macht. Du verstehst einmal nichts von Geschäften, -wie ich Dir schon gesagt habe.«</p> - -<p>Da Mr. Shelby keine besseren Gründe anzuführen -hatte, so erhob er bei diesen Worten seine Stimme, — -eine Art und Weise, die für einen Mann, der mit seiner -Frau über Geschäftssachen spricht, sehr bequem und sehr -überzeugend ist.</p> - -<p>Mrs. Shelby schwieg mit einem Seufzer. Es war -außer Zweifel, daß sie, obgleich ein Weib, dennoch einen -klaren, energischen, praktischen Verstand hatte, und eine -Charakterstärke besaß, die der ihres Gatten bei weitem -überlegen war; so daß es keineswegs so sehr abgeschmackt -gewesen sein würde, wie Mr. Shelby dachte, sie Theil -an den Geschäften nehmen zu lassen.</p> - -<p>»Glaubst Du nicht, daß wir auf eine oder die andere -Weise Geld aufbringen könnten? Die arme Chloë, -sie rechnet so sehr darauf.«</p> - -<p>»Das thut mir leid. Ich glaube, ich war etwas -zu voreilig mit meinem Versprechen. Ich weiß nicht, ich -denke, es ist am Ende der beste Weg, es Chloë geradezu -zu sagen, damit sie sich darein findet. Tom wird in ein -oder zwei Jahren eine andere Frau haben, und sie thäte -am besten, zu einem andern Mann zu gehen.«</p> - -<p>»Mr. Shelby, ich habe meinen Leuten gelehrt, daß -ihre ehelichen Verbindungen so heilig wie die unsrigen -seien. Ich würde mich nie dazu verstehen können, Chloë -solchen Rath zu geben.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_25">[S. 25]</a></span></p> - -<p>»Es ist ein Unglück, Frau, daß Du diese Leute -mit der Last einer Moralität beschwert hast, die weit -über ihre Verhältnisse und ihre Aussichten hinausgeht. -Ich habe immer so gedacht.«</p> - -<p>»Es ist nur die Lehre der Bibel,« entgegnete Mrs. -Shelby.</p> - -<p>»Gut, gut, Emilie, ich will mich in Deine religiösen -Ansichten nicht mischen; nur scheinen sie mir für Leute -in solchen Verhältnissen durchaus nicht geeignet zu sein.«</p> - -<p>»Leider sind sie es nicht,« sagte Mrs. Shelby, -»und das ist der Grund, weshalb ich das Sklavenwesen -hasse. Ich sage Dir, mein Lieber, ich kann mich von -den Versprechungen nicht lossagen, die ich diesen hülflosen -Geschöpfen gemacht habe. Wenn ich das Geld in keiner -andern Weise aufbringen kann, so will ich Musikunterricht -geben. Ich weiß, daß ich Beschäftigung genug bekommen -und das Geld bald verdienen würde.«</p> - -<p>»Wie, Emilie, Du würdest Dich doch nicht auf diese -Weise herabwürdigen wollen? Ich könnte nie meine Einwilligung -dazu geben.«</p> - -<p>»Herabwürdigen! würde es mich so herabwürdigen, -wie wenn ich das Versprechen bräche, was ich Hülflosen -gegeben habe? Nein, gewiß nicht!«</p> - -<p>»Du bist heroisch und überspannt,« sagte Mr. Shelby; -»aber ich dächte, Du thätest wohl, die Sache noch einmal -zu überlegen, ehe Du solchen abenteuerlichen Streich unternimmst.«</p> - -<p>Hier wurde die Unterhaltung durch die Erscheinung -Chloë's am Ende der Veranda unterbrochen.</p> - -<p>»Wenn's Ihnen gefällig wäre, Missis,« sagte sie.</p> - -<p>»Nun, Chloë, was gibt's?« sagte ihre Mistreß -aufstehend und nach dem Ende des Balkones gehend.</p> - -<p>»Wenn Missis hier das Geflügel ansehen wollte,« -sagte Chloë mit einer Miene ernster Betrachtung, während -sie auf einen Haufen Hühner und Enten deutete, - <span class="pagenum"><a id="Page_26">[S. 26]</a></span> -bei dem sie stand; »ich dachte, ob Missis vielleicht eine -Hühnerpastete haben wollte von diesen da.«</p> - -<p>»Das ist mir gleich, Chloë, — richte sie nur zu, -wie Du willst,« entgegnete Mrs. Shelby.</p> - -<p>Chloë blieb gedankenvoll stehen, während sie das -Geflügel einzeln durch ihre Hände gehen ließ; allein es -war leicht erkennbar, daß die Hühner nicht der Gegenstand -ihrer Gedanken waren. Endlich begann sie mit -einem kurzen Lachen, mit dem ihr Geschlecht häufig etwas -zweifelhafte Vorschläge einzuleiten pflegt:</p> - -<p>»Mein Gott, Missis, warum sollen Master und -Missis sich quälen um das Geld und nicht gebrauchen -das Recht, was ihnen zukommt?« sagte Chloë von Neuem -lachend.</p> - -<p>»Ich verstehe Dich nicht, Chloë,« entgegnete Mrs. -Shelby, die Chloë's Weise kannte, und deßhalb nicht im -Geringsten bezweifelte, daß sie jedes Wort der zwischen -ihr und ihrem Ehemanne so eben Statt gehabten Unterhaltung -gehört habe.</p> - -<p>»O Missis!« sagte Chloë wieder lachend, »andere -Leute miethen ihre Nigger aus, und lassen sie Geld verdienen: -halten nicht solche Bande, die sie aus Haus und -Hof ißt.«</p> - -<p>»Wohl, Chloë, wen meinst Du denn, daß ich ausmiethen -solle?«</p> - -<p>»O, ich meine gar nichts, — nur Sam sagte mir, -daß da einer von den Conditorn wäre, in Louisville, -der 'ne geschickte Hand für Kuchen und Pasteten brauchte, -und der vier Dollars die Woche geben wollte, — sagte er.«</p> - -<p>»Nun, Chloë?«</p> - -<p>»Ja, so dachte ich, Missis, 's wäre Zeit, daß Sally -endlich anfinge, 'was zu thun. Sally ist unter mir gewesen -diese ganze Zeit, und kann Alles beinahe eben so -gut machen wie ich; und wenn Missis mich wollte gehen -lassen, so könnt' ich helfen das Geld verdienen. Fürchte - <span class="pagenum"><a id="Page_27">[S. 27]</a></span> -mich gar nicht, meine Kuchen und meine Pasteten neben -alle die von 'nem Conditor zu stellen.«</p> - -<p>»Aber, Chloë, willst Du denn Deine Kinder verlassen?«</p> - -<p>»O, Missis, die Jungens sind groß genug, um zu -arbeiten, — fehlt ihnen gar nichts; und Sally soll nach -der Kleinen sehn, 's ist so ein munteres Ding, braucht -gar nicht viel gewartet zu werden.«</p> - -<p>»Louisville ist ziemlich weit von hier.«</p> - -<p>»Mein Gott, fürchte mich nicht! — ist's wohl den -Fluß hinunter, nahe bei meinem alten Mann vielleicht?« -sagte Chloë, die letzten Worte in fragendem Tone sprechend -und auf Mrs. Shelby blickend.</p> - -<p>»Nein, Chloë, es ist noch viele hundert Meilen davon -entfernt,« entgegnete Mrs. Shelby.</p> - -<p>Chloë's Gesicht wurde traurig.</p> - -<p>»Das thut nichts, Chloë; Du kommst ihm wenigstens -näher, wenn Du dahin gehst. Ja, Du magst gehen; -und jeder Cent Deines Lohnes soll zu der Wiedereinlösung -Deines Mannes zurückgelegt werden.«</p> - -<p>Wie wenn ein heller Sonnenstrahl eine dunkle Wolke -versilbert, so klärte sich Chloë's dunkles Gesicht augenblicklich -auf, — es strahlte förmlich.</p> - -<p>»O Herr! wenn Missis nicht zu gut ist! — dachte -gerade an dasselbe; denn ich brauche keine Kleider und -keine Schuhe und nichts, — könnte jeden Cent sparen. -Wie viele Wochen gibt's denn in 'nem Jahre, Missis?«</p> - -<p>»Zweiundfünfzig,« sagte Mrs. Shelby.</p> - -<p>»Herr! also so viele? und vier Dollar für jede, — -wie viel mag das sein?«</p> - -<p>»Zweihundert und acht Dollar,« entgegnete Mrs. -Shelby.</p> - -<p>»Wie!« sagte Chloë mit einem Ausdruck von Ueberraschung -und Wonne; — »und wie lange würde 's -dauern, bis ich Alles herausgearbeitet hätte, Missis?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_28">[S. 28]</a></span></p> - -<p>»Vier bis fünf Jahre, Chloë; aber Du sollst nicht -Alles allein verdienen, — ich will Etwas dazu legen.«</p> - -<p>»Mag nichts davon hören, — Missis Stunden geben. -Master hat ganz Recht darin; — würde sich nicht -passen. Hoffe, keiner von unserer Familie wird dazu -kommen, so lange ich Hände habe.«</p> - -<p>»Fürchte nichts, Chloë, — ich will schon Sorge -tragen für die Ehre der Familie,« sagte Mrs. Shelby -lächelnd. »Aber wann gedenkst zu gehen?«</p> - -<p>»O, ich denke Nichts, — nur, Sam, er geht auf -den Fluß mit Fohlen, und sagte mir, ich könnte mit ihm -gehn; und so machte ich just meine Sachen zusammen. -Wenn Missis wollte, so könnt' ich mit Sam morgen früh -gehen, — wenn Missis mir 'nen Paß schreiben wollte, -und 'ne 'Commendation.«</p> - -<p>»Wohl, Chloë, ich will dafür sorgen, wenn Mr. -Shelby Nichts dagegen einzuwenden hat. Ich muß erst -mit ihm reden.«</p> - -<p>Mrs. Shelby ging in das obere Stockwerk und Tante -Chloë ging entzückt in ihre Hütte, um die nöthigen Vorbereitungen -zu treffen.</p> - -<p>»O, Master Georg! Sie wissen nicht, daß ich morgen -nach Louisville gehe!« sagte sie zu Georg, als er -sie beim Eintreten beschäftigt fand, die Kleidungsstücke -ihrer Kinder zu ordnen. »Dachte, ich wollte grade 'mal -über diese Sachen sehen und sie in Ordnung haben. -Aber ich gehe, Master Georg, — ich gehe, und bekomme -vier Dollar die Woche; und Missis will es Alles aufheben -und meinen alten Mann damit wiederkaufen.«</p> - -<p>»Sieh da!« sagte Georg, »das ist ein gutes Geschäft! -Wann gehst Du denn?«</p> - -<p>»Morgen, mit Sam. Und nun, Master Georg, — -ich weiß — sind Sie wohl so gut und schreiben just an -meinen alten Mann, und sagen ihm das Alles, — nicht -wahr?«</p> - -<p>»Versteht sich,« sagte Georg. »Onkel Tom wird sich - <span class="pagenum"><a id="Page_29">[S. 29]</a></span> -freuen, Nachricht von uns zu bekommen. Ich will gleich -in's Haus gehen, und Feder und Papier holen; und -dann kann ich ihm auch gleich von unsern jungen Fohlen -erzählen und von allen andern Sachen, — nicht wahr, -Tante Chloë?«</p> - -<p class="pmb3">»Freilich, freilich, Master Georg; gehen Sie nur, -und ich will Ihnen unterdessen ein hübsches Stückchen -Huhn zurecht machen, oder so Etwas; — werden nicht -oft mehr bei alte Tante Chloë 'was essen.«</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Zweiundzwanzigstes_Kapitel">Zweiundzwanzigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>»Das Gras verwelkt — die Blume verblüht.«</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - - -<p>Mit jedem Tage fließt ein Theil unseres Lebens -dahin, — und so war es mit Onkel Tom, bis zwei Jahre -verflossen waren. Obgleich getrennt von Allem, was -seinem Herzen theuer war, und obgleich oft die heftigste -Sehnsucht nach seinen Lieben empfindend, fühlte er sich -doch eigentlich nie ganz unglücklich; denn so stark ist die -Harfe menschlicher Gefühle bezogen, daß nur ein Zerreißen -aller Saiten ihre Harmonie gänzlich zerstören -kann; und selbst wenn wir auf Zeiten der Trübsal und -der Leiden zurückblicken, so können wir uns erinnern, daß -fast jede Stunde derselben in ihrem Laufe Abwechslung -und Erleichterung mit sich brachte, so daß wir, wenn -auch im Ganzen nicht glücklich, doch auch nicht ganz -elend waren.</p> - -<p>Sein an Chloë gerichteter Brief war, wie dessen -bereits im vorigen Kapitel Erwähnung geschehen, von - <span class="pagenum"><a id="Page_30">[S. 30]</a></span> -Master Georg in guter Zeit beantwortet worden, und -zwar in einer runden, deutlichen Schulknabenschrift, die, -wie Onkel sagte, sich beinahe über das ganze Zimmer -lesen ließ. Das Schreiben enthielt verschiedene erquickliche -Nachrichten über die dortigen Verhältnisse, mit denen -unsere Leser bereits bekannt sind: zum Beispiel, daß -Tante Chloë an einen Conditor in Louisville ausgedungen -worden, wo sie mit der Fabrikation von Pasteten unglaubliche -Summen Geldes verdiene, die alle zur Wiedereinlösung -Toms zurückgelegt werden sollten; daß Mose -und Pete munter aufwüchsen, und daß das Kleine unter -Sally's und der ganzen Familie Aussicht bereits im ganzen -Hause umhertrabe. Toms Hütte war für jetzt geschlossen -worden, allein Georg ließ sich mit großer Wärme über -die Verbesserungen und Verzierungen aus, die darin -vorgenommen werden sollten, sobald Tom zurückkehre. -Der Rest des Briefes enthielt ein Verzeichniß von Georgs -Schulstudien und von den Namen der vier jungen Fohlen, -welche seit Toms Entfernung gefallen waren, und erwähnte -in inniger Verbindung hiermit, daß sich Vater -und Mutter wohl befänden. Der Styl des Briefes war -entschieden ein sehr bündiger: allein Tom hielt seine Abfassung -für eins der vollendetsten Beispiele in der neueren -Zeit. Er konnte nie müde werden, das Schreiben zu -betrachten, und berathschlagte sogar mit Eva darüber, -ob es nicht gut wäre, es unter Glas und Rahmen bringen -zu lassen, um es im Zimmer aufhängen zu können; und -nur die Schwierigkeit, es so einzurichten, daß beide -Seiten des Blattes zugleich sichtbar seien, stand der Ausführung -im Wege.</p> - -<p>Die Freundschaft zwischen Tom und Eva war in -gleichem Schritte mit dem Kinde selbst gewachsen. Es -würde schwer sein zu sagen, welchen Platz sie in dem -sanften, empfänglichen Herzen ihres treuen Dieners einnahm. -Er liebte sie wie etwas Irdisches und Gebrechliches, -aber verehrte sie beinahe als etwas Himmlisches - <span class="pagenum"><a id="Page_31">[S. 31]</a></span> -und Göttliches. Wie der italienische Seemann auf sein -Bild des Jesuskindes schaut, so betrachtete er sie mit -einer Mischung von Ehrfurcht und Zärtlichkeit; und sein -größtes Vergnügen bestand darin, den kindlichen Einfällen, -den tausend kleinen Bedürfnissen zu genügen, die das -jugendliche Alter wie mit einem buntfarbigen Regenbogen -schmücken. Wenn er Morgens auf den Markt ging, so -waren seine Augen stets auf die Blumenlager gerichtet, -um seltene Bouquette für sie auszusuchen, und die schönste -Pfirsich, die er fand, glitt stets in seine Tasche, um sie -ihr zu geben, wenn er nach Hause kam; und der liebste -Anblick für ihn war der, wenn er ihren goldlockigen, -kleinen Kopf zur Pforte hinaus blicken und auf seine -Rückkehr warten sah, und er dann ihre kindliche Frage -hörte: »Nun, Onkel Tom, was hast Du heut' für mich?«</p> - -<p>Auch war Eva nicht weniger eifrig in freundlichen -Gegenleistungen. Obgleich noch Kind, konnte sie dennoch -vortrefflich lesen. Ein feines, musikalisches Ohr, eine -lebhafte, poetische Phantasie, und ein instinktmäßiges -Gefühl für alles Große und Edle machten sie zu einer -Bibelleserin, wie Tom nie zuvor etwas Aehnliches gehört -hatte. Anfangs las sie nur, um ihrem bescheidenen -Freunde gefällig zu sein, aber bald streckte ihre eigene -ernste Natur ihre Fühlfäden aus und schlang sie um das -majestätische Buch. Und Eva liebte es, weil es ein -seltsames Sehnen und mächtige, dunkle Regungen in ihr -erweckte, denen sich tieffühlende und mit lebhafter Phantasie -begabte Kinder so gern hingeben.</p> - -<p>Diejenigen Theile, welche sie am meisten liebte, -waren die Offenbarung Johannis und die Propheten, — -Theile, deren dunkle, warme und bilderreiche Sprache sie -um so mehr ergriff, als sie vergeblich nach einer Deutung -suchte, — und sie und ihr schlichter Freund, das junge -und das alte Kind, stimmten in dieser Beziehung vollkommen -überein. Alles, was sie wußten, war, daß jene -Bücher von einer zu offenbarenden Glorie, — einem - <span class="pagenum"><a id="Page_32">[S. 32]</a></span> -wunderbaren Etwas sprachen, was noch kommen solle -und dessen sich ihre Seelen freuten, ohne zu wissen weshalb. -Obgleich es in der Wissenschaft physischer Dinge -nicht so ist, so gilt doch für die Religionslehre der Grundsatz, -daß das, was nicht verstanden werden kann, nicht -immer nutzlos ist; denn die Seele erwacht, ein zitternder -Fremdling, zwischen zwei dunklen Ewigkeiten, — der -ewigen Vergangenheit und der ewigen Zukunft. Das -Licht fällt nur aus einen kleinen Raum um sie her, weshalb -sie sich dem Unbekannten zuwenden muß; und die -Stimmen und schattenartigen Regungen, die aus der -Nebelsäule der Inspiration zu ihr kommen, finden Echo -und Antwort in ihrer eignen sehnsüchtigen Natur. Die -mystischen Bilder derselben sind ebenso viele Talismane -und Gemmen mit unbekannten Hieroglyphen, die sie in -ihren Busen schließt und hofft entziffern zu können, wenn -sie jenseits des Schleiers tritt.</p> - -<p>Um die jetzige Zeit unserer Erzählung befand sich -die ganze Familie St. Clare's auf seiner am See Pontchartrain -belegenen Villa. Die Sommerhitze hatte Alle, -denen es möglich war, die ungesunde Stadt mit ihrer -schwülen Atmosphäre zu verlassen, an die Ufer des See's -getrieben, um seine kühlen Lüfte zu genießen.</p> - -<p>St. Clare's Villa war ein im ostindischen Geschmacke -erbautes Landhaus, umgeben von einer hellen Veranda, -und öffnete sich nach allen Seiten in Gärten und Luftplätze. -Das gemeinschaftliche Wohnzimmer hatte einen -Ausgang in einen großen Garten, welcher erfüllt von den -Wohlgerüchen tropischer Pflanzen und Blumen jeder Art, -seine schlängelnden Pfade bis dicht an die Ufer des See's -erstreckte, dessen silberheller Wasserspiegel sich unter den -Strahlen der Sonne hob und senkte, — ein Bild, das -jede Stunde wechselte, und mit jeder Stunde schöner -wurde.</p> - -<p>Jetzt grade geht die Sonne in goldener Glorie unter -und wirft ihren Schein über den ganzen Horizont, der - <span class="pagenum"><a id="Page_33">[S. 33]</a></span> -sich im Wasser abspiegelt. Weiß beflügelte Schiffe fahren -auf dem in rosigen oder goldenen Streifen ruhig liegenden -See hin und her, und kleine goldene Sterne beginnen -allmählig aus dem Abendhimmel auf ihre zitternden -Spiegelbilder im Wasser herabzublicken.</p> - -<p>Tom und Eva saßen auf einer niedrigen Moosbank -in einer Laube am Ende des Gartens. Es war -Sonntag Abend, und Eva's Bibel lag aufgeschlagen auf -ihrem Knie. Sie las: — »Und ich sah ein gläsernes -Meer mit Feuer gemenget.«</p> - -<p>»Tom,« sagte Eva, plötzlich inne haltend und auf -den See deutend, »da ist es.«</p> - -<p>»Was, Miß Eva?«</p> - -<p>»Siehst Du denn nicht, — dort?« sagte das Kind, -auf das Wasser deutend, welches, fallend und steigend, -die Gluth des Himmels abspiegelte. »Da ist ein gläsernes -Meer mit Feuer gemenget.«</p> - -<p>»Wahr! Miß Eva,« sagte Tom und sang:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Hätt' ich die Flügel der Morgenröthe,<br /></span> -<span class="i0">Ich würde nach Canaan fliegen,<br /></span> -<span class="i0">Und Engel würden mich heimwärts tragen<br /></span> -<span class="i0">Nach dem neuen Jerusalem.«<br /></span> -</div></div> - -<p>»Wo glaubst Du, daß das neue Jerusalem ist, -Onkel Tom?« sagte Eva.</p> - -<p>»Ueber den Wolken, Miß Eva.«</p> - -<p>»Dann glaube ich, daß ich es sehe,« bemerkte Eva. -»Blicke in jene Wolken! — sie sehen wie große Thore -von Perlen aus; und Du kannst durch sie weiter hinaus -sehen — weit, weit — und da ist Alles Gold. Bitte, -Tom, singe das Lied von den weißen Engeln.«</p> - -<p>Tom sang hierauf die Worte einer wohlbekannten -Methodisten-Hymne:</p> - -<p> -»Ich sehe ein Chor von Engeln stehn,<br /> -Des Himmels Freuden schmecken.<br /> -Sie tragen alle ein weißes Gewand<br /> -Und siegende Palmen in der Hand.«<br /> -</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_34">[S. 34]</a></span></p> - -<p>»Sie kommen zuweilen zu mir im Schlafe, diese -Engel,« sagte Eva, während ihre Augen träumerisch -wurden, und summte dann mit leiser Stimme:</p> - -<p> -»Sie alle tragen ein weißes Gewand<br /> -Und siegende Palmen in der Hand.«<br /> -</p> - -<p>»Onkel Tom,« sagte sie darauf, »ich gehe dahin.«</p> - -<p>»Wohin, Miß Eva?«</p> - -<p>Das Kind stand auf, und deutete mit seiner kleinen -Hand gen Himmel. Das Abendroth beleuchtete ihr goldnes -Haar, und lieh ihren Wangen eine Art überirdischen -Glanzes, und ihre Augen blickten mit tiefem, seligem -Gefühle hinauf.</p> - -<p>»Ich gehe dahin,« sagte sie, »zu den weißen Engeln, -Tom; ich gehe dahin — bald.«</p> - -<p>Das treue, alte Herz empfand einen plötzlichen -Stoß, und Tom dachte daran, wie oft er während der -letzten sechs Monate bemerkt habe, daß Eva's kleine -Hände dünner, und ihre Haut durchsichtiger und ihr -Athem kürzer geworden seien, und wie sie, wenn sie im -Garten rannte und spielte, was sie sonst stundenlang gekonnt, -jetzt immer so bald müde werde. Er hatte Miß -Ophelien oft von einem Husten sprechen hören, den alle -ihre Arzneimittel nicht heilen könnten; und selbst in diesem -Augenblicke brannten ihre Wange und ihre kleine -Hand von hektischem Fieber; und dennoch war ihm nie -zuvor der Gedanke gekommen, den Eva's Worte andeuteten.</p> - -<p>Gab es je ein Kind, wie Eva? — O ja, es gab -deren; aber ihre Namen sind nur auf Grabsteinen zu -lesen, und ihr süßes Lächeln, ihre himmlischen Blicke, ihre -seltsamen Reden und Weisen gehören zu den tief begrabenen -Schätzen trauernder Herzen. In wie vielen Familien -hörst Du die Sage, daß alle Güte und Anmuth -der Lebenden nichts sei gegen die Liebenswürdigkeit eines -Wesens, — das nicht mehr sei! Es ist gerade, als - <span class="pagenum"><a id="Page_35">[S. 35]</a></span> -wenn der Himmel ein besonderes Chor von Engeln habe, -deren Bestimmung es sei, eine kurze Zeit hier zu weilen -und das verkehrte menschliche Herz für sich zu gewinnen, -um es dann bei ihrer Rückkehr zum Himmel mit sich -hinaufzutragen. Wenn Du jenes tiefe geistige Licht in -dem Auge siehst, — wenn die kleine Seele sich in Worten -offenbart, die süßer und weicher sind, als die gewöhnlichen -Worte von Kindern, — so hoffe nicht, das -Kind zu behalten, denn das Siegel seines himmlischen -Ursprungs ist ihm aufgedrückt, und das Licht der Unsterblichkeit -glänzt aus seinen Augen.</p> - -<p>So auch Du, geliebte Eva! schöner Stern Deiner -irdischen Heimath! Du gehst, — aber die, so Dich am -meisten lieben, ahnen es nicht!</p> - -<p>Das Gespräch zwischen Tom und Eva wurde hier -plötzlich durch einen Ruf von Miß Ophelia unterbrochen.</p> - -<p>»Eva! — Eva! — Kind, der Thau fällt ja, Du -darfst nicht mehr draußen sein!«</p> - -<p>Eva und Tom eilten hinein.</p> - -<p>Miß Ophelia war alt und wohlerfahren im Geschäfte -des Wartens und Pflegens, und kannte genau die -ersten Symptome jener schleichenden, hinterlistigen Krankheit, -die so viele der Schönsten und Liebenswürdigsten -dahin rafft, und sie, ehe noch eine einzige Lebensfaser -zerstört zu sein scheint, unwiderruflich dem Tode weiht. -Sie hatte den leichten kurzen Husten und die täglich zunehmende -Röthe der Wange bemerkt; und selbst der -Glanz des Auges und die lustige Lebhaftigkeit des Kindes, -nur vom Fieber bedingt, vermochten sie nicht zu -täuschen.</p> - -<p>Sie versuchte, St. Clare ihre Besorgnisse mitzutheilen; -allein er wies derartige Andeutungen mit einem -unruhigen, erkünstelten Muthwillen zurück, der sehr verschieden -von seiner gewöhnlich so sorglosen guten Laune -war.</p> - -<p>»O krächze nur nicht, Cousine, — ich kann's nicht - <span class="pagenum"><a id="Page_36">[S. 36]</a></span> -hören!« pflegte er zu sagen. »Siehst Du denn nicht, -daß das Kind nur im Wachsthum begriffen ist? Kinder -verlieren immer Kräfte, wenn sie stark wachsen.«</p> - -<p>»Aber sie hat den Husten.«</p> - -<p>»O Unsinn mit dem Husten! — 's ist nichts; -hat sich vielleicht ein wenig erkältet.«</p> - -<p>»Ja, ganz auf dieselbe Weise fingen Elisa, Jane, -und Ellen und Maria Sanders an.«</p> - -<p>»O! ich bitte Dich! höre mir mit den Ammenmärchen -auf. Ihr alten Leute werdet so weise, daß ein -Kind nicht mehr husten oder niesen kann, ohne daß Ihr -Verzweiflung oder Tod darin erkennt. Nimm das Kind -nur in Acht; laß es nicht in die Nachtluft gehen und -nicht zu angestrengt spielen, und sie wird bald wieder -munter werden.«</p> - -<p>So sagte St. Clare; aber er wurde ängstlich und -unruhig. Er bewachte Eva täglich mit fieberhafter Angst, -wie sich deutlich aus der öfteren Wiederholung derartiger -Aeußerungen entnehmen ließ, wie: »das Kind sei ganz -wohl, — der Husten habe gar nichts zu bedeuten, — er -rühre von nichts als etwas verdorbenem Magen her.« -Aber er hielt sich von nun an mehr bei ihr auf, als er -sonst zu thun pflegte, fuhr öfter mit ihr aus und brachte -von Zeit zu Zeit ein neues Recept oder eine stärkende -Mixtur für sie mit nach Haus: — nicht, wie er sagte, -weil das Kind sie nöthig habe, sondern sie werde ihr -keinen Schaden thun.</p> - -<p>Was seinem Herzen größere Angst und Unruhe verursachte, -als alles Andere, war die beim Kinde täglich -zunehmende Reife des Geistes und der Gefühle. Während -sie noch das rein kindliche Wesen bewahrte, ließ sie oft -unbewußt Worte von einer solchen Tiefe der Gedanken -und einer so überirdischen Weisheit fallen, daß man sie -für Inspirationen hätte halten können. In solchen Momenten -empfand St. Clare ein plötzliches Beben im - <span class="pagenum"><a id="Page_37">[S. 37]</a></span> -Herzen; er preßte sie dann in seine Arme, als ob dieser -zärtliche Druck sie retten könne.</p> - -<p>Des Kindes ganzes Herz und ganze Seele schien -an Werken der Liebe zu hängen. Sie war immer sanft -und weich von Natur gewesen; allein jetzt zeigte sich bei -ihr eine rührende, ächt weibliche Empfindungsweise, die -Jedem auffiel. Sie fand noch immer Gefallen daran, -mit Topsy und andern farbigen Kindern zu spielen, aber -schien jetzt mehr eine bloße Zuschauerin zu sein, als -wirklich Theil an den Spielen zu nehmen; sie saß zuweilen -halbe Stunden lang und lachte herzlich über -Topsy's wunderliche Streiche, — und dann senkte sich ein -Schatten über ihr Gesicht, ihre Augen wurden trübe und -ihre Gedanken waren weit, weit fort.</p> - -<p>»Mamma,« sagte sie eines Tages plötzlich zu ihrer -Mutter, »weßhalb lassen wir unsere Dienstboten nicht -lesen lernen?«</p> - -<p>»Was für eine Frage, Kind! Man thut das nie.«</p> - -<p>»Warum thut man denn das nicht?« fragte Eva.</p> - -<p>»Weil es für die Leute von keinem Nutzen ist, lesen -zu können. Es hilft ihnen nicht, besser zu arbeiten, und -zu etwas Anderem sind sie nicht da.«</p> - -<p>»Aber sie sollten die Bibel lesen, Mamma, um -Gottes Willen kennen zu lernen.«</p> - -<p>»O! so viel die davon zu wissen brauchen, können -sie sich vorlesen lassen.«</p> - -<p>»Es dünkt mich, Mamma, die Bibel sollten alle -Menschen selbst lesen; sie brauchen sie sehr oft, wenn Niemand -da ist, der sie ihnen vorlesen kann.«</p> - -<p>»Eva, Du bist ein altes Kind,« sagte ihre Mutter.</p> - -<p>»Miß Ophelia lehrt Topsy auch lesen,« fuhr Eva -fort.</p> - -<p>»Ja, und Du siehst, welchen Nutzen es ihr bringt. -Topsy ist das ungezogenste Geschöpf, das ich je gesehen -habe!«</p> - -<p>»Da ist die arme Mammy!« sagte Eva. »Sie hat - <span class="pagenum"><a id="Page_38">[S. 38]</a></span> -die Bibel so lieb und wünscht so sehr, daß sie lesen -könnte! Und was wird sie machen, wenn ich sie ihr nicht -mehr vorlesen kann?«</p> - -<p>Marie war beschäftigt, den Inhalt einer Kommode -umzuwenden, als sie antwortete:</p> - -<p>»Natürlich, Eva, nach einiger Zeit wirst Du schon -an andere Dinge zu denken haben, als den Dienstboten -die Bibel vorzulesen. Nicht, daß es unpassend wäre, — -denn ich habe es, als ich noch gesund war, selbst gethan; -aber wenn Du dich erst ordentlich anziehen und in -Gesellschaft gehen mußt, dann hast Du keine Zeit mehr -dazu. Sieh hier!« fügte sie hinzu, »diese Juwelen will -ich Dir schenken, wenn Du größer bist. Ich habe sie -auf meinem ersten Ball getragen. Ich kann Dir sagen, -Eva, ich machte damals Sensation.«</p> - -<p>Eva nahm den Juwelenkasten, und hob ein diamantenes -Halsband auf. Ihre großen, sinnenden Augen ruhten -darauf, aber es war klar, ihre Gedanken waren -anderswo.</p> - -<p>»Wie gleichgültig Du dabei aussiehst, Kind!« sagte -Marie.</p> - -<p>»Sind diese sehr viel Geld werth, Mamma?«</p> - -<p>»Gewiß! Vater ließ sie mir von Frankreich kommen. -Sie sind ein kleines Vermögen werth.«</p> - -<p>»Ich wünschte, ich hätte sie,« sagte Eva, »um damit -machen zu können, was ich wollte!«</p> - -<p>»Was würdest Du denn damit machen?«</p> - -<p>»Ich würde sie verkaufen, und einen Platz in den -Freistaaten ankaufen, und alle unsere Leute dahin bringen, -und Lehrer annehmen, um ihnen Lesen und Schreiben -zu lehren.«</p> - -<p>Eva wurde durch das Lachen ihrer Mutter unterbrochen.</p> - -<p>»Eine Schulanstalt errichten! Wolltest Du ihnen -nicht auch lehren, auf dem Piano zu spielen und auf -Sammet zu malen?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_39">[S. 39]</a></span></p> - -<p>»Ich würde ihnen lehren, ihre Bibel selbst zu lesen, -und ihre Briefe selbst zu schreiben, und Briefe, die an sie -geschrieben worden sind, selbst zu lesen,« sagte Eva ruhig. -»Ich weiß, Mamma, es ist recht schlimm für sie, daß sie -so etwas nicht selbst thun können. Tom fühlt es, — -Mammy fühlt es, — und viele Andere fühlen es. Ich -denke, das ist unrecht.«</p> - -<p>»O geh, Eva, Du bist nur ein Kind! Du verstehst -von allen diesen Dingen nichts,« sagte Marie; »und überdieß -macht mir Dein Geschwätz Kopfschmerzen.«</p> - -<p>Marie hatte stets Kopfschmerzen bei der Hand, sobald -ihr irgend eine Unterhaltung nicht zusagte.</p> - -<p class="pmb3">Eva schlich sich fort; aber von der Zeit an gab sie -Mammy mit großem Eifer Leseunterricht.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Dreiundzwanzigstes_Kapitel">Dreiundzwanzigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Henrique.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - - -<p>Um diese Zeit brachte St. Clare's Bruder, Alfred, -mit seinem ältesten Sohne, einem Knaben von etwa zwölf -Jahren, ein paar Tage bei der Familie am See zu.</p> - -<p>Es konnte keinen seltsameren und zugleich schöneren -Anblick geben, als diese beiden Zwillingsbrüder. Die Natur -hatte, statt zwischen ihnen Aehnlichkeiten zu schaffen, -sie zu Gegenstücken in fast jeder Beziehung gemacht; und -dennoch vereinigte sie auf geheimnißvolle Weise das Band -einer mehr als gewöhnlichen brüderlichen Zuneigung.</p> - -<p>Sie pflegten Arm in Arm die Alleen und Gänge des -Gartens zu durchschlendern. Augustin, mit seinen blauen - <span class="pagenum"><a id="Page_40">[S. 40]</a></span> -Augen, blondem Haar, seiner ätherisch biegsamen Figur -und seinen lebhaften Zügen; und Alfred, mit dunklen -Augen, stolzem römischen Profile, gedrungenem Baue, und -fester Haltung. Sie schalten fortwährend gegenseitig auf -ihre so verschiedenartigen Ansichten und Gewohnheiten, -und waren dennoch unzertrennlich in ihrer Gesellschaft; -kurz, grade ihre Verschiedenheit schien sie an einander zu -fesseln, wie Attraktion zwischen verschiedenen Polen des -Magnets.</p> - -<p>Henrique, der älteste Sohn Alfred's, war ein dunkeläugiger -Knabe von edlem Aeußern, und voll von Geist -und Lebhaftigkeit; und schien vom ersten Augenblicke seiner -Einführung an von den ätherischen Reizen seiner -Cousine Evangeline vollständig bezaubert worden zu sein.</p> - -<p>Eva besaß ein kleines, schneeweißes Ponypferd. Es -war sanft wie eine Wiege, und so ruhig wie seine kleine -Herrin. Dieses Pferdchen wurde jetzt durch Tom vor die -Veranda geführt, während ein kleiner Mulattenknabe von -ungefähr dreizehn Jahren ein kleines, schwarzes, arabisches -Pferd heranführte, welches erst kürzlich mit bedeutenden -Unkosten für Henrique importirt worden war.</p> - -<p>Henrique empfand einen knabenhaften Stolz auf sein -neues Besitzthum; und als er sich deßhalb näherte, und -die Zügel aus der Hand seines kleinen Reitknechts empfing, -blickte er aufmerksam über das Pferd, und seine Stirne -wurde finster.</p> - -<p>»Was ist das, Dodo, Du fauler, kleiner Hund! Du -hast mein Pferd diesen Morgen nicht geputzt.«</p> - -<p>»O ja, Master,« sagte Dodo unterwürfig, »den Staub -da hat es sich selbst eben angeworfen.«</p> - -<p>»Halt Deinen Mund, Du Schlingel!« rief Henrique -heftig, seine Reitpeitsche aufhebend. »Wie kannst Du Dich -erkühnen, zu reden?«</p> - -<p>Der Knabe, ein hübsches, helläugiges Mulattenkind, -von Henrique's Größe, mit dunklem Lockenhaar um eine -hohe, kühne Stirne, hatte weißes Blut in seinen Adern, - <span class="pagenum"><a id="Page_41">[S. 41]</a></span> -wie man deutlich aus der plötzlichen Röthe, die seine Wangen -überzog, und dem Funkeln seines Auges erkennen -konnte, während er zu sprechen versuchte.</p> - -<p>»Master Henrique! —« begann er.</p> - -<p>Henrique schlug ihm mit der Reitpeitsche über das -Gesicht, faßte einen seiner Arme, und drückte ihn nieder -auf die Kniee, und peitschte ihn dann so lange, bis er -außer Athem war.</p> - -<p>»Da, Du unverschämter Hund! Willst Du lernen, -mir nicht zu widersprechen, wenn ich mit Dir rede? Führe -das Pferd zurück, und putze es erst ordentlich. Ich werde -Dich lehren, was Du zu thun hast!«</p> - -<p>»Junger Master!« sagte Tom, »ich denke, was er -sagen wollte, war, daß das Pferd sich wälzte, als er es -herbrachte vom Stalle, — es ist so muthig; — davon -ist es so schmutzig geworden; das Putzen habe ich mit -angesehen.«</p> - -<p>»Halte Deinen Mund, bis Du gefragt wirst!« sagte -Henrique, während er sich auf dem Absatz umwandte, und -die Stufen zu Eva hinaufstieg, welche in ihrem Reitkleide -in der Veranda stand.</p> - -<p>»Liebe Cousine, es thut mir leid, daß dieser dumme -Bursche Dich hier so lange aufhält,« sagte er. »Komm, -laß uns hier niedersitzen und warten, bis er die Pferde -bringt. Aber was ist Dir denn, Cousine? — Du siehst -ja so verstimmt aus.«</p> - -<p>»Wie konntest Du so grausam und so schlecht gegen -den armen Dodo handeln?« sagte Eva.</p> - -<p>»Grausam, — schlecht?« sagte der Knabe mit ungekünsteltem -Erstaunen. »Was meinst Du, liebe Eva?«</p> - -<p>»Ich will nicht, daß Du mich liebe Eva nennest, -wenn Du so handelst,« entgegnete Eva.</p> - -<p>»Liebe Cousine, Du kennst den Dodo nicht; es ist -dies der einzige Weg, um mit ihm fertig zu werden; er -ist so voll von Lügen und Entschuldigungen. Man muß - <span class="pagenum"><a id="Page_42">[S. 42]</a></span> -ihn gleich ganz zum Schweigen bringen, — ihn gar nicht -den Mund öffnen lassen; so macht es Papa.«</p> - -<p>»Aber Onkel Tom sagte, es war ein Zufall, und er -sagt niemals eine Unwahrheit.«</p> - -<p>»Dann ist er ein ganz ungewöhnlicher alter Neger!« -sagte Henrique. »Dodo lügt so schnell, wie er nur sprechen -kann.«</p> - -<p>»Du schüchterst ihn so ein, daß er lügt, wenn Du -ihn so behandelst,« sagte Eva.</p> - -<p>»In der That, Eva, Du hast eine solche Vorliebe -für Dodo gefaßt, daß ich anfange, eifersüchtig zu werden.«</p> - -<p>»Aber Du schlugst ihn, — und er hatte es nicht -verdient.«</p> - -<p>»Gut, so mag es für ein andres Mal gelten, wenn -er's verdient, und nicht bekömmt. Ein paar Hiebe thun -Dodo nie Schaden, — er ist ein arger Bursche, ich versichere -Dich; aber ich will ihn nie wieder in Deiner Gegenwart -züchtigen, wenn es Dir unangenehm ist.«</p> - -<p>Eva war nicht zufriedengestellt, aber sah, daß es vergeblich -sei, ihre Gefühle auszudrücken, da der hübsche -Cousin sie nicht verstand.</p> - -<p>»Wohl, Dodo, dieses Mal hast Du es besser gemacht,« -sagte der junge Master mit gnädigerer Miene als vorher. -»Komm nun, und halte Miß Eva's Pferd, während ich -sie in den Sattel hebe.«</p> - -<p>Dodo kam, und stand bei Eva's Pony. Sein Gesicht -war traurig, und seine Augen verriethen, daß er -geweint hatte.</p> - -<p>Henrique, der sich etwas auf seine Gewandtheit in -Allem, was Galanterie betraf, zu gut that, hatte seine -hübsche Cousine sehr bald im Sattel sitzen, und nahm sodann -die Zügel zusammen, um sie in ihre Hand zu legen. -Allein Eva wendete sich nach der andern Seite zu, wo -Dodo stand, und sagte, als dieser die Zügel fahren ließ: -»So ist's recht, Dodo, — bist ein guter Junge, ich danke -Dir!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_43">[S. 43]</a></span></p> - -<p>Dodo blickte erstaunt in das sanfte, jugendliche Gesicht, -das Blut schoß ihm in die Wangen, und Thränen -traten in seine Augen.</p> - -<p>»Hier, Dodo,« rief sein junger Herr befehlend.</p> - -<p>Dodo sprang zu ihm und hielt das Pferd, während -Letzterer aufstieg.</p> - -<p>»Da ist eine Picayune für Dich, Dodo,« sagte Henrique, -»magst Dir Zuckerwerk dafür kaufen.«</p> - -<p>Henrique galloppirte die Allee hinab, hinter Eva her, -und Dodo blieb stehen, und blickte beiden Kindern nach. -Das eine hatte ihm Geld gegeben, und das andere, was -ihm mehr Noth that, — ein freundliches Wort. Dodo -war nur erst wenige Monate von seiner Mutter entfernt. -Sein Herr hatte ihn auf einem Sklavenmarkte seines hübschen -Gesichtes wegen gekauft, um zu dem hübschen arabischen -Pferde zu passen, und er empfing jetzt von den -Händen seines jungen Masters die Dressur.</p> - -<p>Die Prügelscene war von den beiden Brüdern St. -Clare von einem andern Theile des Gartens aus mit -angesehen worden. Augustins Wange glühte vor Unwillen, -aber er bemerkte nur mit der ihm eigenthümlichen -sarkastischen Nachlässigkeit:</p> - -<p>»Ist das vielleicht, was man republikanische Erziehung -zu nennen pflegt, Alfred?«</p> - -<p>»Henrique ist ein Teufel von einem Jungen, wenn -er hitzig ist,« sagte Alfred nachlässig.</p> - -<p>»Ich vermuthe, Du hältst dies für eine nützliche -Uebung für ihn,« bemerkte Augustin trocken.</p> - -<p>»Ich würde es nicht verhindern können, wenn ich's -auch nicht thäte. Henrique ist ein wahrer, kleiner Sturmwind; -— seine Mutter und ich, wir haben ihn längst -aufgegeben. Aber dieser Dodo ist auch ein hartnäckiger -Bursche, — kein Peitschen kann ihm Schaden thun.«</p> - -<p>»Und bringt Henrique zugleich den ersten Vers seines -republikanischen Katechismus bei: ›Alle Menschen sind -frei und gleich geboren!‹«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_44">[S. 44]</a></span></p> - -<p>»Puh!« sagte Alfred, »das ist eins von Tom Jefferson's -Stückchen von französischem Sentimentalismus und -Unsinn. Es ist förmlich lächerlich, daß eine solche Idee -noch jetzt unter uns herumspuckt.«</p> - -<p>»Ich glaube es auch,« sagte St. Clare bedeutungsvoll.</p> - -<p>»Denn,« fuhr Alfred fort, »wir können deutlich genug -sehen, daß <em class="gesperrt">nicht</em> alle Menschen frei und gleich geboren -sind; sie sind sehr verschieden geboren. Was mich -betrifft, so halte ich alles dieses republikanische Geschwätz -für nichts als Unsinn. Es sind die Gebildeten, die -Reichen, welche gleiche Rechte haben sollten, aber nicht -die <span class="antiqua">canaille</span>.«</p> - -<p>»Wenn Du die <span class="antiqua">canaille</span> von dieser Ansicht überzeugen -kannst,« sagte Augustin. »In Frankreich sind sie einmal -auch an der Reihe gewesen.«</p> - -<p>»Natürlich müssen sie <em class="gesperrt">unter Druck</em> gehalten werden, -fest und consequent, so, wie ich es thun würde,« -sagte Alfred, seinen Fuß fest niedersetzend, als wenn er -auf Jemand stände.</p> - -<p>»Es verursacht einen fürchterlichen Fall, wenn -sie aufstehen,« bemerkte Augustin, — »zum Beispiel in -St. Domingo.«</p> - -<p>»Puh!« entgegnete Alfred, »dafür wollen wir hier -schon sorgen. Wir müssen uns durchaus allen diesen Geschwätzen -von Erziehung und Bildung entgegen stemmen, -die jetzt überall gehört werden. Die untere Klasse muß -keine Erziehung und Bildung haben.«</p> - -<p>»Dafür möchte alles Beten nichts mehr helfen,« sagte -Augustin; »eine Erziehung werden sie erhalten, und wir -haben nur zu sagen, welche. Unser System ist, sie in -Rohheit und Unmenschlichkeit zu erziehen. Wir zerreißen -alle menschlichen Bande, und machen sie zu nichts als -rohen, thierischen Geschöpfen; und als solche werden sie -sich zeigen, wenn sie je die Oberhand gewinnen sollten.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_45">[S. 45]</a></span></p> - -<p>»Sie werden nie die Oberhand gewinnen!« sagte -Alfred.</p> - -<p>»Das ist recht,« entgegnete St. Clare; »laß den -Dampf los, schließe das Sicherheitsventil, setze Dich dabei, -und sieh zu, wo Du landen wirst.«</p> - -<p>»Gut,« sagte Alfred, »wir wollen sehen. Ich -fürchte mich nicht, am Sicherheitsventile zu sitzen, so -lange die Dampfkessel stark sind, und die Maschine in -Ordnung ist.«</p> - -<p>»Der Adel in Louis <span class="antiqua">XVI.</span> Zeit dachte auch so, und -Oestreich und Pius <span class="antiqua">IX.</span> denken noch so; und eines schönen -Morgens könnt Ihr Euch alle vielleicht in der Luft -begegnen, <em class="gesperrt">wenn die Dampfkessel gesprungen -sind</em>.«</p> - -<p>»<span class="antiqua">Dies declarabit</span>,« sagte Alfred lachend.</p> - -<p>»Ich sage Dir,« fuhr Augustin fort, »wenn in unserer -jetzigen Zeit irgend Etwas mit der Kraft eines göttlichen -Gesetzes offenbart worden ist, so ist es das, daß -die Massen aufstehen, und die unteren Klassen an die -Stelle der oberen gestellt werden.«</p> - -<p>»Das ist etwas von Deinem rothrepublikanischen -Unsinn, Augustin! Warum bist Du denn nicht Volksredner -geworden? — Du eignest Dich ganz vortrefflich dazu! — -Nun, ich hoffe nur, daß ich todt bin, ehe dieses tausendjährige -Reich Deiner schmutzigen Massen kommt.«</p> - -<p>»Schmutzig oder nicht schmutzig, — sie werden Dich -beherrschen, wenn ihre Zeit kommt,« sagte Augustin, »und -sie werden grade solche Herrscher sein, als wozu Ihr sie -macht. Der französische Adel wollte das Volk als -›<span class="antiqua">sans culottes</span>‹ haben, und er bekam ›<span class="antiqua">sans culottes</span>‹-Herrscher -in vollem Maaße. Das Volk in -Hayti —«</p> - -<p>»O, laß das, Augustin! — als wenn wir nicht genug -von den abscheulichen, verächtlichen Haytiern gehört -hätten! Sie waren keine Angelsachsen; wenn sie die gewesen - <span class="pagenum"><a id="Page_46">[S. 46]</a></span> -wären, so würde die Sache eine andre Wendung -genommen haben. Das Geschlecht der Angelsachsen ist -das herrschende auf der Erde, und verdient es zu sein.«</p> - -<p>»Nun, ich glaube, es ist jetzt eine gute Quantität -angelsächsisches Blut unter unseren Sklaven,« sagte Augustin. -»Es giebt Viele unter ihnen, die von dem afrikanischen -grade nur so viel haben, um unserer berechnenden -Ruhe und Sicherheit etwas tropische Wärme zu -verleihen. Wenn jemals die St. Domingo-Stunde hier -schlagen sollte, so wird das angelsächsische Blut der Führer -des Tages sein. Söhne weißer Väter, mit allem -unserem Stolze in ihren Adern, werden nicht immer gekauft -und verkauft werden, und Gegenstand des Handels -sein. Sie werden sich erheben, und das Geschlecht ihrer -Mütter zugleich mit.«</p> - -<p>»Unsinn!« rief Alfred.</p> - -<p>»Gut,« sagte Augustin, »es gibt ein altes Sprichwort, -des Inhalts: ›So wie es zur Zeit Noah's war, -so wird es wieder sein; — sie aßen, sie tranken, sie -pflanzten, sie bauten, und wußten es nicht, bis die Fluth -kam und sie verschlang.‹«</p> - -<p>»Im Ganzen genommen, Augustin, dächte ich, hättest -Du hinreichendes Talent für einen Kunstreiter,« sagte -Alfred lachend. »Sei Du nur nicht für uns besorgt; -Besitz ist unsere Festung. Wir haben die Macht; und -dieses verworfene Geschlecht,« sagte er, mit dem Fuße -stampfend, »ist unten, und soll unten bleiben! Wir besitzen -Energie genug, um unser eignes Pulver richtig -anzuwenden.«</p> - -<p>»Söhne, die wie Dein Henrique erzogen sind, werden -vortreffliche Aufseher unserer Pulvermagazine abgeben,« -sagte Augustin, — »so ruhig und überlegend! Das -Sprichwort sagt: ›Wer sich nicht selbst beherrschen kann, -ist nicht im Stande, Andere zu beherrschen.‹«</p> - -<p>»Es ist da allerdings ein Uebelstand,« sagte Alfred - <span class="pagenum"><a id="Page_47">[S. 47]</a></span> -gedankenvoll; »es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß -unser System nicht sonderlich dazu geeignet ist, Kinder -zu erziehen. Es läßt den Leidenschaften zu großen Spielraum, -welche in unserem Klima ohnedies schon heiß -genug sind. Henrique verursacht mir viel Unruhe. Der -Knabe ist edelmüthig, und hat ein warmes Herz, aber -ist eine wahre Rakete, sobald er sich in Aufregung befindet. -Ich glaube, ich werde ihn nach Norden senden -müssen, wo Gehorsam mehr an der Tagesordnung ist, -und wo seine Gesellschafter mehr seines Gleichen, und -weniger seine Untergebenen sind.«</p> - -<p>»Da Kindererziehung ein für das menschliche Geschlecht -so wichtiger Gegenstand ist,« sagte Augustin, »so -sollte ich denken, daß es einige Betrachtung verdiente, -weshalb unser System nicht gut ist.«</p> - -<p>»Es ist in manchen Beziehungen mangelhaft,« sagte -Alfred, »während es in andern die besten Erfolge hat. -Es macht Knaben männlich und muthig, und die Laster -eines verworfenen Geschlechtes wirken dahin, in ihnen die -denselben entgegengesetzten Tugenden zu stärken und zu befestigen. -Ich glaube zum Beispiel, daß Henrique um -so mehr Gefühl für die Schönheit der Wahrheit hat, -als er Lug und Trug stets als Kennzeichen der Sklaverei -gesehen hat.«</p> - -<p>»Das ist eine ächt christliche Anschauung der Sache, -ohne Zweifel!« sagte Augustin.</p> - -<p>»Sie ist wahr, ob christlich oder nicht,« sagte Alfred, -»und doch vielleicht eben so christlich, wie viele andre -Dinge in der Welt.«</p> - -<p>»Das mag sein,« entgegnete St. Clare.</p> - -<p>»Unser Gespräch führt zu nichts, Augustin. Ich -glaube, wir haben diesen Kreislauf bereits fünfhundertmal -gemacht. Was meinst Du zu einer Partie Puff?«</p> - -<p>Die beiden Brüder sprangen die Stufen der Veranda -hinauf, und saßen bald vor einem leichten Tische -von Bambus, mit dem Puffbrette zwischen ihnen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_48">[S. 48]</a></span></p> - -<p>»Ich sage Dir, Augustin, wenn ich so dächte, wie -Du, so würde ich wenigstens Etwas thun.«</p> - -<p>»Wahrscheinlich, — denn Du gehörst zu der thätigen -Klasse von Menschen, — aber was denn?«</p> - -<p>»Ich würde meine eigenen Sklaven zum Muster für -Andere erziehen,« sagte Alfred mit einem halb höhnischen -Lächeln.</p> - -<p>»Du könntest eben so wohl den Berg Aetna flach -auf sie stellen, und ihnen heißen, darunter aufzustehen, -wie mir rathen, meine Sklaven unter dieser erdrückenden -Masse der Gesellschaft zu erziehen. Ein Mann -allein kann gegen den Strom einer ganzen Commune -nichts thun.«</p> - -<p>»Du hast den ersten Wurf,« sagte Alfred, und -beide Brüder waren bald in ihr Spiel vertieft, und hörten -nichts mehr, bis der Schall von Pferdehufen unter der -Veranda erklang.</p> - -<p>»Da kommen die Kinder,« sagte Augustin, aufstehend. -»Sieh' da, Alf, hast Du jemals etwas so -Schönes gesehen?«</p> - -<p>Und es war in der That ein schöner Anblick. Henrique -mit seiner hohen, kühnen Stirn, seinen dunkelen, -glänzenden Locken, und seiner glühenden Wange, lachte -heiter, während er sich an seine schöne Cousine wendete, -und Beide näher kamen. Eva trug ein blaues Reitkleid, -mit einer Mütze von derselben Farbe. Die Bewegung -hatte ihren Wangen höhere Farbe verliehen, und ließ ihre -wunderbar durchsichtige Haut und ihr goldenes Haar noch -eindrucksvoller erscheinen.</p> - -<p>»Gott im Himmel! welche blendende Schönheit ist -das!« rief Alfred. »Ich sage Dir, August, — wird -sie nicht bald schon Manchem das Herz schwer machen?«</p> - -<p>»Ja, nur zu sehr, — Gott weiß, ich fürchte es!« -sagte St. Clare mit plötzlich bitterem Tone, während er -hinunter eilte, um sie herabzuheben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_49">[S. 49]</a></span></p> - -<p>»Eva, Liebling! bist Du nicht sehr ermüdet?« sagte -er, indem er sie in seine Arme nahm.</p> - -<p>»Nein, Papa,« entgegnete sie; allein ihr kurzer, -scharfer Athem beunruhigte ihren Vater lebhaft.</p> - -<p>»Wie konntest Du so scharf reiten, liebes Kind? — -Du weißt, es ist Dir so nachtheilig.«</p> - -<p>»Ich fühle mich so wohl, Papa, und es gefiel mir -so sehr, daß ich es vergaß.«</p> - -<p>St. Clare trug sie auf seinen Armen in das Zimmer, -und legte sie auf das Sopha.</p> - -<p>»Henrique, Du mußt vorsichtiger mit Eva sein,« -sagte er, »Du mußt nicht so scharf mit ihr reiten.«</p> - -<p>»Ich will sie unter meine Pflege nehmen,« sagte -Henrique, setzte sich an das Sopha, und nahm ihre Hand -in die seinige.</p> - -<p>Eva fühlte sich bald besser. Ihr Vater und Onkel -setzten ihr Spiel fort, und die Kinder waren sich selbst -überlassen.</p> - -<p>»Weißt Du, Eva, es ist recht schade, Papa will nur -zwei Tage hier bleiben, und dann sehe ich Dich so lange -nicht wieder. Wenn ich hier bliebe bei Dir, würde ich -mir rechte Mühe geben, immer gut zu sein, und nie -Dodo hart zu behandeln. Ich will Dodo nichts Böses -zufügen, aber, siehst Du, ich habe ein so hitziges Temperament. -Ich bin nicht immer häßlich gegen ihn; ich -gebe ihm manchmal eine Picayune. Ich glaube auch, im -Ganzen genommen hat es Dodo recht gut.«</p> - -<p>»Würdest Du glauben, daß Du es gut hättest, -wenn Dir kein Wesen der Welt nahe wäre, das Dich -liebte?«</p> - -<p>»Ich? — natürlich nicht.«</p> - -<p>»Und Du hast Dodo von allen den Freunden, die -er hatte, fortgerissen, und nun hat er Niemanden mehr, -der ihn lieb hat; — wer kann unter solchen Umständen -gut sein!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_50">[S. 50]</a></span></p> - -<p>»Nun, ich kann's nicht ändern, ich wüßte wenigstens -nicht wie. Ich kann nicht seine Mutter holen, und ich -kann ihn nicht selbst lieben, oder irgend ein Andrer, so -viel ich weiß.«</p> - -<p>»Warum kannst Du nicht?« fragte Eva.</p> - -<p>»Dodo lieben? Wie, Eva, das wirst Du doch nicht -von mir verlangen! Ich kann ihn wohl ganz <em class="gesperrt">gern haben</em>; -aber Du liebst doch Deine Dienstboten nicht.«</p> - -<p>»Gewiß thue ich das.«</p> - -<p>»Wie sonderbar!«</p> - -<p>»Befiehlt uns die Bibel nicht, alle Menschen zu -lieben?«</p> - -<p>»O, die Bibel! Ja, die sagt wohl viele Sachen; -aber es denkt wohl Niemand daran, sie zu thun, — das -weißt Du doch, Eva?«</p> - -<p>Eva antwortete nicht; ihre Augen waren einige Sekunden -lang starr und sinnend.</p> - -<p>»Auf jeden Fall,« sagte sie endlich, »lieber Cousin, -bitte, habe den armen Dodo lieb, und sei freundlich gegen -ihn, mir zu Liebe!«</p> - -<p>»Dir zu Liebe könnte ich wer weiß was lieb haben; -denn, wahrlich, ich glaube, Du bist das liebenswürdigste -Wesen, das ich je gesehen habe, liebe Cousine!« sagte -Henrique mit einem solchen Ernste und Eifer, daß sein -hübsches Gesicht glühte.</p> - -<p>Eva empfing diese Erklärung mit vollständiger Einfalt -des Herzens, und ohne daß sich ein Zug ihres -Gesichtes veränderte. Sie sagte nur: »Das freut -mich, lieber Henrique! Ich hoffe, Du wirst es nicht vergessen.«</p> - -<p class="pmb3">Der Schall der Mittagsglocke machte hier der Unterhaltung -ein Ende.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_51">[S. 51]</a></span></p> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Vierundzwanzigstes_Kapitel">Vierundzwanzigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Vorboten.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - - -<p>Zwei Tage später reiste Alfred St. Clare mit seinem -Sohne wieder ab, und Eva, die durch die Gesellschaft -ihres jungen Cousin zu Anstrengungen veranlaßt -worden war, welche ihre Kräfte überstiegen, begann von -nun an schwächer und schwächer zu werden. St. Clare -verstand sich endlich dazu, ärztliche Hülfe in Anspruch zu -nehmen, wovor er sich bisher immer deßhalb gescheut -hatte, weil es das Zugeständniß einer traurigen Wahrheit -enthielt. Allein Eva fühlte sich einige Tage lang so -krank, daß sie selbst das Haus nicht mehr verlassen konnte, -— und so wurde der Arzt gerufen.</p> - -<p>Marie St. Clare hatte das allmählige Abnehmen -der Gesundheit und der Kräfte des Kindes nicht beachtet, -weil ihre ganze Aufmerksamkeit sich darauf gerichtet -hatte, zwei oder drei neue Krankheitsarten zu studiren, -deren Opfer sie selbst zu sein glaubte. Es war Mariens -erster und unumstößlicher Glaubensartikel, daß Niemand -so viel leide und leiden könne, wie sie selbst; und aus -diesem Grunde wies sie stets alle Andeutungen, daß irgend -Jemand ihrer Umgebung krank sein könne, mit Unwillen -zurück. Sie war in solchem Falle stets dessen -gewiß, daß es nur Trägheit oder Mangel an Energie -sein könne, woran Jene litten, und daß sie, wenn sie ein -Leiden wie das ihrige zu tragen hätten, sehr bald den -Unterschied erkennen würden.</p> - -<p>Miß Ophelia hatte mehrmals versucht, ihre mütterliche -Besorgniß für Eva zu erwecken; aber vergeblich.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_52">[S. 52]</a></span></p> - -<p>»Ich sehe nicht, was dem Kinde fehlen soll,« pflegte -sie zu sagen, »sie läuft ja umher und spielt.«</p> - -<p>»Aber sie hat den Husten.«</p> - -<p>»Husten! — Sie brauchen mir nicht zu sagen, was -Husten ist. Ich habe am Husten gelitten, so lange ich -lebe. Als ich in Eva's Alter war, dachten Alle, ich -hätte die Auszehrung. Nacht für Nacht mußte Mammy -bei mir wachen. O! Eva's Husten ist gar nichts.«</p> - -<p>»Aber sie wird immer schwächer, und ihr Athem -immer kürzer.«</p> - -<p>»Mein Gott! Das habe ich jahrelang gehabt; 's ist -nichts als etwas Nervenschwäche.«</p> - -<p>»Aber sie hat des Nachts auch so starken Schweiß.«</p> - -<p>»So, — habe ich denn den nicht schon seit zehn -Jahren? Fast Nacht für Nacht ist meine Wäsche zum -Ausringen naß, und das Bettzeug so feucht, daß Mammy -es aufhängen muß, um es zu trocknen! Eva's -Schweiß ist doch damit nicht zu vergleichen!«</p> - -<p>Miß Ophelia sagte eine Zeit lang gar nichts mehr, -allein, als Eva endlich bettlägerig geworden und ein -Arzt herbeigerufen worden war, nahm Marie plötzlich -eine andere Wendung.</p> - -<p>»Sie habe es gewußt,« sagte sie, »sie habe es immer -gefühlt, daß sie bestimmt sei, die unglücklichste aller -Mütter zu sein. Da liege sie nun mit ihrer leidenden -Gesundheit, und müsse ihr einziges Kind, ihren Liebling -vor ihren Augen zu Grabe gehen sehen.«</p> - -<p>»Meine liebe Marie,« pflegte dann St. Clare zu -sagen, »sprich nicht so! Du solltest an ihrem Zustande -nicht gleich ganz verzweifeln.«</p> - -<p>»O Du hast nicht die Empfindungen einer Mutter, -St. Clare! Du hast mich nie verstehen können! — und -jetzt am allerwenigsten!«</p> - -<p>»Aber sprich doch nur nicht so, als wenn alle Hoffnung -verloren wäre!«</p> - -<p>»Ich kann die Sache nicht so leicht nehmen, wie - <span class="pagenum"><a id="Page_53">[S. 53]</a></span> -Du, St. Clare. Wenn Du es nicht fühlst, wenn Dein -Kind in einem so hoffnungslosen Zustande ist, — ich -fühle es! Der Schlag ist für mich zu hart, mit alle -dem, was ich vorher schon gelitten habe.«</p> - -<p>»Es ist wahr,« entgegnete St. Clare, »daß Eva -von Natur sehr schwächlich ist, und daß ihre Kräfte durch -zu schnelles Wachsen in hohem Grade erschöpft sind, und -daß ihr Zustand sehr bedenklich ist; allein gerade jetzt ist -sie nur durch die Hitze der Jahreszeit auf's Bett geworfen -worden, wozu die Aufregung und die Anstrengungen -beigetragen haben, die durch den Besuch ihres jungen -Cousin verursacht worden sind. Der Arzt sagt, es sei -noch nicht alle Hoffnung verloren.«</p> - -<p>»Gut, natürlich, wenn Du die Sache noch aus -einem günstigen Lichte betrachten kannst, so thue es; — -es ist eine Wohlthat in dieser Welt, wenn die Menschen -keine tiefen Gefühle haben. Ich wollte, ich hätte auch -keine, denn sie machen mich nur noch elender! — Ich -wünschte, ich <em class="gesperrt">könnte</em> eben so sorglos darüber sein wie -Ihr andern alle!«</p> - -<p>Eine oder zwei Wochen später zeigte sich plötzlich -eine günstige Veränderung der Symptome, — eine jener -trügerischen Windstillen, durch die jene unerbittliche -Krankheit so oft das angstvolle Herz noch am Rande des -Grabes täuscht. Eva's Tritt schwebte wieder durch den -Garten, durch die Balkone, — sie spielte wieder und -lachte wieder, und ihr Vater erklärte in seinem Entzücken, -daß sie bald wieder so gesund sein solle, wie je zuvor. -Nur Miß Ophelia und der Arzt schöpften keine neuen -Hoffnungen aus diesem trügerischen Wechsel. Und noch -ein anderes Herz schlug, das auch dieselbe Gewißheit -in sich fühlte, und das war Eva's kleines Herz. Was -für eine Stimme ist das, die zuweilen im Herzen so -ruhig, so deutlich spricht, daß seine irdische Zeit bald -abgelaufen sei? Ist es der geheime Instinkt der vergehenden -Natur, oder ist es ein ahnender Herzschlag, wenn - <span class="pagenum"><a id="Page_54">[S. 54]</a></span> -die Ewigkeit uns näher rückt? Was es auch sei, in -Eva's Herzen war die ruhige, süße, prophetische Gewißheit -vorhanden, daß der Himmel ihr nahe sei, und nur -der Schmerz um diejenigen, die sie so innig liebten, beunruhigte -ihr kleines Herz. Denn das Kind, obgleich es -so zärtlich auferzogen worden war, und obgleich sich das -Leben vor ihm mit allem Glanze ausbreitete, den Liebe -und Reichthum gewähren können, empfand dennoch keinen -Schmerz über sein nahendes Scheiden. In jenem Buche, -in dem sie mit ihrem schlichten, alten Freunde so viel -gelesen, hatte sie das Bild Eines gefunden und in ihr -Herz geschlossen, der das kleine Kind liebte; und während -sie sann und an ihn dachte, hatte er aufgehört, ein -bloßes Bild und Gemälde zu sein, und war eine lebendige, -Alles umfassende Wirklichkeit geworden. Seine -Liebe umschloß ihr kindliches Herz mit mehr als menschlicher -Zärtlichkeit, und zu Ihm, nach Seinem Hause, -sagte sie, daß sie gehe.</p> - -<p>Aber ihr Herz dachte mit wehmüthiger Zärtlichkeit -an alle diejenigen, die sie zurücklassen mußte; zunächst -an ihren Vater, — denn, obgleich sie sich dessen nicht -deutlich bewußt war, hatte sie dennoch das instinktmäßige -Gefühl, daß sie seinem Herzen mehr angehöre, als irgend -einem andern. Sie liebte ihre Mutter, weil ihr ganzes -Wesen Liebe war, und alle die Selbstsucht, die sie an ihr -wahrnahm, verursachte ihr nur Betrübniß und Verwunderung; -denn sie hatte das dunkle, kindliche Gefühl, daß -ihre Mutter nicht unrecht thun könne. Eben so gedachte -sie mit Liebe jener treuen, anhänglichen Dienstboten, für -die sie wie Tageslicht und Sonnenschein gewesen war. -Kinder generalisiren in der Regel nicht, allein Eva war -ein ungewöhnlich reifes Kind, und was sie von den -Uebeln jenes Systems gesehen hatte, unter dem jene -Unglücklichen lebten, war eins nach dem andern in die -Tiefen ihres sinnenden Gemüthes gesunken. Sie empfand -ein dunkles Sehnen, irgend etwas für sie zu thun, — - <span class="pagenum"><a id="Page_55">[S. 55]</a></span> -ein Sehnen, das in so grellem Gegensatze zu der Gebrechlichkeit -ihrer kleinen, körperlichen Hülle stand.</p> - -<p>»Onkel Tom,« sagte sie eines Tages, als sie ihm -vorlas, — »ich kann es mir erklären, weßhalb Jesus -für uns sterben <em class="gesperrt">wollte</em>.«</p> - -<p>»Weßhalb, Miß Eva?«</p> - -<p>»Weil ich grade dasselbe Gefühl auch habe.«</p> - -<p>»Welches Gefühl, Miß Eva? — ich verstehe Sie -nicht.«</p> - -<p>»Ich kann es Dir nicht beschreiben: aber als ich -jene unglücklichen Wesen auf dem Schiffe sah, — Du -weißt ja, als wir zusammen hierher fuhren, — von denen -einige ihre Mütter verloren hatten, und andere um -ihre Männer, und noch andere um ihre Kinder weinten, -— und als ich von der armen Prue hörte, — o, war -das nicht schrecklich! — da dachte ich, ich würde gern -sterben, wenn mein Tod allem diesem Elend ein Ende -machen könnte. — Ich würde <em class="gesperrt">gern</em> sterben, gewiß, Tom, -wenn ich könnte,« fügte sie lebhafter hinzu, indem sie -ihre kleine Hand auf die seinige legte.</p> - -<p>Tom blickte mit Ehrfurcht auf das Kind, und als -es auf den Ruf seines Vaters davon eilte, trocknete er -seine Augen viele, viele Male, während er ihr nachschaute.</p> - -<p>»'s ist vergeblich, Miß Eva hier behalten zu wollen,« -sagte er zu Mammy, der er gleich nachher begegnete; -— »sie hat schon das Zeichen des Herrn auf ihrer -Stirn.«</p> - -<p>»Ach, ja, ja,« sagte Mammy, ihre Hände aufhebend; -— »habe immer das gesagt. Sie war nie, wie -ein Kind ist, das leben soll, — 's war immer so 'was -Tiefes in ihren Augen. Hab's Missis oft genug gesagt, -— 's muß wahr werden, — wir sehen's Alle, — das -liebe, kleine Lamm!«</p> - -<p>Eva trippelte die Stufen der Veranda hinauf zu -ihrem Vater. Es war spät am Nachmittage, und die - <span class="pagenum"><a id="Page_56">[S. 56]</a></span> -Strahlen der Sonne bildeten eine Art Glorie hinter -ihr, während sie sich ihm nahte in ihrer weißen Kleidung, -mit dem goldenen Haar, den glühenden Wangen -und den vom langsamen Fieber, das in ihren Adern -brannte, unnatürlich glänzenden Augen.</p> - -<p>St. Clare hatte sie gerufen, um ihr eine kleine -Statue zu zeigen, die er für sie gekauft hatte; aber -ihre Erscheinung, als sie sich näherte, ergriff ihn plötzlich -auf schmerzhafte Weise. Es gibt eine Art hinreißender, -aber so gebrechlicher Schönheit, daß wir sie kaum zu -betrachten vermögen. Ihr Vater drückte sie heftig in -seine Arme, und vergaß beinahe, was er ihr hatte sagen -wollen.</p> - -<p>»Eva, mein liebes Kind, Du bist jetzt besser, — -nicht wahr?«</p> - -<p>»Papa,« sagte Eva mit plötzlicher Festigkeit, — -»ich habe Dir Etwas sagen wollen — schon seit langer -Zeit. Ich will es Dir jetzt sagen, ehe ich noch schwächer -werde.«</p> - -<p>St. Clare zitterte, während Eva sich auf seinen -Schooß setzte. Sie legte ihren Kopf an seinen Busen -und sagte:</p> - -<p>»Es nützt nichts, Papa, daß ich es noch länger bei -mir behalte. Die Zeit naht, wo ich Dich verlassen muß. -Ich gehe und kehre nie wieder!« sagte sie schluchzend.</p> - -<p>»O nein, meine liebe kleine Eva!« sagte ihr Vater -bebend, während er sprach, aber einen heitern Ton annehmend, -»Du bist angegriffen und niedergeschlagen, aber -Du mußt Dich nicht so düsteren Gedanken hingeben. -Sieh' hier, ich habe eine kleine Statue für Dich gekauft!«</p> - -<p>»Nein, Papa,« entgegnete Eva, sie sanft bei Seite -schiebend, — »täusche Dich nicht selbst! Ich bin <em class="gesperrt">nicht</em> -besser, ich fühle das recht wohl, — und ich gehe bald. -Ich bin nicht angegriffen, — ich bin nicht niedergeschlagen. -Wenn es nicht Deinethalben wäre, Papa, und um - <span class="pagenum"><a id="Page_57">[S. 57]</a></span> -meiner Freunde willen, so wäre ich ganz glücklich. Ich -gehe gern, — ich sehne mich danach!«</p> - -<p>»Wie, Kind, was hat denn Dein armes kleines -Herz so traurig gemacht? Du hast Alles gehabt, was -möglich war, um Dich glücklich zu machen.«</p> - -<p>»Ich möchte lieber im Himmel sein, obgleich ich um -meiner Freunde willen gern lebte. Es gibt hier so viele -Dinge, die mich traurig machen, die mir schrecklich erscheinen; -— deßhalb möchte ich lieber dort sein, — aber -ich verlasse Dich nicht gern, — es bricht mir beinahe -das Herz.«</p> - -<p>»Was macht Dich denn so traurig und erscheint Dir -so schrecklich, Eva?«</p> - -<p>»O, Dinge, die immer und immer geschehen. Unsere -armen Leute thun mir leid; sie haben mich so lieb und -sind alle so gut gegen mich. Ich wünschte, Papa, sie -wären alle <em class="gesperrt">frei</em>.«</p> - -<p>»Wie, Eva, glaubst Du denn nicht, daß sie es alle -gut haben?«</p> - -<p>»Ja, aber, Papa, wenn Dir irgend etwas zustoßen -sollte, was würde dann aus ihnen werden? Es gibt -wohl wenige Menschen, die so wie Du sind. Onkel -Alfred ist nicht so und Mamma ist nicht so; und dann -denke nur einmal an die Herrschaft der armen, alten -Prue! was für schreckliche Dinge Menschen begehen können!« -sagte Eva schaudernd.</p> - -<p>»Mein liebes Kind, Du bist zu reizbar. Ich bereue -es, daß ich Dich jemals solche Dinge habe hören lassen.«</p> - -<p>»O, sieh, Papa, das ist's, was mich beunruhigt. -Du willst, daß ich glücklich leben und nie Schmerzen, — -nie Leiden haben, — selbst nicht einmal eine traurige -Geschichte hören soll, während andere arme Wesen nichts -als Schmerz und Kummer ihr ganzes Leben lang haben, -— ist das nicht selbstsüchtig? Ich muß solche Sachen -hören und darüber denken! Solche Sachen sanken mir -immer in's Herz, — tief, tief, und ich habe darüber - <span class="pagenum"><a id="Page_58">[S. 58]</a></span> -gedacht und gedacht. Papa, ist denn gar kein Weg möglich, -um alle Sklaven frei zu machen?«</p> - -<p>»Das ist eine schwierige Frage, Kind. Ohne Zweifel -ist ihr jetziges Loos ein sehr trauriges. Viele Menschen -denken so und ich selbst denke so. Von Herzen wünschte -ich, daß es im ganzen Lande keinen Sklaven gäbe; aber -ich weiß nicht, wie das zu erreichen ist.«</p> - -<p>»Papa, Du bist so gut und so edel und so freundlich, -und weißt Alles so hübsch zu sagen, — könntest Du -denn nicht zu allen Leuten herumgehen, und sie zu überreden -suchen, dieses Unrecht abzustellen? Wenn ich todt -bin, Papa, dann wirst Du an mich denken, und es um -meinetwillen thun. Ich würde es selbst thun, wenn ich -könnte.«</p> - -<p>»Wenn Du todt bist, Eva?« sagte St. Clare -leidenschaftlich. »O Kind, sage nicht so etwas zu mir; — -Du bist ja mein Alles, was ich auf Erden besitze.«</p> - -<p>»Das Kind der armen, alten Prue war auch Alles, -was sie besaß, — und dennoch mußte sie es schreien -hören und durfte ihm nicht helfen! Papa, diese armen -Wesen lieben ihre Kinder eben so sehr wie Du mich -liebst. O, thue etwas für sie! Die arme Mammy liebt -ihre Kinder auch; ich habe gesehen, wie sie weinte, wenn -sie von ihnen sprach. Und Tom liebt seine Kinder, und -ist es nicht schrecklich, Papa, daß solche Dinge immer -und immerfort geschehen?«</p> - -<p>»Still, still, mein Liebling,« sagte St. Clare beruhigend: -»beunruhige Dich nur nicht so sehr, und sprich -mir nicht von sterben, und ich will Alles thun, was Du -willst.«</p> - -<p>»Und versprich mir, lieber Vater, daß Tom seine -Freiheit haben soll, sobald« — sie hielt inne und fügte -zaudernd hinzu — »ich nicht mehr da bin!«</p> - -<p>»Ja, mein Kind, ich will Alles — Alles in der -Welt thun, um was Du mich bittest.«</p> - -<p>»Mein lieber Vater,« sagte dann das Kind, indem - <span class="pagenum"><a id="Page_59">[S. 59]</a></span> -es seine brennende Wange an die seinige legte, »wie sehr -wünschte ich, daß wir zusammen gehen könnten!«</p> - -<p>»Wohin, mein Liebling?« fragte St. Clare.</p> - -<p>»Nach der Heimath unseres Erlösers; — da ist -Alles so schön, so friedlich, — so liebreich!« Das Kind -sprach unbewußt wie von einem Platze, wo es oft gewesen -war. »Willst Du nicht mit gehen, Papa?« fügte -sie hinzu.</p> - -<p>St. Clare drückte sie fester an sich, aber schwieg.</p> - -<p>»Du wirst zu mir kommen,« sagte das Kind in -einem Tone ruhiger Bestimmtheit, in welchem es oft -unbewußt sprach.</p> - -<p>»Ich folge Dir, — ich werde Dich nicht vergessen.«</p> - -<p class="pmb3">Die Schatten dieses feierlichen Abends legten sich -dichter und dichter um sie, während St. Clare schweigend -da saß und die kleine gebrechliche Körperform an seinem -Busen hielt. Er sah nicht mehr die tiefen Augen, aber -ihre Stimme berührte ihn wie eine Geisterstimme, und -sein ganzes vergangenes Leben stieg in einem Augenblick -vor seinen Augen auf, als sollte darüber Gericht gehalten -werden: Die Gebete und Hymnen seiner Mutter; sein -eignes früheres Sehnen und Streben nach dem Guten; -und zwischen jener Zeit und der gegenwärtigen Stunde -Jahre von Weltlichkeit, Ungläubigkeit und was die Menschen -anständiges Leben nennen. Wir können <em class="gesperrt">viel</em>, sehr -viel in einem Augenblicke denken. St. Clare sah und -dachte viel, aber sagte nichts. Und als es dunkler wurde, -trug er sein Kind in das Schlafzimmer; und nachdem es -zur Nachtruhe vorbereitet worden war, sandte er die -Dienstboten hinweg und wiegte es in seinen Armen, und -sang es ein, bis es entschlummert war.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_60">[S. 60]</a></span></p> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Funfundzwanzigstes_Kapitel">Fünfundzwanzigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Der kleine Evangelist.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - - -<p>Es war Sonntag Nachmittag. St. Clare lag auf -einem Sitze von Bambusrohr in der Veranda ausgestreckt -und ergötzte sich am Genuß einer Cigarre. Marie -lag auf ihrem Sopha, dem Fenster gegenüber, welches -nach der Veranda ging, unter einer Dachung von durchsichtiger -Gaze gegen die Angriffe der Moskito geschützt, -und hielt ein elegant eingebundenes Gebetbuch in der -Hand. Sie hielt es in der Hand, weil es Sonntag war, -und bildete sich ein, sie habe darin gelesen, — obgleich -sie in Wirklichkeit nur, mit dem offenen Buche in der -Hand, eine Reihenfolge kurzer Schläfe durchgemacht -hatte.</p> - -<p>Miß Ophelia, die nach längerem Suchen eine kleine -methodistische Versammlung in der Umgegend entdeckt -hatte, war mit Tom als Kutscher ausgefahren, um derselben -beizuwohnen, und Eva hatte sie begleitet.</p> - -<p>»Augustin,« sagte Marie, von einem Schlummer erwachend, -»ich sage Dir, ich muß nach der Stadt schicken -und meinen alten Doctor Posey holen lassen; ich glaube -gewiß, ich habe eine Herzkrankheit.«</p> - -<p>»Weßhalb hast Du denn nöthig, nach ihm zu schicken? -Der Arzt, welcher Eva behandelt, scheint geschickt und -erfahren zu sein.«</p> - -<p>»Ich möchte mich ihm doch in einem gefährlichen -Falle nicht anvertrauen, und ich fürchte, der meinige -wird ein solcher werden! Ich habe seit zwei, drei Nächten -darüber nachgedacht. Die Schmerzen, die ich leide, - <span class="pagenum"><a id="Page_61">[S. 61]</a></span> -sind unbeschreiblich, und dabei habe ich so sonderbare -Empfindungen.«</p> - -<p>»O Marie, Du faselst, — ich glaube nimmermehr, -daß Du eine Herzkrankheit hast.«</p> - -<p>»Natürlich, <em class="gesperrt">Du</em> glaubst es nicht,« entgegnete Marie, -»ich konnte mir denken, daß Du <em class="gesperrt">das</em> sagen würdest. Du -kannst sehr besorgt sein, wenn Eva ein wenig hustet oder -ihr sonst das Geringste fehlt! aber an mich denkst Du -nie.«</p> - -<p>»Wenn es Dir besonderes Vergnügen macht, eine -Herzkrankheit zu haben, gut, so will ich versuchen, es -steif und fest zu glauben,« sagte St. Clare; »ich wußte -nicht, daß das der Fall war.«</p> - -<p>»Ich will nur wünschen, daß Dir Dein Spott nicht -leid thue, wenn es zu spät ist,« sagte Marie, »aber Du -magst es glauben oder nicht, meine Angst und Unruhe -um Eva, und die Anstrengungen, denen ich mich um dieses -lieben Kindes willen unterzogen, haben jetzt vollständig -entwickelt, was ich längst gefürchtet habe.«</p> - -<p>Worin die Anstrengungen bestanden, deren Marie -erwähnte, würde schwer zu bestimmen gewesen sein. St. -Clare lieferte sich selbst im Stillen diesen Commentar, -und fuhr in seiner Hartherzigkeit fort zu rauchen, bis -ein Wagen vor der Veranda erschien, aus welchem Eva -und Miß Ophelia ausstiegen.</p> - -<p>Miß Ophelia ging geraden Wegs nach ihrem Zimmer, -um ihren Hut und Shawl abzulegen, was ihre feststehende -Gewohnheit war, ehe sie ein Wort über irgend -einen Gegenstand sprach, während Eva auf St. Clare's -Ruf zu ihm kam, sich auf sein Knie setzte, und ihm über -den Gottesdienst, welchem sie beigewohnt hatte, Bericht -erstattete.</p> - -<p>Bald darauf hörten sie aus Miß Ophelia's Zimmer, -welches gleichfalls nach der Veranda hinausging, laute -Ausrufungen erschallen, und heftige Vorwürfe, die an -irgend Jemanden gerichtet wurden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_62">[S. 62]</a></span></p> - -<p>»Was für neue Teufelsstreiche hat Tops ausgeführt?« -fragte St. Clare. »Diese Scene rührt von ihr -her, — ich will darauf wetten!«</p> - -<p>Einen Augenblick später erschien Miß Ophelia in -höchster Aufregung und schleppte die Sünderin hinter -sich her.</p> - -<p>»Jetzt komm' hier herein!« sagte sie. »Ich will es -Deinem Herrn sagen!«</p> - -<p>»Was gibt's denn nun?« fragte St. Clare.</p> - -<p>»Die Sache ist die, daß ich mich nicht länger mit -dem Kinde plagen kann. Es geht mit ihr über alle -Grenzen der Geduld hinaus; Fleisch und Blut kann es -nicht ertragen! Hier, ich schloß sie ein und gab ihr eine -Hymne zu lernen; und was thut sie statt dessen? — -spionirt aus, wo ich meinen Schlüssel hingethan habe, -geht an mein Büreau, und nimmt einen Hutbesatz heraus, -und schneidet ihn in Stücke, um Puppenjacken daraus -zu machen! Ich habe nie in meinem Leben etwas -Aehnliches von einem Kinde gesehen!«</p> - -<p>»Ich sagte Ihnen vorher, Cousine,« bemerkte Marie; -»daß diese Geschöpfe nicht ohne Strenge aufgezogen werden -können. Wenn ich jetzt <em class="gesperrt">meinem</em> Willen folgen -könnte,« fügte sie hinzu, indem sie vorwurfsvoll auf St. -Clare blickte, »so würde ich das Kind fortschicken, und -es gründlich auspeitschen lassen, — so lange, bis es -nicht mehr stehen könnte.«</p> - -<p>»Ich hege keine Zweifel darüber,« sagte St. Clare. -»Das ist zarte Weiblichkeit! Ich habe in meinem ganzen -Leben nicht mehr als höchstens ein Dutzend Frauenzimmer -kennen gelernt, die nicht ein Pferd oder einen Sklaven -halb umbringen würden, wenn sie mit ihnen verfahren -könnten, wie sie wollten!«</p> - -<p>»Deine nichtssagende Behandlungsweise, St. Clare, -ist von gar keinem Nutzen,« erwiederte Marie. »Cousine -ist ein verständiges Frauenzimmer, und sieht es jetzt eben -so deutlich ein, wie ich.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_63">[S. 63]</a></span></p> - -<p>Miß Ophelia konnte genau zu einem solchen Grade -von Unwillen und Aufregung gebracht werden, der bei -einer Hausfrau, die ihren Geschäften mit Leib und Seele -vorsteht, natürlich ist, und dieser Grad war durch die -Arglist und Unart des Kindes vollständig erregt worden; -allein Mariens Worte gingen noch viel weiter, und dämpften -deshalb Ophelias Hitze.</p> - -<p>»Ich möchte das Kind um Alles in der Welt nicht -so behandeln lassen,« sagte sie; »aber gewiß ist, Augustin, -ich weiß nicht mehr, was ich mit ihr machen soll. Ich -habe gelehrt und gelehrt; ich habe ihr Vorstellungen gemacht, -bis ich des Redens müde war; ich habe sie gezüchtigt, -ich habe sie gestraft auf jede nur denkbare -Weise, — und dennoch ist sie nicht ein Haar breit anders, -als sie von Anfang an gewesen ist.«</p> - -<p>»Komm' hierher, Tops, Du Affe!« sagte St. Clare, -das Kind zu sich rufend.</p> - -<p>Topsy näherte sich ihm. Ihre grellen, runden Augen -glänzten und funkelten von einer Mischung von Furcht -und ihrer gewöhnlichen Schalkhaftigkeit.</p> - -<p>»Warum beträgst Du Dich so?« sagte St. Clare, -der sich über den sonderbaren Gesichtsausdruck des Kindes -kaum des Lachens enthalten konnte.</p> - -<p>»Denke, 's ist mein schlechtes Herz,« sagte Topsy -ganz ernsthaft; »Miß Feely sagt so.«</p> - -<p>»Siehst Du nicht, was Miß Ophelia alles für Dich -gethan hat? Sie sagt, sie habe Alles gethan, was sie -nur habe erdenken können.«</p> - -<p>»Ja, Master! alte Missis sagte auch so. Sie -peitschte mich ganz anders, und riß mein Haar aus, und -stieß meinen Kopf gegen die Wand, — aber 's half -nichts. Glaube, wenn sie mir auch alle Haare ausrissen, -'s würde doch nichts helfen; — bin so schlecht! bin nichts -als ein Nigger, gar nichts!«</p> - -<p>»Ja, ich muß sie aufgeben,« sagte Miß Ophelia, -»ich kann diese Qual nicht länger ertragen.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_64">[S. 64]</a></span></p> - -<p>»Gut, ich wollte nur eine Frage an Dich richten,« -sagte St. Clare.</p> - -<p>»Und welche?«</p> - -<p>»Wenn Euer Evangelium nicht kräftig genug ist, -ein heidnisches Kind zu erretten, welches Du hier bei -Dir allein im Hause haben kannst, welchen Nutzen kann -es dann gewähren, ein paar arme Missionäre unter Tausende -von derselben Art und Gattung zu senden?«</p> - -<p>Miß gab keine unmittelbare Antwort hierauf; und -Eva, welche bisher eine stumme Zuschauerin der Scene -abgegeben hatte, gab Topsy ein stummes Zeichen, ihr zu -folgen. In der einen Ecke der Veranda befand sich ein -kleines Zimmer mit einer Glasthüre, welches St. Clare -als Lesezimmer zu benutzen pflegte. Dort hinein verschwanden -Eva und Topsy.</p> - -<p>»Was hat Eva jetzt vor?« sagte St. Clare. »Ich -will lauschen.«</p> - -<p>Indem er sich auf den Zehen der Glasthür näherte, -und den Vorhang, welcher sie bedeckte, aufhob, blickte er -hinein. Im nächsten Augenblicke machte er, den Finger -auf die Lippen legend, Miß Ophelien ein Zeichen, ihm -zu folgen und in das Zimmer zu blicken. Dort saßen -die beiden Kinder auf dem Fußboden, während die Seiten -ihrer Gesichter den Schauenden zugewendet waren: -Topsy, mit ihrer gewöhnlichen Miene drolligen, sorglosen -Muthwillens, und ihr gegenüber Eva, glühend im ganzen -Gesichte von Gefühl, und mit Thränen in ihren -großen Augen.</p> - -<p>»Warum bist Du so unartig, Topsy? Weßhalb gibst -Du Dir nicht Mühe, gut zu sein? Hast Du denn Niemanden -lieb, Topsy?«</p> - -<p>»Weiß nichts von lieb haben; habe Zuckerbrod und -so 'was lieb, — weiter nichts,« sagte Topsy.</p> - -<p>»Aber Du hast doch Deinen Vater und Deine Mutter -lieb?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_65">[S. 65]</a></span></p> - -<p>»Habe nie keine gehabt; — hab's Ihnen schon gesagt, -Miß Eva.«</p> - -<p>»Ja, ich weiß,« entgegnete Eva traurig; »aber -hast Du nie einen Bruder oder eine Schwester oder eine -Tante oder —?«</p> - -<p>»Nein, keinen, — gar keinen, niemals.«</p> - -<p>»Aber Topsy, wenn Du Dir nur Mühe geben wolltest, -gut zu sein, so könntest Du —«</p> - -<p>»Könnte doch nie 'was Andres sein als ein Nigger, -wenn ich auch noch so gut wäre,« sagte Topsy. »Wenn -sie mir die Haut abziehen könnten, und wenn ich weiß -werden könnte, dann wollt' ich 's versuchen.«</p> - -<p>»Aber die Menschen könnten Dich ja doch lieb haben, -wenn Du auch schwarz bist, Topsy. Miß Ophelia würde -Dich lieb haben, wenn Du gut wärest.«</p> - -<p>Topsy ließ ein kurzes, grelles Lachen als Antwort -hören, was ihre gewöhnliche Mode war, wenn sie Ungläubigkeit -ausdrücken wollte.</p> - -<p>»Glaubst Du das nicht?« fragte Eva.</p> - -<p>»Nein, sie kann mich nicht leiden, weil ich ein Nigger -bin! — sie ließe sich eben so gern von einer Kröte anfassen! -Niemand kann Niggers lieb haben, — Niggers -können gar nichts thun! Mach' mir nichts draus!« sagte -Topsy, indem sie anfing zu pfeifen.</p> - -<p>»O Topsy, armes Kind, ich habe Dich lieb!« sagte -Eva in einem plötzlichen Ausbruche ihres Gefühls, und -legte ihre kleine, dünne Hand auf Topsy's Schulter. -»Ich habe Dich lieb, weil Du keinen Vater und keine -Mutter und Freunde hast, — weil Du ein armes, mißhandeltes -Kind bist! Ich habe Dich lieb, und will gut -gegen Dich sein. Ich bin recht krank, Topsy, und ich -glaube ich werde nicht mehr lange leben, und es macht -mir wirklich Kummer, daß Du so unartig bist. Ich -wünschte, Du versuchtest es, artig zu sein, mir zu Liebe; -— es ist nur noch kurze Zeit, daß ich bei Dir sein werde.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_66">[S. 66]</a></span></p> - -<p>Die runden, scharfen Augen des schwarzen Kindes -waren von Thränen verdunkelt; große, schwere Tropfen -rollten nach einander herab, und fielen auf die weiße, -kleine Hand. Ja, in diesem Momente hatte ein Strahl -wirklichen Glaubens, ein Strahl himmlischer Liebe die -Dunkelheit ihrer heidnischen Seele durchdrungen! Sie -legte ihren Kopf zwischen ihre Kniee nieder, und weinte -und schluchzte, — während das schöne Kind, sich über -sie neigend, wie das Bild eines glänzenden Engels erschien, -der sich herabsenkte, um einen Sünder zu erlösen.</p> - -<p>»Arme Topsy!« sagte Eva, »weißt Du nicht, daß -Jesus alle Menschen gleich liebt? Er ist eben so bereit, -Dich zu lieben wie mich. Er liebt Dich so wie ich es -thue, — nur noch mehr, weil er besser ist. Er wird -Dir beistehen, gut zu sein: und Du kannst endlich in den -Himmel gehen, und dort für ewig ein Engel sein, eben -so gut, als wenn Du weiß wärest. O, denke daran, -Topsy! — Du kannst einer jener glänzenden Engel werden, -von denen Onkel Tom singt.«</p> - -<p>»O, liebe Miß Eva, liebe Miß Eva!« sagte das -Kind; »ich will versuchen, ich will versuchen: — habe -früher nie 'was danach gefragt.«</p> - -<p>In diesem Augenblicke ließ St. Clare den Vorhang -fallen. »Es erinnert mich an meine Mutter,« sagte er -zu Miß Ophelia. — »Es ist wahr, was sie mir sagte: -wenn wir die Blinden sehend machen wollen, so müssen -wir bereit sein, so zu handeln, wie Christus handelte, — -sie zu uns rufen, und <em class="gesperrt">unsere Hände auf sie legen</em>.«</p> - -<p>»Ich habe immer ein Vorurtheil gegen Neger gehabt,« -sagte Miß Ophelia; »es ist wahr, es ist mir -immer zuwider gewesen, mich von dem Kinde berühren -zu lassen; allein ich glaubte nicht, daß Topsy es gewußt -habe.«</p> - -<p>»Verlaß Dich darauf, daß jedes Kind das bald entdeckt,« -entgegnete St. Clare, »es ist unmöglich, es vor -ihnen verborgen zu halten. Aber ich glaube auch, daß - <span class="pagenum"><a id="Page_67">[S. 67]</a></span> -alle Bemühungen der Welt, einem Kinde wohl zu thun, -und alle Gunstbezeugungen nie eine Regung von Dankbarkeit -in ihm erwecken werden, so lange ein derartiges -Gefühl von Abneigung im Herzen vorhanden ist.«</p> - -<p>»Ich weiß nicht, wie ich das ändern soll,« sagte -Miß Ophelia; »sie <em class="gesperrt">sind</em> mir einmal zuwider — und -besonders dieses Kind, — wie soll ich mich von diesem -Gefühle befreien?«</p> - -<p>»Es scheint, Eva thut es.«</p> - -<p>»Ja, sie ist von Natur so liebreich!« sagte Miß -Ophelia. »Ich wollte, ich wäre wie sie; sie könnte mir -zum Muster dienen.«</p> - -<p class="pmb3">»Es wäre nicht das erste Mal, daß ein kleines -Kind einem alten Schüler eine Lehre gegeben hat,« entgegnete -St. Clare.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Sechsundzwanzigstes_Kapitel">Sechsundzwanzigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Der Tod.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i9">Weint nicht um die, so Grabesschleier</span> -<span class="i9">Am Lebensmorgen uns verbarg.</span> -</div></div> - - -<p>Eva's Schlafgemach war ein geräumiges Zimmer, -welches, wie fast alle übrigen Gemächer des Hauses, sich -auf die Veranda öffnete. Auf der einen Seite stand -dasselbe mit dem Zimmer ihres Vaters und ihrer Mutter -in Verbindung, und auf der anderen mit dem, welches -Miß Ophelien überwiesen worden war. St. Clare -hatte seinem eigenen Geschmacke gehuldigt, indem er das -Zimmer in einer Weise ausmöblirt und geschmückt hatte, - <span class="pagenum"><a id="Page_68">[S. 68]</a></span> -die in seltsamer Harmonie mit dem Charakter derjenigen -stand, für die es bestimmt war. Vor den Fenstern hingen -Gardinen von weißem und rosafarbenem Mousselin -herab, und der Fußboden war von einem Teppich bedeckt, -welcher nach einem von St. Clare besonders angegebenen -Muster in Paris gefertigt worden war, indem ein Kranz -von Rosenknospen und Blättern die Einfassung bildete, -und im Mittelpunkte sich mehrere ganz aufgeblühte Rosen -befanden. Die Bettstelle, Stühle und Sitze waren von -Bambus nach besonders geschmackvollen Mustern gearbeitet. -Ueber dem Kopfende des Bettes befand sich an -der Wand ein Fuß von Alabaster, aus dem ein schön gemeißelter -Engel mit gesenkten Flügeln stand, welcher einen -Myrthenkranz in der Hand hielt. Von demselben -hingen über dem Bette leichte Vorhänge von rosafarbener -Gaze herab, welche den für alle Schläfer so nothwendigen -Schutz gegen die Moskito's gewährten. Die -geschmackvollen Bambussitze waren reichlich mit Kissen -von röthlichem Damast versehen, während über denselben -ähnliche Vorhänge wie über dem Bett herabhingen. Ein -leichter Bambustisch stand in der Mitte des Zimmers, -aus welchem eine Vase von parischem Marmor in der -Form einer blühenden Lilie stand, die stets mit Blumen -gefüllt war. Auf diesem Tische lagen auch Eva's Bücher -und kleine Schmucksachen, nebst einem eleganten Schreibzeuge -von Alabaster, welches ihr Vater für sie angeschafft -hatte, als er bemerkte, daß sie sich bemühte, sich im -Schreiben zu verbessern. Auf dem marmornen Kaminsimse -stand eine schön gearbeitete Statue, welche Jesus -darstellte, wie er die Kinder zu sich rief, und auf jeder -Seite derselben befanden sich Marmorvasen, welche Tom -jeden Morgen mit frischen Blumen zu füllen sich zum -Stolz gereichen ließ. Zwei oder drei ausgewählte Gemälde -von Kindern in verschiedenen Stellungen schmückten -die Wände. Kurz, wohin das Auge auch blicken -mochte, überall begegneten ihm Bilder der Kindheit, der - <span class="pagenum"><a id="Page_69">[S. 69]</a></span> -Schönheit und des Friedens. Eva's kleine Augen öffneten -sich nie dem Morgenlichte, ohne auf etwas zu fallen, -was in ihrem Herzen sanfte, schöne Gedanken erweckte.</p> - -<p>Die trügerische Kraft, welche Eva eine kurze Zeit -lang aufrecht erhalten hatte, schwand schnell. Seltener -und immer seltener wurde ihr leichter Fußtritt in der -Veranda gehört, und öfter und immer öfter wurde sie -auf ihren Strohsitzen am offenen Fenster liegend gefunden, -während ihre großen, tiefen Augen die steigenden -und sinkenden Wellen des See's beobachteten.</p> - -<p>Es war eines Nachmittags, während sie sich gerade -in einer ähnlichen Stellung befand, und ihre durchsichtigen -kleinen Finger zwischen den Blättern der halbgeöffneten -Bibel lagen, als sie plötzlich die Stimme ihrer -Mutter in scharfen Lauten in der Veranda hörte.</p> - -<p>»Was ist dies, Du Nickel? — Was ist das für ein -neuer Streich? Du hast hier Blumen abgepflückt, he?« -und Eva hörte den Schall eines kräftigen Schlages.</p> - -<p>»O Missis, — sie sind für Miß Eva,« hörte sie -eine Stimme sagen, welche sie als Topsy's erkannte.</p> - -<p>»Miß Eva! eine hübsche Entschuldigung! — Du -meinst, sie brauche <em class="gesperrt">Deine</em> Blumen, Du nichtsnützige -Nigger! Fort mit Dir!«</p> - -<p>Im Augenblicke war Eva von ihrem Sitze auf und -in der Veranda.</p> - -<p>»O nein, Mutter! ich möchte diese Blumen gern -haben; bitte, gieb sie mir, — ich brauche sie.«</p> - -<p>»Wie, Eva? Dein Zimmer ist ja ganz voll von Blumen.«</p> - -<p>»Ich kann nicht zu viele haben,« entgegnete Eva. -»Topsy, komm, bringe sie mir.«</p> - -<p>Topsy, die mürrisch und mit gesenktem Kopfe dagestanden -hatte, kam jetzt näher und übergab ihre Blumen. -Sie that es mit scheuer, zaudernder Miene, die -sehr verschieden von ihrer gewöhnlichen Kühnheit und -Keckheit war.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_70">[S. 70]</a></span></p> - -<p>»Es ist ein schönes Bouquet!« sagte Eva, es betrachtend.</p> - -<p>Es war etwas sonderbarer Art, denn es bestand aus -glänzend scharlachrothem Geranium mit einer einzigen -weißen Japonikablume und ihren glänzenden Blättern. -Der Gegensatz der Farben war augenscheinlich die Idee -bei der Zusammensetzung des Bouquets gewesen, und -die Anordnung jedes Blattes war mit besonderer Sorgfalt -erfolgt.</p> - -<p>Topsy's Gesicht klärte sich auf als Eva sagte:</p> - -<p>»Topsy, Du kannst hübsche Bouquette binden. Sieh, -hier ist eine Vase, für die ich keine Blumen habe. Ich -wünschte, Du könntest mir jeden Morgen einige Blumen -dafür sammeln.«</p> - -<p>»Nun, das ist sonderbar!« sagte Marie. »Wozu -in der Welt, Kind, brauchst Du die nur noch?«</p> - -<p>»O, das thut nichts, Mamma; ich weiß, Du hast -nichts dagegen, daß Topsy es thut, — nicht wahr?«</p> - -<p>»Natürlich nicht; Alles was Du willst, mein Kind! -Topsy, Du hörst, was Deine junge Mistreß sagt; — -gieb wohl Acht.«</p> - -<p>Topsy machte eine kurze Verbeugung mit gesenktem -Kopfe; und als sie sich entfernte, sah Eva eine Thräne -über ihre dunkle Wange rollen.</p> - -<p>»Siehst Du, liebe Mamma, ich wußte, daß die arme -Topsy gern etwas für mich thun wollte,« sagte Eva zu -ihrer Mutter.</p> - -<p>»O Unsinn! sie that's nur, weil sie gern verbotene -Dinge thut. Sie weiß, daß sie keine Blumen abpflücken -soll, — also thut sie es; das ist das Ganze. Aber wenn -Du es gern willst, daß sie sie pflückt, so mag sie es -thun.«</p> - -<p>»Mamma, ich denke, Topsy ist jetzt ganz anders als -sie früher war; sie giebt sich Mühe, gut zu sein.«</p> - -<p>»Da wird sie sich noch lange Mühe geben müssen, - <span class="pagenum"><a id="Page_71">[S. 71]</a></span> -ehe sie wirklich gut wird,« sagte Marie mit gleichgültigem -Lachen.</p> - -<p>»Ja, aber Du weißt, Mamma, die arme Topsy! — -Alles ist immer gegen sie gewesen.«</p> - -<p>»Nicht seitdem sie hier gewesen ist. Wenn <em class="gesperrt">ihr</em> nicht -vorgesprochen und vorgepredigt, und an sie nicht Alles -gethan worden ist, was Menschen vermögen! — und -doch ist sie noch gerade eben so häßlich, und wird es immer -sein; — nein, es läßt sich nichts mit dem Geschöpfe -machen!«</p> - -<p>»Aber, Mamma, es ist doch ganz anders, so auferzogen -worden zu sein, wie ich es bin, mit so vielen -Freunden, und so vielen Dingen, die mich gut und glücklich -machen; und dann so aufgebracht worden zu sein, -wie sie es die ganze Zeit war, ehe sie hieher kam!«</p> - -<p>»Kann sein,« entgegnete Marie gähnend, — »o, wie -heiß es ist!«</p> - -<p>»Mamma, nicht wahr, Du glaubst auch, daß Topsy -ein Engel werden könnte, so gut wie wir, wenn sie eine -Christin wäre?«</p> - -<p>»Topsy? was für eine lächerliche Idee! Niemand -als Du würde jemals an so etwas denken. Aber es ist -möglich!«</p> - -<p>»Aber, Mamma, ist denn Gott nicht ihr Vater so -gut wie der unserige, — und Jesus ihr Erlöser?«</p> - -<p>»Wohl, das mag sein. Ich glaube, Gott hat alle -Menschen geschaffen,« erwiederte Marie. »Wo ist mein -Riechfläschchen?«</p> - -<p>»Es ist solch' ein Jammer, — o! solch' ein Jammer!« -sagte Eva, auf den fernen See blickend, und halb -zu sich selbst redend.</p> - -<p>»Was ist ein Jammer?« fragte Marie.</p> - -<p>»Daß ein Wesen, welches ein Engel werden und -mit Engeln leben könnte, ganz hinab, hinab, hinab gehen -soll, ohne daß ihm Jemand hilft! — o, lieber Gott!«</p> - -<p>»Wohl, wir können's nicht ändern, Eva; es nützt - <span class="pagenum"><a id="Page_72">[S. 72]</a></span> -nichts, sich darum zu grämen! Ich weiß nicht, was zu -thun ist. Wir müssen nur dankbar sein für die Vortheile, -die wir genießen.«</p> - -<p>»Ich kann es kaum sein,« sagte Eva. »Ich bin so -traurig, wenn ich an arme Leute denke, die gar keine -Vortheile genießen.«</p> - -<p>»Das ist sonderbar genug,« sagte Marie; — »meine -Religion macht mich dankbar für meine Vorzüge.«</p> - -<p>»Mamma,« sagte Eva plötzlich, »ich möchte gern -etwas von meinem Haar abschneiden lassen, — recht -viel.«</p> - -<p>»Wozu?« fragte Marie.</p> - -<p>»Ich wollte es an meine Freunde geben, so lange -ich noch im Stande bin, es selbst zu thun. Willst Du -nicht die Tante bitten, daß sie komme und es für mich -abschneide?«</p> - -<p>Marie erhob ihre Stimme, um Miß Ophelia aus -dem nächsten Zimmer zu rufen.</p> - -<p>Als Ophelia in das Zimmer trat, erhob sich das -Kind von seinem Lager, und ließ seine langen, goldenen -Locken herabfallen, indem es scherzweise sagte: »Komm, -Tante, scheere das Schäfchen!«</p> - -<p>»Was ist das?« fragte St. Clare, der gerade in -diesem Augenblick in das Zimmer trat und Früchte trug, -die er besonders für Eva geholt hatte.</p> - -<p>»Papa, ich wollte gern, daß Tante von meinem -Haar etwas abschnitte; es ist zu lang und macht meinen -Kopf so heiß. Auch wollte ich gern etwas davon verschenken.«</p> - -<p>Miß Ophelia erschien mit der Scheere.</p> - -<p>»Sieh' Dich vor, — verdirb die Locken nicht!« -sagte der Vater. »Schneide unterhalb, wo es nicht zu -sehen ist. Eva's Locken sind mein Stolz.«</p> - -<p>»O Papa!« sagte Eva traurig.</p> - -<p>»Ja, und ich will, daß sie in recht hübschem Stande -zu der Zeit bleiben, wo ich mit Dir nach Onkels Plantage - <span class="pagenum"><a id="Page_73">[S. 73]</a></span> -reisen will, um Cousin Henrique zu besuchen,« sagte -St. Clare in heiterem Tone.</p> - -<p>»Ich werde nie dahin kommen, Papa, — ich gehe -in ein besseres Land. O glaube mir! Siehst Du nicht -Papa, daß ich jeden Tag schwächer werde?«</p> - -<p>»Warum bestehst Du darauf, Eva, daß ich etwas -so Schreckliches glauben solle?« sagte der Vater.</p> - -<p>»Nur weil es <em class="gesperrt">wahr</em> ist, Papa; und wenn Du es -jetzt glauben willst, so wirst Du vielleicht eben so darüber -empfinden lernen, wie ich,« entgegnete Eva.</p> - -<p>St. Clare schloß seine Lippen, und betrachtete trüben -Blickes die langen schönen Locken, welche, sobald sie -abgeschnitten waren, in den Schooß des Kindes gelegt -wurden. Sie hob sie auf, betrachtete sie ernsten Blickes, -und flocht sie durch ihre zarten Finger, und blickte von -Zeit zu Zeit ängstlich auf ihren Vater.</p> - -<p>»Es ist gerade das, was ich geahnt habe!« sagte -Marie; »es ist grade das, was Tag für Tag an meiner -Gesundheit genagt und mich dem Grabe nahe gebracht -hat, obgleich Niemand es hat beachten wollen. Ich habe -es lange vorhergesehen. St. Clare, Du wirst bald sehen, -daß ich Recht hatte.«</p> - -<p>»Was Dir zu großem Troste gereichen wird, ohne -Zweifel!« entgegnete St. Clare mit trockenem, bitterem -Tone.</p> - -<p>Marie lag auf einem Kanapee, und bedeckte ihr -Gesicht mit einem feinen weißen Taschentuche.</p> - -<p>Eva's klares, blaues Auge blickte ernst vom Vater -auf die Mutter. Es war der ruhige, verstehende Blick -einer Seele, die schon halb von ihren irdischen Banden -gelöst war, und unverkennbar war es, daß sie den Unterschied -zwischen Beiden sah, fühlte und würdigte.</p> - -<p>Sie winkte ihrem Vater mit der Hand. Er kam -und setzte sich an ihre Seite.</p> - -<p>»Papa, meine Kraft schwindet täglich mehr, und ich -weiß, ich muß fort. Da sind noch manche Dinge, die - <span class="pagenum"><a id="Page_74">[S. 74]</a></span> -ich zu sagen und zu thun habe — die ich thun muß, -und Du willst mich nie über diesen Gegenstand sprechen -lassen. Aber kommen muß es doch; es ist kein Aufschub -möglich. Bitte, laß mich jetzt reden!«</p> - -<p>»Mein Kind, recht gern!« sagte St. Clare, seine -Augen mit der einen Hand bedeckend, und Eva's Hand -in der andern haltend.</p> - -<p>»Dann möchte ich alle unsere Leute hier beisammen -sehen. Ich habe Etwas, was ich ihnen sagen muß,« -sagte Eva.</p> - -<p>»Gut,« erwiederte St. Clare im Tone völliger Ergebung.</p> - -<p>Miß Ophelia sandte einen Boten ab, und bald darauf -wurden sämmtliche Dienstboten in das Zimmer geführt.</p> - -<p>Eva lag ausgestreckt auf ihren Kissen, ihr Haar hing -unbefestigt um ihr Gesicht, ihre purpurnen Wangen kontrastirten -auf schmerzliche Weise mit der durchsichtigen -Weiße ihrer Haut und den zarten Linien ihrer Glieder -und Züge, und ihre großen, seelenvollen Augen richteten -sich mit ernstem Ausdrucke auf jeden Einzelnen.</p> - -<p>Die Dienstboten fühlten sich plötzlich ergriffen von -ihrem Anblicke. Ihr geisterartiges Gesicht, die langen, -abgeschnittenen Locken auf ihrem Schooße, ihres Vaters -abgewandtes Gesicht und Marien's Schluchzen machten -einen plötzlichen Eindruck auf die Gefühle dieser leicht -erregbaren Menschenklasse, und während sie nach einander -eintraten, sahen sie sich gegenseitig an, seufzten und -schüttelten die Köpfe. Im ganzen Zimmer herrschte eine -Stille, wie bei einem Begräbniß.</p> - -<p>Eva richtete sich auf, und blickte lange und ernst -um sich auf jeden Einzelnen. Alle sahen bange und -traurig aus, und viele unter den Weibern bargen ihre -Gesichter in den Schürzen.</p> - -<p>»Ich habe euch Alle rufen lassen, meine lieben -Freunde,« sagte Eva, »weil ich Euch lieb habe. Ich - <span class="pagenum"><a id="Page_75">[S. 75]</a></span> -liebe Euch alle, und ich habe Euch Etwas zu sagen, an -das Ihr Euch, wie ich wünsche, stets erinnern werdet. — -Ich muß Euch verlassen; — in wenigen Wochen werdet -Ihr mich nicht mehr sehen —«</p> - -<p>Hier wurde das Kind durch einen allgemeinen Ausbruch -von Seufzern, Stöhnen und Wehklagen unterbrochen, -in denen ihre zarte Stimme vollständig verloren -ging. Sie hielt einen Augenblick inne und fuhr dann in -einem Tone fort, der das Schluchzen Aller verstummen -ließ.</p> - -<p>»Wenn Ihr mich lieb habt,« sagte sie, »so müßt -Ihr mich nicht auf eine solche Weise unterbrechen. Hört, -was ich Euch zu sagen habe. Ich wollte zu Euch über -Eure Seelen reden. — Viele unter Euch, fürchte ich, -sind sehr sorglos. Ihr denkt nur an diese Welt; aber -ich bitte Euch, daran zu denken, daß es eine andere, -schöne Welt gibt, wo Jesus ist. Dahin gehe ich, und -dahin könnt Ihr gehen. Sie ist für Euch sowohl, wie -für mich. Aber, wenn Ihr dahin gehen wollt, so müßt -Ihr nicht ein träges, sorgloses und leichtsinniges Leben -führen. Ihr müßt Christen sein. Ihr müßt bedenken, -daß jeder von Euch ein Engel werden und für ewig -bleiben kann. Wenn Ihr Christen sein wollt, so wird -Euch Jesus helfen. Ihr müßt zu ihm beten, Ihr müßt -lesen —«</p> - -<p>Das Kind hielt hier plötzlich inne, blickte mitleidig -auf die Umstehenden und fuhr dann traurig fort:</p> - -<p>»O, Ihr Armen, Ihr könnt ja nicht lesen, — arme -Seelen!« und sie verbarg ihr Gesicht in den Kissen und -schluchzte, bis das unterdrückte Stöhnen derjenigen, zu -denen sie sprach, und die knieend um sie her lagen, sie -wieder erweckte.</p> - -<p>»Aber faßt Muth!« sagte sie, ihr Gesicht erhebend, -und durch Thränen freundlich lächelnd, »ich habe für -Euch gebetet, und ich weiß, Jesus wird Euch helfen, -auch wenn Ihr nicht lesen könnt. Bemüht Euch, Alles - <span class="pagenum"><a id="Page_76">[S. 76]</a></span> -zu thun, was in Euren Kräften steht; betet jeden Tag; -ruft Ihn an, daß Er Euch helfe, und laßt Euch die -Bibel vorlesen, wo und wann Ihr könnt, und ich hoffe, -daß ich Euch dann alle im Himmel sehen werde.«</p> - -<p>»Amen,« war die leise Antwort von den Lippen -Tom's und Mammy's, und einiger der Aelteren unter -ihnen, welche einer methodistischen Kirche angehörten, -während die Jüngeren und Leichtsinnigeren, die für den -Augenblick vollständig überwältigt waren, ihre Köpfe auf -die Knie niedergelegt hatten und laut schluchzten.</p> - -<p>»Ich weiß,« sagte Eva, »Ihr habt mich alle lieb.«</p> - -<p>»Ja, o ja! gewiß! Gott segne Sie!« war die -unwillkührliche Antwort von Allen!</p> - -<p>»Ja, ich weiß es! Es ist kein Einziger unter Euch, -der nicht immer liebreich gegen mich gewesen wäre; und -ich wollte Euch jetzt Etwas geben, was Euch stets an -mich erinnern wird, wenn Ihr darauf blickt. Ich will -jedem von Euch eine Locke von meinem Haare geben; -und wenn Ihr sie betrachtet, so erinnert Euch, daß ich -Euch liebte und in den Himmel gegangen bin, und daß -ich Euch alle dort zu sehen wünsche.«</p> - -<p>Es ist unmöglich, die Scene zu beschreiben, welche -sich jetzt entwickelte, wo Alle unter Thränen und Schluchzen -sich um das kleine Wesen sammelten, und aus Eva's -Händen das letzte Zeichen ihrer Liebe empfingen. Sie -fielen auf ihre Kniee und schluchzten und beteten, und -küßten den Saum ihres Kleides, während die Aelteren -Worte der Liebe, untermischt mit Gebeten und Segenssprüchen -auf sie ausströmen ließen.</p> - -<p>So wie Jeder seine Gabe empfing, gab ihm Miß -Ophelia, welche von dieser Aufregung nachtheilige Folgen -für ihre kleine Kranke fürchtete, ein Zeichen, das -Zimmer zu verlassen. Alle waren fort bis auf Tom und -Mammy.</p> - -<p>»Hier, Onkel Tom,« sagte Eva, »ist eine schöne -Locke für Dich. O ich bin so glücklich, Onkel Tom, - <span class="pagenum"><a id="Page_77">[S. 77]</a></span> -wenn ich daran denke, daß ich Dich im Himmel sehen -werde, — denn ich weiß es gewiß; und Mammy, — -meine liebe, gute Mammy!« rief sie, ihre Arme um den -Hals ihrer alten Wärterin schlingend, — »ich weiß, Du -wirst auch dort sein.«</p> - -<p>»O Miß Eva! — weiß gar nicht, wie ich ohne Sie -leben kann!« sagte das treue Geschöpf, und verfiel in -einen leidenschaftlichen Ausbruch von Schmerz.</p> - -<p>Miß Ophelia drängte sie sanft zur Thüre hinaus, -und glaubte, es seien nun Alle fort; allein, als sie sich -umwandte, stand Topsy noch da.</p> - -<p>»Wo kommst Du her?« fragte Miß Ophelia verwundert.</p> - -<p>»Ich war hier,« entgegnete Topsy, die Thränen aus -ihren Augen wischend. »O, Miß Eva, ich bin immer ein -unartiges Mädchen gewesen; aber wollen Sie <em class="gesperrt">mir</em> nicht -auch eine geben?«</p> - -<p>»Ja, arme Topsy, gewiß will ich das. Hier — so -oft Du sie ansiehst, denke daran, daß ich Dich lieb hatte -und wünschte, daß Du ein gutes Kind sein möchtest!«</p> - -<p>»O Miß Eva, ich gebe mir Mühe!« sagte Topsy -eifrig; »aber, o Herr, 's ist so schwer, gut zu sein! — -bin gar nicht dran gewöhnt!«</p> - -<p>»Jesus weiß das, Topsy; er hat Mitleid mit Dir, -— er wird Dir helfen.«</p> - -<p>Topsy wurde hierauf, indem sie ihre Augen in der -Schürze verbarg, von Miß Ophelia schweigend aus dem -Zimmer geführt; allein, während sie hinausging, verbarg -sie die kostbare Locke in ihrem Busen.</p> - -<p>Als Alle fort waren, verschloß Miß Ophelia die -Thür. Diese gute Dame hatte während der Scene -manche Thräne aus ihrem eigenen Auge hinweggewischt; -aber die Besorgniß wegen der aus einer solchen Aufregung -für ihren jungen Pflegling möglicher Weise entspringenden -Folgen war überwiegend in ihrem Geiste.</p> - -<p>St. Clare hatte während der ganzen Zeit, seine - <span class="pagenum"><a id="Page_78">[S. 78]</a></span> -Augen mit der Hand bedeckend, in derselben Stellung -gesessen. Auch als Alle fort waren, blieb er darin.</p> - -<p>»Papa!« sagte Eva sanft, ihre Hand auf die seinige -legend.</p> - -<p>Er erschrak und ein Schauer überlief ihn, aber er -gab keine Antwort.</p> - -<p>»Lieber Vater!« wiederholte Eva.</p> - -<p>»Ich kann nicht,« sagte St. Clare aufstehend, — -»ich kann es nicht tragen! Der Allmächtige ist <em class="gesperrt">sehr hart</em> -mit mir verfahren!« und St. Clare legte auf die letzten -Worte einen besonders bitteren Nachdruck.</p> - -<p>»Augustin! hat Gott nicht ein Recht, zu thun, was -er will, mit dem, was sein ist?« sagte Miß Ophelia.</p> - -<p>»Mag sein; aber das macht es nicht leichter für mich -zu tragen,« entgegnete er in harter, trockener, thränenloser -Weise, während er sich abwandte.</p> - -<p>»Papa, Du brichst mein Herz!« sagte Eva sich aufrichtend -und sich in seine Arme werfend; »Du mußt -nicht so denken!« Und dabei weinte und schluchzte das -Kind mit einer Heftigkeit, die Alle in Bestürzung versetzte, -und den Gedanken ihres Vaters schnell eine andere Richtung -verlieh.</p> - -<p>»Still, Eva, still! mein liebes Kind! Es wäre unrecht -von mir, — recht unrecht! Ich will anders denken, -— ich will Alles thun, was Du willst, nur beruhige -Dich, schluchze nicht so. Ich will ganz gefaßt sein; -es war sehr unrecht von mir, so zu sprechen.«</p> - -<p>Bald lag Eva wie eine müde Taube in ihres Vaters -Armen; und er, sich über sie beugend, bemühte sich, -sie durch jedes zärtliche Wort, das er ersinnen konnte, -zu beruhigen.</p> - -<p>Marie stand auf und ging aus dem Zimmer in ihr -eigenes, wo sie in hysterische Krämpfe verfiel.</p> - -<p>»Du hast mir keine Locke gegeben, Eva,« sagte ihr -Vater mit traurigem Lächeln.</p> - -<p>»Sie gehören Dir alle, Papa,« erwiederte sie lächelnd, - <span class="pagenum"><a id="Page_79">[S. 79]</a></span> -— »Dir und Mamma, und Du mußt der lieben -Tante so viele davon geben, als sie haben will. Ich -gab jene nur den armen Leuten selbst, lieber Papa, weil -sie möchten vergessen worden sein, wenn ich nicht mehr -da bin, und weil ich hoffte, daß es sie erinnern möchte -an — Du bist ein Christ, lieber Vater, nicht wahr?« -fügte sie dann mit zweifelndem Tone hinzu.</p> - -<p>»Weshalb fragst Du mich?«</p> - -<p>»Ich weiß nicht. Du bist so gut, Du mußt es sein.«</p> - -<p>»Was heißt das, ein Christ sein, Eva?«</p> - -<p>»Christus über Alles lieben,« entgegnete Eva.</p> - -<p>»Thust Du das, Eva?«</p> - -<p>»Gewiß thue ich das.«</p> - -<p>»Du sahst ihn aber nie,« sagte St. Clare.</p> - -<p>»Das macht keinen Unterschied,« erwiederte Eva. -»Ich glaube an ihn und in wenigen Tagen werde ich -ihn sehen.« Und bei diesen Worten begann das jugendliche -Gesicht vor Freude zu strahlen.</p> - -<p>St. Clare antwortete nicht mehr. Es war ein Gefühl, -welches er oft an seiner Mutter wahrgenommen -hatte, aber wofür keine gleichgestimmte Saite in seinem -Innern vibrirte.</p> - -<p>Von dieser Zeit ab wurde Eva zusehends schwächer. -Es konnte kein Zweifel mehr über den Ausgang herrschen -und selbst die kühnste Hoffnung konnte sich nicht -mehr täuschen. Ihr schönes Zimmer war ein vollständiges -Krankenzimmer geworden; und Miß Ophelia verrichtete -Tag und Nacht die Geschäfte einer Wärterin, — und -nie hatten ihre Freunde Gelegenheit, ihren Werth mehr -zu erkennen als in dieser Eigenschaft. Mit so geübter -Hand und richtigem Auge, mit so vollkommener Gewandtheit -in der Kunst, Reinlichkeit und Behaglichkeit für die -Kranke zu befördern, — mit so genauer Berechnung der -Zeit, mit so klarem ruhigem Kopfe, und so gewissenhafter -Beachtung jeder Vorschrift des Arztes, war sie ihm Alles. -Diejenigen, welche über ihre kleinen Eigenthümlichkeiten, - <span class="pagenum"><a id="Page_80">[S. 80]</a></span> -die von der Freiheit der südlichen Sitten so sehr abwichen, -die Achsel zuckten, mußten anerkennen, daß sie in -ihrem gegenwärtigen Verhältniß gerade die passende Person -sei.</p> - -<p>Onkel Tom hielt sich viel in Eva's Zimmer auf. -Das Kind litt viel an Ruhelosigkeit, und es gewährte -ihm große Erleichterung, getragen zu werden. Für Tom -war es daher die größte Freude, die kleine zarte Gestalt -auf seinen Armen, auf einem Kissen ruhend, bald im -Zimmer auf und ab, bald in der Veranda umherzutragen; -und wenn die frische Seeluft vom See her wehte, -und Eva sich am Morgen wohler fühlte, so pflegte er -unter den Orangenbäumen des Gartens mit ihr umher -zu wandeln, oder sich auf einen ihrer alten Sitze niederzulassen -und ihr ihre Lieblingshymnen vorzusingen.</p> - -<p>Ihr Vater that öfters dasselbe; aber sein Körper -war weniger kräftig, und wenn er müde war, pflegte -Eva zu ihm zu sagen:</p> - -<p>»O Papa, laß Tom mich tragen. Der arme Mensch, -— er thut es so gern; Du weißt, es ist Alles, was er -thun kann, und er möchte gern Etwas thun!«</p> - -<p>»Dasselbe ist mit mir der Fall, Eva!« sagte der -Vater.</p> - -<p>»O Papa, Du kannst Alles thun, und bist mir -Alles. Du liesest mir vor, — Du wachst bei mir des -Nachts — und Tom hat nur dieses Eine und sein Singen; -und dann weiß ich auch, daß es ihm leichter wird -als Dir. Er trägt mich so fest und sicher!«</p> - -<p>Der Wunsch, Etwas für Eva zu thun, beschränkte -sich nicht auf Tom. Jeder Dienstbote des Hauses verrieth -dasselbe Gefühl und that nach seiner Weise und -seinen Kräften, was er konnte.</p> - -<p>Die arme Mammy sehnte sich nach dem Lieblinge, -aber fand weder bei Tage noch bei Nacht Gelegenheit, -da Marie erklärte, daß ihr Geisteszustand ihr keine Ruhe -lasse, weshalb es natürlich gegen ihre Grundsätze war, - <span class="pagenum"><a id="Page_81">[S. 81]</a></span> -irgend einem Andern Ruhe zu lassen. Zwanzigmal in -der Nacht wurde Mammy gerufen, um ihre Füße zu -reiben, ihren Kopf zu waschen, ihr Taschentuch zu suchen, -oder nachzufragen, was das Geräusch in Eva's Zimmer -zu bedeuten habe, die Fenstervorhänge herunterzulassen, -weil es zu hell sei, oder hinaufzuziehen, weil es zu dunkel -sei; und bei Tage, wenn sie sich danach sehnte, an der -Wartung ihres Lieblings Theil zu nehmen, schien Marie -ganz besonders erfinderisch zu sein, um sie überall im -Hause oder um ihre Person zu beschäftigen, so daß sie -nichts als kurze Blicke oder verstohlene Besuche erlangen -konnte.</p> - -<p>»Ich halte es für meine Pflicht, jetzt besonders -sorgsam für mich zu sein,« pflegte sie zu sagen, — -»schwach wie ich bin, und mit der ganzen Sorge der -Wartung und Pflege des lieben Kindes auf mir.«</p> - -<p>»In der That, meine Liebe?« antwortete St. Clare. -»Ich dachte, unsere Cousine Ophelia nähme Dir diese -Sorge ab.«</p> - -<p>»Du sprichst wie ein Mann, St. Clare, — als ob -eine Mutter sich die Sorge um ein Kind in einem solchen -Zustande abnehmen lassen <em class="gesperrt">könnte</em>. Aber es ist Alles -gleich, — Niemand weiß, was ich fühle! Ich kann die -Sachen nicht so leicht nehmen.«</p> - -<p>St. Clare lächelte. Du mußt ihn entschuldigen, -lieber Leser, er konnte nicht anders, — St. Clare konnte -noch lächeln; denn so hell und ruhig war die Abschiedsfahrt -des kleinen Geistes, — von so sanften, balsamischen -Lüften wurde der kleine Nachen den himmlischen Ufern -zugetrieben, daß es unmöglich war, zu erkennen, daß es -der Tod sei, der sich nahe. Das Kind empfand keinen -Schmerz, — nur eine ruhige, sanfte Schwäche, die täglich -und fast unmerklich zunahm; und so schön, so liebreich, -so vertrauensvoll, so glücklich war es dabei, daß -Niemand dem besänftigenden Einflusse der Unschuld und - <span class="pagenum"><a id="Page_82">[S. 82]</a></span> -Friede athmenden Luft widerstehen konnte, welche das -Kind zu umgeben schien. Auch St. Clare fühlte eine -sonderbare Ruhe auf sich niedersinken. Es war nicht -Hoffnung, — die war unmöglich; es war nicht Resignation; -es war nur ein ruhiges Weilen in der Gegenwart, -die so schön erschien, daß er nicht an die Zukunft denken -mochte.</p> - -<p>Der Freund, welcher am meisten von Eva's Vorstellungen -und Ahnungen wußte, war ihr treuer Träger, Tom. -Ihm theilte sie mit, womit sie ihren Vater nicht beunruhigen -wollte. Ihm vertraute sie jene geheimnisvollen Vorgefühle, -welche die Seele empfindet, wenn ihre Saiten sich -zu lösen beginnen und sie ihre irdische Hülle verlassen will.</p> - -<p>Tom wollte endlich nicht mehr in seinem Zimmer -schlafen, sondern lag jede Nacht in der äußeren Veranda, -bereit für jeden Ruf.</p> - -<p>»Onkel Tom,« sagte Miß Ophelia, »was in der -Welt ist Dir eingefallen, daß Du überall liegst und -schläfst wie ein Hund. Ich dachte, Du wärest ein ordentlicher -Mensch, der gewohnt wäre, in christlicher Weise -in einem Bette zu schlafen.«</p> - -<p>»Das bin ich, Miß Feely,« sagte Tom geheimnißvoll. -»Das bin ich, aber jetzt —«</p> - -<p>»Nun, was jetzt?«</p> - -<p>»Wir müssen nicht so laut sprechen, — Master St. -Clare will nichts davon hören; aber, Miß Feely, Sie -wissen, es muß Einer auf den Bräutigam warten.«</p> - -<p>»Was meinst Du, Tom?«</p> - -<p>»Sie wissen, es heißt in der Schrift: »Zur Mitternacht -aber ward ein Geschrei: siehe, der Bräutigam -kommt.« Das ist's, was ich jetzt erwarte, Miß Feely, -— und ich konnte nicht schlafen, wo ich nicht höre.«</p> - -<p>»Wie, Onkel Tom, wie kommst Du auf diesen Gedanken?«</p> - -<p>»Miß Eva, — sie spricht mit mir. Der Herr sendet -seinen Boten in die Seele. Ich muß dabei sein, - <span class="pagenum"><a id="Page_83">[S. 83]</a></span> -Miß Feely; denn wenn das Segenskind in das Himmelreich -geht, wird sich das Thor so weit öffnen, daß -wir alle einen Blick in seine Glorie hineinthun können, -Miß Feely.«</p> - -<p>»Onkel Tom! sagte Miß Eva, daß sie sich heute -Abend kränker als gewöhnlich fühle?«</p> - -<p>»Nein, aber sie sagte mir diesen Morgen, daß sie -näher käme, — jene da oben sind es, die es dem Kinde -sagen, Miß Feely, — die Engel sind's! — Es ist der -Trompetenschall vor dem Anbruch des Tages!« sagte -Tom, sich der Worte einer Lieblingshymne bedienend.</p> - -<p>Dieses Zwiegespräch fand zwischen Miß Ophelia und -Tom eines Abends zwischen zehn und elf Uhr Statt, -nachdem sie bereits alle ihre Anordnungen für die Nacht -getroffen hatte, und sie, als sie die äußere Thür der -Veranda schließen wollte, Tom vor derselben ausgestreckt -liegend fand. Sie war weder nervenschwach, noch leicht -erregbar, allein Tom's feierlicher, aus dem Herzen kommender -Ton fiel Ophelien auf. Eva war an diesem -Tage besonders munter und heiter gewesen, und hatte -aufrecht in ihrem Bett gesessen, und über alle ihre kleinen -Schmucksachen geblickt und die Freunde namhaft gemacht, -denen sie gegeben werden sollten. Ihr ganzes -Wesen war lebhafter und ihre Stimme natürlicher gewesen -als seit vielen Wochen. Ihr Vater war gegen -Abend in ihrem Zimmer gewesen und hatte gesagt, daß -Eva ihm ihren früheren gesunden Tagen ähnlicher erschienen -wäre, als je in ihrer Krankheit, und als er sie -zum Abschiede für die Nacht geküßt, hatte er zu Miß -Ophelien gesagt: »Cousine, wir können sie vielleicht dennoch -behalten, sie ist entschieden besser,« und hatte sich -sodann mit leichterem Herzen in sein Zimmer zurückgezogen, -als manche lange Woche zuvor.</p> - -<p>Aber um Mitternacht, — seltsame, geheimnißvolle -Stunde! — wenn der Schleier zwischen der gebrechlichen - <span class="pagenum"><a id="Page_84">[S. 84]</a></span> -Gegenwart und der ewigen Zukunft durchsichtiger wird, -— dann kam der Bote!</p> - -<p>Ein Geräusch wurde hörbar in jenem Zimmer von -schnellen, eiligen Schritten. Es war Miß Ophelia, welche -beschlossen hatte, die ganze Nacht bei ihrem kleinen Pflegling -zu wachen, und um Mitternacht Etwas bemerkt -hatte, was erfahrene Wärterinnen bedeutungsvoll »eine -Veränderung« zu nennen pflegen. Die äußere Thür wurde -schnell geöffnet, und Tom, der außerhalb wachte, war -im Augenblick bei der Hand.</p> - -<p>»Geh' zum Arzte, Tom! verliere keinen Augenblick!« -sagte Miß Ophelia, und eilte durch das Zimmer, um -an St. Clare's Thür zu pochen.</p> - -<p>»Cousin,« rief sie, »bitte, komm heraus!«</p> - -<p>Diese Worte fielen auf sein Herz wie Sandschollen -auf einen Sarg. Im Augenblicke war er im Zimmer -und beugte sich über Eva nieder, die noch schlief.</p> - -<p>Was war es, was er dort sah und sein Herz stocken -ließ? Weshalb wurde kein Wort zwischen Beiden gesprochen? -Du, liebe Leserin, weißt es vielleicht, die Du -denselben Ausdruck auf dem Gesichte dessen gesehen hast, -was Dir am theuersten war, — jenen unbeschreiblichen, -hoffnungslosen, unverkennbaren Zug, der Dir sagt, daß -Dein Geliebtes nicht mehr Dein ist.</p> - -<p>Gleichwohl zeigte sich auf dem Gesichte nichts Geisterhaftes, -Todtenähnliches, sondern nur ein hoher, beinahe -erhabener Ausdruck, — die überschattende Gegenwart -geistiger Naturen, der Tagesanbruch eines unsterblichen -Lebens in dieser kindlichen Seele.</p> - -<p>St. Clare und Ophelia standen so still und betrachteten -das Kind so schweigend, daß selbst der Pendelschlag -der Uhr zu laut zu sein schien. In wenigen -Minuten kehrte Tom mit dem Arzte zurück. Letzterer -trat ein, warf einen Blick auf das Kind, und blieb -schweigend wie die Uebrigen stehen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_85">[S. 85]</a></span></p> - -<p>»Wann trat diese Veränderung ein?« sagte er flüsternd -zu Ophelien.</p> - -<p>»Ungefähr um Mitternacht,« war die Antwort.</p> - -<p>Jetzt erschien aus dem nächsten Zimmer Marie in -größter Eile, die durch die Ankunft des Arztes erweckt -worden war.</p> - -<p>»Augustin! Cousine! — O! — was« — begann sie -in hastigem Tone.</p> - -<p>»Still!« sagte St. Clare mit rauher Stimme, — -»<em class="gesperrt">sie stirbt!</em>«</p> - -<p>Mammy hatte diese Worte gehört und eilte davon, -um die Dienstboten zu erwecken. Das ganze Haus war -bald munter, — Lichter wurden gesehen, Fußtritte gehört, -ängstliche Gesichter drängten sich in die Veranda, -und blickten mit thränenvollen Augen durch die Glasthüren; -aber St. Clare hörte und sah nichts, — er sah -nur <em class="gesperrt">den Ausdruck</em> im Gesichte der kleinen Schläferin.</p> - -<p>»O, wenn sie nur noch einmal aufwachen und sprechen -wollte!« sagte er, und sich über sie niederbeugend, flüsterte -er in ihr Ohr: »Eva, Liebling!«</p> - -<p>Die großen blauen Augen öffneten sich, — ein Lächeln -flog über ihr Gesicht, — sie versuchte ihren Kopf zu -erheben und zu sprechen.</p> - -<p>»Kennst Du mich, Eva?«</p> - -<p>»Lieber Vater!« sagte das Kind, mit letzter Anstrengung -seine Arme um den Hals des Vaters schlingend. -Im nächsten Augenblicke fielen sie wieder nieder und -als St. Clare seinen Kopf erhob, sah er einen Todeskrampf -über das Gesicht ziehen; — das Kind suchte -angstvoll nach Athem, und warf seine kleinen Hände -empor.</p> - -<p>»O Gott, das ist schrecklich!« rief er, sich im tiefsten -Schmerze abwendend und Tom's Hand drückend, ohne -zu wissen, was er that. »O Tom, es bringt mich um!«</p> - -<p>Tom hielt die Hand seines Herrn zwischen den -seinigen, und während die Thränen über seine dunklen - <span class="pagenum"><a id="Page_86">[S. 86]</a></span> -Wangen strömten, schaute er nach Hülfe da hinauf, wohin -er immer gewohnt gewesen war, zu blicken.</p> - -<p>»Bete, daß dies bald enden möge!« sagte St. -Clare, — »es zerreißt mir das Herz.«</p> - -<p>»Der Herr sei gepriesen! es ist vorüber, — es ist -vorbei, lieber Master!« sagte Tom; — »sehen Sie sie an.«</p> - -<p>Das Kind lag erschöpft und schwer athmend auf -seinen Kissen, während die großen klaren Augen weit -offen vor sich hinstarrten. Was sagten diese Augen, die -sich so gerade auf den Himmel richteten? Die Erde und -irdischer Schmerz war zurückgelassen; aber so feierlich, -so geheimnißvoll war die triumphirende Klarheit dieses -Gesichts, daß selbst das Schluchzen des Schmerzes verstummte. -Alle drängten sich in athemloser Stille um -sie her.</p> - -<p>»Eva,« sagte St. Clare sanft.</p> - -<p>Sie hörte nicht.</p> - -<p>»O Eva, sage uns, was Du siehst! Was ist es?« -sagte der Vater.</p> - -<p>Ein sanftes, seliges Lächeln schwebte über ihr Gesicht, -und sie antwortete in gebrochenen Tönen: »O! -Liebe, — Freude, — Friede!« seufzte tief auf, und -ging vom Leben zum Tode über.</p> - -<p class="pmb3">Lebe wohl, geliebtes Kind! Die glänzenden Thore -der Ewigkeit haben sich hinter Dir geschlossen; wir werden -Deine sanften Züge nicht mehr sehen. Wehe den Armen, -die Deinen Eingang in den Himmel sahen, und, wenn -sie erwachten, nichts als den kalten, grauen Lebenshimmel -finden, nachdem Du für immer dahin bist.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_87">[S. 87]</a></span></p> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Siebenundzwanzigstes_Kapitel">Siebenundzwanzigstes Kapitel.</h2> -</div> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i9">Dies ist das Letzte der Erde.</span> -<span class="i9">J. G. <em class="gesperrt">Adams</em>.</span> -</div></div> - - -<p>Die Statuen und Gemälde in Eva's Zimmer waren -mit weißen Tüchern verhangen, und nur stilles Athmen -und leise Tritte wurden darin gehört, und das Licht stahl -sich feierlich durch halbverschlossene Fenster.</p> - -<p>Das Bett war weiß überzogen, und darauf, unter -dem Engel mit gesenkten Flügeln, lag eine kleine, -schlafende Gestalt, schlafend, — um nimmer wieder zu -erwachen.</p> - -<p>Dort lag sie, in eins der schlichten weißen Gewänder -gekleidet, welche sie im Leben zu tragen gepflegt -hatte, und das rosige Licht, welches durch die Gardinen -fiel, warf einen wärmeren Schein über die eisige Kälte -des Todes. Die schweren Augenwimpern ruhten sanft -auf der klaren Wange; der Kopf war ein wenig nach -einer Seite geneigt, wie im natürlichen Schlafe, aber -über alle Züge des Gesichtes ergoß sich jener himmlische -Ausdruck, jene Mischung von Wonne und Ruhe, welche -deutlich erkennen ließ, daß es kein irdischer oder zeitlicher -Schlaf, sondern jene lange, heilige Ruhe sei, welche »Er -Denen gibt, die er liebt.«</p> - -<p>Für Wesen wie Du, theure Eva, gibt es keinen -Tod! Es ist nichts als ein sanftes Schwinden, wie wenn -der Morgenstern unter den goldenen Strahlen des ersten -Tageslichtes erbleicht. Dir gehört der Sieg ohne Kampf, -— die Krone ohne Streit.</p> - -<p>So dachte St. Clare, als er mit unterschlagenen - <span class="pagenum"><a id="Page_88">[S. 88]</a></span> -Armen vor der Hülle seines Kindes stand. Aber, wer -will sagen, was er dachte? denn von der Stunde an, -daß er Stimmen in dem Sterbezimmer gehört hatte, die -da sagten, »sie sei dahin,« war Alles um ihn nur ein -dunkler, schwerer Nebel gewesen. Er hatte Stimmen um -sich gehört; es waren Fragen an ihn gerichtet und beantwortet -worden; man hatte ihn gefragt, wann das Begräbniß -stattfinden solle, und wo er wünsche, daß sie -beigesetzt werde, und er hatte ungeduldig geantwortet, -daß es ihm gleichgültig sei.</p> - -<p>Adolph und Rosa hatten die Anordnungen im Zimmer -getroffen, welche, obgleich leichtsinnig und kindisch, doch -gutherzig und gefühlvoll waren; und während Miß Ophelia -die Vorbereitungen im Allgemeinen leitete, waren es ihre -Hände, welche ihnen jenen sanfteren, poetischeren Anstrich -liehen, der dem Sterbezimmer den abschreckenden, -geisterartigen Anschein nimmt, welcher den Leichenbegängnissen -in Neu-England so eigentümlich ist. Auch jetzt, -während St. Clare sinnend dastand, kam Rosa mit einem -Korbe voll weißer Blumen leise in das Zimmer getrippelt. -Sie trat zurück, als sie St. Clare gewahrte, und blieb -ehrfurchtsvoll stehen; allein, da sie sah, daß er sie nicht -bemerkte, kam sie näher, um die Blumen um das todte -Kind zu legen. St. Clare sah sie nur wie im Traume, -als sie in die kleinen Hände eine schöne Jasminblüthe -legte, und mit bewunderungswürdigem Geschmacke die -anderen Blumen auf dem Sterbelager ausbreitete.</p> - -<p>Die Thür öffnete sich abermals, und Topsy erschien -mit dick angeschwollenen, verweinten Augen, Etwas unter -ihrer Schürze tragend. Rosa machte gegen sie eine -schnelle, zurückweisende Bewegung, aber sie trat dennoch -einen Schritt weiter in das Zimmer.</p> - -<p>»Du mußt hinausgehen,« sagte Rosa flüsternd in -scharfem, entschiedenem Tone; — »<em class="gesperrt">Du</em> hast hier Nichts -zu thun.«</p> - -<p>»O, bitte, laß mich! Ich habe eine Blume, — - <span class="pagenum"><a id="Page_89">[S. 89]</a></span> -so eine schöne!« sagte Topsy, eine halb aufgeblühte Theerosenknospe -emporhaltend. »Bitte, laß mich sie dahin -legen!«</p> - -<p>»Geh' hinaus!« sagte Rosa noch bestimmter.</p> - -<p>»Laß sie hier!« rief St. Clare plötzlich mit dem -Fuße stampfend. »Sie soll herein kommen.«</p> - -<p>Rosa zog sich sogleich zurück, und Topsy kam näher -und legte ihr Geschenk zu den Füßen des Leichnams; -und sodann sich plötzlich mit einem wilden, schmerzlichen -Schrei an der Seite des Bettes niederwerfend, begann -sie mit leidenschaftlicher Heftigkeit zu weinen und zu -schluchzen.</p> - -<p>Miß Ophelia kam in's Zimmer geeilt, und bemühte -sich, sie aufzuheben und zu beruhigen, aber vergeblich.</p> - -<p>»O Miß Eva! o Miß Eva! ich wollte, ich wäre -auch todt!«</p> - -<p>Es lag eine solche Wildheit und ein so schneidender -Schmerz in diesem Weinen, daß das Blut in St. Clare's -marmorweiße Wangen stieg, und seit Eva's Tode die ersten -Thränen wieder in seine Augen traten.</p> - -<p>»Steh' auf, Kind,« sagte Miß Ophelia mit sanfter -Stimme, »weine nicht so heftig. Miß Eva ist im Himmel, -und ist nun ein Engel!«</p> - -<p>»Aber ich kann sie nicht sehen!« sagte Topsy. »Ich -werde sie nie wieder sehen!« und ihr Schluchzen begann -von Neuem.</p> - -<p>St. Clare und Ophelia standen einen Augenblick -schweigend da.</p> - -<p>»<em class="gesperrt">Sie</em> sagte, sie hätte mich <em class="gesperrt">lieb</em>,« fuhr Topsy fort, -— »ja! o Herr! o Herr! nun ist <em class="gesperrt">Niemand</em> da! — -Niemand!«</p> - -<p>»Das ist wahr genug,« sagte St. Clare, und fuhr -dann zu Miß Ophelien gewendet fort: »aber bitte, -sieh' zu, ob Du nicht das arme Wesen beruhigen kannst.«</p> - -<p>Miß Ophelia hob sie sanft, aber fest auf, und führte - <span class="pagenum"><a id="Page_90">[S. 90]</a></span> -sie aus dem Zimmer; aber, während sie es that, fielen -auch aus ihrem Auge einige Thränen nieder.</p> - -<p>»Topsy, Du armes Kind,« sagte sie, als sie sie in -ihr eignes Zimmer führte, »verzweifle nicht! Ich kann -Dich lieb haben, obgleich ich nicht so bin, wie jenes theure -Kind. Ich hoffe, ich habe etwas von der Liebe Christi -durch sie gelernt. Ich kann Dich lieben; und ich will -Dir beistehen, daß Du als ein gutes, christliches Mädchen -aufwachsen mögest.«</p> - -<p>Miß Opheliens Stimme drückte mehr aus, als ihre -Worte, und mehr noch, als jene, sagten die aufrichtigen -Thränen, die über ihre Wangen niederrollten. Und von -diesem Augenblicke an erlangte sie einen Einfluß auf -den Geist dieses verlassenen Kindes, den sie nie wieder -verlor.</p> - -<p>»O meine Eva, deren kurze Stunde so viel Gutes -auf Erden wirkte,« dachte St. Clare, »welche Rechenschaft -habe ich zu geben von meinen vielen, langen -Jahren?«</p> - -<p>Eine Zeit lang wurde noch leises Flüstern und Gehen -im Zimmer gehört, während Einer nach dem Andern -herein schliech, um die Todte zu sehen; dann kam der -kleine Sarg, und dann begann das Leichenbegängniß, und -Wagen kamen gefahren, und fremde Personen betraten -das Zimmer und setzten sich darin nieder; und weiße -Bänder wurden gesehen, und Trauerflöre, und Trauernde -in schwarzer Kleidung; und dann wurden Worte aus der -Bibel gelesen, und Gebete gehalten; und St. Clare lebte, -und ging, und bewegte sich wie Jemand, der die letzte -Thräne vergossen hat. Endlich sah er nur noch einen -Gegenstand, — das goldene Köpfchen im Sarge; aber -dann sah er das Leichentuch darüber ausbreiten, und den -Sargdeckel schließen, und er schritt an der Seite Andrer, -wohin man ihn gestellt hatte, nach einem Platze am Ende -des Gartens, und dort, bei dem Moossitze, wo sie und -Tom so oft gesessen, und gesungen und gelesen hatten, - <span class="pagenum"><a id="Page_91">[S. 91]</a></span> -war das kleine Grab. St. Clare stand neben demselben, -— und blickte gedankenlos hinab; er sah den kleinen Sarg -hinabsenken: er hörte die feierlichen Worte: »Ich bin die -Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubet, der -wird leben, ob er gleich stürbe;« und als die Erde hinab -geschüttet wurde, und das kleine Grab füllte, konnte er -sich nicht denken, daß es Eva sei, die man dort vor seinen -Blicken verborgen habe.</p> - -<p>Auch war es nicht Eva! — sondern nur der schwache -Same jener glänzenden, unsterblichen Gestalt, mit der -sie hervortreten wird am Tage unseres Herrn Jesu -Christi.</p> - -<p>Sodann entfernten sich Alle, und die Trauernden -gingen zurück nach dem Orte, an dem sie nicht mehr gesehen -werden sollte. Mariens Zimmer war dunkel, und -sie selbst lag auf dem Bette, und schluchzte und stöhnte in -unmäßigem Schmerze, und verlangte jeden Augenblick -nach der Bedienung aller ihrer Dienstboten. Diese, natürlich, -hatten keine Zeit zu weinen; — weshalb sollten -sie auch? Der Schmerz war ja <em class="gesperrt">ihr</em> Schmerz, und sie -war völlig überzeugt, daß Niemand auf Erden so empfinden -könne oder wolle wie sie.</p> - -<p>»St. Clare habe keine Thräne vergossen,« sagte sie; -»er habe nicht mit ihr sympathisirt; es sei wirklich ganz -unbegreiflich, wie er so hartherzig und gefühllos sein könne, -da er doch wissen müsse, was sie leide.«</p> - -<p>So sehr sind die Menschen Sklaven ihres Auges -und Ohres, daß viele der Dienstboten wirklich glaubten, -daß ihre Missis bei diesem Trauerfalle am meisten leide, -besonders, als Marie anfing, hysterische Krämpfe zu bekommen, -und nach dem Arzte schickte, und sich selbst als -dem Tode nahe erklärte. Allein Tom trug in seinem -Herzen ein andres Gefühl, welches ihn zu seinem Herrn -zog. Er folgte ihm, wohin er auch sinnend und traurig -gehen mochte; und wenn er ihn in Eva's Zimmer blaß -und schweigend sitzen, und ihre kleine Bibel offen vor sich - <span class="pagenum"><a id="Page_92">[S. 92]</a></span> -halten sah, in der er kein Wort und keinen Buchstaben -sah, so erkannte Tom in diesem stillen, starren, thränenlosen -Auge mehr Schmerz, als in Marien's Stöhnen -und Klagen.</p> - -<p>Wenige Tage später ging die ganze Familie nach -der Stadt zurück, da St. Clare in der Ruhelosigkeit -seines Schmerzes nach andern Scenen verlangte, um dem -Laufe seiner Gedanken eine andre Richtung zu geben. -Sie verließen also das Haus und den Garten mit dem -kleinen Grabe, und kamen nach New-Orleans zurück; und -St. Clare schritt eilfertig die Straßen auf und ab, und -suchte die Leere in seinem Herzen durch eifrige Geschäftigkeit -und durch Veränderung des Aufenthaltes auszufüllen; -und die Leute, die ihm auf der Straße oder im -Caffe begegneten, erkannten seinen Verlust nur durch das -Zeichen am Hute, denn er lächelte und unterhielt sich, -und las Zeitungen, und disputirte über politische Gegenstände, -und widmete sich seinen Geschäften; und wer -konnte sehen, daß diese lächelnde Außenseite nur als hohle -Schale ein Herz bedeckte, welches ein dunkles, schweigendes -Grab war?</p> - -<p>»Mr. St. Clare ist ein sonderbarer Mann,« sagte -Marie zu Ophelien, in sich beklagendem Tone. »Ich -dachte immer, wenn es überhaupt Etwas in der Welt -gäbe, was er lieben könne, so sei es unsere theure, kleine -Eva gewesen; allein er scheint sie sehr leicht zu vergessen. -Ich kann ihn nie dazu bringen, von ihr zu sprechen. Ich -dachte wirklich, er würde mehr Gefühl zeigen!«</p> - -<p>»Stille Wasser sind tief, pflegt man zu sagen,« entgegnete -Miß Ophelia bedeutungsvoll.</p> - -<p>»O, ich glaube nicht an solche Dinge; das ist Alles -nur Geschwätz. Wer Gefühl hat, wird es zeigen, — -und kann nicht anders; aber es ist ein großes Unglück, -so viel Gefühl zu haben. Ich wollte lieber, ich wäre -wie St. Clare; meine Gefühle nagen an meiner Gesundheit!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_93">[S. 93]</a></span></p> - -<p>»O gewiß, Missis,« sagte Mammy, »Master St. -Clare wird wie ein Schatten; — er ißt gar nichts. Ich -weiß, er kann Miß Eva nicht vergessen; — ich weiß, -Keiner kann's, — das liebe, kleine, segensreiche Wesen!« -fügte sie, ihre Augen trocknend, hinzu.</p> - -<p>»Wohl, auf alle Fälle hat er kein Gefühl für mich,« -sagte Marie; »er hat mir noch kein theilnehmendes Wort -gesagt, und er muß doch wissen, wie viel tiefer so etwas -eine Mutter empfindet, als es ein Mann kann.«</p> - -<p>»Jedes Herz kennt seinen eignen Schmerz!« sagte -Ophelia sehr ernst.</p> - -<p>»Das ist es grade, was ich denke. Ich weiß, was -ich empfinde, — und Niemand Anderes scheint es zu -ahnen. Nur Eva konnte es, aber sie ist hin!« sagte -Marie, und legte sich auf ihr Sopha zurück, und begann -heftig zu schluchzen.</p> - -<p>Während diese Unterhaltung in Marien's Wohnzimmer -Statt fand, wurde eine andre in St. Clare's Arbeitszimmer -gepflogen.</p> - -<p>Tom, der seinem Herrn überall unruhig folgte, hatte -ihn mehrere Stunden zuvor in sein Arbeitszimmer gehen -sehen, und beschloß endlich, nachdem er vergeblich darauf -gewartet hatte, ihn wieder herauskommen zu sehen, unter -irgend einem Vorwande hinein zu gehen. Er trat leise -ein. St. Clare lag auf dem Sopha, am anderen Ende -des Zimmers, auf dem Gesichte, Eva's Bibel aufgeschlagen -in der Hand haltend. Tom näherte sich ihm, und blieb -am Sopha stehen. Er zauderte, und während dessen -richtete sich St. Clare plötzlich auf. Das ehrliche Gesicht, -auf dem sich der Ausdruck tiefsten Schmerzes und flehenden -Mitgefühls zeigte, rührte St. Clare. Er legte seine -Hand auf Tom's Hand, und neigte seine Stirn darauf -nieder.</p> - -<p>»O, Tom, mein Junge, die Welt ist leer, wie eine -Eierschale.«</p> - -<p>»Ich weiß, Master, — ich weiß,« sagte Tom; »aber, - <span class="pagenum"><a id="Page_94">[S. 94]</a></span> -o! wenn Master nur da hinauf blicken könnte, — hinauf, -wo unsere liebe Miß Eva ist, — auf zum lieben Herrn -Jesus!«</p> - -<p>»Ach, Tom! ich sehe hinauf; aber das Unglück ist, -ich sehe nichts, wenn ich es thue. Ich wollte, ich könnte -etwas sehen.«</p> - -<p>Tom seufzte schwer.</p> - -<p>»Es scheint nur Kindern gegeben zu sein, und solchen -armen, ehrlichen Seelen, wie Du bist, zu sehen, -was wir nicht können,« sagte St. Clare. »Wie kommt -das?«</p> - -<p>»»Du hast es verborgen den Weisen und Klugen, -und hast es geoffenbaret den Unmündigen. Ja, Vater, -also war es wohlgefällig vor Dir,«« antwortete Tom mit -den Worten der Schrift.</p> - -<p>»Tom, ich glaube nicht, — ich kann nicht glauben, -— ich habe einmal die Gewohnheit des Zweifelns angenommen,« -sagte St. Clare. »Ich möchte gern an die -Bibel glauben, — und kann nicht.«</p> - -<p>»Lieber Master, beten Sie zum lieben Herrn: »Herr, -ich glaube, hilf Du meinem Unglauben!««</p> - -<p>»Wer <em class="gesperrt">weiß</em> Etwas?« sagte St. Clare, während -seine Augen träumerisch umher wanderten, und er zu sich -selbst sprach. »War alle diese himmlische Liebe und dieser -Glaube nichts als eine der ewig wechselnden Phasen -menschlichen Gefühls, die auf nichts Wirklichem ruht, und -mit dem schwachen Athem entflieht? Und gibt es jetzt -keine Eva mehr, — keinen Himmel, — keinen Christus, -— nichts?«</p> - -<p>»O lieber Master, ja! ich weiß es! — ich weiß es -gewiß!« sagte Tom auf die Knie fallend. »Bitte, bitte, -lieber Master, glauben Sie es!«</p> - -<p>»Wie weißt Du, Tom, daß es einen Christus gibt? -Du hast ihn nie gesehen.«</p> - -<p>»Ich habe Ihn gefühlt in meiner Seele, Master, -— fühle Ihn jetzt! O Master, als ich verkauft wurde, - <span class="pagenum"><a id="Page_95">[S. 95]</a></span> -fort von meiner alten Frau und meinen Kindern, da -dacht' ich, 's wäre aus mit mir. Mir war, als wenn -Alles vorbei wäre; aber dann kam der gute Herr, und -stand bei mir, und sagte: ›Tom, fürchte nicht!‹ und -er brachte Licht und Freude in meine arme Seele, — -und machte Friede; — und ich wurde so glücklich, und -liebte Jedermann, und fühlte mich willig nur dem Herrn -anzugehören, und des Herrn Willen zu thun, und überall -hinzugehen, wohin der Herr mir befahl. Ich wußte, das -konnte nicht von mir kommen, denn ich bin eine arme, -unzufriedene Creatur; es kommt vom Herrn; — und ich -weiß, Er ist auch bereit, Master beizustehen.«</p> - -<p>Tom sprach unter strömenden Thränen, und mit -stockender Stimme. St. Clare lehnte seinen Kopf an -Tom's Schulter, und drückte seine harte, treue, schwarze -Hand.</p> - -<p>»Tom, Du hast mich lieb,« sagte er.</p> - -<p>»Bin bereit mein Leben zu lassen, heute noch, wenn -Master wollte ein Christ werden.«</p> - -<p>»Armer, thörichter Bursche!« sagte St. Clare, sich -halb aufrichtend. »Ich bin der Liebe eines so guten, ehrlichen -Herzens, wie Deines, nicht werth.«</p> - -<p>»O Master, ich liebe Sie nicht allein, — der liebe -Herr Jesus liebt Sie auch.«</p> - -<p>»Wie weißt Du das, Tom?« sagte St. Clare.</p> - -<p>»Ich fühle es in meiner Seele. O Master! ›die -Liebe Christi, die viel besser ist denn alles Wissen.‹«</p> - -<p>»Sonderbar!« sagte St. Clare, sich abwendend, -»daß die Geschichte eines Menschen, der vor achtzehnhundert -Jahren lebte und starb, noch jetzt so tiefen Eindruck -auf die Gemüther machen kann. Aber er war kein -Mensch,« fügte er plötzlich hinzu. »Nie hatte ein Mensch -eine so lange dauernde und lebendige Kraft. O, daß -ich glauben könnte was meine Mutter mich lehrte, und -beten, wie ich es als Knabe konnte!«</p> - -<p>»Wenn Master so gut sein wollte,« sagte Tom - <span class="pagenum"><a id="Page_96">[S. 96]</a></span> -»Miß Eva las dies immer so wunderschön. Ich wünschte, -Master wollte so gut sein und es lesen. Höre jetzt gar -nichts mehr lesen, nun Miß Eva nicht mehr da ist.«</p> - -<p>Es war das eilfte Kapitel Johannis, — die rührende -Scene von der Wiedererweckung des Lazarus. -St. Clare las laut, oft inne haltend, um gewisse Empfindungen -niederzudrücken, die durch das Ergreifende der -Schilderung erregt wurden. Tom kniete vor ihm mit -gefalteten Händen, und mit dem innigsten Ausdrucke von -Liebe, Vertrauen und Anbetung in seinem ruhigen Gesichte.</p> - -<p>»Tom,« sagte sein Herr, »dies ist alles Wirklichkeit -für Dich!«</p> - -<p>»Ich kann es alles deutlich sehen, Master,« entgegnete -Tom.</p> - -<p>»Ich wollte, ich hätte Deine Augen, Tom.«</p> - -<p>»Ich wünschte, bei dem lieben Herrn Jesus, Master -hätte sie.«</p> - -<p>»Aber, Tom, Du weißt, daß ich viel mehr Kenntnisse -besitze als Du; wie, wenn ich Dir sage, daß ich an -diese Bibel nicht glaube?«</p> - -<p>»O Master!« rief Tom, seine Hände mit bittender -Geberde emporhaltend.</p> - -<p>»Würde es nicht Deinen Glauben etwas wankend -machen?«</p> - -<p>»Nicht im Geringsten,« entgegnete Tom.</p> - -<p>»Aber, Tom, Du mußt bedenken, daß ich viel mehr -weiß als Du.«</p> - -<p>»O Master, haben Sie nicht just jetzt gelesen, »Er -hat es den Weisen und Klugen verborgen, und es den -Unmündigen geoffenbaret?« Aber Master war nicht im -Ernste, — gewiß nicht — nicht wahr?« sagte Tom -ängstlich.</p> - -<p>»Nein, Tom, es war nicht mein Ernst. Ich verwerfe -den Glauben nicht, und dennoch kann ich nicht selbst - <span class="pagenum"><a id="Page_97">[S. 97]</a></span> -glauben. Es ist eine unglückliche, böse Gewohnheit, Tom, -die ich angenommen habe.«</p> - -<p>»Wenn Master nur beten wollte!«</p> - -<p>»Woher weißt Du, Tom, daß ich es nicht thue?«</p> - -<p>»Thut Master es?«</p> - -<p>»Ich würde es thun, Tom, wenn Jemand dort wäre, -wenn ich bete; aber alle meine Worte gehen nur in die -Leere hinein. Aber komm, Tom, Du sollst beten, jetzt, -und es mir zeigen, wie.«</p> - -<p>Tom's Herz war voll. Er ließ es ausströmen in -Gebet wie Wasser, die lange zurückgedrängt worden sind. -Eins war klar: Tom glaubte, daß Jemand da sei, der -ihn höre, und St. Clare fühlte sich auf der Fluth seines -Glaubens und Gefühls beinahe bis zu den Pforten des -Himmels hinauf getragen, den Tom so deutlich zu sehen -schien; es war ihm, als wenn er Eva näher gebracht -würde.</p> - -<p>»Danke Dir, mein Junge,« sagte St. Clare, als -Tom aufstand. »Ich höre Dich gern, Tom, aber jetzt -gehe, und verlaß mich; ein anderes Mal wollen wir mehr -mit einander reden.«</p> - -<p class="pmb3">Tom verließ schweigend das Zimmer.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Achtundzwanzigstes_Kapitel">Achtundzwanzigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Wiedervereinigung.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - - -<p>Woche um Woche floß dahin in St. Clare's Hause, -und die Wellen des Lebens nahmen wieder ihren gewöhnlichen -Lauf an, wo jener kleine Nachen untergegangen - <span class="pagenum"><a id="Page_98">[S. 98]</a></span> -war; denn wie gebieterisch, wie kalt, wie gefühllos, wie -gleichgültig bewegt sich nicht das tägliche Leben fort! -Wir müssen essen, trinken, schlafen und wieder erwachen -— wir müssen handeln, kaufen, verkaufen, fragen und -antworten, — kurz, tausend Schatten verfolgen, obgleich -jedes Interesse in ihnen längst verschwunden ist; -denn die kalte, mechanische Gewohnheit des Lebens -bleibt, nachdem jedes lebendige Interesse längst geflohen -ist.</p> - -<p>Alle Hoffnungen und jedes Interesse in St. Clares -Leben hatten sich ihm unbewußt um dieses Kind gewunden. -Für Eva verwaltete er sein Eigenthum; mit -Rücksicht auf Eva hatte er die Eintheilung seiner Zeit -getroffen; und dies oder das für Eva zu thun, — zu -kaufen, zu verbessern, zu verändern und anzuordnen, — -war seit so langer Zeit seine Gewohnheit gewesen, daß -es ihm jetzt, wo sie nicht mehr da war, schien, als -habe er an nichts mehr zu denken, nichts mehr zu -thun.</p> - -<p>Zwar gab es noch ein anderes Leben, — ein Leben, -das, wenn einmal daran geglaubt wird, als eine -so heilige, bedeutungsvolle Ziffer vor den sonst so bedeutungslosen -Zahlen der Zeit steht, daß sie einen geheimnißvollen, -unaussprechlichen Werth dadurch empfangen. -St. Clare wußte dies, und glaubte in mancher -müden Stunde die zarte, kindliche Stimme zu hören, -wie sie ihn zu sich rief, und die kleine Hand zu -sehen, wie sie ihm den Lebensweg vorzeichnete; aber es -lag ein schwerer, lethargischer Schmerz auf ihm, er -konnte sich nicht erheben. St. Clare hatte nie versucht, -sich durch religiöse Vorschriften leiten zu lassen, denn eine -gewisse Feinheit seiner Natur hat ihm einen Blick in -die weite Ausdehnung der Erfordernisse des Christenthums -gegeben, so daß er im Voraus davor zurückbebte. -So inconsequent ist die menschliche Natur, besonders -im Gebiete des Geistigen, daß es ihr besser erscheint, - <span class="pagenum"><a id="Page_99">[S. 99]</a></span> -ein Unternehmen überhaupt gar nicht zu beginnen, als -darin nicht ganz erfolgreich zu sein.</p> - -<p>Dennoch war St. Clare in mancher Beziehung ein -andrer Mensch geworden. Er las in der Bibel seiner -kleinen Eva ernstlich und aufrichtig; er dachte mehr und -reichlicher über das Verhalten gegen seine Dienstboten -nach, — eine Betrachtung, die ihn im höchsten Grade -unzufrieden mit seiner bisherigen und gegenwärtigen -Verfahrungsweise machte; und er that, gleich nach seiner -Rückkehr nach New-Orleans, die nöthigen Schritte, -um Tom's Freilassung zu bewirken, welche erfolgen -sollte, sobald den nöthigen Formalitäten genügt worden -war. Inzwischen schloß er sich jeden Tag mehr und -mehr an Tom an. Nichts in der Welt schien ihn so -sehr an Eva zu erinnern wie Tom; und so verschlossen -und unzugänglich er sonst mit seinen tieferen Gefühlen -war, so legte er sich in Tom's Gegenwart so wenig -Zwang an, daß er beinahe laut dachte. Auch würde -sich Niemand darüber gewundert haben, der den Ausdruck -von Liebe und Ergebenheit sah, mit dem Tom seinem -jungen Herrn überall folgte.</p> - -<p>»Nun, Tom,« sagte St. Clare am Tage, an welchem -die gesetzlichen Förmlichkeiten seiner Freilassung begonnen -hatten, — »ich will Dich jetzt zu einem freien -Menschen machen; — Du kannst also nur Deinen Koffer -packen, und Dich zur Abreise nach Kentucky vorbereiten.«</p> - -<p>Die plötzliche Freude, die in Tom's Gesicht aufleuchtete, -während er seine Hände erhob, und sein Ausruf: -»Gesegnet sei der Herr!« kränkten St. Clare gewissermaßen. -Es gefiel ihm nicht, daß Tom so bereitwillig -war, ihn zu verlassen.</p> - -<p>»Du hast doch so sehr schlimme Zeit hier nicht gehabt, -daß Du in solches Entzücken darüber gerathen -mußt, Tom,« sagte er trocken.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_100">[S. 100]</a></span></p> - -<p>»Nein, nein, Master!, das ist es nicht, — es ist -›ein freier Mensch sein.‹ Darüber freue ich mich.«</p> - -<p>»Wie, Tom, glaubst Du nicht, daß Du, was Dich -allein betrifft, es hier besser gehabt hast, als wenn Du -frei gewesen wärest?«</p> - -<p>»Nein, Master St. Clare,« sagte Tom mit aufloderndem -Enthusiasmus, — »nein, o nein!«</p> - -<p>»Wie, Tom, hättest Du durch Deine eigene Arbeit -Dir solche Kleider und solchen Unterhalt verdienen können, -wie ich Dir gegeben habe?«</p> - -<p>»Weiß das, Master St. Clare; Master ist zu gut -gewesen; aber, Master, ich will lieber schlechte Kleider, -eine kleine Hütte, und Alles dürftig haben, und es -<em class="gesperrt">mein</em> nennen, als das Beste haben, was einem Andern -gehört. — Ich möchte 's so, Master, — ich denke, 's -ist natürlich, Master.«</p> - -<p>»Ich denke, Tom, Du wirst ungefähr in einem -Monat gehen, und mich verlassen können,« sagte St. -Clare etwas unzufrieden. »Aber warum solltest Du 's -auch nicht? — kein Mensch kann es sagen,« fuhr er -plötzlich in heiterem Tone fort, und stand auf, und begann -im Zimmer auf und abzugehen.</p> - -<p>»Nicht, so lange Master St. Clare unglücklich ist,« -sagte Tom. »Ich will bleiben, so lange Master mich nöthig -hat, und ich von Nutzen sein kann.«</p> - -<p>»Nicht, so lange ich unglücklich bin, Tom?« sagte -St. Clare, traurig durch das Fenster blickend. — — -»Und wann glaubst Du, daß mein Unglück aufhören -werde?«</p> - -<p>»Wenn Master St. Clare ein Christ ist,« sagte -Tom.</p> - -<p>»Und Du gedenkst wirklich hier so lange zu bleiben, -bis dieser Tag kommt?« sagte St. Clare halb lächelnd, -während er sich vom Fenster abwandte und seine -Hand auf Tom's Schulter legte. »O Tom, Du guter, -thörichter Bursche! Ich will Dich nicht bis zu dem Tage - <span class="pagenum"><a id="Page_101">[S. 101]</a></span> -halten. Geh' heim zu Deinem Weibe und Deinen Kindern, -und grüße sie alle von mir.«</p> - -<p>»Ich weiß gewiß, daß dieser Tag kommen wird,« -sagte Tom mit Wärme und mit Thränen in den Augen; -»der Herr hat ein Werk für Master.«</p> - -<p>»Ein Werk, wie?« sagte St. Clare; »wohl, Tom, -so gib mir Deine Ansichten darüber, von welcher Art -das Werk sein könne; — laß mich hören.«</p> - -<p>»Wenn ein armer Mensch wie ich sogar ein Werk -für den Herrn verrichten kann, — wie viel mehr kann -Master St. Clare, der Gelehrsamkeit hat, und Reichthümer -und Freunde, für den Herrn wirken!«</p> - -<p>»Tom, Du scheinst anzunehmen, daß der Herr ein -großes Wirken für sich nöthig habe,« sagte St. Clare -lächelnd.</p> - -<p>»Wir wirken für den Herrn, während er für seine -Geschöpfe wirkt,« sagte Tom.</p> - -<p>»Eine gute Theologie, Tom, besser als die, welche -Dr. B.... predigt, — ich möchte darauf schwören,« -entgegnete St. Clare.</p> - -<p>Die Unterhaltung wurde hier durch Besuch, welcher -sich anmelden ließ, unterbrochen.</p> - -<p>Marie St. Clare empfand Eva's Verlust so tief, -wie sie überhaupt etwas empfinden konnte; und da sie -eine Frau war, die es verstand, Jedermann unglücklich -zu machen, wenn sie es selbst war, so hatte ihre unmittelbare -Umgebung noch besondere Gründe, den Verlust -ihrer jungen Mistreß zu betrauern, deren sanfte Fürsprache -so oft für sie ein Schild gegen die Tyrannei und -den selbstsüchtigen Druck ihrer Mutter gewesen war. -Besonders herzbrechend war der Schmerz der armen, -alten Mammy, deren natürliche, häusliche Bande sämmtlich -gelöst waren, und die in jenem liebenswürdigen -Wesen ihren einzigen Trost gefunden hatte. Sie weinte -Tag und Nacht, und war durch ihren übermäßigen -Kummer weniger geschickt und gewandt in ihren Verrichtungen - <span class="pagenum"><a id="Page_102">[S. 102]</a></span> -für die Person ihrer Mistreß, was einen fortwährenden -Sturm von Schmähungen auf ihr schutzloses -Haupt herab rief.</p> - -<p>Miß Ophelia fühlte den Verlust; aber in ihrem -guten, braven Herzen trug er Früchte des ewigen Lebens. -Sie wurde gemäßigter, sanfter in ihrem Wesen, -und obgleich eben so emsig und eifrig in ihren Pflichten -wie früher, zeigte sie doch eine demüthigere, ruhigere -Miene, wie Jemand, der nicht vergeblich mit seinem -Herzen Rath gepflogen hatte. Sie verwendete noch mehr -Fleiß auf den Unterricht Topsy's, — lehrte ihr aus der -Bibel, — scheute sich nicht mehr vor ihrer Berührung -und verrieth keinen Widerwillen mehr gegen sie, denn sie -empfand keinen. Sie betrachtete sie jetzt durch das sanftere -Medium, welches Eva zuerst ihren Augen vorgehalten -hatte, und sah in ihr nur ein unsterbliches Wesen, -welches Gott gesendet hatte, um durch sie zur Herrlichkeit -und zur Tugend geführt zu werden. Topsy wurde -nicht auf einmal eine Heilige; aber das Leben und der -Tod Eva's hatten eine merkliche Veränderung in ihr bewirkt. -Jene verhärtete Gleichgültigkeit war verschwunden, -und an ihrer Stelle zeigten sich jetzt Empfänglichkeit, -Hoffnung, Verlangen und Streben nach dem Guten, -— ein unregelmäßiges und oft unterbrochenes, aber -stets wieder erneuertes Streben.</p> - -<p>Eines Tages, als Topsy von Miß Ophelien gerufen -worden war, kam sie herbei, während sie eiligst etwas in -ihren Busen steckte.</p> - -<p>»Was machst Du da, Du unnützes Ding? Du hast -gewiß etwas gestohlen,« sagte die herrschsüchtige, kleine -Rosa, welche abgesendet worden war, um sie zu holen, -während sie sie zugleich heftig beim Arm ergriff.</p> - -<p>»Laß mich gehen, Rosa!« sagte Topsy, sich von ihr -losreißend; »'s geht Dich gar nichts an!«</p> - -<p>»Keine Ungezogenheit!« sagte Rosa. »Ich hab's gesehen, -daß Du 'was versteckt hast, — ich kenne Deine - <span class="pagenum"><a id="Page_103">[S. 103]</a></span> -Streiche!« Und mit diesen Worten ergriff sie ihren Arm -von Neuem und versuchte ihre Hand in Topsy's Busen -zu zwängen, während Topsy wüthend um sich stieß, und -für das, was sie als ihr Recht ansah, tapfer focht. Das -Geschrei und der Lärm des Kampfes zogen Miß Ophelien -und St. Clare zur Stelle.</p> - -<p>»Sie hat 'was gestohlen!« rief Rosa.</p> - -<p>»'s ist nicht wahr!« schrie Topsy, leidenschaftlich -schluchzend.</p> - -<p>»Gib es mir, was es auch immer sein möge!« sagte -Miß Ophelia mit Festigkeit.</p> - -<p>Topsy zauderte; aber nach einem zweiten Befehle -zog sie aus ihrem Busen ein Paket hervor, welches in -den Fuß eines ihrer alten Strümpfe gewickelt war. Miß -Ophelia öffnete es. Es zeigte sich ein kleines Buch, -welches Topsy von Eva erhalten hatte und welches einen -einzelnen Vers enthielt, der für alle Tage des Jahres -eingerichtet war, und in einem Papiere die Haarlocke, -die Eva ihr an jenem denkwürdigen Tage gegeben, an -dem sie von Allen Abschied genommen hatte.</p> - -<p>St. Clare fühlte sich heftig ergriffen beim Anblicke -derselben. Das kleine Buch war in einen langen Streifen -schwarzen Krepp's gewickelt, der beim Leichenbegängniß -benützt worden war.</p> - -<p>»Warum hast Du <em class="gesperrt">dies</em> um das Buch gewickelt?« -fragte St. Clare, den Kreppstreifen emporhaltend.</p> - -<p>»Weil — weil — weil es von Miß Eva war. O, -bitte, nehmen Sie's nicht fort!« sagte sie, und setzte -sich nieder auf den Fußboden, zog ihre Schürze über -den Kopf und begann heftig zu weinen.</p> - -<p>Es war eine sonderbare Mischung des Pathetischen -und Komischen, — der kleine, alte Strumpf, — schwarzer -Krepp — das Textbuch — sanftes, blondes Haar, -— und Topsy's heftiger Schmerz.</p> - -<p>St. Clare lächelte; aber es schimmerten Thränen in -einem Auge, als er sagte:</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_104">[S. 104]</a></span></p> - -<p>»Still, still, weine nicht! Du sollst Alles wieder -haben!« und mit diesen Worten wickelte er Alles wieder -zusammen, warf es in Topsy's Schooß, und zog Ophelien -in das nächste Zimmer.</p> - -<p>»Ich glaube wirklich, Du kannst aus dem Besteck -noch etwas machen,« sagte er, mit dem Daumen rückwärts -über die Schulter deutend. »Ein Gemüth, das -wirklichen Schmerz empfinden kann, ist des Guten fähig. -Du mußt versuchen, ob Du etwas aus ihr machen -kannst.«</p> - -<p>»Das Kind hat sich wesentlich gebessert,« sagte Miß -Ophelia. »Ich hege große Hoffnungen mit ihr; — aber, -Augustin,« fuhr sie fort, ihre Hand auf seinen Arm legend, -»eins muß ich Dich fragen: wem soll das Kind -gehören, — Dir oder mir?«</p> - -<p>»Nun, ich gab sie Dir,« sagte Augustin.</p> - -<p>»Aber nicht in gesetzlicher Form; — ich möchte sie -in aller Form Rechtens besitzen,« sagte Miß Ophelia.</p> - -<p>»Hoho! Cousine!« sagte Augustin, »was werden -die Abolitionisten davon denken? Die werden einen Bußtag -wegen dieses Abfalls halten, wenn Du eine Besitzerin -von Sklaven wirst!«</p> - -<p>»O Unsinn! Ich will sie nur deßhalb <em class="gesperrt">mein</em> nennen -können, um das Recht zu haben, sie mit mir nach den -Freistaaten zu nehmen und ihr dort die Freiheit zu geben, -damit nicht Alles verloren sei, was ich für sie zu -thun versucht habe.«</p> - -<p>»O Cousine, was für ein schreckliches ›Uebles -thun, daß Gutes daraus komme‹ ist das! Ich kann -das nicht unterstützen!«</p> - -<p>»Du mußt nicht darüber scherzen, sondern die Sache -vernünftig betrachten,« sagte Miß Ophelia. »Alle meine -Bemühungen, dieses Kind zu einem christlichen Kinde zu -machen, sind vergeblich, wenn ich es nicht gegen alle -Zufälle und Gefahren schützen kann, die ihm von der -Sklaverei drohen; und wenn es wirklich Deine Absicht - <span class="pagenum"><a id="Page_105">[S. 105]</a></span> -ist, sie mir eigenthümlich zu überlassen, so mußt Du mir -eine in gesetzlicher Form ausgestellte Urkunde darüber -geben.«</p> - -<p>»Gut, gut,« sagte St. Clare, »ich will es thun;« -worauf er sich setzte, und eine Zeitung zu lesen begann.</p> - -<p>»Aber ich wünschte, daß Du es gleich thätest,« fuhr -Miß Ophelia fort.</p> - -<p>»Wozu ist diese schreckliche Eile?«</p> - -<p>»Weil jetzt grade die einzige Zeit ist, in der etwas -vorgenommen werden kann,« entgegnete Miß Ophelia; -»also komm', Cousin, hier ist Papier, Feder und Tinte; -stelle mir eine Urkunde aus.«</p> - -<p>St. Clare, gleich der Mehrzahl seiner Geistesgenossen, -haßte jede Art gespannter Thätigkeit, und fühlte -sich deßhalb nicht wenig gequält durch Opheliens Offenheit -und Dringlichkeit.</p> - -<p>»Aber was hast Du denn?« sagte er. »Ist Dir -denn mein Wort nicht genügend? Man sollte glauben, -Du wärest bei den Juden in der Lehre gewesen, daß -Du so über einen Menschen herfällst!«</p> - -<p>»Ich will meiner Sache gewiß sein,« entgegnete -Miß Ophelia. »Du kannst sterben oder Dein Vermögen -verlieren, und dann würde Topsy, aller meiner Bemühungen -ungeachtet, fortgerissen und auf den Sklavenmarkt -geschleppt werden.«</p> - -<p>»In der That, Du bist außerordentlich vorsichtig. -Gut, da ich sehe, daß ich doch einmal in der Hand einer -Yanky bin, so muß ich nachgeben,« sagte St. Clare, und -schrieb schnell eine Ueberweisungsurkunde nieder, was -ihm, da er mit den gesetzlichen Formen genau bekannt -war, leicht wurde, unterzeichnete seinen Namen mit großen -Buchstaben und schloß mit einem mächtigen Schnörkel. -»Da, ist das nicht Schwarz auf Weiß?« sagte er, -als er es ihr einhändigte.</p> - -<p>»Bist ein guter Junge,« sagte Miß Ophelia lächelnd, - <span class="pagenum"><a id="Page_106">[S. 106]</a></span> -»aber muß es nicht von einem Zeugen mit unterschrieben -sein?«</p> - -<p>»O Plage! — ja. Hier,« rief er, die Thür von -Marien's Zimmer öffnend, »Marie, Cousine bedarf -Deiner Handschrift; komm', schreibe Deinen Namen -hierher.«</p> - -<p>»Was ist das?« sagte Marie, während sie das -Papier überlief. — »Lächerlich! Ich dachte, Cousine -wäre zu fromm für so schreckliche Dinge,« fügte sie hinzu, -während sie nachlässig ihren Namen unterzeichnete, »aber -wenn sie an dem Artikel Gefallen gefunden hat, so soll -es uns willkommen sein.«</p> - -<p>»Da, nun ist sie Dein mit Leib und Seele,« sagte -St. Clare, ihr das Papier aushändigend.</p> - -<p>»Nicht mehr mein, als sie es zuvor war,« entgegnete -Miß Ophelia. »Niemand als Gott hat das Recht, -sie mir zu geben; aber ich kann sie jetzt beschützen.«</p> - -<p>»Wohl, so gehört sie Dir durch eine Fiktion des -Gesetzes,« sagte St. Clare, während er in sein Zimmer -zurückkehrte und sich wieder zu seiner Zeitung niedersetzte.</p> - -<p>Miß Ophelia, welche sich selten lange in Mariens -Gesellschaft aufhielt, folgte ihm in das Zimmer, nachdem -sie zuvor sorgfältig die Urkunde fortgelegt hatte.</p> - -<p>»Augustin,« sagte sie plötzlich, während sie sich mit -Stricken beschäftigte, »hast Du nie daran gedacht, Verfügungen -irgend einer Art zu Gunsten Deiner Dienstboten -für den Fall Deines Todes zu treffen?«</p> - -<p>»Nein,« entgegnete St. Clare, während er fortfuhr -zu lesen.</p> - -<p>»Dann kann sich alle Deine Nachsicht gegen sie am -Ende als eine große Grausamkeit herausstellen.«</p> - -<p>St. Clare hatte oft dasselbe gedacht, aber er antwortete -nachlässig:</p> - -<p>»Ich habe die Absicht, noch Verfügungen zu treffen.«</p> - -<p>»Wann?« fragte Miß Ophelia.</p> - -<p>»O, dieser Tage.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_107">[S. 107]</a></span></p> - -<p>»Wie aber, wenn Du früher stirbst?«</p> - -<p>»Cousine, was meinst Du?« sagte St. Clare, sein -Papier niederlegend und sie ansehend. »Glaubst Du, daß -ich Symptome des gelben Fiebers oder der Cholera -zeige, daß Du mit solchem Eifer von Verfügungen für -meinen Todesfall sprichst?«</p> - -<p>»»Mitten wir im Leben sind von dem Tod umfangen,«« -recitirte Ophelia.</p> - -<p>St. Clare erhob sich, legte nachlässig seine Zeitung -fort und trat in die offene Thür der Veranda, um einer -Unterhaltung ein Ende zu machen, die ihm nicht angenehm -war. Mechanisch wiederholte er das Wort — -»Tod!« — und während er sich gegen das Geländer -lehnte, und das Steigen und Fallen des Wassers im -Springbrunnen beobachtete, und die Bäume und Blumen -des Hofes wie durch einen feuchten Nebel betrachtete, -wiederholte er wieder und wieder das Wort, welches in -jedem Munde so gewöhnlich und doch von so furchtbarer -Gewalt ist — »<em class="gesperrt">Tod!</em>« »Sonderbar,« sagte er, »daß -es ein solches Wort und einen solchen Gegenstand giebt, -deren wir nie eingedenk sind; daß man heut lebendig, -warm, schön, voll von Hoffnungen und Wünschen und -morgen für immer dahin sein kann!«</p> - -<p>Es war ein warmer, sonniger Abend, und als er -zum andern Ende der Veranda ging, gewahrte er Tom, -welcher eifrigst mit seiner Bibel beschäftigt war, jedes -Wort mit dem Finger verfolgte, und sich selbst mit -ernster Miene zuflüsterte.</p> - -<p>»Soll Dir wohl ein Stückchen lesen, Tom?« sagte -St. Clare, sich nachlässig an seine Seite setzend.</p> - -<p>»Wenn Master so gut sein wollte,« sagte Tom dankbar, -»Master macht es so viel deutlicher.«</p> - -<p>St. Clare nahm das Buch, und begann eine jener -von Tom mit großen Zeichen markirten Stellen zu lesen: -Sie lautete folgendermaßen:</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_108">[S. 108]</a></span></p> - -<blockquote> -<p>»Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird in -seiner Herrlichkeit, und alle heilige Engel mit -ihm, dann wird er sitzen auf dem Stuhle seiner -Herrlichkeit; und werden vor ihm alle Völker -versammelt werden. Und er wird sie von einander -scheiden, gleich als ein Hirte die Schafe -von den Böcken scheidet.«</p> -</blockquote> - -<p>St. Clare las mit erhobener Stimme, bis er an -den letzten Vers kam:</p> - -<blockquote> -<p>»Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner -Linken: ›Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das -ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen -Engeln! Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mich -nicht gespeiset. Ich bin durstig gewesen, und ihr -habt mich nicht getränket. Ich bin ein Gast gewesen, -und ihr habt mich nicht beherberget. Ich -bin nackend gewesen, und ihr habt mich nicht bekleidet. -Ich bin krank und gefangen gewesen, und -ihr habt mich nicht besuchet.‹ Dann werden sie ihm -auch antworten und sagen: ›Herr, wann haben wir -Dich gesehen hungrig, oder durstig, oder einen -Gast, oder nackend, oder krank, oder gefangen, und -wir haben Dir nicht gedienet?‹ Dann wird er ihnen -antworten und sagen: ›Wahrlich, ich sage Euch: -Was ihr nicht gethan habt Einem unter diesen -Geringsten, das habt ihr mir auch nicht gethan.‹«</p> -</blockquote> - -<p>St. Clare schien von dem letzteren Theile der Stelle -tief ergriffen zu sein, denn er las sie zweimal, — das zweite -Mal langsam, als wenn er die Worte im Geiste überdächte.</p> - -<p>»Tom,« sagte er, »die Menschen, die mit so strengen -Maßregeln bedroht werden, scheinen gerade das gethan -zu haben, was ich gethan habe, — ein behagliches, angenehmes -Leben geführt, und sich nicht darum bekümmert, -wie viele von ihren Mitbrüdern hungrig, durstig, krank -oder gefangen seien.«</p> - -<p>Tom antwortete nicht.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_109">[S. 109]</a></span></p> - -<p>St. Clare stand auf und schritt gedankenvoll in der -Veranda auf und ab, alles Andere über seine eignen -Gedanken so sehr vergessend, daß ihn Tom zweimal -daran erinnern mußte, daß die Glocke zum Thee gezogen -worden sei, ehe er seine Aufmerksamkeit erwecken konnte.</p> - -<p>St. Clare blieb während des Thee's abwesend und -gedankenvoll. Nach demselben nahmen er und Marie und -Miß Ophelia von dem Wohnzimmer beinahe schweigend Besitz. -Marie legte sich auf einen Sopha, unter einer seidenen -Moskitodecke, und war bald entschlafen. Miß Ophelia -beschäftigte sich schweigend mit ihrem Strickzeuge, und -St. Clare setzte sich am Piano nieder, und begann eine -sanfte, melancholische Weise zu spielen. Er schien in tiefe -Träumereien versunken zu sein, und durch die Musik mit -sich selbst zu reden. Nach einer kurzen Pause öffnete er -einen Kasten, und nahm ein altes Notenbuch hervor, -dessen Blätter bereits gelb geworden waren, und schlug -es auf.</p> - -<p>»Dieses Buch,« sagte er zu Miß Ophelien, »gehörte -meiner Mutter, — und hier ist ihre Handschrift, — -komm', sieh' her. Sie kopirte und arrangirte dies von -Mozart's Requiem.«</p> - -<p>Miß Ophelia kam.</p> - -<p>»Sie sang dies oft,« fuhr St. Clare fort; »mir ist, -als hörte ich sie noch.«</p> - -<p>Er schlug einige majestätische Accorde an, und begann -die erhabene, alte lateinische Arie, »<span class="antiqua">Dies Irae</span>,« -zu singen.</p> - -<p>Tom, der sich in der äußeren Veranda befand, -wurde durch die Klänge bis an die Thür gezogen, wo -er eifrig horchend stehen blieb. Er verstand natürlich die -Worte nicht; aber die Musik und der Gesang, besonders -in den ausdrucksvolleren Stellen, schienen ihn tief zu -ergreifen. Einen noch größeren Eindruck würde Beides -auf ihn gemacht haben, wenn er den Sinn der schönen -Worte hätte verstehen können:</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_110">[S. 110]</a></span></p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0"><span class="antiqua">Recordare Jesu pie,</span></span> -<span class="i0"><span class="antiqua">Quod sum causa tuae viae</span></span> -<span class="i0"><span class="antiqua">Ne me perdas illa die.</span></span> -<span class="i0"><span class="antiqua">Quaerens me sedisti lassus,</span></span> -<span class="i0"><span class="antiqua">Tantus labor non sit cassus.</span></span> -</div></div> - -<p>St. Clare legte einen tief gefühlten Ausdruck in die -Worte, denn der düstere Schleier der Jahre schien hinweg -gezogen zu sein, und er glaubte noch die Stimme -seiner Mutter zu hören. Stimme und Instrument schienen -lebendig zu sein, und ließen im innigsten Einklange jene -herrlichen Harmonien ausströmen, welche Mozart als sein -eignes Sterbe-Requiem zuerst erdacht hatte.</p> - -<p>Als St. Clare aufgehört hatte, lehnte er einige -Augenblicke seinen Kopf in die Hand, und begann dann -im Zimmer auf und ab zu gehen.</p> - -<p>»Welche erhabene Auffassung ist dies vom jüngsten -Gerichte!« sagte er, — »eine Lösung aller moralischen -Räthsel durch eine unwiderlegliche Weisheit! Es ist in -der That ein herrliches Bild.«</p> - -<p>»Es ist für uns ein schreckliches,« sagte Miß Ophelia.</p> - -<p>»Ich glaube, das sollte es für mich sein,« sagte -St. Clare stillstehend und gedankenvoll. »Ich las diesen -Nachmittag Tom das Kapitel aus dem Matthäus vor, -welches eine Schilderung davon enthält, und ich fühlte -mich tief ergriffen. Man hätte schreckliche Abscheulichkeiten -derjenigen als Grund annehmen sollen, welche von dem -Himmel ausgeschlossen werden; aber nein, — sie sind -verdammt, weil sie <em class="gesperrt">nicht</em> positiv Gutes gethan haben, -als wenn dies schon jedes mögliche Unrecht in sich -schlösse.«</p> - -<p>»So mag es sein,« sagte Miß Ophelia; »es ist -unmöglich für Jemanden, der nicht Gutes thut, kein -Unrecht zu thun.«</p> - -<p>»Und was,« sagte St. Clare sinnend, aber mit -tiefem Gefühle, — »was soll von Jemanden gesagt - <span class="pagenum"><a id="Page_111">[S. 111]</a></span> -werden, der durch sein eignes Herz, seine Erziehung und -die Bedürfnisse der menschlichen Gesellschaft zu edlen -Zwecken aufgefordert worden ist, und der als ein träumerischer, -theilnahmloser Zuschauer bei den Kämpfen, -Leiden und Schmerzen seiner Mitmenschen fortgelebt hat, -während er hätte thätig für sie wirken sollen?«</p> - -<p>»Ich würde sagen,« entgegnete Miß Ophelia, »daß -er bereuen und von nun an beginnen solle.«</p> - -<p>»Immer praktisch und zum Zwecke!« sagte St. -Clare lächelnd. »Du läßt mir nie Zeit zu allgemeinen -Betrachtungen, Cousine; Du stellst mich immer dicht vor -die wirkliche Gegenwart; Du hast eine Art von ewigem -<em class="gesperrt">Jetzt</em> fortwährend im Geiste.«</p> - -<p>»<em class="gesperrt">Jetzt</em> ist auch die einzige Zeit, mit der ich etwas -zu thun habe,« sagte Miß Ophelia.</p> - -<p>»Meine theure, kleine Eva, — armes Kind!« sagte -St. Clare, »sie gedachte in ihrer kleinen schlichten Seele -ein gutes Werk für mich zu thun.«</p> - -<p>Es war das erste Mal seit Eva's Tode, daß er so -viele Worte über sie geäußert hatte, und er unterdrückte -jetzt augenscheinlich, während er sprach, sehr heftige Empfindungen.</p> - -<p>»Meine Ansicht vom Christenthume ist eine solche,« -fuhr er fort, »daß ich der Meinung bin, kein Mensch -kann sich consequenter Weise dazu bekennen, ohne sich -mit aller Macht diesem abscheulichen Systeme von Ungerechtigkeit -entgegen zu werfen, welches allen unsern -gesellschaftlichen Zuständen zu Grunde liegt, und im -Falle der Noth sich selbst im Kampfe dagegen zu opfern. -Ich will damit sagen, daß ich selbst mich unter keinen -andern Bedingungen einen Christen nennen könnte, obgleich -ich mit vielen erleuchteten und christlichen Leuten -Umgang gehabt habe, die es nicht gethan haben; und -ich bekenne, daß die Gleichgültigkeit religiöser Leute über -diesen Punkt, ihr Mangel an Empfänglichkeit für das -Unrecht, welches mich mit Abscheu erfüllte, mehr dazu - <span class="pagenum"><a id="Page_112">[S. 112]</a></span> -beigetragen haben, Unglauben in mir zu erwecken, als -irgend ein anderer Umstand.«</p> - -<p>»Wenn Du alles dieß wußtest,« sagte Miß Ophelia, -»warum hast Du es nicht gethan?«</p> - -<p>»O, weil ich nur diejenige Art von Wohlwollen -besitze, welche darin besteht, daß ich auf dem Sopha -liege und die Kirche und alle Geistlichen verdamme, weil -sie nicht Märtyrer und Bekenner in diesem Sinne sind. -Man kann natürlich sehr leicht sehen, wie Andere Märtyrer -sein sollten.«</p> - -<p>»Wohl, willst Du von nun an anders handeln?« -fragte Miß Ophelia.</p> - -<p>»Gott allein kennt die Zukunft,« entgegnete St. -Clare. »Ich bin besser als ich war, weil ich Alles verloren -habe; und der, welcher nichts mehr zu verlieren -hat, kann sich leicht allen Gefahren aussetzen.«</p> - -<p>»Und was willst Du jetzt thun?«</p> - -<p>»Meine Pflicht, hoffe ich, gegen die Armen und -Niedrigen, so weit ich sie erkennen kann,« sagte St. -Clare, »und ich will mit meinen eignen Sklaven anfangen, -für die ich bis jetzt nichts gethan habe; und zu -einem späteren Zeitpunkte kann es sich vielleicht zeigen, -daß ich etwas für eine ganze Klasse thun kann, — etwas, -um mein Vaterland von der Schande jener unrichtigen -Stellung zu befreien, in der es jetzt vor allen -civilisirten Nationen steht.«</p> - -<p>»Hältst Du es für möglich, daß eine Nation jemals -von freien Stücken emancipiren werde?« sagte Miß -Ophelia.</p> - -<p>»Ich weiß nicht,« entgegnete St. Clare. »Es ist -jetzt eine Zeit großer Handlungen. Heroismus und Uneigennützigkeit -erheben sich hier und dort auf der Erde. -Der ungarische Adel hat mit einem ungeheuren Geldverluste -Millionen von Sklaven freigelassen; und vielleicht -finden sich auch unter uns edelmüthige Seelen, die - <span class="pagenum"><a id="Page_113">[S. 113]</a></span> -Ehre und Gerechtigkeit nicht nach Dollarn und Cents -abschätzen.«</p> - -<p>»Ich glaube kaum,« bemerkte Miß Ophelia.</p> - -<p>»Aber angenommen, wir erhöben uns morgen und -emancipirten, — wer würde diese Millionen erziehen, -und ihnen lehren ihre Freiheit richtig zu gebrauchen? -Wir selbst sind zu träge und unpraktisch, um ihnen eine -Idee von der Industrie und Energie beizubringen, welche -erforderlich sind, um sie zu Menschen zu machen. Sie -werden nach Norden gehen müssen, wo Arbeit an der -Tagesordnung, allgemeine Sitte ist; und sage mir nun, -herrscht in Euren nordischen Staaten genug christliche -Menschenliebe, um den Prozeß ihrer Erziehung und -Heranbildung zu unternehmen? Ihr sendet Tausende -von Dollarn nach fernen Missionen, aber würdet Ihr -erlauben, daß die Heiden in Eure eignen Städte und -Dörfer gesendet würden, und Eure Zeit, Ueberlegung -und Geld daran wenden, um sie nach christlichen Principien -zu bilden? Das ist's, was ich gerne wissen -möchte! Wenn wir emancipiren, seid Ihr dann bereit -zu erziehen? Wie viele Familien in Eurer Stadt würden -wohl einen Neger oder eine Negerin in ihr Haus -nehmen, sie unterrichten, und zu Christen machen? Wie -viele Kaufleute würden sich wohl bereit finden lassen, -den Adolph aufzunehmen, wenn ich einen Commis aus -ihm machen, — oder Handwerker, wenn ich ihn ein -Handwerk lernen lassen wollte? Wenn ich die Absicht -hätte, Rosa und Jane in eine Schule zu bringen, wie -viele Schulen würden sich in den nördlichen Staaten -wohl finden, die sie annähmen, wie viele Familien, die -sie in Kost zu nehmen bereit wären? Und dennoch -sind sie so weiß wie irgend ein Frauenzimmer im Norden -oder Süden. Du siehst, Cousine, ich will nur, daß -man uns Gerechtigkeit widerfahren lasse. Wir befinden -uns in einer bösen Lage. Wir sind die mehr sichtbaren - <span class="pagenum"><a id="Page_114">[S. 114]</a></span> -Bedrücker der Neger, aber das unchristliche Vorurtheil -des Nordens ist ein eben so harter Tyrann.«</p> - -<p>»Ich weiß, es ist so, Cousin,« entgegnete Miß -Ophelia, — »ich weiß, es war mir selbst so, bis -ich es für meine Pflicht hielt, das Gefühl zu unterdrücken; -aber ich hoffe, ich habe es unterdrückt, und ich -weiß, daß es im Norden viele gute Menschen gibt, die -über diesen Gegenstand nur belehrt zu werden brauchen, -um ihre Pflicht zu erkennen und zu erfüllen. Es würde -jedenfalls eine größere Selbstverläugnung sein, Heiden -unter uns aufzunehmen, als ihnen Missionäre zuzusenden; -aber ich glaube, wir würden es thun.«</p> - -<p>»<em class="gesperrt">Du</em> würdest es thun, das weiß ich!« sagte St. -Clare. »Ich möchte wissen, was Du nicht thun würdest, -sobald Du es für Deine Pflicht hieltest!«</p> - -<p>»Ich bin nicht so außerordentlich gut,« entgegnete -Miß Ophelia. »Andere würden es eben so wohl thun, -wenn sie die Sachen so ansähen wie ich. Wenn ich nach -Hause reise, soll Topsy mit mir gehen. Ich glaube -gern, unsere Leute werden sich anfangs wundern; aber -sie werden bald dahin gelangen, die Sache eben so zu -betrachten wie ich. Ueberdieß weiß ich, daß es Viele -im Norden gibt, die grade das thun, was Du sagst.«</p> - -<p>»Ja, aber es ist nur die Minorität; und wenn wir -jemals anfangen sollten, zu emancipiren, so würden -wir bald von Dir hören.«</p> - -<p>Miß Ophelia antwortete nicht. Es herrschte einige -Augenblicke lang eine Pause, und St. Clare's Gesicht -hatte einen melancholischen, träumerischen Ausdruck angenommen.</p> - -<p>»Ich weiß nicht, was mich heut Abend so unaufhörlich -an meine Mutter erinnert,« sagte er. »Ich habe -ein sonderbares Gefühl, als ob sie mir nahe wäre; und -ich denke fortwährend an Dinge, die sie mir gesagt hat. -Woher kommt es nur, daß zuweilen vergangene Zeiten -so lebhaft vor unsere Erinnerung geführt werden?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_115">[S. 115]</a></span></p> - -<p>Mehrere Minuten lang schritt St. Clare im Zimmer -auf und ab, und sagte dann:</p> - -<p>»Ich will einige Augenblicke die Straße hinauf -gehen, und hören, was für Neuigkeiten es gibt.«</p> - -<p>Er nahm seinen Hut und ging hinaus.</p> - -<p>Tom folgte ihm bis in den Hof, und fragte ihn, -ob er ihn begleiten solle?</p> - -<p>»Nein, mein Junge,« sagte St. Clare, »in einer -Stunde bin ich wieder zu Hause.«</p> - -<p>Tom setzte sich in der Veranda nieder. Es war -ein schöner, mondheller Abend. Er betrachtete das -Steigen und Fallen des Springbrunnens, horchte seinem -Plätschern und dachte an seine Heimath, und daß -er nun bald ein freier Mensch sein werde, und nach -Belieben dahin zurückkehren könne. Er dachte daran, -wie er arbeiten werde, um seine Frau und seine Kinder -loskaufen zu können; er befühlte mit einer Art -Freude die Muskeln seiner sehnigen Arme, und dachte, -daß diese ihm nun bald selbst gehören würden, und wie -viel sie für die Freiheit seiner Familie würden arbeiten -können. Dann dachte er an seinen edlen jungen Herrn, -und als unmittelbare Folge davon sprach er das gewohnte -Gebet für ihn; und dann wendeten sich seine -Gedanken der schönen, kleinen Eva zu, die er jetzt unter -den Engeln vermuthete; und dachte daran so lange, bis -es ihm beinahe vorkam, als ob der goldene Kopf mit -dem klaren Gesichtchen aus dem Schaume des Springbrunnens -auf ihn nieder blicke. Und so sinnend schlief -er ein, und träumte, er sehe sie, nach ihrer gewohnten -Weise, zu sich gesprungen kommen, mit einem Jasminkranz -im Haare, glänzende Wangen und vor Freude -strahlenden Augen. Aber während er sie betrachtete, -schien sie aus der Erde aufzusteigen; ihre Wangen waren -bleicher, — aus ihren Augen leuchtete ein tiefer, -göttlicher Strahl, ihren Kopf umgab ein goldener Heiligenschein, -— und sie verschwand vor seinen Augen; - <span class="pagenum"><a id="Page_116">[S. 116]</a></span> -und in demselben Augenblick wurde Tom durch ein -lautes Pochen und den Klang vieler Stimmen aus seinen -Träumen erweckt.</p> - -<p>Er beeilte sich, das Thor zu öffnen, worauf mehrere -Männer mit gedämpften Stimmen und schwerem -Tritte eintraten, welche einen, durch ein schwarzes Tuch -bedeckten und auf einer Bahre liegenden Körper trugen. -Das Lampenlicht fiel auf das Gesicht desselben, und Tom -stieß einen wilden, gellenden Schrei des Schreckens aus, -der durch alle Gallerien scholl, während die Männer -mit ihrer Bürde sich dem offenen Wohnzimmer näherten, -wo Miß Ophelia mit Stricken beschäftigt saß.</p> - -<p>St. Clare war in ein Caffehaus getreten, um die -Abendzeitung zu lesen. Während er damit beschäftigt -war, hatte sich zwischen zwei etwas berauschten Herrn -im Zimmer ein Streit erhoben. St. Clare mit einigen -andern der Anwesenden versuchte sie zu trennen, und empfing -dabei einen Stich mit einem Jagdmesser, welches -er einem der Streitenden zu entringen bemüht war.</p> - -<p>Das Haus füllte sich mit Geschrei, Klagen und -Lamentationen; und die Dienstboten rauften sich ihr -Haar, und warfen sich auf den Boden nieder oder rannten -wie wahnsinnig umher. Tom und Miß Ophelia -allein schienen etwas Geistesgegenwart bewahrt zu haben, -denn Marie lag in heftigen hysterischen Krämpfen. -Auf Miß Opheliens Anordnung wurde eins der Kanapees -im Zimmer zu einem Bettlager umgeschaffen, und -die blutende Gestalt darauf gelegt. St. Clare war -durch Schmerz und Blutverlust ohnmächtig geworden; -allein, als Miß Ophelia Wiederbelebungsmittel anwandte, -kam er wieder zu sich, schlug die Augen auf, und schaute -sich aufmerksam im Zimmer um, während seine Blicke -sinnend von einem Gegenstande zum andern wanderten, -und endlich am Bilde seiner Mutter hängen blieben.</p> - -<p>Der Arzt kam jetzt, und nahm seine Untersuchung -vor. Es war in seinem Gesichte deutlich zu lesen, daß - <span class="pagenum"><a id="Page_117">[S. 117]</a></span> -keine Hoffnung vorhanden sei; allein er begann die Wunde -zu verbinden, und er fuhr mit dieser Arbeit, unter Miß -Opheliens und Tom's Beihülfe, ruhig fort, während die -erschreckten Dienstboten sich schluchzend und schreiend um -die Fenster und Thüren der Veranda drängten.</p> - -<p>»Jetzt,« sagte der Arzt, »müssen wir alle diese Geschöpfe -entfernen, denn Alles hängt von der äußersten -Ruhe ab.«</p> - -<p>St. Clare öffnete seine Augen und blickte starr auf -die trostlosen Wesen, welche Miß Ophelia und der Arzt -aus dem Zimmer zu entfernen bemüht waren. »Arme Geschöpfe!« -sagte er, mit dem Ausdrucke bitteren Vorwurfes -gegen sich selbst. Adolph verweigerte positiv zu gehen. -Der Schrecken hatte ihm alle Besinnung geraubt; er warf -sich auf den Erdboden, und nichts konnte ihn vermögen, -wieder aufzustehen. Die Uebrigen gaben Miß Opheliens -dringenden Vorstellungen nach, daß das Leben -ihres Herrn von ihrer Ruhe und ihrem Gehorsam abhänge.</p> - -<p>St. Clare konnte nur wenig sagen; er lag mit geschlossenen -Augen da, aber kämpfte augenscheinlich mit -bitteren Gedanken. Nach einer Weile legte er seine Hand -auf die Tom's, der an seiner Seite kniete, und sagte: -»Tom! armer Mensch!«</p> - -<p>»Was, Master?« sagte Tom mit innigem Tone.</p> - -<p>»Ich sterbe!« entgegnete St. Clare, seine Hand -drückend, — »bete!«</p> - -<p>»Verlangen Sie vielleicht nach einem Geistlichen?« -sagte der Arzt.</p> - -<p>St. Clare schüttelte unruhig mit dem Kopfe und -wiederholte in noch dringenderem Tone zu Tom gewendet: -»bete!«</p> - -<p>Und Tom begann zu beten, aus vollem Herzen, -für die Seele, die im Begriff war zu scheiden, — die -Seele, die so ruhig und so traurig aus den großen, -melancholischen, blauen Augen blickte. Es war im eigentlichsten - <span class="pagenum"><a id="Page_118">[S. 118]</a></span> -Sinne des Wortes »ein Gebet unter Schreien -und Thränen.«</p> - -<p>Als Tom aufgehört hatte, ergriff St. Clare seine -Hand, und blickte ihn wehmüthig an, aber sagte nichts. -Er schloß seine Augen, aber hielt seine Hand fest, denn -vor den Thoren der Ewigkeit ruhen die schwarze und -die weiße Hand mit gleich warmem Drucke in einander. -Er murmelte leise und mit Unterbrechungen vor sich -hin:</p> - -<p> -<span class="antiqua">»Recordare Jesu pie —</span><br /> -</p> -<hr class="tb" /> -<p> -<span class="antiqua">Ne me perdas — illa die</span><br /> -<span class="antiqua">Quaerens me — sedisti lassus.«</span><br /> -</p> - -<p>Es war deutlich erkennbar, daß die Worte, welche -er am Nachmittage gesungen hatte, seinem Geiste vorschwebten, -— Worte der Bitte an eine unendliche -Barmherzigkeit gerichtet. Seine Lippen bewegten sich -mit Unterbrechungen, während Bruchstücke der Hymne -von seinen Lippen flossen.</p> - -<p>»Sein Geist irrt umher,« sagte der Arzt.</p> - -<p>»Nein, er geht endlich <em class="gesperrt">heim</em>!« sagte St. Clare -mit Nachdruck; »endlich! endlich!«</p> - -<p>Die Anstrengungen, die er machte, um zu sprechen, -erschöpften ihn. Allmählig überzog Todesblässe sein -Gesicht; aber mit ihr nahmen seine schönen Züge einen -sanften Ausdruck des Friedens an, wie den eines müden -Kindes, welches einschlafen will.</p> - -<p class="pmb3">So lag er einige Augenblicke. Die Umstehenden -sahen, daß die mächtige Hand ihn bereits berührt habe. -Kurz zuvor, ehe sein Geist entfloh, öffnete er seine Augen -mit einem Glanze, aus dem die Freude der Wiedererkennung -strahlte, und mit dem Ausrufe: »Mutter!« -verschied er.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_119">[S. 119]</a></span></p> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Neunundzwanzigstes_Kapitel">Neunundzwanzigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Die Schutzlosen.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - - -<p>Wir hören oft von dem unglücklichen Zustande der -Negersklaven beim Verluste eines guten Herrn, und -nicht ohne Grund, denn kein Wesen auf Gottes Erde -ist schutzloser und verlassener, als ein Sklave unter -solchen Umständen.</p> - -<p>Das Kind, welches einen Vater verloren hat, genießt -noch den Schutz der Verwandten und des Gesetzes; -es ist Etwas, und kann Etwas thun, — hat eine anerkannte -Stellung und Rechte; der Sklave hat keine. Das -Gesetz sieht ihn in jeder Beziehung als so rechtlos an -wie einen Ballen Waare. Die einzig mögliche Anerkennung -seiner Wünsche und Bedürfnisse, als eines menschlichen -und unsterblichen Wesens, welche ihm werden -kann, muß durch den souveränen und unverantwortlichen -Willen seines Herrn erfolgen. Die Zahl derjenigen -Menschen, welche eine ohne jede Verantwortlichkeit verliehene -Gewalt mit Menschlichkeit und Edelmuth auszuüben -verstehen, ist nur klein. Jedermann weiß das, -und der Sklave weiß es am besten, daß er eher zehn -grausame und tyrannische Herren, als einen milden und -gütigen findet. Deßhalb ist die Klage um einen menschenfreundlichen -Herrn so laut und so anhaltend, wie es -nicht anders sein kann.</p> - -<p>Als St. Clare verschieden war, hatten Schrecken -und Bestürzung das ganze Hausgesinde ergriffen. Er -hatte seinen Tod so plötzlich, in der Blüthe der Kraft -und Jugend gefunden. Jedes Zimmer und jede Gallerie - <span class="pagenum"><a id="Page_120">[S. 120]</a></span> -des Hauses widerhallte von Schluchzen und Geschrei.</p> - -<p>Marie, deren reizbares Nervensystem durch eine -fortwährende Verweichlichung gänzlich geschwächt worden -war, hatte nichts mehr, um einen so plötzlichen Schlag -ertragen zu können, und verfiel, während ihr Gatte -seinen Geist aufgab, von einer Ohnmacht in die andere, -so daß er aus diesem Leben schied, ohne derjenigen, die -mit ihm durch das enge Band der Ehe verbunden war, -auch nur ein Abschiedswort sagen zu können.</p> - -<p>Miß Ophelia war mit der ihr eigenthümlichen -Stärke und Selbstbeherrschung bis zum letzten Augenblicke -bei ihrem Blutsverwandten geblieben, — ganz -Auge, ganz Ohr, ganz Aufmerksamkeit, hatte sie Alles -gethan, was geschehen konnte, und hatte von ganzem Herzen -in das weiche, inbrünstige Gebet mit eingestimmt, -welches der arme Sklave für die Seele seines sterbenden -Herrn zum Himmel gerichtet hatte.</p> - -<p>Als man ihn zu seiner letzten Ruhe vorbereitete, -wurde auf seiner Brust ein Miniaturgemälde in einem -kleinen, einfachen Futterale gefunden, welches sich mittelst -einer Feder öffnete. Es war das Portrait eines -edlen und schönen weiblichen Gesichtes, und auf der -Rückseite befand sich unter einem Krystallglase eine Locke -dunklen Haares. Man legte Beides zurück auf seine -kalte Brust, — Staub zu Staub, — traurige Ueberreste -jugendlicher Träume, die einst dieses kalte Herz so -warm schlagen ließen!</p> - -<p>Tom's ganze Seele war mit Gedanken an die Ewigkeit -erfüllt; und während er um die sterblichen Ueberreste -seines Herrn beschäftigt war, dachte er nicht einen Augenblick -daran, daß dieser plötzliche Schlag ihn hoffnungsloser -Sklaverei überwiesen habe. Er war beruhigt über -seinen Herrn; denn in jener Stunde, wo das inbrünstige -Gebet zum Vater seinen Lippen entströmt war, hatte er -als Antwort darauf das Gefühl einer ruhigen Zuversicht - <span class="pagenum"><a id="Page_121">[S. 121]</a></span> -in seiner Brust empfunden. In den Tiefen seines eigenen -gefühlvollen Gemüths fühlte er sich fähig, Spuren von -der Fülle der göttlichen Liebe zu entdecken; denn ein -alter Spruch sagt: »Wer in der Liebe bleibet, der bleibet -in Gott, und Gott in ihm.« Tom hoffte, und vertraute, -und war ruhig.</p> - -<p>Das Begräbniß ging vorüber mit allem Prunke von -schwarzem Krepp, Gebeten und feierlichen Gesichtern; -und die kalten, trüben Wellen des täglichen Lebens rollten -zurück, und die ewige, harte Frage drängte sich auf: -»Was soll nun geschehen?« Sie drängte sich dem Geiste -Mariens auf, als sie in leichten Morgengewändern, umgeben -von angstvollen Dienstboten, in einem bequemen -Armstuhle saß, und verschiedene Muster von Krepp und -Bombasin untersuchte. Sie drängte sich Miß Ophelien -auf, welche begann, ihre Gedanken ihrer nördlichen Heimath -zuzuwenden; und sie drängte sich mit geheimen Schrecken -den Geistern der Sklaven auf, welche den gefühllosen, -tyrannischen Charakter ihrer Mistreß, in deren Händen -sie jetzt allein waren, kannten. Alle wußten sehr wohl, -daß die Nachsicht, deren sie sich bisher erfreut hatten, -nicht von ihrer Mistreß, sondern nur von ihrem Herrn -ausgegangen war, und daß von nun an, wo er todt -war, kein Schutz und Schirm mehr zwischen ihnen und -jeder tyrannischen Maßregel vorhanden sei, welche ein -durch Leiden verbittertes Gemüth ersinnen konnte.</p> - -<p>Es war ungefähr vierzehn Tage nach dem Leichenbegängniß, -daß Ophelia eines Tages, als sie in ihrem -Zimmer beschäftigt war, ein leises Klopfen an ihre Thür -hörte. Sie öffnete, und vor ihr stand Rosa, die niedliche, -kleine Mulattin, deren wir schon früher öfters erwähnt -haben, mit verstörten Haaren und verweinten -Augen.</p> - -<p>»O, Miß Feely!« rief sie, auf ihre Kniee fallend, -und den Saum von Opheliens Kleide fassend, — »bitte, -bitte, gehen Sie zu Miß Marien für mich! und bitten - <span class="pagenum"><a id="Page_122">[S. 122]</a></span> -Sie für mich! Sie will mich fortschicken, um gepeitscht -zu werden, — sehen Sie hier!« Und sie händigte Miß -Ophelien ein Papier ein.</p> - -<p>Es war ein Befehl, welcher in Mariens zarter, -italienischer Hand an den Vorsteher des Stockhauses geschrieben -war, und den Auftrag enthielt, der Ueberbringerin -fünfzehn Hiebe zu ertheilen.</p> - -<p>»Was hast Du gethan?« fragte Miß Ophelia.</p> - -<p>»Sie wissen, Miß Feely, ich habe ein so hitziges -Temperament; — es ist recht häßlich von mir. Ich -paßte Mistreß Marien ein Kleid an, und sie schlug mir -ins Gesicht, und ich sprach, ehe ich dachte, und war ungezogen; -und da sagte sie, sie wolle mich herunterbringen, -und ich solle ein für allemal wissen, daß ich nicht mehr -so verwegen sein dürfe, wie ich immer gewesen wäre; -und sie schrieb dies und sagte, ich solle es hintragen. -Ich wollte lieber, sie brächte mich auf der Stelle um.«</p> - -<p>Miß Ophelia überlegte, mit dem Papier in der -Hand.</p> - -<p>»Sehen Sie, Miß Feely,« sagte Rosa, »ich würde -nicht so viel nach den Hieben fragen, wenn Miß Marie -oder Sie sie mir gäben; aber, an einen <em class="gesperrt">Mann</em> geschickt -zu werden! — und solchen schrecklichen Mann, o, die -Schande, Miß Feely!«</p> - -<p>Miß Ophelia wußte recht wohl, daß es allgemeine -Sitte war, Frauen und junge Mädchen nach den Stockhäusern -zu schicken und sie dort den Händen der niedrigsten -Menschen zu übergeben, — Menschen, die roh genug -waren, dies zu ihrem Geschäfte zu machen, — um dort -gepeitscht und der schamlosesten Bloßstellung preisgegeben -zu werden. Sie wußte dies, aber hatte sich bisher nie -selbst davon überzeugt, bis sie die zarte Gestalt Rosa's -jetzt in fast krampfhaftem Schmerze vor sich stehen und -beben sah. Alles Gefühl von Weiblichkeit, das in Neu-England -so kräftige Gefühl für Freiheit röthete ihre -Wangen und ließ ihr Herz im höchsten Unwillen heftiger - <span class="pagenum"><a id="Page_123">[S. 123]</a></span> -schlagen; allein, mit gewohnter Klugheit und Selbstbeherrschung -unterdrückte sie ihr Gefühl, und sagte nur, -während sie das Papier in ihrer Hand zerdrückte, zu -Rosa:</p> - -<p>»Setze Dich hier, Kind, während ich zu Deiner -Mistreß gehe.«</p> - -<p>»Schändlich! abscheulich!« sagte sie zu sich selbst, -während sie durch das Zimmer ging.</p> - -<p>Sie fand Marien in ihrem Armstuhle sitzend, und -Mammy neben ihr stehend und beschäftigt, ihr Haar zu -kämmen, während Jane am Boden saß, zu ihren Füßen, -und diese zu wärmen bemüht war.</p> - -<p>»Wie befinden Sie sich heut?« sagte Miß Ophelia.</p> - -<p>Ein tiefer Seufzer, wobei sie ihre Augen schloß, -war Marien's einzige Antwort im ersten Augenblicke; -dann fuhr sie fort: »O, ich weiß nicht, Cousine; ich -glaube, ich befinde mich so wohl, wie ich überhaupt sein -kann!« wobei sie ihre Augen mit einem weißen Taschentuch -trocknete, welches eine zollbreite, schwarze Einfassung -hatte.</p> - -<p>»Ich kam,« sagte Miß Ophelia mit einem kurzen, -trockenen Husten, von dem gewöhnlich die Einführung -eines schwierigen Gegenstandes begleitet wird, — »ich -kam hierher, um mit Ihnen über die arme Rosa zu -sprechen.«</p> - -<p>Bei diesen Worten öffneten sich Marien's Augen -weit genug, und ihre bleichen Wangen rötheten sich, -während sie mit scharfer Stimme antwortete:</p> - -<p>»Nun, was ist's mit ihr?«</p> - -<p>»Sie bereut ihren Fehler sehr.«</p> - -<p>»Wirklich? Sie wird ihn wahrscheinlich noch mehr -bereuen, ehe ich mit ihr ganz fertig bin! Ich habe die -Unverschämtheit dieses Kindes lange genug ertragen, und -will sie jetzt demüthig machen, — sie soll mir im Staube -liegen!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_124">[S. 124]</a></span></p> - -<p>»Aber könnten Sie sie nicht auf irgend eine andere -Weise bestrafen, — die weniger die Scham verletzte?«</p> - -<p>»Das ist grade meine Absicht; sie soll sich schämen. -Sie hat sich ihr ganzes Leben so viel auf ihre Zartheit -zu gut gethan, auf ihr hübsches Gesicht, und auf ihre -feinen Manieren, bis sie endlich ganz vergessen hat, wer -und was sie eigentlich ist. Ich will ihr jetzt eine Lehre -geben, die sie zur Besinnung bringen wird, wie ich -hoffe!«</p> - -<p>»Aber, Cousine, bedenken Sie doch, daß wenn Sie -in einem jungen Mädchen das Schamgefühl und Zartgefühl -vernichten, Sie sie augenblicklich gänzlich verderben.«</p> - -<p>»Zartgefühl!« sagte Marie mit verächtlichem Lachen, -— »ein schönes Wort für so Eine, wie sie ist! Ich will -ihr, mit allen ihren feinen Manieren, lehren, daß sie nichts -Besseres ist, als das zerlumpteste schwarze Mensch, das -sich auf den Straßen umhertreibt! Sie soll sich mir -gegenüber keine Miene mehr geben!«</p> - -<p>»Sie werden Gott Rechenschaft geben müssen über -solche Grausamkeit!« sagte Miß Ophelia mit Nachdruck.</p> - -<p>»Grausamkeit, — ich möchte wissen, wo hier Grausamkeit -ist! Ich schrieb einen Befehl für fünfzehn Hiebe, -und bemerkte ausdrücklich, daß sie leicht gegeben werden -sollten. Ich dächte, das wäre keine Grausamkeit!«</p> - -<p>»Keine Grausamkeit!« sagte Miß Ophelia. »Ich -bin gewiß, daß jedes junge Mädchen sich lieber geradezu -umbringen ließe!«</p> - -<p>»So mag es jemanden von Ihrem Gefühle erscheinen, -aber alle diese Geschöpf sind daran gewöhnt; -denn es ist der einzige Weg, auf dem sie in Ordnung -gehalten werden können. Erlauben Sie ihnen nur ein -einziges Mal Mienen von Zartgefühl und dergleichen -anzunehmen, und Sie haben sie alle auf dem Halse, grade -wie es meine Dienstboten mit mir gemacht haben. Ich -habe jetzt angefangen, sie wieder zur Unterwürfigkeit zu -bringen; und sie sollen mir alle wissen, daß ich jeden, - <span class="pagenum"><a id="Page_125">[S. 125]</a></span> -ohne Unterschied, will auspeitschen lassen, wenn sie sich -nicht in Acht nehmen!« sagte Marie, während sie sich -mit einem sehr determinirten Blicke unter den Anwesenden -umsah.</p> - -<p>Jane ließ bei diesen Worten erschreckt ihren Kopf -hängen, denn es war ihr, als seien diese Worte besonders -an sie gerichtet. Miß Ophelia saß einige Augenblicke -da, als wenn sie eine explodirende Mixtur eingenommen -hätte, und im Begriffe sei zu bersten; sodann -aber die völlige Nutzlosigkeit jedes ferneren Streites mit -einer solchen Natur in Betracht ziehend, preßte sie entschlossen -ihre Lippen zusammen, erhob sich, und verließ -das Zimmer.</p> - -<p>Es war für sie eine harte Aufgabe, zu Rosa zurückzugehen, -und ihr zu sagen, daß sie nichts habe für sie -thun können; und gleich darauf erschien ein männlicher -Sklave mit dem Befehle seiner Mistreß, Rosa nach dem -Stockhause zu bringen, wohin sie, ihrer Thränen und -Bitten ungeachtet, unverzüglich geschleppt wurde.</p> - -<p>Wenige Tage nachher stand Tom sinnend an einem -der Balkone, als Adolph zu ihm trat, der seit dem Tode -seines Herrn im höchsten Grade niedergeschlagen und -trostlos gewesen war. Adolph wußte, daß er von jeher -für Marien ein Gegenstand des Widerwillens gewesen -war; allein so lange sein Herr lebte, hatte er sich wenig -darum gekümmert. Jetzt, da er todt war, bewegte er -sich in täglichem Zittern und Beben umher, ohne zu wissen, -welches Schicksal ihn zunächst treffen werde. Marie -hatte vielfache Consultationen mit ihrem Rechtsanwalte -gehalten, und man war endlich, nachdem auch St. Clare's -Bruder zur Berathung gezogen worden war, dahin übereingekommen, -daß die Besitzung und sämmtliche Sklaven -verkauft werden sollten, mit alleiniger Ausnahme der ihr -persönlich zugehörigen, mit denen sie nach der Pflanzung -ihres Vaters zurückzukehren beabsichtigte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_126">[S. 126]</a></span></p> - -<p>»Weißt Du, Tom, daß wir Alle verkauft werden -sollen?« sagte Adolph.</p> - -<p>»Wo hast Du das gehört?« entgegnete Tom.</p> - -<p>»Ich hatte mich hinter den Gardinen versteckt, als -Missis mit dem Anwalte sprach. In wenigen Tagen -sollen wir Alle zur Auktion geschickt werden,« sagte -Adolph.</p> - -<p>»Des Herrn Wille geschehe!« erwiderte Tom mit -schwerem Seufzer, seine Hände faltend.</p> - -<p>»Wir werden nie einen solchen Herrn wieder bekommen,« -fuhr Adolph furchtsam fort; »aber ich will doch -lieber verkauft werden, als bei Missis bleiben.«</p> - -<p>Tom wandte sich ab, — sein Herz war schwer. Die -Hoffnung auf Freiheit, der Gedanke an sein fernes Weib -und seine Kinder stieg vor seiner geduldigen Seele auf, -wie vor dem Seemanne, der dicht vor dem Hafen noch -Schiffbruch leidet, der Kirchthurm und die geliebten -Dächer seines heimatlichen Dorfes aufsteigen, die er nur -über den Gipfel einer schwarzen Welle hinweg sieht, um -ihnen für immer Lebewohl zu sagen. Er zog seine Arme -dicht über die Brust zusammen und drückte die andringenden, -bitteren Thränen zurück, und versuchte zu beten. -Die arme, alte Seele hatte eine so unerklärliche Liebe -zur Freiheit, daß es ein harter Kampf für ihn war; -und je öfter er sagte: »Dein Wille geschehe!« desto -schwerer wurde ihm das Herz.</p> - -<p>Er suchte Miß Ophelien auf, die seit Eva's Tode -ihn stets mit besonderer Güte und Achtung behandelt hatte.</p> - -<p>»Miß Feely,« sagte er, »Master St. Clare versprach -mir meine Freiheit. Er sagte mir, daß er den -Anfang dazu gemacht habe; und wenn nun vielleicht -Miß Feely so gut sein wollte, ein Wort für mich mit -Missis zu sprechen, so würde sie vielleicht das thun, was -Mr. St. Clare's Wille war.«</p> - -<p>»Ich will für Dich sprechen, Tom, und mein Bestes -thun,« sagte Miß Ophelia; »allein, wenn es von Mrs. - <span class="pagenum"><a id="Page_127">[S. 127]</a></span> -St. Clare abhängt, so kann ich Dir nicht viel Hoffnung -machen, — dennoch will ich es versuchen.«</p> - -<p>Dieser Umstand ereignete sich wenige Tage nach dem -Vorfalle mit Rosa, als Miß Ophelia grade mit ihren -Vorbereitungen zur Rückkehr nach Norden beschäftigt war.</p> - -<p>Ernstlich hierüber nachdenkend kam sie zu der Ansicht, -daß sie in ihrer früheren Zusammenkunft mit Marien -sich vielleicht einer zu heftigen Sprache bedient habe, -und nahm sich deßhalb vor, jetzt in einem so gemäßigten -und versöhnenden Tone als möglich zu reden. Die gute -Seele erhob sich deßhalb, nahm ihr Strickzeug, und beschloß -in Mariens Zimmer zu gehen, sich dort so angenehm -wie möglich zu machen, und für Toms Sache mit -aller diplomatischen Kunst, die ihr zu Gebot stand, zu -arbeiten.</p> - -<p>Sie fand Marien der Länge nach auf einem Sopha -ausgestreckt, mit einem Ellbogen auf Kissen gestützt, während -Jane verschiedene Muster feinen, schwarzen Stoffes -vor ihr ausbreitete.</p> - -<p>»Dieses hier würde mir gefallen,« sagte Marie, ein -Muster auswählend; — »nur weiß ich nicht, ob es sich -für Trauer paßt.«</p> - -<p>»O Missis,« sagte Jane mit geläufiger Zunge, »die -Frau Generalin Derbennon trug grade dasselbe Zeug, -als der General im vorigen Sommer gestorben war; es -macht sich wunderschön!«</p> - -<p>»Was denken Sie?« sagte Marie zu Miß Ophelien.</p> - -<p>»Das ist Sache des Geschmackes,« entgegnete Miß -Ophelia. »Sie können darüber besser urtheilen als ich.«</p> - -<p>»Die Sache ist die,« sagte Marie, »daß ich kein -einziges Kleid habe, was ich tragen kann; und da ich -hier das Haus und Alles verkaufen, und nächste Woche -fortgehen will, so muß ich mich zu Etwas entschließen.«</p> - -<p>»Gehen Sie schon so bald?«</p> - -<p>»Ja. St. Clare's Bruder hat geschrieben, daß er -und der Anwalt es für am zweckmäßigsten hielten, die - <span class="pagenum"><a id="Page_128">[S. 128]</a></span> -Mobilien und die Sklaven zu verkaufen, und das Grundstück -dem Anwalte zur Verwaltung zu überlassen.«</p> - -<p>»Ich möchte gern über einen Gegenstand mit Ihnen -sprechen,« sagte Miß Ophelia. »Augustin versprach Tom -seine Freiheit, und begann die Einleitung der dazu erforderlichen, -gesetzlichen Förmlichkeiten. Ich hoffe, daß -Sie Ihren Einfluß benutzen werden, um seine Freilassung -zu vollenden.«</p> - -<p>»Wirklich? Ich habe nicht die Absicht, etwas Derartiges -zu thun!« sagte Marie mit scharfem Tone. -»Tom ist einer der werthvollsten Sklaven der ganzen -Besitzung — das geht unmöglich an. Ueberdies, wozu -braucht er seine Freiheit? Er ist so viel besser daran.«</p> - -<p>»Aber er sehnt sich so sehr danach, und sein Herr -hat sie ihm versprochen,« entgegnete Miß Ophelia.</p> - -<p>»O freilich, er sehnt sich danach,« sagte Marie. -»sie sehnen sich Alle danach, weil sie ein unzufriedenes -Geschmeiß sind, und immer danach verlangen, was sie -nicht besitzen. Es ist durchaus gegen meine Grundsätze, -irgend Einen frei zu lassen. So lange ein Neger unter -einem Herrn ist, befindet er sich wohl, und thut gut; -aber sobald man ihn freiläßt, wird er faul, will nicht -mehr arbeiten, fängt an zu trinken, und wird gemein -und nichtsnutzig. Habe das hundertmal gesehen; 's ist -gar keine Wohlthat für sie, freigelassen zu werden.«</p> - -<p>»Aber Tom ist so ordentlich, so fleißig und so fromm!«</p> - -<p>»O, Sie brauchen mir das nicht zu sagen! Ich habe -hundert gesehen, wie er. Er wird sich so lange gut betragen, -als er unter strenger Aufsicht steht, — länger -nicht.«</p> - -<p>»Aber bedenken Sie doch,« sagte Miß Ophelia, -»wie leicht er einen schlechten Herrn bekommen kann, wenn -Sie ihn zum Verkaufe ausstellen.«</p> - -<p>»O, das ist Alles Thorheit!« entgegnete Marie. -»Nicht einmal unter hundert geschieht es, daß ein guter -Dienstbote einen schlechten Herrn bekömmt. Die meisten - <span class="pagenum"><a id="Page_129">[S. 129]</a></span> -Herren sind gut, was auch immer gesprochen werden -möge. Ich habe hier im Süden gelebt, und bin hier -aufgewachsen, und habe nie einen Herrn kennen gelernt, -der seine Leute nicht gut behandelte, — grade so gut, -als es nöthig ist. Darüber bin ich ganz ruhig.«</p> - -<p>»Wohl,« sagte Miß Ophelia mit Nachdruck, »ich -weiß, daß es einer der letzten Wünsche Ihres Gatten -war, daß Tom seine Freiheit haben solle; es war ein -Versprechen, welches er der lieben, kleinen Eva auf ihrem -Sterbebette gemacht hatte, und ich glaubte nicht, daß -Sie sich für berechtigt halten würden, dies zu vergessen.«</p> - -<p>Marie bedeckte bei dieser Anrede ihr Gesicht mit -dem Taschentuche, und begann heftig zu schluchzen und -ihr Riechfläschchen zu gebrauchen.</p> - -<p>»Jeder Mensch ist gegen mich!« sagte sie. »Jeder -ist so rücksichtslos! Ich hätte nicht gedacht, daß <em class="gesperrt">Sie</em> -auch mir alle diese Erinnerungen meiner Leiden vorhalten -würden, — es ist so rücksichtslos! aber Niemand hat -die geringste Rücksicht für mich, — meine Leiden sind unaussprechlich! -Ist es nicht schrecklich, daß, wenn ich nur -eine einzige Tochter habe, ich auch diese verlieren muß? -— und daß mir mein Mann, der grade für mich paßte, -genommen werden muß? — Und nun scheinen Sie auch -noch so wenig Gefühl zu haben, und erinnern mich daran -so unbarmherzig, — da Sie doch wissen, wie sehr -es mich angreift! Ich glaube recht gern, daß Sie es gut -meinen, aber es ist so rücksichtslos!« Und Marie schluchzte -und suchte nach Athem, und rief Mammy zu, das Fenster -zu öffnen, und ihr die Kampferflasche zu bringen, und -ihr das Kleid aufzuhaken; und während der hierauf folgenden -Unruhe trat Miß Ophelia ihren Rückzug in ihr -eigenes Zimmer an. Sie sah, daß es nutzlos sein würde, -noch mehr über den Gegenstand zu sprechen; denn Marie -hatte eine unendliche Fertigkeit, hysterische Anfälle heraufzubeschwören, -und sobald nachher irgend eine Erwähnung - <span class="pagenum"><a id="Page_130">[S. 130]</a></span> -der von ihrem Manne oder Eva ausgesprochenen Wünsche -in Betreff der Dienstboten geschah, fand sie es jedes -Mal für angemessen, einen solchen zu Hülfe zu rufen. -Miß Ophelia that deßhalb das Einzige, was sie noch für -Tom thun konnte, — sie schrieb an Mrs. Shelby, schilderte -seine traurige Lage, und bat um Hülfe für ihn.</p> - -<p class="pmb3">Am nächsten Tage wurden Tom und Adolph mit -einem halben Dutzend anderer Dienstboten nach einem -Sklavenhause abgeführt, um daselbst den Händler abzuwarten, -der eine größere Anzahl zur öffentlichen Versteigerung -sammeln wollte.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Dreissigstes_Kapitel">Dreißigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Das Sklavenhaus.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - - -<p>Ein Sklavenhaus! ein Sklavenspeicher! Vielleicht -machen sich manche unserer Leser eine schreckliche Vorstellung -von einem solchen Orte, — halten ihn für eine -schmutzige, finstere Höhle, einen schrecklichen Tartarus, -»<span class="antiqua">informis, ingens, cui lumen ademptum.</span>« Aber nein, -unschuldiger Freund; in jetziger Zeit hat man die Kunst -gelernt, auf anständige Weise zu sündigen, so daß die -Augen und Gefühle guter Gesellschaft nicht beleidigt werden. -Menschliche Waare steht in gutem Preise, und wird -deßhalb wohl genährt, wohl gereinigt und abgewartet, -damit sie glatt, kräftig und gesund auf den Markt komme. -Ein Sklavenhaus in New-Orleans unterscheidet sich äußerlich -wenig von anderen Häusern und wird in reinlichem -Stande gehalten. Vor demselben kann man täglich unter - <span class="pagenum"><a id="Page_131">[S. 131]</a></span> -einer Art Schuppen Reihen von Männern und Weibern -ausgestellt sehen, welche als Zeichen derjenigen Waare -dienen, die innerhalb verkauft wird. Dann wirst du -höflich eingeladen einzutreten und zu untersuchen, und -wirst eine große Anzahl von Ehemännern, Weibern, Vätern, -Müttern, Brüdern, Schwestern und jungen Kindern -finden, die einzeln oder zusammen, je nachdem die Käufer -es wünschen, losgeschlagen werden sollen; und die unsterbliche -Seele, die einst mit dem Blute und der Todesangst -des Sohnes Gottes verkauft wurde, als die Erde -erbebte und die Felsen zersprangen, und die Gräber sich -öffneten, kann jetzt verkauft, verdungen, verpfändet oder -gegen Waaren jeder Art ausgetauscht werden, um den -Bedürfnissen des Handels oder den Wünschen der Käufer -zu genügen.</p> - -<p>Es war, wie erwähnt, wenige Tage nach jener Unterhaltung -zwischen Marien und Miß Ophelien, daß Tom, -Adolph und ein halbes Dutzend anderer zur St. Clareschen -Besitzung gehöriger Sklaven der menschenfreundlichen -Fürsorge Mr. Skeggs' überwiesen wurden, welcher einen -Sklavenhandel in der F....straße hielt, um in der am -nächsten Tage Statt findenden Auktion zum Verkaufe gestellt -zu werden. Tom hatte einen ganz ansehnlichen -Koffer mit Kleidungsstücken bei sich, wie die meisten Anderen. -Sie wurden für die Nacht in ein langes Zimmer -geführt, in welchem sich viele andere Männer von jedem -Alter, jeder Größe und Schattirung befanden, die ein -Gebrüll von Lachen und sorgloser Fröhlichkeit erschallen -ließen.</p> - -<p>»Ah, ah! das ist recht. Nur zu, Jungens, — nur -zu,« sagte Mr. Skeggs, der Verwalter. »Meine Leute -sind immer lustig! — Sambo, ich sehe!« fügte er, an -einen dicken Neger gewendet, beifällig hinzu, der durch -Possen der niedrigsten Art das Gelächter erzeugte, welches -Tom gehört hatte.</p> - -<p>Wie sich leicht denken läßt, war Tom nicht in der - <span class="pagenum"><a id="Page_132">[S. 132]</a></span> -Stimmung, an diesen Spässen Theil zu nehmen. Indem -er deshalb seinen Kasten so entfernt wie möglich von der -lärmenden Gruppe auf den Boden stellte, setzte er sich -darauf nieder, und lehnte seinen Kopf gegen die Wand.</p> - -<p>Die Händler mit menschlichen Waaren bemühen sich -gewissenhaft, auf systematische Weise geräuschvolle Heiterkeit -unter ihnen zu erhalten und zu befördern, als ein -Mittel, jedes Nachdenken zu ertödten und sie gefühllos -für ihre Lage zu machen. Der ganze Zweck der -Zucht, unter welche der Neger von dem Augenblicke -an gebracht wird, wo er auf dem nördlichen Markte -verkauft worden, bis dahin, wo er nach Süden kömmt, -ist darauf berechnet, ihn gefühllos und sorglos zu -machen. Der Sklavenhändler sammelt sich eine Anzahl -in Virginien oder Kentucky, und treibt sie nach irgend -einem passenden, gesunden Orte, um fett zu werden. Hier -werden sie täglich mit überflüssiger Nahrung versehen, und, -weil Manche darunter sind, welche sich zum Gram hinneigen, -wird eine Geige für sie gehalten, nach der sie -täglich tanzen müssen; und derjenige, welcher es verweigert, -heiter zu sein, — in dessen Seele vielleicht die Gedanken -an Weib, Kind oder Heimath zu stark sind, um -fröhlich sein zu können, — wird als tückisch und gefährlich -bezeichnet, und allen Uebeln bloß gestellt, die der Unwille -eines gefühllosen und von jeder Verantwortung freien -Menschen ihm auferlegen kann. Gewandtheit, Munterkeit -und Heiterkeit, besonders in Gegenwart von Beobachtern, -werden ihnen fortwährend eingeprägt, nicht nur -durch die ihnen vorgehaltene Hoffnung, dadurch einen guten -Herrn zu bekommen, sondern auch durch die Furcht -vor den Uebeln, welche der Händler ihnen zufügen darf, -im Falle sie nicht verkauft werden können.</p> - -<p>»Was macht dieser Nigger hier?« sagte Sambo, sich -Tom nähernd, nachdem Mr. Skeggs das Zimmer verlassen -hatte. Sambo war ganz schwarz, groß, sehr lebendig, -gesprächig, und voll von Possen und Grimassen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_133">[S. 133]</a></span></p> - -<p>»Was machst Du hier?« sagte Sambo, zu Tom -herankommend, und ihn scherzhaft in die Seite stoßend: -— »nachdenken, he?«</p> - -<p>»Ich soll morgen verkauft werden, — auf der Auktion,« -entgegnete Tom ruhig.</p> - -<p>»Verkauft — auf Auktion, — ho! ho! Jungens, ist -das nicht ein Spaß? Wollte, ich ginge selbst den Weg! -— sage Euch, wollt' ich sie nicht lachen machen? Aber -wie, — die ganze Sippschaft hier soll morgen verkauft -werden?« sagte Sambo, seinen Arm vertraulich auf Adolphs -Schulter legend.</p> - -<p>»Ich bitte, mich in Frieden zu lassen,« sagte Adolph -grimmig, und sich mit dem Ausdruck des äußersten Abscheu's -in die Höhe richtend.</p> - -<p>»Ho, ho! Jungens, dieser hier ist einer von den -weißen Niggers, — so 'ne Art Käsefarbe, riecht gut!« -sagte er, sich Adolph nähernd und schniffelnd. »Herr! der -'s gut für 'nen Tabacksladen!«</p> - -<p>»Laß mich in Frieden! — verstehst Du?« rief Adolph -wüthend.</p> - -<p>»Sieh' Einer! wie empfindlich wir sind, — wir -weißen Nigger! Sieh' uns nur an!« sagte Sambo, indem -er Adolphs Manieren nachzuäffen suchte; — »wie graziös! -wir sind in sehr guter Familie gewesen, — vermuthe!«</p> - -<p>»Ja,« entgegnete Adolph, »ich hatte einen Master, -der Euch alle für alten Plunder hätte kaufen können.«</p> - -<p>»Nun sieh' Einer,« entgegnete Sambo, »was für ein -Herr wir sind!«</p> - -<p>»Ich gehörte der Familie St. Clare,« sagte Adolph -stolz.</p> - -<p>»Wirklich? na, ich will mich hängen lassen, wenn's -nicht ein Glück für sie ist, daß sie Dich los werden. Sie -verkaufen Dich wohl mit den alten zerbrochenen Theekannen -und solcher Waare!« sagte Sambo grinsend.</p> - -<p>Adolph, durch diesen Hohn rasend gemacht, flog wüthend - <span class="pagenum"><a id="Page_134">[S. 134]</a></span> -auf seinen Gegner zu, und fluchte und schlug auf -ihn los von allen Seiten. Die Uebrigen schrieen und -lachten, und der allgemeine Lärm rief endlich den Aufseher -herbei.</p> - -<p>»Was gibt's hier, Jungens? Ruhe — Ruhe!« rief -er eintretend, und eine lange Peitsche schwingend.</p> - -<p>Alle entflohen nach verschiedenen Richtungen, ausgenommen -Sambo, welcher, im Vertrauen auf die Gunst -des Aufsehers, deren er sich bisher als privilegirter Spaßmacher -erfreut hatte, stehen blieb, und seinen Kopf mit -komischem Grinsen versteckte, sobald der Master einen Angriff -auf ihn machte.</p> - -<p>»O, Master, wir sind's nicht, — wir sind ganz ordentlich, -— hier, diese Neuen sind's; — <em class="gesperrt">die</em> lassen uns -nicht zufrieden, — haben uns zum Besten immer zu!«</p> - -<p>Der Aufseher wandte sich hierauf gegen Tom und -Adolph, theilte einige Stöße und Püffe ohne viel Untersuchung -aus, und verließ sodann wieder das Zimmer, -nachdem er zuvor allgemeine Befehle für Alle, sich ruhig -zu verhalten und zum Schlafen niederzulegen, zurückgelassen -hatte.</p> - -<p>Während diese Scene im Schlafzimmer der Männer -spielte, ist der Leser vielleicht nicht abgeneigt, einen Blick -in das dem weiblichen Personale angewiesene, ähnliche -Gemach zu thun. Ausgestreckt auf dem Erdboden in den -verschiedenartigsten Stellungen kann er hier zahllose Gestalten, -von jeder Hautfarbe, vom schwärzesten Ebenholz -bis zum reinsten Weiß, und von jedem Alter, vom Kindes- -bis zum Greisenalter, schlafen sehen. Hier liegt ein schönes, -liebliches Mädchen von zehn Jahren, dessen Mutter -gestern verkauft wurde, und welches sich diese Nacht selbst -in den Schlaf weinte, während Niemand darauf achtete. -Hier befindet sich eine alte Negerin, deren dünne Arme -und knöcherige Finger von schwerer Arbeit erzählen, und -die am morgenden Tage als ein abgenutzter Artikel losgeschlagen -werden soll; und um sie her liegen vierzig bis - <span class="pagenum"><a id="Page_135">[S. 135]</a></span> -fünfzig Andere ausgestreckt, deren Köpfe in Bettdecken -oder Theile ihrer Kleidungsstücke gewickelt sind. Allein -in der Ecke, abgesondert von den Uebrigen, sitzen zwei -Frauenzimmer, deren Aeußeres mehr Interesse als gewöhnlich -erweckt. Die Eine derselben ist eine anständig -gekleidete Mulattin zwischen vierzig und fünfzig Jahren, -mit sanften Augen und weichen, einnehmenden Zügen. -Sie trägt auf dem Kopfe einen hohen, aus rothseidenen -Madrastüchern gewundenen Turban, und ihre Kleidung -ist von feinem Stoffe und sauberer Arbeit, was als Beweis -gilt, daß sie einer sorgsamen Hand bisher angehört -hat. An ihrer Seite, dicht an sie gedrückt, sitzt ein junges -Mädchen von fünfzehn Jahren, — ihre Tochter. Sie -ist eine Quadroon, wie ihre hellere Gesichtsfarbe andeutet, -obgleich ihre Aehnlichkeit mit der Mutter unverkennbar -ist. Sie hat dasselbe sanfte, dunkle Auge, nur mit -längeren Wimpern, und ihr üppiges, lockiges Haar ist -von glänzendem Braun. Ihre Kleidung ist ebenfalls von -der größten Sauberkeit, und ihre zarten, weißen Hände -verrathen wenig Bekanntschaft mit niedriger Arbeit. Diese -Beiden sollen am morgenden Tage zugleich mit den St. -Clare'schen Leuten verkauft werden; und der Herr, dem -sie gehören, und dem das für sie gelöste Geld zugeschickt -werden soll, ist Mitglied einer christlichen Kirche in New-York, -welcher das Geld in Empfang nehmen, und nachher -zum Sakramente seines und ihres Herrn gehen und -nicht weiter an sie denken wird.</p> - -<p>Diese beiden Frauenzimmer, welche wir Susan und -Emmeline nennen wollen, waren Dienerinnen einer liebenswürdigen -und frommen Dame in New-Orleans gewesen, -von der sie mit Sorgfalt und in Frömmigkeit -erzogen und unterrichtet worden waren. Sie hatten lesen -und schreiben, und die Wahrheiten der Religion erkennen -gelernt, und ihr Loos war im Allgemeinen ein so glückliches -gewesen, als es unter ihren Verhältnissen überhaupt -möglich war. Allein der einzige Sohn ihrer Beschützerin, - <span class="pagenum"><a id="Page_136">[S. 136]</a></span> -welcher die Verwaltung ihres ganzen Eigenthums hatte, -versank durch Nachlässigkeit oder Verschwendung in eine -tiefe Schuldenlast und fallirte endlich. Einer der bedeutendsten -Creditoren war die sehr achtbare Firma <span class="antiqua">B. et Cie.</span> -in New-York. Dieselbe schrieb an ihren Anwalt in New-Orleans, -welcher das vorhandene Vermögen mit Arrest -belegte (dessen werthvollster Theil in diesen beiden Frauenzimmern -und einer Anzahl Feldsklaven bestand), und der -Letztere erstattete Bericht an die Firma. Bruder <span class="antiqua">B.</span>, der, -wie gesagt, ein christlicher Mann und ein Bewohner eines -Freistaates war, fühlte einige Unbehaglichkeit über diesen -Gegenstand. Er wollte natürlich nicht gern mit Sklaven -und menschlichen Seelen handeln; allein es handelte sich -um dreißig tausend Dollars in diesem Falle, und dies -war eine etwas zu große Summe, um sie einem Principe -zu opfern; und so schrieb endlich Bruder <span class="antiqua">B.</span> nach langer -Ueberlegung und nach Einholung von Rath bei Denjenigen, -deren Rath, wie er wußte, ihm zusagen werde, an -seinen Anwalt, daß er den Aktivbestand auf die zweckmäßigste -Weise verwerthen und den Erlös an ihn einsenden -möge.</p> - -<p>Am Tage nach Eingang dieses Briefes wurden Susan -und Emmeline mit Arrest belegt, und an den Sklavendepot -abgeliefert, um dort die am nächsten Morgen -stattfindende allgemeine Versteigerung zu erwarten; und -während sie jetzt dort schwach im Mondlichte schimmern, -welches sich durch die vergitterten Fenster stiehlt, können -wir ihrer Unterhaltung lauschen. Beide weinen, aber -Jede leise und im Stillen, damit die Andere es nicht -höre.</p> - -<p>»Mutter, lege Deinen Kopf in meinen Schooß, und -versuche, ob Du nicht ein wenig schlafen kannst,« sagte -das junge Mädchen, während es sich Mühe gab, ruhig -zu erscheinen.</p> - -<p>»Ich habe kein Herz zu schlafen, Em; ich kann - <span class="pagenum"><a id="Page_137">[S. 137]</a></span> -nicht; — es ist vielleicht die letzte Nacht, daß wir bei -einander sind!«</p> - -<p>»O Mutter, sage das nicht! vielleicht werden wir -zusammen verkauft, — wer weiß!«</p> - -<p>»Wenn jemand anderes sich in diesem Falle befände, -so würde ich das auch sagen, Em,« entgegnete die Mutter, -»aber ich habe so große Angst, Dich zu verlieren, -daß ich nichts als die Gefahr sehe.«</p> - -<p>»Aber Mutter, der Mann sagte doch, daß wir beide -gut aussähen, und gut verkauft werden würden.«</p> - -<p>Susan erinnerte sich der Blicke und Worte des -Mannes. Mit innerem Beben gedachte sie, wie er Emmelinens -Hände betrachtet, und ihre Locken aufgehoben, -und sie für einen Artikel erster Klasse erklärt hatte. -Susan war auf christlichem Wege erzogen, und an ein -tägliches Lesen der Bibel gewöhnt worden, und hegte -deshalb denselben Abscheu davor, ihr Kind zu einem Leben -der Schande verkauft zu sehen, wie jede andre christliche -Mutter; aber sie hatte keine Hoffnung — keinen -Schutz für sie.</p> - -<p>»Mutter, ich denke, wir könnten uns recht wohl befinden, -wenn Du eine Stelle als Köchin, und ich als -Stubenmädchen oder Näherin in irgend einer Familie -bekämest. Ich hoffe es. Laß uns beide so heiter aussehen -wie wir können, und Alles sagen, was wir verstehen; -vielleicht bekommen wir dann solche Stellen,« -sagte Emmeline.</p> - -<p>»Du mußt morgen Dein ganzes Haar glatt nach -hinten kämmen,« sagte Susan.</p> - -<p>»Weshalb, Mutter? ich sehe dann bei weitem nicht -so gut aus.«</p> - -<p>»Ja, aber Du wirst so besser verkauft werden.«</p> - -<p>»Ich sehe nicht ein, weshalb!« sagte das Kind.</p> - -<p>»Anständige Familien werden Dich eher kaufen, -wenn Du einfach und sittsam aussiehst, und Dich nicht - <span class="pagenum"><a id="Page_138">[S. 138]</a></span> -hübsch machen willst. Ich kenne ihre Art und Weise -besser als Du,« sagte Susan.</p> - -<p>»Gut, Mutter, dann will ich es thun.«</p> - -<p>»Und wenn wir uns von morgen an nie wieder -sehen sollten, Emmeline, — wenn ich nach irgend einer -Plantage verkauft werden sollte, und Du anderswohin, -— so denke immer daran, wie Du erzogen worden bist, -und was Missis Dir gesagt hat. Nimm' Deine Bibel -und Dein Gesangbuch mit Dir, und sei Gott getreu, so -wird er Dir getreu sein.«</p> - -<p>So spricht die arme Seele in schmerzlicher Muthlosigkeit, -denn sie weiß, daß am folgenden Tage jeder -Mensch, so gemein und roh, so gottlos und unbarmherzig -er auch immer sein möge, Herr ihrer Tochter an -Leib und Seele werden kann, sobald er das nöthige -Geld für sie zu erlegen im Stande ist; und wie soll -das Kind dann seinem Gott getreu bleiben? Sie denkt -an alles dies, während sie ihre Tochter im Arme hält, -und wünscht, daß diese weniger hübsch und anziehend -sein möchte. Sie hat keine andre Zuflucht als zum -Gebete; und viele solcher Gebete sind von diesen saubern, -reinlichen Sklavengefängnissen zu Gott emporgestiegen, -— Gebete, die Gott nicht vergessen hat, wie sich an -einem Tage, der noch kommen soll, zeigen wird; denn -es steht geschrieben: »Wer aber ärgert dieser Geringsten -Einen, dem wäre besser, daß ein Mühlstein an seinen -Hals gehänget würde, und er ersäufet würde im Meere -da es am tiefsten ist.«</p> - -<p>Die sanften, ernsten, stillen Mondesstrahlen fallen -durch die Stäbe des vergitterten Fensters, und werfen -den Schatten derselben auf die ausgestreckten, schlafenden -Gestalten, während Mutter und Tochter eine jener milden, -melancholischen Trauerarien singen, welche unter -den Sklaven als Begräbnißgesänge üblich sind.</p> - -<p>Singt nur, arme Seelen! Die Nacht ist kurz, und -der kommende Morgen wird Euch für ewig trennen!</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_139">[S. 139]</a></span></p> - -<p>Aber jetzt tagt der Morgen, und Alles ist munter; -und der würdige Mr. Skeggs ist geschäftig und guter -Laune, denn eine Quantität Waare soll zur Versteigerung -in Stand gesetzt werden. Alles macht Toilette, und -Befehle ergehen an einen Jeden, das beste Gesicht anzulegen, -und heiter zu sein; und dann werden alle zur -letzten Revüe in einen Kreis gestellt, ehe sie nach der -Börse abgeführt werden, und Mr. Skeggs, mit der Cigarre -im Munde, hält die letzte Schau.</p> - -<p>»Was ist das?« fragte er, vor Susan und Emmelinen -tretend. »Wo sind Deine Locken, Mädchen?«</p> - -<p>Das Mädchen blickte furchtsam auf ihre Mutter, -welche mit der ihrem Geschlechte eigenthümlichen, sanften -Gewandtheit antwortete: »Ich sagte ihr gestern Abend, -ihr Haar glatt zu kämmen, und es nicht in Locken umherhängen -zu lassen, weil es anständiger aussehe.«</p> - -<p>»O Unsinn!« entgegnete der Mann, und fügte, sich -in befehlendem Tone an das Mädchen wendend, hinzu: -»Du gehst mir auf der Stelle, und bringst Deine Locken -wieder ordentlich in Stande! — und bist mir schnell -wieder hier!« und an die Mutter gerichtet, sagte er: -»Die Locken bringen vielleicht 'en hundert Dollar mehr -beim Verkaufe.«</p> - -<p>Unter einem glänzenden Dome befanden sich Menschen -aller Nationen, die sich auf den Marmorplatten des -Fußbodens hin und her bewegten. Auf jeder Seite der -kreisförmigen Area standen kleine Tribünen zum Gebrauche -von Rednern oder Auktionatoren. Zwei derselben -auf gegenüberliegenden Seiten der Area waren jetzt von -talentvollen Männern besetzt, welche mit großem Enthusiasmus -in gemischtem Englisch und Französisch die Gebote -der Kenner ihrer verschiedenen Waaren in die Höhe -trieben. Eine dritte Tribüne auf der andern Seite, -noch unbesetzt, war von einer Gruppe umringt, welche -auf den Anfang der Versteigerung wartete. Hier können -wir St. Clares ehemalige Dienstboten finden, Tom, - <span class="pagenum"><a id="Page_140">[S. 140]</a></span> -Adolph und andere; und außerdem Susan und Emmeline, -welche mit angstvollen, niedergeschlagenen Mienen -ihr Schicksal erwarten. Mehrere Zuschauer, theils kauflustig, -theils nicht, umgaben die Gruppe, und untersuchten, -befühlten und besprachen die verschiedenen Gesichter -und Gliedmaßen mit derselben Freiheit, mit der eine -Gesellschaft Roßkämme die Verdienste eines Pferdes bespricht.</p> - -<p>»Holla! Alf! was bringt Dich denn hieher?« -sagte ein junger Stutzer, einem andern, auffallend geputzten -jungen Manne auf die Schulter schlagend, welcher -Adolph durch eine Lorgnette beobachtete.</p> - -<p>»Ich brauche einen Lackei,« entgegnete dieser, »und -hörte, daß St. Clare's Leute an die Reihe kämen; und -so wollt' ich mir 'mal ansehen —«</p> - -<p>»Wollte mich hüten; jemals einen von St. Clare's -Leuten zu kaufen! verdirbt alle seine Nigger, — sind -unverschämt wie der Teufel!« sagte der Andere.</p> - -<p>»Fürchte mich nicht davor!« sagte der Erstere. -»Wenn ich sie habe, will ich ihnen bald ihre Manieren -abgewöhnen, — sollen bald wissen, daß sie mit einem -andern Master zu thun haben, als mit Monsieur St. -Clare. Mein Wort, ich kaufe den Burschen; — er gefällt -mir.«</p> - -<p>»Du wirst sehen, es kostet Dich Alles, was Du hast, -um ihn zu halten; — er ist teufelsmäßig ausschweifend.«</p> - -<p>»Ja, aber Mylord wird sehen, daß er bei <em class="gesperrt">mir</em> -nicht ausschweifend sein <em class="gesperrt">kann</em>. Laß ihn nur erst ein -paar Male nach dem Stockhause geschickt und gründlich -dressirt sein, — dann wird er schon zur Besinnung kommen! -Ich will ihn schon reformiren. — Du sollst es -sehen. Ich kaufe ihn, das steht fest!«</p> - -<p>Tom hatte inzwischen sinnend die Menge von Gesichtern -derer geprüft, die sich um ihn drängten, und -nach Einem gesucht, den er seinen Herrn hätte nennen -mögen. Wenn Du, lieber Leser, Dich jemals in der - <span class="pagenum"><a id="Page_141">[S. 141]</a></span> -Nothwendigkeit befinden solltest, aus zweihundert Männern -einen auszuwählen, der Dein unbeschränkter Herr -und Eigenthümer werden soll, so würdest Du wie Tom -sehen, wie wenige darunter zu finden sind, denen Du -Dich bereitwillig zu diesem Zwecke übermachen lassen -möchtest. Tom sah eine große Anzahl von Männern -vor sich, — große, dicke und finstere; kleine, magere -und muntere; lange und dünne, mit harten Gesichtszügen, -und jede Abstufung gemeiner Gesichter, die ihren -Mitmenschen aufnehmen, wie man Späne aufsammelt, -um sie in's Feuer oder in den Korb zu werfen; aber -er sah keinen St. Clare.</p> - -<p>Kurz vorher, ehe der Verkauf begann, drängte sich -ein kurzer, breiter, muskulöser Mann, in einem bunten -Hemde, welches auf der Brust weit offen war, und sehr -schmutzigen Beinkleidern, durch die Menge, wie Jemand, -der eifrig an ein Geschäft gehen will, und begann, als -er der Gruppe näher kam, diese systematisch zu untersuchen. -Vom ersten Augenblicke, wo Tom ihn sich nähern -sah, fühlte er einen unwillkührlichen Schrecken vor ihm, -der sich steigerte, je näher er zu ihm kam. Der Mann -besaß augenscheinlich, obgleich er klein war, eine gigantische -Kraft. Sein runder, kugelförmiger Kopf, seine -großen, hellgrauen Augen, mit den zottigen, rothen -Augenbrauen, und sein struppiges, sonnverbranntes -Haar waren allerdings wenig einnehmende Eigenschaften; -sein großer, gemeiner Mund dehnte sich unter großen -Tabacksballen, deren Saft er von Zeit zu Zeit mit großer -Kraft und Entschiedenheit hinausschleuderte; seine Hände -waren unförmlich groß, haarig, sonnverbrannt, fleckig, -sehr schmutzig, mit langen Nägeln versehen, und überhaupt -in einem ekelhaften Zustande. Dieser Mann begann -eine sehr dreiste, persönliche Untersuchung der zum -Verkauf aufgestellten Sklaven. Er ergriff Tom beim -Kiefer, und riß seinen Mund auf, um seine Zähne zu -untersuchen; ließ ihn seinen Aermel aufstreifen, um - <span class="pagenum"><a id="Page_142">[S. 142]</a></span> -seine Muskeln zu zeigen, und drehte ihn herum, und ließ -ihn springen, um seine Gelenkigkeit zu prüfen.</p> - -<p>»Wo bist Du aufgebracht worden?« fragte er kurz -nach diesen Untersuchungen.</p> - -<p>»In Kentucky, Master,« sagte Tom, sich wie nach -Hülfe umschauend.</p> - -<p>»Was hast Du da gethan?«</p> - -<p>»Habe Master's Farm verwaltet,« entgegnete Tom.</p> - -<p>»Sehr wahrscheinliche Geschichte!« sagte der Andere -kurz, während er weiter ging. Er blieb einen Augenblick -vor Adolph stehen, feuerte eine Ladung Tabakssaft -auf seine blank geputzten Stiefeln ab, und ging -mit einem verächtlichen »Umph!« weiter. Vor Susan -und Emmelinen blieb er wieder stehen. Er streckte seine -schwere schmutzige Hand aus, und zog das Mädchen zu -sich, strich ihr damit über Nacken und Brust, untersuchte -ihre Zähne, und stieß sie dann wieder zu ihrer Mutter -zurück, deren geduldiges Gesicht das tiefe Leiden verrieth, -welches sie bei jeder Bewegung des scheußlichen Fremden -empfunden hatte.</p> - -<p>Das Mädchen war erschreckt worden, und fing an -zu weinen.</p> - -<p>»Still da! Du Heuldirne! kein Blärren hier!« -rief der Auktionator, — »der Verkauf beginnt.«</p> - -<p>Adolph wurde für eine gute Summe dem jungen -Manne zugeschlagen, welcher seine Absicht, ihn zu kaufen, -vorher schon erklärt hatte; und die übrigen Leute -St. Clare's fielen verschiedenen Bietern zu.</p> - -<p>»Hinauf nun mit Dir, Bursche! hörst Du?« rief -der Auktionator Tom zu.</p> - -<p>Tom stieg auf den Block und ließ seine Blicke ängstlich -umher streifen, während alles Geräusch in einem -gemeinsamen, undeutlichen Lärm zusammenfloß, — das -Geschrei des Verkäufers, welcher Tom's Eigenschaften in -Französisch und Englisch ausrief, das scharfe Feuer der -französischen und englischen Gebote; — und einen Augenblick - <span class="pagenum"><a id="Page_143">[S. 143]</a></span> -später folgte der letzte Schlag des Hammers, -und der deutliche Schall der letzten Sylbe des Wortes -<em class="gesperrt">Dollar</em>, als der Auktionator die Summe verkündete, -und Tom hatte einen Herrn!</p> - -<p>Er wurde vom Block hinabgestoßen; — der kleine, -rundköpfige Mann packte ihn bei der Schulter, stieß ihn -nach einer Seite, und rief ihm mit lauter Stimme zu: -»Hier bleib stehen!«</p> - -<p>Tom wußte kaum, was mit ihm geschah. Inzwischen -dauerten die Gebote fort, — lärmend und geräuschvoll, -bald englisch, bald französisch. Nieder fällt der -Hammer wieder, — Susan ist verkauft! Sie steigt -vom Blocke herab, bleibt stehen, und blickt sich kummervoll -um; — ihre Tochter streckt ihre Arme nach ihr -aus. Sie schaut verzweiflungsvoll dem Manne in's Gesicht, -der sie gekauft hat, — ein anständig aussehender -Mann von mittlerem Alter, mit wohlwollenden Zügen.</p> - -<p>»O Master, bitte, kaufen Sie meine Tochter auch!«</p> - -<p>»Ich hätte wohl Lust, aber ich fürchte, ich kann -nicht!« sagte der Mann, und schaute mit ängstlichem -Interesse zu, als das junge Mädchen den Block bestieg, -und sich mit furchtsamen, scheuen Blicken umschaute. -Das Blut steigt in ihre sonst bleichen Wangen, ihr -Auge glüht fieberhaft, und ihre Mutter gewahrt verzweiflungsvoll, -daß sie schöner erscheint als zuvor. Der -Auktionator sieht seinen Vortheil und läßt sich mit geläufiger -Zunge in gemischtem Englisch und Französisch -über ihre Vorzüge aus, und die Gebote folgen schnell -aufeinander.</p> - -<p>»Ich will thun, was ich kann,« sagte der gutmüthig -aussehende Mann, drängte sich vor und fing an -mitzubieten. In wenigen Augenblicken haben die Gebote -seine Börse überstiegen, und er schweigt. Der -Auktionator wird wärmer, aber die Gebote lassen allmählig -nach. Es sind nur noch zwei Bieter da, ein alter, -aristokratischer Bürger, und unser rundköpfiger - <span class="pagenum"><a id="Page_144">[S. 144]</a></span> -Freund. Der Bürger überbietet mehrmals, und sieht -seinen Gegner verächtlich an; aber der Rundkopf ist ihm -überlegen, sowohl an Hartnäckigkeit als in geheimer -Länge der Börse, und der Streit währt nur kurze Zeit. -Der Hammer fällt, — er hat das Mädchen, Leib und -Seele, so Gott ihr nicht hilft.</p> - -<p>Ihr Herr ist Mr. Legree, welcher eine Baumwollen-Plantage -am rothen Fluß besitzt. Sie wird mit Tom -und zwei andern Männern zusammen getrieben, und -weinend fortgeschleppt.</p> - -<p>Dem gutmüthigen Manne thut es leid; allein der -Fall ereignet sich täglich! Man sieht ja stets auf diesen -Verkäufen Mädchen und Mütter weinen! es läßt sich -nicht ändern, u. s. w., und er entfernt sich mit seinem -neuen Besitzthume in einer anderen Richtung.</p> - -<p class="pmb3">Zwei Tage später sandte der Anwald der christlichen -Firma <span class="antiqua">B et Cie.</span> in New-York das Geld ein. Auf die -Rückseite des auf diese Weise erlangten Wechsels mögen -sie die Worte des großen Zahlmeisters schreiben, dem -sie an einem späteren Tage werden Rechenschaft legen -müssen: »Denn er gedenket und fraget nach ihrem Blut; -er vergißt nicht des Schreiens der Armen.«</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_145">[S. 145]</a></span></p> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Einunddreissigstes_Kapitel">Einunddreißigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Die Fahrt.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i5">Deine Augen sind rein, daß du Uebles nicht</span> -<span class="i5">sehen magst, und dem Jammer kannst du nicht</span> -<span class="i5">zusehen. Warum siehst du denn zu den Verräthern</span> -<span class="i5">und schweigest, daß der Gottlose verschlinget</span> -<span class="i5">den, der frömmer denn er ist.</span> -</div></div> - - -<p>Am unteren Ende eines kleinen Bootes, auf dem -rothen Flusse, saß Tom, — Ketten an seinen Handgelenken, -Ketten an seinen Füßen, und eine Last, schwerer -als diese Ketten, auf seiner Brust. Alles war an seinem -Horizonte verschwunden, — Mond und Sterne; -Alles war an ihm vorübergeflogen wie die Bäume und -Ufer jetzt an ihm vorüber flogen, um nie wieder zu -kehren. Die Heimath in Kentucky, mit Weib und Kindern -und der freundlichen Herrschaft; St. Clare's Haus -mit allem seinem Luxus und Glanze; der goldlockige -Kopf Eva's mit seinen frommen Augen; der stolze, -heitre, hübsche, anscheinend so sorglose, aber immer gütige -St. Clare; Stunden der Muße und Behaglichkeit, -— Alles fort! und was war an dessen Stelle geblieben?</p> - -<p>Es gehört mit zu den bittersten Erfahrungen des -Sklavenlebens, daß der Neger, der von Natur mitfühlend -und leicht empfänglich ist, nachdem er in einer gebildeten -Familie den Geschmack und die Empfindungen -der dortigen Atmosphäre kennen gelernt hat, nichts destoweniger -in jedem Augenblick wieder der Sklave des - <span class="pagenum"><a id="Page_146">[S. 146]</a></span> -rohesten und brutalsten Menschen werden kann, — gerade -wie ein Stuhl oder Tisch, welcher einst den kostbarsten -Salon zierte, und endlich zerschlagen und entstellt -in das Schenkzimmer eines schmutzigen Wirthshauses -oder in eine niedrige Höhle gemeiner Ausschweifung -gelangt. Der große Unterschied besteht aber darin, daß -der Stuhl und der Tisch nicht empfinden können, wohl -aber der Sklave; denn selbst der Ausspruch des Gesetzes, -daß er »als ein Gegenstand persönlicher Habe erachtet -und gehalten werden solle,« ist nicht im Stande, seine -Seele, mit ihrer eigenen kleinen Welt von Erinnerungen, -Hoffnungen, Liebe, Furcht und Wünschen zu vernichten.</p> - -<p>Mr. Simon Legree, Tom's Herr, hatte an verschiedenen -Plätzen in New-Orleans acht Sklaven zusammengekauft, -und sie geschlossen, in Paaren von zwei -und zwei, dem Dampfboote »der Pirat« zugetrieben, -welches am Ufer lag, bereit, den rothen Fluß hinauf zu -fahren.</p> - -<p>Nachdem er sie alle an Bord gebracht hatte und das -Boot abgefahren war, kam er mit der Miene großer -Geschäftigkeit, die ihm immer eigen war, heran, um -Revue zu halten. Indem er zunächst vor Tom stehen -blieb, der für den Verkauf seine beste Kleidung mit gestärkter -Wäsche und blanken Stiefeln hatte anlegen müssen, -drückte er sich kurz folgender Maßen aus:</p> - -<p>»Steh' auf!«</p> - -<p>Tom stand auf.</p> - -<p>»Nimm die Halsbinde ab!« und als Tom, behindert -durch seine Fesseln, dazu schritt, begann er, mit -nicht sehr sanfter Hand, ihm zu helfen, indem er sie vom -Halse herunterriß und sie in seine Tasche steckte.</p> - -<p>Sodann wandte sich Legree zu Tom's Koffer, den -er schon vorher geplündert hatte, nahm ein Paar alter -Beinkleider und einen zerrissenen Rock heraus, den Tom -nur im Stall zu tragen gepflegt hatte, und sagte zu - <span class="pagenum"><a id="Page_147">[S. 147]</a></span> -ihm, indem er seine Handfesseln ablöste und auf einen -Winkel zwischen den Waarenballen deutete:</p> - -<p>»Da, gehe dahin und ziehe diese an.«</p> - -<p>Tom gehorchte und kam in wenigen Augenblicken -zurück.</p> - -<p>»Ziehe Deine Stiefel aus,« fuhr Mr. Legree fort.</p> - -<p>Tom that es.</p> - -<p>»Hier,« sagte jener, ihm ein paar grobe, starke -Schuhe zuwerfend, die gewöhnlich von Sklaven getragen -werden, »ziehe diese an!«</p> - -<p>Während seiner eiligen Umkleidung hatte Tom nicht -vergessen, seine geliebte Bibel in seine Tasche zu stecken. -Und er hatte wohl gethan; denn, nachdem Legree ihm -die Handschellen wieder angelegt hatte, schritt er sorgfältig -dazu, die Taschen der abgetragenen Kleidungsstücke -zu untersuchen. Er zog ein seidenes Taschentuch -hervor und steckte es in seine Tasche. Mehrere Kleinigkeiten, -welche Tom hauptsächlich deßhalb aufgehoben -hatte, weil Eva daran Gefallen gefunden, sah er mit -verächtlichem Grunzen an und warf sie rücklings über -seine Schulter in den Fluß. Jetzt zog er auch Tom's -methodistisches Gesangbuch hervor, welches er in der Eile -vergessen hatte und öffnete es:</p> - -<p>»Hm! fromm, versteht sich. So, wie heißt Du, — -gehörst zur Kirche?«</p> - -<p>»Ja, Master,« entgegnete Tom mit fester Stimme.</p> - -<p>»So, — will Dir das bald abgewöhnen; — kann -keine Niggers gebrauchen, die schreien und beten und -singen, — merke das. Also paß' auf!« sagte er, mit -dem Fuße stampfend und mit einem wilden Blicke seiner -grauen Augen auf Tom, — »<em class="gesperrt">ich</em> bin jetzt Deine Kirche! -verstehst Du? — Du mußt jetzt so sein, wie <em class="gesperrt">ich</em> es -haben will.«</p> - -<p>Ein Gefühl im Innern des schwarzen Menschen -antwortete <em class="gesperrt">nein!</em> und, wie von einer unsichtbaren -Stimme gesprochen, kamen die Worte eines alten prophetischen - <span class="pagenum"><a id="Page_148">[S. 148]</a></span> -Buches in seinen Sinn, die ihm Eva öfters -daraus vorgelesen hatte: »Fürchte Dich nicht, denn ich -habe Dich erlöset; ich habe Dich bei Deinem Namen -gerufen; Du bist mein.«</p> - -<p>Aber Simon Legree hörte keine Stimme. Er stierte -nur einen Augenblick auf das niedergeschlagene Gesicht -Tom's und ging weiter. Er nahm Tom's Koffer, der -eine reichliche und gute Garderobe enthielt, mit sich nach -dem Vordertheile des Schiffes, wo er bald von verschiedenen -Matrosen des Bootes umringt war. Unter vielem -Gelächter und lauten Spöttereien über Niggers, die -Gentlemen sein wollten, wurden die verschiedenen Artikel -schnell verkauft und endlich der leere Koffer zur Auktion -gestellt. Alle dachten, es sei ein guter Spaß, besonders -Tom zu sehen, wie er seinen Sachen nachblickte, die -nach verschiedenen Richtungen gingen; und dann die -Versteigerung des Koffers, — was das Spaßhafteste -von Allem war und viel Witzeleien verursachte.</p> - -<p>Als dieß kleine Geschäft endlich vorüber war, schlenderte -Simon zu seinem Eigenthume zurück.</p> - -<p>»Nun, Tom, siehst Du, ich habe Dir etwas unnützes -Gepäck abgenommen. Nimm jetzt die Kleidungsstücke -da gewaltig in Acht; denn 's dauert lange, ehe -Du neue bekömmst. Ich will meine Niggers sorgsam -machen; ein Anzug muß bei mir ein Jahr aushalten.«</p> - -<p>Nach diesen Worten wandte Simon seine Schritte -dem Orte zu, wo Emmeline mit einem andern Frauenzimmer -zusammen gekettet saß.</p> - -<p>»Na, meine Liebe,« sagte er, ihr unter das Kinn -fassend, »hübsch munter!«</p> - -<p>Der unwillkürliche Blick von Schrecken, Furcht und -Abscheu, mit dem das Mädchen ihn betrachtete, entging -seinem Auge nicht. Er zog seine Stirn in finstere Falten.</p> - -<p>»Nichts von Deinen Zierereien, Mädchen! hast immer -ein munteres Gesicht zu machen, wenn ich mit Dir - <span class="pagenum"><a id="Page_149">[S. 149]</a></span> -spreche — hörst Du? Und Du da, altes, gelbes Mondscheingesicht!« -sagte er, indem er der mit Emmelinen zusammengeketteten -Mulattin einen Stoß gab, »laß mich -nicht solch ein Gesicht sehen! — sollst lustiger aussehen, -— verstanden?«</p> - -<p>»Und Ihr alle da!« fügte er, ein paar Schritte -zurücktretend, hinzu, — »hier, seht mich an, — seht mir -grade in's Gesicht, — grade aus!« rief er, bei jeder -Pause mit dem Fuße stampfend.</p> - -<p>Und wie durch Zauberkraft richtete sich jetzt jeder -Blick auf die grünlich grauen, funkelnden Augen Simon's.</p> - -<p>»Paßt auf!« rief er, seine große, schwere Faust -ballend, so daß sie die Form eines Schmiedehammers -annahm, — »seht Ihr diese Faust? — Seht hier diese -Knochen! Nun merkt, diese Faust ist davon so hart -geworden, daß sie so viele Niggers niedergeschlagen hat. -Habe nie 'nen Nigger gesehen, den ich nicht mit einem -Schlage niedergebracht hätte!« sagte er, indem er seine -Faust so dicht vor Tom's Gesicht hielt, daß dieser unwillkührlich -mit den Augen blinzte und den Kopf zurückbog. -»Halte keine solche miserablen Aufseher; — führe -meine Aufsicht selbst, — und das ist Aufsicht. Ihr -müßt auf's Wort passen, — Alle, — den Augenblick, -wo ich spreche, — wenn ihr mit mir fertig werden wollt. -Ihr findet keine weiche Stelle an mir, nirgend. Also -nehmt Euch in Acht; denn ich habe keine Barmherzigkeit!«</p> - -<p>Die Weiber hielten unwillkührlich den Athem an, -und der ganze Trupp saß mit niedergeschlagenen Gesichtern -da. Inzwischen hatte Simon sich auf den Hacken -umgedreht und war an den Schenktisch des Bootes getreten, -um ein Glas Brandwein zu genießen.</p> - -<p>»Das ist der Weg, wie ich immer mit meinen Niggers -anfange,« sagte er zu einem anständig gekleideten -Herrn, der während dieser Rede in seiner Nähe gestanden - <span class="pagenum"><a id="Page_150">[S. 150]</a></span> -hatte. »'s ist mein System, immer kräftig anzufangen, -— damit sie wissen, was sie zu erwarten haben.«</p> - -<p>»Wirklich?« entgegnete der Fremde, während er ihn -mit der Neugierde eines Naturforschers betrachtete, der -irgend ein seltenes Exemplar eines Naturprodukts vor -sich hat.</p> - -<p>»Ja, gewiß. Bin keiner von Euren vornehmen -Pflanzern, mit Lilienfingern, der sich von jedem alten, -verdammten Aufseher betrügen läßt! Hier, faßt 'mal -meine Knöchel an! Seht 'mal meine Faust! Sage Euch, -Herr, das Fleisch ist grade wie Stein geworden, — 's -macht die Praxis mit den Niggers, — faßt nur 'mal -an!«</p> - -<p>Der Fremde legte seine Hände an das fragliche -Werkzeug und entgegnete trocken:</p> - -<p>»Hart genug! und, wie ich vermuthe, hat die Praxis -Euer Herz eben so hart gemacht.«</p> - -<p>»Ja, ja, kann sein,« erwiederte Simon mit herzlichem -Lachen. »Glaube, 's nicht viel Weiches in mir zu -finden. Ich sage Euch, es kommt keiner über mich! -Nie kommt ein Nigger um mich herum, weder mit -Schreien, noch mit weicher Seife, — das ist gewiß!«</p> - -<p>»Ihr habt einen hübschen Trupp hier.«</p> - -<p>»O ja,« sagte Simon. »Da ist der Tom, — habe -gehört, es soll ein ausgezeichneter Kerl sein. Er kostet -mich viel Geld, weil ich ihn als Kutscher oder als Verwalter -gebrauchen wollte; nur die Ideen müssen erst -aus ihm heraus, die er dadurch gelernt hat, daß er behandelt -worden ist, wie Niggers nie behandelt werden -sollten, — dann wird er ganz vortrefflich sein! Das -gelbe Weib sieht mir etwas kränklich aus, aber ich will -doch noch aus ihr herausdrücken, was sie werth ist. Ein -oder zwei Jahre hält sie noch vor. Schone meine Niggers -nicht; — verbrauche sie und kaufe neue, — 's macht - <span class="pagenum"><a id="Page_151">[S. 151]</a></span> -weniger Umstände und 's kommt mir am Ende billiger -zu stehen,« sagte Simon, sein Glas schlürfend.</p> - -<p>»Und wie lange halten sie gewöhnlich aus?« fragte -der Fremde.</p> - -<p>»Weiß nicht genau; 's hängt von der Constitution -ab. Stämmige Bursche sechs oder sieben Jahre; schwache -sind in zweien oder dreien fertig. Im Anfang hatt' ich -schrecklich viel Umstände, weil ich sie erhalten wollte, — -und dokterte, wenn sie krank waren, und ihnen Kleidungsstücke -und Decken gab, und 's ihnen bequem machen -wollte. Jetzt aber, seht, treibe ich sie grade durch, -krank oder gesund, und wenn ein Nigger todt ist, so -kauf' ich 'nen andern, und 's ist viel bequemer und billiger, -find' ich.«</p> - -<p>Der Fremde wendete sich ab und setzte sich neben -einen Herrn nieder, welcher der ganzen Unterhaltung mit -unterdrücktem Unwillen zugehört hatte.</p> - -<p>»Sie dürfen die südlichen Pflanzer nicht nach diesem -Kerl beurtheilen,« sagte er.</p> - -<p>»Ich hoffe <em class="gesperrt">nicht</em>,« entgegnete der junge Mann mit -Nachdruck.</p> - -<p>»Es ist ein niedriger, gemeiner, viehischer Kerl,« -sagte der Andere.</p> - -<p>»Und dennoch erlauben ihm Ihre Gesetze, so viele -menschliche Wesen seinem unbeschränkten Willen unterworfen -zu halten, ohne daß diese auch nur einen Schatten -von Schutz haben; und so gemein er ist, so müssen Sie -dennoch zugestehen, daß es Viele seiner Art gibt.«</p> - -<p>»Mag sein,« entgegnete der Andere, »aber es -gibt auch viele menschenfreundliche Männer unter den -Pflanzern.«</p> - -<p>»Zugestanden,« sagte der junge Mann; »aber meiner -Ansicht nach sind grade Ihre menschenfreundlichen -Männer für alle Unmenschlichkeit verantwortlich, die von -diesen Elenden verübt wird; denn ohne ihre Billigung -und ihren Einfluß könnte sich das ganze System nicht - <span class="pagenum"><a id="Page_152">[S. 152]</a></span> -eine Stunde halten. Wenn es keine anderen Pflanzer -gäbe, als solche,« sagte er, mit dem Finger auf Legree -deutend, welcher ihnen den Rücken zugewendet hatte, »so -würde die ganze Sache wie ein Mühlstein zu Grunde -gehen. Es ist grade Ihre Menschenfreundlichkeit, die diese -Unmenschlichkeit beschützt.«</p> - -<p>»Sie müssen viel Vertrauen zu meiner Gutmüthigkeit -haben,« sagte der Pflanzer lächelnd; »aber ich würde -Ihnen doch rathen, nicht so laut zu sprechen, da sich hier -viele Personen auf dem Boote befinden, die nicht ganz -so tolerant sein dürften. Sie thun besser, zu warten, bis -Sie auf meiner Plantage sind; dann mögen Sie uns Alle -schmähen, so viel Sie wollen.«</p> - -<p>Der junge Mann erröthete und lächelte, und Beide -waren bald darauf beim Puffspiele beschäftigt. Inzwischen -fand am unteren Ende des Bootes eine andre Unterhaltung -zwischen Emmelinen und der Mulattin Statt, -mit der sie zusammengekettet war. Sie theilten sich, -wie es natürlich war, Einzelnheiten ihrer Geschichte mit.</p> - -<p>»Wem gehörst Du?« fragte Emmeline.</p> - -<p>»Mein Herr war Mr. Ellis, in Leveestreet. Vielleicht -hast Du das Haus gesehen.«</p> - -<p>»War er gut gegen Dich?« fragte Emmeline weiter.</p> - -<p>»Meistens, bis er krank wurde. Er lag länger als -sechs Monate krank, und wurde schrecklich ungeduldig. Er -wollte keinen Menschen Tag und Nacht ruhen lassen, und -kein Mensch konnt' ihm 'was zu Dank thun. Jeden Tag -wurd' er schlimmer, und hielt mich alle Nächte wach, bis -ich ganz hin war und nicht mehr wachen konnte; und -weil ich 'mal in einer Nacht einschlief, wurd' er so schrecklich -gegen mich, und sagte, er wolle mich an den bösesten -Herrn verkaufen, den er finden könnte! und doch versprach -er mir meine Freiheit, als er starb.«</p> - -<p>»Hattest Du Angehörige?« fragte Emmeline.</p> - -<p>»Ja, einen Mann, — er ist ein Hufschmied. Master -verdung ihn gewöhnlich. Sie schleppten mich so schnell - <span class="pagenum"><a id="Page_153">[S. 153]</a></span> -fort, daß ich ihn nicht 'mal mehr sehen konnte; und ich -habe vier Kinder. O mein Gott!« sagte das Weib, und -bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen.</p> - -<p>Es ist ein natürliches Gefühl bei Jedem, der eine -Schilderung des Elends hört, irgend ein Trostwort sagen -zu wollen. Emmeline wollte auch etwas sagen, aber sie -konnte sich auf nichts besinnen. Was sollte sie sagen? -Wie aus Uebereinkommen vermieden Beide vor Furcht -und Schrecken des entsetzlichen Mannes Erwähnung zu -thun, der jetzt ihr Herr war.</p> - -<p>Wahr ist, daß es selbst in der trübsten Stunde einen -religiösen Trost gibt. Die Mulattin war Mitglied einer -methodistischen Kirche, und besaß zwar einen unaufgeklärten -Geist, aber aufrichtige Frömmigkeit. Emmeline hatte -eine bessere Bildung empfangen; sie hatte durch die Fürsorge -einer frommen Mistreß lesen, schreiben und die -Bibel verstehen gelernt; aber würde es nicht selbst den -Glauben des besten Christen erschüttern, wenn er sich anscheinend -so von Gott verlassen, und in den Klauen der -rohesten Gewalt befände? Wie viel mehr mußte es den -Glauben von Kindern erschüttern, die noch schwach in Erkenntniß, -und zart an Jahren waren.</p> - -<p class="pmb3">Das Boot verfolgte seinen Lauf, — beladen mit seiner -kummerschweren Last, — durch den röthlichen, trüben -Strom, und durch die Windungen des rothen Flusses -hinauf; und traurige, müde Augen ruhten auf -den steilen, röthlichen Kalkufern, die in öder Einförmigkeit -vorüber glitten. Endlich hielt das Boot vor einer -kleinen Stadt an, und Legree schiffte sich mit seinem Trupp -Sklaven aus.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_154">[S. 154]</a></span></p> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Zweiunddreissigstes_Kapitel">Zweiunddreißigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Finstere Orte.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i9">Das Land ist allenthalben jämmerlich</span> -<span class="i9">verheeret, und die Häuser zerrissen.</span> -</div></div> - - -<p>Müde und matt sich hinter einem rohen Wagen herschleppend, -einen rauhen Weg entlang, verfolgten Tom -und seine Genossen ihre Reise.</p> - -<p>Im Wagen saß Simon Legree; und die beiden -Frauenzimmer, noch immer zusammengefesselt, hatten mit -verschiedenem Gepäcke ihren Platz im hinteren Theile -desselben angewiesen erhalten. Auf diese Weise bewegte -sich die ganze Gesellschaft der Plantage Legree's zu, welche -noch in ziemlicher Entfernung lag.</p> - -<p>Es war eine wilde, öde Straße, die sich bald durch -einsame Fichtenwaldungen wand, und bald über Knippeldämme, -durch lange, mit Cypressen bewachsene Sümpfe -hinlief, deren melancholische Bäume weite Kränze schwarzen -Leichenmooses trugen, während hier und dort die -widerliche Gestalt der Mokassin-Schlange zwischen Baumstämmen -und abgebrochenen Zweigen sich hinschlängelte, -welche faulend im Wasser lagen.</p> - -<p>Es ist eine solche Reise schon trostlos genug für den -Fremden, wenn er mit wohlgefüllter Tasche und zuverlässigem -Pferde den einsamen Weg in Geschäften verfolgen -muß; aber noch viel schrecklicher und öder ist sie -für den unglücklichen Sklaven, den jeder müde Schritt -weiter und weiter von dem entfernt, was der Mensch -liebt, und wonach er sich sehnt.</p> - -<p>So würde Derjenige gedacht haben, der den kummervollen - <span class="pagenum"><a id="Page_155">[S. 155]</a></span> -Ausdruck jener dunklen Gesichter sah, die sinnende, -geduldige Mattigkeit, mit der jene traurigen Augen -an jedem Gegenstande hängen blieben, der ihnen auf ihrem -trostlosen Wege begegnete.</p> - -<p>Simon setzte inzwischen in bester Laune, wie es -schien, seine Reise fort, während er von Zeit zu Zeit -einer Brandweinflasche zusprach, die er in seiner Tasche -trug.</p> - -<p>»Ihr da, hört!« rief er, indem er sich umwandte -und mit einem flüchtigen Blicke die muthlosen Gesichter -hinter sich gewahrte. »Singt eins, Jungens! — los!«</p> - -<p>Die Männer sahen sich gegenseitig an, und die Wiederholung -des Wortes »los!« wurde mit einem kräftigen -Knall der Peitsche begleitet, welche der Fuhrmann in -der Hand trug. Tom begann eine methodistische Hymne -zu singen:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Sei, Seele, stark und unverzagt!</span> -<span class="i0">Wenn irgend Dich ein Kummer plagt,</span> -<span class="i0">Befiehl Gott deine Sachen.</span> -<span class="i0">In aller Pein —«</span> -</div></div> - -<p>»Halt Dein schwarzes Maul!« brüllte Legree. -»Denkst Du, ich will 'was von Deinem verfluchten methodistischen -Unsinn hören? Stimmt mir gleich 'was Lustiges -an, — schnell!«</p> - -<p>Einer der anderen Männer begann einen jener sinnlosen -Gesänge, welche unter Sklaven üblich sind, und -schien den Text selbst zu erdichten, ohne Rücksicht auf -Sinn und Vernunft nur nach einem Reime haschend:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Master sah' mich 'nen Affen fangen,</span> -<span class="i0">Jungens hoch, Jungens hoch!</span> -<span class="i0">Er hätte sich vor Lachen bald aufgehangen,</span> -<span class="i0">Ho, ho, ho, Jungens, ho!«</span> -</div></div> - -<p>wozu die ganze Gesellschaft den Chor sang:</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_156">[S. 156]</a></span></p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Ho! ho! ho! Jungens, ho!</span> -<span class="i0">Ho, he, ho! ho, he, ho!«</span> -</div></div> - -<p>Es wurde von Allen sehr laut, und mit einem erzwungenen -Versuche zur Fröhlichkeit gesungen; aber nicht -das flehendste Gebet um Hülfe, nicht die verzweiflungsvollste -Klage hätte ein so tiefes Weh auszudrücken vermocht, -wie in den wilden Klängen dieses Chores lag. -Als wenn das arme, stumme Herz, bedroht und in Fesseln -geschlagen, zu dem unartikulirten Heiligthume der Musik -seine Zuflucht genommen, und darin die Sprache gefunden -hätte, in der es sein Gebet zu Gott empor senden wollte! -Es lag ein Gebet darin, aber Simon konnte es nicht -hören. Er hörte nur den lauten, lärmenden Gesang der -Sklaven, und war zufrieden damit; er hatte sie »lustig« -gemacht.</p> - -<p>»Nun, meine liebe Kleine,« sagte er, sich zu Emmelinen -wendend, und seine Hand auf ihre Schulter legend, -»wir sind nun bald zu Hause.«</p> - -<p>Wenn Legree fluchte und stürmte, war Emmeline -erschreckt; aber wenn er sie berührte, und mit ihr sprach, -wie er jetzt that, so war es ihr, als wolle sie sich lieber -von ihm mißhandeln lassen. Der Blick seiner Augen -machte ihr Herz stocken, und ihre Haut schaudern. Unwillkürlich -drängte sie sich dichter an die Seite der Mulattin, -als wenn sie ihre Mutter wäre.</p> - -<p>»Du hast noch nie Ohrringe getragen,« sagte -er, mit seinen groben Fingern ihre zarten Ohren anfassend.</p> - -<p>»Nein, Master!« entgegnete Emmeline zitternd und -mit gesenkten Blicken.</p> - -<p>»Wohl, Du sollst ein Paar haben, wenn wir nach -Hause kommen, wenn Du artig sein willst. Brauchst -Dich nicht zu fürchten: Du sollst keine schwere Arbeit -verrichten. Kannst gute Zeit bei mir haben, und wie -eine Dame leben, — wenn Du artig sein willst.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_157">[S. 157]</a></span></p> - -<p>Legree hatte so viel getrunken, daß er sich geneigt -fühlte, in diesem herablassenden Tone zu reden. Gleich -darauf zeigten sich den Reisenden die Umzäunungen der -Plantage.</p> - -<p>Die Besitzung hatte früher einem Manne gehört, der -Reichthum und Geschmack besaß, und sehr viel für die -Verschönerung der Anlagen gethan hatte. Da er insolvent -starb, so kaufte sie Legree um einen billigen Preis, -und benutzte sie, wie alles Andre in der Welt, lediglich -als Werkzeug, Geld zu verdienen. Der Ort hatte ein -ödes, verwildertes Ansehen, was sich immer dann zeigt, -wenn die Sorgfalt eines früheren Besitzers dem gänzlichen -Verfalle überlassen worden ist.</p> - -<p>Was einst ein glatt geschorener Rasenplatz vor dem -Hause gewesen war, der hier und da verzierende Stauden -getragen hatte, war jetzt mit dichtem, wilden Grase -überwachsen, und zur Anlage von Pferdeständen benutzt, -wo der Rasen zertreten, und der Boden mit zerbrochenen -Eimern, Maishülsen und andern Fragmenten bedeckt -war. Hier und da hing ein verwelkender Jasmin oder -ein verkümmerndes Geißblatt von einer Säule herab, die -früher als Verzierung gedient, aber jetzt eine schiefe Stellung -angenommen hatte, weil sie als Pferdepfosten benutzt -worden war. Was früher ein großer Garten gewesen, -war jetzt mit Unkraut überwachsen, aus welchem hier und -da noch eine einzelne Zierpflanze ihr einsames Haupt -erhob. Ein ehemaliges Gewächshaus war jetzt ohne -Fenster, und auf den modernden Blumenbrettern standen -noch einige trockene, verlassene Blumentöpfe, deren verwelkte -Stöcke und Blätter kaum erkennen ließen, daß sie -einst Pflanzen gewesen waren.</p> - -<p>Der Wagen fuhr einen mit Unkraut bedeckten Kiesweg -hinauf, durch eine schöne Allee von Chinabäumen, -deren anmuthige Formen und immergrünender Blätterschmuck -die einzigen Dinge hier zu sein schienen, die Vernachlässigung -nicht verändern konnte, gleich edlen Geistern, - <span class="pagenum"><a id="Page_158">[S. 158]</a></span> -die ihre Wurzeln so tief in den Boden des Guten geschlagen -haben, daß sie selbst unter Entmuthigung und -Verfall blühen und kräftiger werden.</p> - -<p>Das Wohnhaus war groß und schön gewesen, und -war in dem im Süden gewöhnlichen Style erbaut. -Eine zwei Stock hohe Veranda, deren unterer Theil von -massiven Säulen getragen wurde, umgab dasselbe auf -allen Seiten, und nach ihr öffneten sich alle äußeren -Thüren des Hauses.</p> - -<p>Allein das ganze Gebäude sah öde und unbehaglich -aus. Einige Fenster waren mit Brettern verschlossen, -andere hatten zerbrochene Scheiben, und Laden, die nur -noch an einer Angel hingen. Alles verrieth rohe Vernachlässigung -und Unbehaglichkeit. Zerbrochene Bretter, -Stroh, alte, eingefallene Fässer und Kisten bedeckten -den Boden in allen Richtungen; und drei bis vier wild -aussehende Hunde, die durch das Geräusch der Wagenräder -erweckt worden waren, kamen angesprungen, und -wurden nur mit großer Mühe von den ihnen folgenden, -zerlumpten Dienstboten abgehalten, über Tom und seine -Genossen herzufallen.</p> - -<p>»Da seht Ihr, was mit Euch geschehen würde!« -sagte Legree zu Tom und seinen Gefährten, während er -seine Hunde mit grimmiger Freude liebkoste. »Ihr seht, -was mit Euch geschehen würde, wenn Ihr fortlaufen -wolltet. Diese Hunde sind dressirt, Niggers aufzuspüren, -und würden eben so gut einen von Euch zermalmen -und verschlucken, wie sie ihr Abendbrod verzehren. Also -nehmt Euch in Acht! — Sieh' da, Sambo!« sagte er -zu einem zerlumpten Kerl mit einem Hut ohne Krempe, -der sehr geschäftig in seinen Aufmerksamkeiten um ihn -war. »Wie sind die Sachen hier gegangen?«</p> - -<p>»Vortrefflich, Master.«</p> - -<p>»Quimbo,« sagte Legree zu einem Andern, der sich -die möglichste Mühe gab, seine Aufmerksamkeit zu - <span class="pagenum"><a id="Page_159">[S. 159]</a></span> -erregen, — »Du hast das gethan, was ich Dir gesagt -habe?«</p> - -<p>»Gewiß hab' ich's gethan.«</p> - -<p>Diese beiden farbigen Männer waren die obersten -Arbeiter auf der Plantage. Legree hatte sie in Rohheit -und Brutalität so systematisch erzogen und abgerichtet -wie seine Bulldogs, und hatte durch lange Uebung in -Härte und Grausamkeit ihre ganze Natur ziemlich auf -denselben Stand von Fähigkeiten reducirt. Es ist eine -gewöhnliche Erfahrung, die gegen den Charakter der -Rasse stark zu sprechen scheint, daß nämlich der schwarze -Aufseher immer tyrannischer und grausamer ist als der -weiße. Es gilt dies aber von dieser Rasse nicht mehr -als von jedem andern unterdrückten Geschlechte auf der -ganzen Erde. Der Sklave ist stets ein Tyrann, sobald -sich ihm Gelegenheit dazu darbietet.</p> - -<p>Legree, gleich andern Potentaten, von denen wir in -der Geschichte lesen, beherrschte seine Plantage mit -Hülfe einer gewissen Trennung der Kräfte. Sambo und -Quimbo haßten sich gegenseitig von ganzem Herzen; die -Plantagen-Arbeiter haßten beide eben so sehr; und indem -er den Einen gegen den Andern anhetzte, war er dessen -gewiß, von einem dieser drei Theile zu erfahren, was -in der Plantage vorging.</p> - -<p>Niemand kann ganz ohne geselligen Verkehr leben, -und Legree ermunterte deßhalb seine beiden schwarzen -Satelliten zu einer Art roher Familiarität mit ihm, die -jedoch zu jedem Augenblicke den Einen oder den Andern -in eine mißliche Lage bringen konnte; denn bei der geringsten -Veranlassung stand einer von ihnen stets bereit, -auf einen gegebenen Wink seine Rache gegen den Andern -auszuüben.</p> - -<p>Wie sie jetzt neben Legree standen, erschienen sie -als eine passende Versinnlichung der Wahrheit, daß -viehische Menschen selbst noch tiefer stehen als Thiere. -Ihre rohen, dunklen, schweren Züge; ihre großen Augen, - <span class="pagenum"><a id="Page_160">[S. 160]</a></span> -die neidisch einander betrachteten; ihre barbarische, -thierähnliche Gutturalsprache; ihre zerrissenen Kleidungsstücke, -die im Winde flatterten, standen in bewunderungswürdiger -Harmonie mit dem gemeinen, ungesunden Charakter -der ganzen Besitzung.</p> - -<p>»Hier, Sambo,« sagte Legree, »bringe diese Burschen -nach den Quartieren; und hier ist ein Weib, das -ich <em class="gesperrt">Dir</em> mitgebracht habe,« sagte er, indem er die Mulattin -von Emmelinen trennte, und sie ihm zustieß. »Du -weißt, ich versprach Dir eins.«</p> - -<p>Die Frau erschrack, und sagte ängstlich, sich zurückziehend: -»O Master, ich habe meinen alten Mann in -New-Orleans gelassen.«</p> - -<p>»Was soll das heißen, Du —; brauchst Du hier -keinen Mann? Keine Worte: — fort mit Dir!« sagte -Legree, während er die Peitsche aufhob.</p> - -<p>»Komm', Mistreß,« sagte er darauf zu Emmelinen -gewendet, »Du gehst mit mir diesen Weg.«</p> - -<p>Ein dunkles, wildes Gesicht wurde einen Augenblick -lang am Fenster des Hauses sichtbar, und als Legree -die Thüre öffnete, sagte eine weibliche Stimme Etwas -in schnellem und befehlendem Tone. Tom, der Emmelinen -mit ängstlichem Interesse nachblickte, nahm dies -wahr, und hörte Legree ärgerlich antworten: »Du hältst -Deinen Mund! Ich werde thun, was mir gefällt, und -mich um Dich nicht kümmern!«</p> - -<p>Tom hörte weiter nichts; denn er folgte Sambo -gleich darauf nach den Quartieren. Diese bestanden in einer -Reihe roh gezimmerter Schuppen, welche eine Art kleiner -Straße bildeten, und in einem von dem Wohnhause -weit entlegenen Theile der Plantage lagen. Tom's -Herz sank, als er sie sah. Er hatte sich mit der Hoffnung -auf eine Hütte getröstet, die er, wenn sie auch in -rohem Zustande war, doch zu einer reinlichen, stillen -Wohnung machen konnte, wo ein Plätzchen für seine -Bibel war, und wo er sich nach beendigten Arbeitsstunden - <span class="pagenum"><a id="Page_161">[S. 161]</a></span> -allein aufhalten durfte. Er sah in mehrere derselben -hinein. Es waren nichts als rohe, leere Schalen, -ohne jede Art von Hausgeräth, ausgenommen einem -Haufen Stroh, der vor Schmutz in Fäulniß überging, -und den Fußboden bedeckte, welcher nur aus dem natürlichen, -von zahllosen Füßen festgetretenen Erdboden bestand.</p> - -<p>»Welches von diesen Behältnissen ist mein?« sagte -er demüthig zu Sambo.</p> - -<p>»Weiß nicht; — kannst hier hinein gehen, denk' -ich,« entgegnete Sambo; »wird noch Platz drin sein für -Einen; — 's ist ein guter Haufe Niggers in jedem -drin; — weiß gar nicht, wo ich noch mit mehr hin -soll.«</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Es war spät Abends, als die müden Bewohner dieser -Schuppen in Haufen nach Hause gezogen kamen, — -Männer und Weiber in zerlumpten Kleidern, finster und -mürrisch, und in keiner Stimmung, neue Ankömmlinge -freundlich zu empfangen. Das kleine Dorf wurde nun -lebendig von wenig einladenden Tönen; rauhe Stimmen -stritten sich um die Handmühlen, auf denen ihre kleine -Quantität harten Kornes erst noch gemahlen werden -mußte, um den Kornkuchen daraus bereiten zu können, -aus dem ihr ganzes Abendbrod bestehen sollte. Von der -ersten Morgendämmerung an waren sie auf dem Felde -gewesen, und durch die unbarmherzige Peitsche der -Aufseher zur Arbeit angetrieben worden; denn es war -jetzt grade im höchsten Drange der Jahreszeit, und kein -Mittel blieb unversucht, um die Fähigkeiten eines Jeden -bis zur äußersten Spannung zu treiben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_162">[S. 162]</a></span></p> - -<p>»Ja, aber,« sagt der nachlässige Zuschauer, »Baumwolle -zupfen ist keine harte Arbeit.«</p> - -<p>Wirklich nicht? Es ist auch kein sehr schmerzhaftes -Gefühl, sich einen Tropfen Wasser auf den Kopf -fallen zu lassen; aber die schrecklichste Tortur der Inquisition -bestand darin, Tropfen auf Tropfen einen Augenblick -nach dem andern, in gleichmäßiger Einförmigkeit -auf dieselbe Stelle fallen zu lassen; und Arbeit, die an -sich nicht schwer ist, wird dadurch schwer, daß sie eine -Stunde nach der andern mit derselben unveränderlichen, -unerbittlichen Gleichförmigkeit, ohne freien Willen, dieselbe -unterbrechen zu dürfen, fortgesetzt wird.</p> - -<p>Tom schaute sich unter dem Trupp der Sklaven, -als er sich heran wälzte, vergeblich nach umgänglichen -Gesichtern um. Er sah nur finstere, mürrische, viehische -Männer, und schwarze, muthlose Weiber, oder solche, -die keine Weiber mehr waren; die Stärkeren stießen die -Schwachen bei Seite, und es zeigte sich ganz die rohe, -ungebändigte, thierische Selbstsucht menschlicher Wesen, -von denen nichts Gutes mehr erwartet und verlangt -wurde, und die, behandelt wie das Vieh, dem Standpunkte -desselben so nahe gekommen waren, wie es für -menschliche Wesen überhaupt möglich war. Das Geräusch -der Handmühlen wurde bis spät in die Nacht hinein gehört; -denn die Anzahl derselben war im Verhältniß zur -Zahl der Mahlenden nur gering, und die Müden und -Schwachen wurden von den Starken zurück getrieben, -und kamen zuletzt an die Reihe.</p> - -<p>»Hör Du!« rief Sambo, sich der Mulattin nähernd, -und einen Sack mit Korn vor sie nieder werfend; »wie -heißt Du?«</p> - -<p>»Lucy,« entgegnete die Frau.</p> - -<p>»Na denn, Lucy, — bist jetzt meine Frau. Hier, -mahle das Korn, und mache <em class="gesperrt">mein</em> Abendbrod zurecht, -— hörst Du?«</p> - -<p>»Ich bin Deine Frau nicht, und will es nicht - <span class="pagenum"><a id="Page_163">[S. 163]</a></span> -sein!« rief das Weib mit dem plötzlichen Muthe der -Verzweiflung; — »laß mich zufrieden!«</p> - -<p>»Ich werde Dir 'nen Tritt geben!« sagte Sambo, -drohend seinen Fuß aufhebend.</p> - -<p>»Du magst mich umbringen, wenn Du willst, — -je eher, je besser! Wünschte mir, ich wäre schon todt!« -sagte sie.</p> - -<p>»Höre, Sambo — Du willst die Arbeiter mißhandeln, -ich werd's Master sagen,« rief Quimbo, welcher -mit der Handmühle beschäftigt war, von der er zwei -oder drei ermüdete Weiber zurückgedrängt hatte, die -lange darauf gewartet hatten, um ihr Korn zu mahlen.</p> - -<p>»Und ich werde ihm erzählen, daß Du die Weiber -nicht an die Mühle lassen willst, Du alter Nigger!« -sagte Sambo. »Du bekümmere Dich um Deine eigene -Sachen.«</p> - -<p>Tom war bei seiner Tagesarbeit hungrig geworden, -und beinahe ohnmächtig vor Mangel an Nahrung.</p> - -<p>»Da, Du!« sagte Quimbo, einen groben Sack, -welcher eine Metze Korn enthielt, vor ihn niederwerfend; -— »da, Nigger, Futter, sieh' Dich mit vor, — -bekömmst weiter nichts <em class="gesperrt">diese</em> Woche.«</p> - -<p>Tom wartete bis zu einer späten Stunde, um einen -Platz an der Mühle zu erlangen; und dann, Mitleid -mit zwei todtmüden Frauen empfindend, die er sich -abmühen sah, ihr Korn zu mahlen, that er es für sie, -und legte die verglimmenden Feuerbrände zusammen, an -denen Viele ihre Kuchen vorher gebacken hatten, und -schritt dann endlich dazu, sein eignes Abendbrod zu bereiten. -Dieses Werk der Liebe, so geringfügig es war, -erweckte eine antwortende Regung im Herzen der Frauen, -und ein Ausdruck weiblichen Gefühls kam über ihre harten -Züge. Sie mengten den Kuchen für ihn, und -buken ihn; und er setzte sich dann beim Scheine des -Feuers nieder und suchte seine Bibel hervor, — denn -er bedurfte Trost.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_164">[S. 164]</a></span></p> - -<p>»Was ist das?« sagte eine der Frauen.</p> - -<p>»Eine Bibel,« entgegnete Tom.</p> - -<p>»Guter Gott! habe keine gesehen seit ich in Kentucky -war.«</p> - -<p>»Bist Du in Kentucky aufgebracht worden?« fragte -Tom mit Interesse.</p> - -<p>»Ja, und gut aufgebracht; — hätte nimmer gedacht, -daß ich hierher kommen würde!« entgegnete die -Frau seufzend.</p> - -<p>»Was für 'ne Art Buch ist das?« fragte die andere -Frau.</p> - -<p>»Nun, 'ne Bibel.«</p> - -<p>»Wie? was ist das?« fragte jene wieder.</p> - -<p>»Sprich doch! — Du hast nie davon gehört? Ich -hörte Missis oft drin lesen, in Kentucky, aber hier — -o Herr! hier hört man nichts als peitschen und fluchen.«</p> - -<p>»Lies doch ein Stück, — eins!« sagte die erste -Frau neugierig zu Tom, den sie eifrig darin studiren sah.</p> - -<p>Tom las: — »Kommt her zu mir alle, die ihr -mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.«</p> - -<p>»Sind gute Worte,« sagte die Frau, »wer sagt -sie denn?«</p> - -<p>»Der Herr,« entgegnete Tom.</p> - -<p>»Ich möchte nur wissen, wo ich ihn finden könnte,« -fuhr die Frau fort; — »ich würde zu ihm gehen. 's -ist grade als sollt' ich gar keine Ruhe mehr haben. -Mein Fleisch ist wund und ich zittere jeden Tag von -Morgen bis Abend, denn Sambo schimpft immerzu auf -mich los, daß ich nicht schnell genug zupfe; und Abends -wird's fast immer Mitternacht, ehe ich mein Essen bekomme; -und dann, kaum habe ich mich hingelegt und -meine Augen geschlossen, so bläst das Horn schon wieder -zum Aufstehn, und dann geht 's wieder los. Wenn ich -nur wüßte, wo der Herr wäre, — ich wollt 's ihm sagen.«</p> - -<p>»Er ist hier, er ist überall,« sagte Tom.</p> - -<p>»Ach, geh' weg, Du wirst mir das nicht einreden! - <span class="pagenum"><a id="Page_165">[S. 165]</a></span> -Ich weiß, der Herr ist nicht hier,« sagte die Frau; »'s -nützt nichts, das Reden. Will mich hinlegen und schlafen, -so lange ich kann.«</p> - -<p>Die Weiber gingen fort nach ihren Hütten, und -Tom saß allein beim verglimmenden Feuer, welches seinen -röthlichen Schein über sein Gesicht warf. Der freundliche -silberne Mond stieg auf am Nachthimmel, und still -und schweigend, wie Gott auf die Scenen des Elends -und der Unterdrückung herabschaut, blickt er nieder auf -den einsamen schwarzen Menschen, der mit untergeschlagenen -Armen seine Bibel auf dem Knie haltend, dort saß.</p> - -<p>»Ist Gott hier?« O wie ist es für das ungelehrte -Herz möglich, seinen Glauben ohne Wanken im Angesichte -und unter dem Drucke gräßlicher, unverkennbarer -Ungerechtigkeiten zu bewahren! In jenem schlichten Herzen -kämpfte ein wilder Kampf; das zerschmetternde Gefühl -des erlittenen Unrechts, die Ahnung eines ganzen übrigen -Lebens voll Elend, die Trümmer aller früheren Hoffnungen, -die vor der Seele traurig auf- und niedertauchten, -wie die Leichname von Weib, Kind und Freunden -aus der schwarzen Welle hervor noch einmal den Blicken -des schon versinkenden Seemannes erscheinen! War es -<em class="gesperrt">hier</em> leicht zu glauben, und festzuhalten an der großen -Parole des christlichen Glaubens, »daß er sei, und denen -die er suche, ein Vergelter sein werde!«</p> - -<p>Tom erhob sich trostlos und stolperte in die Hütte, -die ihm angewiesen worden war. Der Fußboden war -bereits mit müden Schläfern bedeckt, und die schlechte -Luft des Behältnisses schreckte Tom beinahe zurück; aber -der schwere Nachtthau war kalt, und seine Glieder waren -müde; und indem er sich deßhalb in eine zerrissene Decke -wickelte, welche sein einziges Bettzeug ausmachte, streckte -er sich auf das Stroh und entschlief.</p> - -<p>Eine sanfte Stimme schlug im Traume an sein Ohr. -Er saß auf dem Moossitze im Garten am See Pontchartrain, - <span class="pagenum"><a id="Page_166">[S. 166]</a></span> -und Eva, mit ihren ernsten Augen niederblickend, -las ihm die Bibel vor, und er hörte sie lesen:</p> - -<blockquote> - -<p>»Denn so Du durchs Wasser gehest, will Ich bei -Dir sein, daß Dich die Ströme nicht sollen ersäufen; -und so Du in's Feuer gehst, sollst Du -nicht brennen und die Flamme soll Dich nicht -anzünden. Denn Ich bin der Herr, Dein Gott, -der Heilige in Israel, Dein Heiland.«</p></blockquote> - -<p>Allmählig schienen die Worte sich in himmlische Musik -aufzulösen und zu verhallen; das Kind schlug seine tiefen -Augen auf und richtete sie liebevoll auf ihn, und wärmende, -tröstende Strahlen fielen auf sein Herz; und wie -getragen von den heiligen Tönen, schien sie sich auf -glänzenden Flügeln zu erheben, von denen goldene Funken -und Flocken gleich Sternen herabfielen, und sie war verschwunden.</p> - -<p class="pmb3">Tom erwachte. War es ein Traum? Es möge -dafür gelten; aber wer will behaupten, daß es jenem -sanften, jugendlichen Geiste, der im Leben stets bemüht -war, die Unglücklichen zu trösten und zu beruhigen, von -Gott verwehrt worden sei, dieses Amt auch nach dem -Tode zu verrichten?</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Dreiunddreissigstes_Kapitel">Dreiunddreißigstes Kapitel. -<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Cassy.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i9">Und siehe, da waren Thränen derer, so Unrecht</span> -<span class="i9">litten, und hatten keinen Tröster; und die ihnen</span> -<span class="i9">Unrecht thaten, waren zu mächtig, daß sie</span> -<span class="i9">keine Tröster haben konnten.</span> -</div></div> - - -<p>Es erforderte nur kurze Zeit, um Tom mit Allem -bekannt zu machen, was er auf seinem neuen Lebenswege - <span class="pagenum"><a id="Page_167">[S. 167]</a></span> -zu hoffen und zu fürchten hatte. Er war ein erfahrener, -geschickter Arbeiter in jeder Beschäftigung, die er unternahm, -und aus Princip und Gewohnheit pünktlich und -getreu. Ruhig und friedfertig von Natur, hoffte er durch -unausgesetzten Fleiß wenigstens theilweise die in seiner -Lage ihm drohenden Uebel abzuwenden. Er sah genug -Mißhandlung und Elend, um ihn krank und lebensmüde -zu machen; aber er beschloß angestrengt fortzuarbeiten, -und mit frommer Geduld auf Den zu vertrauen, der gerecht -richtet, nicht ohne Hoffnung, daß sich doch vielleicht -ein Weg der Rettung öffnen könne.</p> - -<p>Legree beachtete im Stillen Toms Brauchbarkeit -wohl. Er hielt ihn für einen vorzüglichen Arbeiter, und -dennoch empfand er einen gewissen Widerwillen gegen -ihn, — die natürliche Antipathie des Schlechten gegen -das Gute. Er sah deutlich, daß wenn, was oft der Fall -war, seine Rohheit und Gewaltthätigkeit auf die Hülflosen -fiel, Tom dies jedesmal beachtete; denn so fein ist -die Atmosphäre der Gedanken, daß sie sich selbst ohne -Worte fühlbar macht, und selbst die Gedanken eines -Sklaven können einen Herrn verletzen. Tom verrieth in -mannigfachen Beziehungen eine Zartheit des Gefühls, -und ein Mitleid für seine Leidensgenossen, welches diesen -durchaus neu war, und von Legree mit eifersüchtigen -Augen beobachtet wurde. Er hatte Tom in der Absicht -gekauft, ihn zu einer Art Aufseher zu machen, dem er, -während Abwesenheiten von kurzer Dauer, seine Geschäfte -übertragen könne, und nach seiner Ansicht war das erste, -zweite und dritte Erforderniß zu einer solchen Stellung -— <em class="gesperrt">Härte</em>. Da nun Tom für diesen Zweck nicht hart -genug war, so nahm sich Legree vor, ihn abzuhärten; -und als Tom einige Wochen dort gewesen war, beschloß -er diesen Prozeß zu beginnen.</p> - -<p>Eines Morgens, als die Arbeiter für die Feldarbeit -gemustert wurden, bemerkte Tom mit Erstaunen einen -neuen Ankömmling unter ihnen, dessen Erscheinung seine - <span class="pagenum"><a id="Page_168">[S. 168]</a></span> -Aufmerksamkeit erregte. Es war eine Frau, von großem, -schlanken Wuchse, mit außerordentlich zarten Händen und -Füßen, die reinlich und anständig gekleidet war. Ihrem -Gesichte nach zu urtheilen, konnte sie zwischen fünfunddreißig -und vierzig Jahr alt sein; und es war dies ein -Gesicht, das, einmal gesehen, sich nie wieder vergessen -ließ, — eins derjenigen, die uns auf den ersten Blick -eine wilde, schmerzvolle, romantische Lebensgeschichte ahnen -lassen. Ihre Stirn war hoch, und ihre Augenbrauen -waren fein und schön gezogen. Ihre griechische Nase, -ihr fein geschnittener Mund und die reizenden Umrisse -ihres Kopfes und Nackens zeigten, daß sie einst sehr schön -gewesen sein müsse; aber ihr Gesicht trug tiefe Furchen -von Schmerz und stolzen und bitteren Leidens. Ihre -Gesichtsfarbe war bleich und ungesund, ihre Wangen -waren eingefallen, ihre Züge scharf, und ihre ganze Gestalt -abgezehrt. Aber ihr Auge war der merkwürdigste -Theil ihrer ganzen Erscheinung, — so groß, so tiefschwarz, -beschattet von langen und eben so schwarzen -Wimpern, und dem Ausdrucke wilder Verzweiflung. In -jeder Linie ihres Gesichts, in jeder Biegung ihrer Lippen, -in jeder Bewegung ihres Körpers lagen Stolz und wilder -Trotz; aber in ihrem Auge lag eine stille, tiefe Nacht -von Angst, die in schrecklichem Gegensatze zu dem Stolze -und Trotze stand, welcher aus ihrem ganzen Wesen sprach.</p> - -<p>Woher sie kam, und wer sie war, wußte Tom nicht. -Seine erste Wahrnehmung von ihr bestand darin, daß -er sie stolz und grade an seiner Seite durch die erste -Morgendämmerung schreiten sah. Den Uebrigen schien -sie jedoch bekannt zu sein; denn Aller Köpfe wendeten -sich nach ihr um, und blickten nach ihr hin, und eine -unterdrückte, aber unverkennbare Freude sprach sich unter -den elenden, zerlumpten, halb verhungerten Wesen aus, -von denen sie umgeben war.</p> - -<p>»Endlich doch gekommen? — freue mich!« sagte -Einer.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_169">[S. 169]</a></span></p> - -<p>»Ha! ha! ha!« sagte ein Anderer, »sollst sehen, -wie gut es ist, Missis!«</p> - -<p>»Wollen sie nun 'mal arbeiten sehen!«</p> - -<p>»Soll mich wundern, ob sie heut Abend 'mal eine -Tracht Prügel bekömmt, wie wir anderen!«</p> - -<p>»Sollte mich freuen, wenn sie auch 'mal die Peitsche -kriegte, — meiner Seel!« sagte wieder ein Anderer.</p> - -<p>Die Frau nahm keine Notiz von allen diesen Spöttereien, -sondern schritt mit dem Ausdruck kalter Verachtung -weiter, als höre sie nichts. Tom hatte von jeher -unter gebildeten Leuten gelebt, und erkannte an ihrem -Wesen und ihrer ganzen Haltung, daß sie dieser Klasse -angehöre; aber wie oder weßhalb sie in diese entehrende -Verhältnisse gesunken sei, konnte er sich nicht erklären. -Die Frau sah ihn weder an, noch sprach sie mit ihm, -obgleich sie während des ganzen Weges nach dem Felde -an seiner Seite blieb.</p> - -<p>Tom war bald darauf mit seiner Arbeit beschäftigt, -allein, da die Frau sich nur in geringer Entfernung -von ihm befand, so warf er öfters einen Blick nach ihr -hinüber, während sie bei ihrer Arbeit saß. Er erkannte -sogleich, daß ihr vermöge einer natürlichen Gewandtheit -und Geschicklichkeit die Arbeit viel leichter wurde als vielen -Andern. Sie zupfte sehr schnell und sehr reinlich, -und mit einer Miene, als wenn sie sowohl die Arbeit -wie die Schande und Demüthigung der Verhältnisse verachte, -in denen sie sich befand.</p> - -<p>Im Laufe des Tages arbeitete Tom auch in der -Nähe der Mulattin, die zugleich mit ihm gekauft worden -war. Sie befand sich augenscheinlich in einem sehr leidenden -Zustande, und Tom hörte sie öfters beten, während -sie zitterte und schwankte, und nahe daran zu sein -schien, umzusinken. Indem er sich deßhalb ihr schweigend -nahte, that er einige Handvoll Baumwolle aus seinem -Sacke in den ihrigen.</p> - -<p>»O thue das nicht, thue das nicht!« sagte die - <span class="pagenum"><a id="Page_170">[S. 170]</a></span> -Frau, ihn erstaunt anblickend, »es wird Dir Schaden -bringen.«</p> - -<p>In demselben Augenblicke kam Sambo heran. Er -schien einen besondern Groll gegen dieses Weib zu haben; -und während er deßhalb seine Peitsche schwang, rief er -mit seinen rohen Kehllauten: »Was ist das hier? Luce, -— Betrügereien?« stieß das Weib mit seinem schweren -Schuh in die Seite, und hieb Tom mit der Peitsche -über das Gesicht.</p> - -<p>Tom fuhr schweigend mit seiner Arbeit fort, aber -die Frau, vorher schon gänzlicher Erschöpfung nahe, fiel -in Ohnmacht.</p> - -<p>»Ich will sie wieder zu sich bringen!« sagte der -Treiber mit viehischem Lachen. »Will ihr noch 'was -Besseres geben als Kampher!« und indem er sodann eine -Stecknadel von seinem Aermel zog, stieß er diese bis an -den Knopf in ihr Fleisch hinein. Das Weib stöhnte, -und erhob sich halb. »Steh' auf, Du Biest, und arbeite, -willst Du?« rief Sambo, »oder ich will Dir noch -was anderes zeigen.«</p> - -<p>Auf diese Weise zu einer unnatürlichen Kraft für -einige Augenblicke angetrieben, arbeitete die Frau mit -verzweifeltem Eifer weiter.</p> - -<p>»Sieh' Dich vor, daß Du so fortfährst,« sagte der -Mann, »oder Du sollst wünschen, daß Du heut Abend -noch todt wärst, — glaubs mir!«</p> - -<p>»Das wünsch' ich jetzt schon!« hörte Tom sie sagen, -und gleich darauf: »O Gott, wie lange noch! O Gott, -warum hilfst Du uns nicht?«</p> - -<p>Auf die Gefahr jedes möglichen Uebels hin näherte -sich ihr Tom abermals, und that alle seine Baumwolle -in den Sack der Frau.</p> - -<p>»O Du mußt nicht! Du weißt nicht, was sie mit -Dir machen werden!« sagte die Frau.</p> - -<p>»Ich kann's tragen!« sagte Tom, »eher als Du.« - <span class="pagenum"><a id="Page_171">[S. 171]</a></span> -während er sich auf seinen Platz zurück begab. Es war -das Werk eines Augenblicks.</p> - -<p>Plötzlich schlug die fremde Frau, die wir geschildert -haben, und die im Laufe der Arbeit nahe genug an -Tom heran gerückt war, um seine Worte hören zu können, -ihre tiefen, schwarzen Augen auf, richtete sie auf -Tom eine Sekunde lang, und nahm aus ihrem -Korbe eine Quantität Baumwolle, und that sie in den -seinigen.</p> - -<p>»Du kennst diesen Ort nicht,« sagte sie, »sonst -würdest Du das nicht gethan haben. Wenn Du erst -einen Monat hier gewesen bist, wirst Du Niemanden -mehr helfen wollen, — wirst es schwer genug finden, -für Deine eigene Haut zu sorgen.«</p> - -<p>»Gott bewahre, Missis!« rief Tom, während er -sich unwillkührlich gegen seine Mitarbeiterin auf dem -Felde der Höflichkeitsform bediente, welche nur gegen -die Personen höheren Standes üblich war, bei denen er -gelebt hatte.</p> - -<p>»Gott ist nie an diesen Orten,« entgegnete die -Frau, während sie gewandt mit ihrer Arbeit fortfuhr, -und das verächtliche Lächeln wieder um ihre Lippen -spielte.</p> - -<p>Allein die Handlung der Frau war von dem Treiber -in einiger Entfernung wahrgenommen worden, -und mit geschwungener Peitsche kam er deßhalb auf -sie zu.</p> - -<p>»Was? was?« rief er ihr mit triumphirender -Miene zu, »<em class="gesperrt">Du</em> — betrügen? bist jetzt unter mir, — -nimm' Dich in Acht, oder Du sollst es kriegen.«</p> - -<p>Ein Glanz wie Wetterleuchten fuhr plötzlich aus -ihren schwarzen Augen, und sich mit bebenden Lippen -umwendend, schoß sie einen wüthenden Blick auf den -Treiber.</p> - -<p>»Hund!« rief sie, »berühre mich, wenn Du es -wagst! Noch habe ich Macht genug, um Dich von den - <span class="pagenum"><a id="Page_172">[S. 172]</a></span> -Hunden zerreißen, lebendig verbrennen, oder in Stücke -zerschneiden zu lassen. Es kostet mich nur ein Wort!«</p> - -<p>»Wozu bist Du denn hier, zum Teufel?« sagte -der Mann, augenscheinlich eingeschüchtert, sich einige -Schritte zurückziehend. »Meinte nichts Böses, Misse -Cassy!«</p> - -<p>»So entferne Dich von mir!« sagte die Frau. Und -in der That schien der Mensch sehr geneigt, sich am -andern Ende des Feldes ein Geschäft zu suchen, denn -er zog sich sofort in möglichster Eile zurück.</p> - -<p>Plötzlich wandte sich die Frau wieder zu ihrem -Geschäfte, und arbeitete mit einer Schnelligkeit, die Tom -wirklich wunderbar erschien. Es war, als wenn sie mit -Zauberkräften arbeitete. Ehe der Tag zu Ende war, -hatte sich ihr Korb gefüllt, fast niedergepreßt, und -hoch aufgehäuft, und dessen ungeachtet hatte sie mehrmals -bedeutende Quantitäten in Tom's Korb gelegt. Lange nachdem -die Abenddämmerung vorüber war, zog der ganze, -ermüdete Haufe, mit den Körben auf den Köpfen, dem -Gebäude zu, wo das Abwägen und Aufschichten der -Baumwolle Statt fand. Legree befand sich dort, in angelegentlicher -Unterhaltung mit seinen beiden Treibern.</p> - -<p>»Der Tom fängt an, schreckliche Unruhe zu machen; -— hat immerfort in Lucy's Korb gepackt. So -Einer wird bald alle die Niggers aufsäßig und unzufrieden -machen, wenn Master ihm nicht aufpaßt!« sagte Sambo.</p> - -<p>»Heisa! Der schwarze Schlingel!« sagte Legree. -»Wird 'ne Dressur nöthig haben, — nicht wahr, -Jungens?«</p> - -<p>Beide Neger grinsten bei dieser Mittheilung auf entsetzliche -Weise.</p> - -<p>»Master Legree wird ihn schon dressiren, — das -kann der Teufel selbst nicht besser, als Master!« sagte -Quimbo.</p> - -<p>»Ich denke, Jungens, das beste Mittel ist, daß - <span class="pagenum"><a id="Page_173">[S. 173]</a></span> -er's Auspeitschen besorgt, bis er seine Begriffe los -wird,« sagte Legree.</p> - -<p>»O Herr! Master wird schwere Arbeit haben, bis -er die aus ihm heraus bringt!« bemerkte Sambo.</p> - -<p>»Heraus müssen sie doch!« entgegnete Legree, während -er seinen Taback im Munde umher wälzte.</p> - -<p>»Nun, da ist Lucy, — das ärgerlichste, häßlichste -Mensch auf der ganzen Plantage!« fuhr Sambo -fort.</p> - -<p>»Nimm Dich in Acht, Sam,« sagte Legree, — -»werd's am Ende ausfinden, warum Du solchen Groll -gegen Lucy hast.«</p> - -<p>»Ja, Master weiß, sie hat sich Master widersetzt, -und hat mich nicht haben wollen, als ich's ihr sagte.«</p> - -<p>»Ich wollt's ihr schon einprügeln,« sagte Legree -speiend, »aber 's gibt jetzt so viel Arbeit, und 's ist -nicht erst der Mühe werth, sie gerade jetzt unter zu -bringen. Sie ist nur schmächtig; aber diese Schmächtigen -lassen sich halb umbringen, um ihren Willen zu -behalten!«</p> - -<p>»Ja, aber Lucy war faul und eigensinnig, und -wollte nichts thun, — und Tom hat die Arbeit für sie -gethan.«</p> - -<p>»Tom, — wirklich? Na, dann soll Tom das -Vergnügen haben, sie auszupeitschen. 'S wird 'ne gute -Uebung für ihn sein, und er wird's ihr nicht so geben, -wie Ihr, Teufels!«</p> - -<p>»Ho! ho! ho!« lachten die beiden schwarzen Schufte, -und ihre diabolischen Laute schienen in der That kein -unpassender Ausdruck des teuflischen Charakters zu sein, -welchen Legree ihnen zuschrieb.</p> - -<p>»Ja, aber, Master, Tom und Misse Cassy haben -beide Lucy's Korb gefüllt. Kann mir's Gewicht schon -denken, Master.«</p> - -<p>»<em class="gesperrt">Ich will das Abwägen besorgen!</em>« sagte -Legree mit Nachdruck.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_174">[S. 174]</a></span></p> - -<p>Beide Treiber ließen von Neuem ihr teuflisches -Lachen hören.</p> - -<p>»So?« fügte Legree hinzu, »Misse Cassy hat ihr -Tagewerk gethan?«</p> - -<p>»Sie zupft wie der Teufel, und alle seine Engel!«</p> - -<p>»Sie hat sie, glaub' ich, alle in sich!« sagte Legree, -und ging, während er einen rohen Fluch brummte, -nach dem Wägezimmer.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Langsam schleppten sich die müden, muthlosen Geschöpfe -in dasselbe, und boten furchtsam und kriechend -ihre Körbe zum Wägen dar.</p> - -<p>Legree vermerkte den Betrag eines jeden auf einer -Schiefertafel, auf deren Seite sich ein Namensverzeichniß -Aller befand.</p> - -<p>Tom's Korb wurde gewogen und richtig befunden, -worauf er mit ängstlichem Blicke den Erfolg der armen -Frau beobachtete, die er in seine Freundschaft gezogen -hatte.</p> - -<p>Wankend vor Mattigkeit, trat sie vor und übergab -ihren Korb. Er hatte volles Gewicht, wie Legree wohl -bemerkte; aber sich zornig stellend, sagte er:</p> - -<p>»Was, Du faules Thier, wieder zu wenig? tritt -auf die Seite, — sollst es kriegen, — gleich!«</p> - -<p>Das Weib ließ ein Stöhnen der äußersten Verzweiflung -hören, und setzte sich auf eine Bank nieder.</p> - -<p>Dann trat die Person, welche Misse Cassy genannt -worden war, hervor, und überlieferte ihren Korb mit -einer stolzen, nachlässigen Miene, während Legree sie -mit einem höhnischen, fragenden Blicke beobachtete. Sie -richtete ihre schwarzen Augen fest auf ihn, ihre Lippen - <span class="pagenum"><a id="Page_175">[S. 175]</a></span> -bewegten sich leicht, und sie sagte etwas in französischer -Sprache zu ihm. Was es war, verstand Niemand; -aber Legree's Gesicht nahm bei diesen Worten einen -dämonischen Ausdruck an, und er hob seine Hand auf -wie zum Schlagen, — eine Bewegung, die sie mit stolzer -Verachtung ansah, während sie sich abwandte und -fortging.</p> - -<p>»Und nun,« sagte Legree, »komme Du her, Tom. -Siehst Du, ich sagte Dir vorher, daß ich Dich nicht -für gemeine Arbeit gekauft hätte. Ich will Dich erhöhen, -und 'nen Aufseher aus Dir machen, und so -kannst Du heut Abend gleich anfangen, und Deine Hand -dazu thun. Also nimm' hier das Weib, und peitsche sie -aus; hast schon genug davon gesehen, um zu wissen, wie -Du's machst.«</p> - -<p>»Ich bitte Master um Verzeihung,« sagte Tom, — -»hoffe, Master wird das nicht von mir verlangen. Bin -nicht daran gewöhnt, — hab's nie gethan, — und -kann's nicht thun, — ganz unmöglich.«</p> - -<p>»Wirst noch Manches lernen müssen, was Du nie -gewußt hast, eh' ich mit Dir fertig bin!« sagte Legree, -während er die Peitsche aufhob, und Tom einen schweren -Hieb über die Backe versetzte, und dann einen Schauer von -Hieben nachfolgen ließ. »Da!« sagte er, als er inne -hielt, um auszuruhen, — »willst Du mir nun noch sagen, -Du kannst nicht?«</p> - -<p>»Ja, Master,« entgegnete Tom, während er seine -Hand aufhob, um das Blut abzuwischen, welches ihm vom -Gesichte herabträufelte. »Ich bin bereit, Tag und Nacht, -so lange Leben und Athem in mir ist, zu arbeiten; aber -das halt' ich nicht für recht zu thun, — und, Master, ich -werde 's <em class="gesperrt">nimmer</em> thun, — <em class="gesperrt">nimmer</em>!«</p> - -<p>Tom hatte eine außerordentlich sanfte, weiche Stimme, -und beobachtete stets, gewohnheitsgemäß, ein ehrerbietiges -Benehmen, was Legree zu dem Glauben veranlaßt hatte, -daß er furchtsam und leicht zu unterwerfen sei. Als er - <span class="pagenum"><a id="Page_176">[S. 176]</a></span> -diese letzten Worte sprach, überlief Alle ein Schreckensschauer; -das arme Weib schlug seine Hände zusammen, -und rief: »o Herr!« und alle Anwesenden blickten sich -unwillkürlich gegenseitig an, und hielten den Athem an, -wie um sich auf den Sturm vorzubereiten, der jetzt folgen -müsse.</p> - -<p>Legree stand starr vor Verwunderung und ganz verwirrt -da; endlich aber brach er los:</p> - -<p>»Was! Du verdammtes schwarzes Biest! Du willst -mir sagen, Du hältst es nicht für recht zu thun, was ich -Dir heiße? Was hat eins von Euch verfluchten Stücken -Vieh nöthig, dran zu denken, was recht ist. Wart', ich -will dem Dinge ein Ende machen! Was meinst Du denn, -daß Du bist? Glaubst wohl, Du bist ein Herr, Mister -Tom, der seinem Master sagen will, was recht ist, und -was nicht! Bist also der Meinung, daß es unrecht sei, -das Weib zu peitschen?«</p> - -<p>»Ich denke so, Master,« sagte Tom; »das arme Geschöpf -ist krank und schwach; 's würde ganz grausam sein, -und ich kann 's nimmer thun. Master, wenn Sie mich -umbringen wollen, thun Sie's; aber meine Hand werd' -ich niemals gegen irgend Einen hier aufheben, — lieber -will ich sterben!«</p> - -<p>Tom sprach mit sanfter Stimme, aber mit einer Bestimmtheit, -die sich nicht verkennen ließ. Legree bebte vor -Zorn; seine grünlichen Augen funkelten wild, und selbst -sein Bart fing sich vor Leidenschaft an zu kräuseln; aber, -gleich einem wilden Thiere, das mit seinem Opfer spielt, -ehe es dasselbe verzehrt, hielt er seinen heftigen, inneren -Drang zur augenblicklichen Gewaltthätigkeit zurück, und -brach in bittere Spöttereien aus.</p> - -<p>»Sieh' da, hier ist endlich ein frommer Kerl unter -uns Sünder gefallen! — ein Heiliger, ein Gentleman, -nichts weniger, um uns Sündern unsere Sünden vorzuhalten! -Muß 'ne mächtig fromme Kreatur sein! — Hier, -Du Schlingel, der Du so fromm sein willst, hast Du nie - <span class="pagenum"><a id="Page_177">[S. 177]</a></span> -in der Bibel gelesen: »Ihr Knechte, seid unterthan Eurem -leiblichen Herrn!« Bin ich nicht Dein Herr? Hab' ich -nicht zwölfhundert Dollar baar Geld bezahlt für Alles, was -in Deiner alten, verfluchten schwarzen Schale steckt? Bist -Du nicht mein jetzt mit Leib und Seele?« rief er, Tom -einen heftigen Stoß mit seinem schweren Stiefel versetzend, -— »sage mir!«</p> - -<p>Selbst in diesem heftigen physischen Leiden, und obgleich -niedergebeugt von roher Gewalt, schoß dennoch bei -dieser Frage ein Strahl von Freude und Triumph durch -Toms Seele. Er richtete sich plötzlich auf, und inbrünstig -zum Himmel blickend, während Thränen und Blut -sich auf seiner Wange mischten, rief er:</p> - -<p>»Nein! nein! nein! meine Seele gehört Ihnen nicht, -Master! Sie haben sie nicht gekauft, — Sie können sie -nicht kaufen! <em class="gesperrt">Die</em> ist gekauft und bezahlt worden von -Einem, der fähig ist, sie zu bewahren; — thut nichts, thut -nichts, Sie können mir kein Leid zufügen!«</p> - -<p>»Ich kann nicht?« sagte Legree mit höhnischem Lächeln; -»wollen seh'n! — wollen seh'n! Hier, Sambo, -Quimbo, gebt diesem Hunde 'ne solche Dressur, daß er -für diesen Monat genug hat!«</p> - -<p class="pmb3">Die beiden gigantischen Neger, welche mit teuflischer -Freude in ihren Gesichtern sich jetzt Toms bemächtigten, -wären nicht ungeeignet gewesen, die Mächte der Finsterniß -persönlich darzustellen. Die arme Frau schrie laut auf -vor Schrecken, und Alle, wie von demselben Impulse getrieben, -erhoben sich, während Tom, ohne Widerstand zu -leisten, hinausgeschleppt wurde.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_178">[S. 178]</a></span></p> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Vierunddreissigstes_Kapitel">Vierunddreißigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Die Geschichte der Quadroon.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i9">Da lobte ich die Todten, die schon gestorben</span> -<span class="i9">waren, mehr denn die Lebendigen, die noch das</span> -<span class="i9">Leben hatten.</span> -</div></div> - - -<p>Es war Nacht, und Tom lag allein, stöhnend und -blutend in einem alten, verlassenen Zimmer des Gin-Hauses -zwischen Stücken zerbrochenen Maschinenwerks, -Haufen verdorbener Baumwolle und anderem Unrath, der -hier aufbewahrt wurde.</p> - -<p>Die Nacht war feucht und warm, und die dicke -Atmosphäre war angefüllt von Myriaden Moskitos, -welche die Qualen seiner Wunden vermehrten, während -ein brennender Durst, — die größte aller Torturen, — -das höchste Maaß physischer Leiden füllte.</p> - -<p>»O guter Gott! Sieh' herab, — verleihe mir den -Sieg, — den Sieg über Alles!« betete der arme Tom -in seiner Todesangst.</p> - -<p>Ein menschlicher Fußtritt wurde plötzlich im Zimmer -gehört, und das Licht einer Laterne fiel auf seine Augen.</p> - -<p>»Wer ist da? O um des Herrn willen, reicht mir -ein wenig Wasser!«</p> - -<p>Die Frau Cassy — denn sie war es — setzte die -Laterne nieder, goß Wasser aus einer Flasche, erhob seinen -Kopf, und gab ihm zu trinken. Noch einen Becher, -und noch einen leerte er in seinem fieberischen Durste.</p> - -<p>»Trink so viel Du willst,« sagte sie, »ich wußte schon, -wie es sein würde! 's ist nicht das erste Mal, daß ich - <span class="pagenum"><a id="Page_179">[S. 179]</a></span> -in der Nacht ausgegangen bin, um solchen Leuten, wie -Du jetzt bist, Wasser zu bringen.«</p> - -<p>»Dank' Euch, Missis,« sagte Tom, nachdem er getrunken -hatte.</p> - -<p>»Nenne mich nicht Missis! Ich bin eine elende -Sklavin, gleich Dir, — eine niedrigere, als Du je werden -kannst!« sagte sie in bitterem Tone; »aber nun,« -fügte sie hinzu, an die Thür gehend, und einen kleinen -Strohsack hereinziehend, über welchen sie leinene, in kaltes -Wasser getauchte Tücher gelegt hatte, »versuche es, mein -armer Bursche, Dich auf diesen Sack zu rollen.«</p> - -<p>Steif von Wunden und Quetschungen brauchte Tom -lange Zeit, ehe er diese Bewegung vollbrachte; dann aber -empfand er eine merkliche Erleichterung durch die kühlenden -Umschläge auf seinen Wunden.</p> - -<p>Die Frau, welche durch eine lange Praxis an den -Opfern der Rohheit manche heilende Künste erlernt hatte, -legte mehrfache Verbände auf Toms Wunden, welche ihm -Linderung seiner Schmerzen bereiteten.</p> - -<p>»Nun,« sagte die Frau, nachdem sie ihm noch eine -Rolle schadhafter Baumwolle als Kissen untergelegt hatte, -»das ist Alles, was ich für Dich thun kann.«</p> - -<p>Tom dankte ihr, und die Frau setzte sich auf den -Boden nieder, zog ihre Kniee an, und diese mit den Armen -umfassend, blickte sie mit einem bitteren, schmerzlichen -Ausdrucke ihres Gesichts starr vor sich hin. Ihr Hut fiel -zurück, und langes, üppiges, schwarzes Haar strömte um -ihr sonderbares, melancholisches Gesicht.</p> - -<p>»Es ist vergeblich, mein armer Mensch!« begann sie -endlich, »Es ist vergeblich, was Du zu thun versucht hast. -Warst ein braver Bursche, — und hattest das Recht auf -Deiner Seite; aber 's hilft Dir alles nichts, dagegen zu -kämpfen. Du bist in des Teufels Händen; — er ist der -Stärkere, und Du mußt nachgeben!«</p> - -<p>»Nachgeben!« und hatten nicht menschliche Schwäche -und physischer Schmerz ihm das schon zuvor in's Ohr - <span class="pagenum"><a id="Page_180">[S. 180]</a></span> -geflüstert? Tom erschrak; denn das bittere Weib mit -den wilden Augen und der melancholischen Stimme erschien -ihm als die verkörperte Versuchung, gegen die er -gekämpft hatte.</p> - -<p>»O Herr! o Herr!« stöhnte er, »wie kann ich nachgeben?«</p> - -<p>»Es hilft nichts, den Herrn anrufen, — er hört es -nie,« sagte die Frau mit ruhiger, fester Stimme. »Ich -glaube, es gibt keinen Gott; oder, wenn es einen gibt, -so hat er gegen uns Partei genommen. Alles ist gegen -uns, Himmel und Erde; Alles hilft dazu, uns in die -Hölle zu stoßen; — warum sollten wir nicht gehen?«</p> - -<p>Tom schloß seine Augen, und schauderte vor den -finsteren, atheistischen Worten.</p> - -<p>»Siehst Du,« fuhr die Frau fort, »Du verstehst davon -nichts, — aber ich. Ich bin hier fünf Jahre gewesen, -mit Leib und Seele unter dieses Mannes Fuß, -und hasse ihn wie den Teufel! Du bist hier auf einer -einsamen Pflanzung, zehn Meilen von jeder andern entfernt, -in den Sümpfen; und keine weiße Person ist hier, -die Zeugniß ablegen könnte, wenn Du auch lebendig verbrannt, -oder geschunden, in Stücke gehauen, den Hunden -vorgeworfen, oder aufgehängt und zu Tode gepeitscht -würdest. Es gibt kein göttliches und kein menschliches -Gesetz hier, das Dir von Nutzen sein könnte, und dieser -Mann! — es gibt Nichts, das er zu gut zu thun wäre. -Ich könnte Dein Haar sträuben und Deine Zähne klappern -machen, wenn ich Dir erzählen wollte, was ich hier -gesehen und gehört habe; — es hilft nichts, hier Widerstand -zu leisten! — <em class="gesperrt">Wollte</em> ich etwa mit ihm leben? -War ich nicht ein Weib, das eine feine Erziehung erhalten -hatte? und er — Gott im Himmel! was war er, -und was ist er? Und dennoch habe ich mit ihm seit fünf -Jahren gelebt, und jeden Augenblick meines Lebens verflucht, -— Nacht und Tag! Und jetzt hat er eine Neue -bekommen, — ein junges Ding, erst fünfzehn Jahre alt, - <span class="pagenum"><a id="Page_181">[S. 181]</a></span> -und fromm erzogen, wie sie sagt. Ihre gute Mistreß hat -sie gelehrt, die Bibel lesen, und sie hat ihre Bibel mitgebracht, -— mit in die Hölle!« — und das Weib stieß -ein wildes, schmerzliches Lachen aus, das mit sonderbarem, -übernatürlichem Klange durch den verfallenen alten -Schuppen schallte.</p> - -<p>Tom faltete seine Hände. Alles war Schrecken und -Finsterniß.</p> - -<p>»O Jesus! Herr Jesus! hast Du uns arme Geschöpfe -ganz vergessen?« fing er endlich an zu klagen. -»O hilf, Herr! ich komme um!«</p> - -<p>Das Weib fuhr in strengem Tone fort:</p> - -<p>»Und was sind diese elenden, niedrigen Geschöpfe, -mit denen Du arbeitest, daß Du um ihretwillen leiden -solltest? Ein Jeder von ihnen würde sich bei der ersten -Gelegenheit gegen Dich wenden. Sie sind Alle gegen -einander so gemein und grausam wie nur möglich. Es -ist ganz nutzlos, daß Du leidest, um ihnen nicht wehe -zu thun.«</p> - -<p>»Arme Geschöpfe!« sagte Tom, — »was machte sie -grausam? — und, wenn ich nachgebe, so werd' ich mich -d'ran gewöhnen, und werde nach und nach auch so werden, -wie sie sind! Nein, nein, Missis! ich habe Alles -verloren, — Weib, Kinder und Heimath, und einen -guten Master, der mich frei gelassen haben würde, wenn -er noch eine Woche länger gelebt hätte; ich habe Alles -in <em class="gesperrt">dieser</em> Welt verloren, und 's ist dahin für immer, -— und nun <em class="gesperrt">kann</em> ich nicht den Himmel auch noch verlieren; -— nein, ich kann nicht auch noch schlecht werden!«</p> - -<p>»Aber es ist unmöglich, daß der Herr die Sünde -in unser Schuldbuch schreiben werde,« sagte die Frau; -»er wird sie uns nicht zurechnen, wenn wir dazu gezwungen -werden; er wird sie denen zurechnen, die uns -dazu getrieben haben.«</p> - -<p>»Ja,« sagte Tom; »aber das wird uns nicht dagegen - <span class="pagenum"><a id="Page_182">[S. 182]</a></span> -schützen, schlecht zu werden. Wenn ich so hartherzig -und so böse werden sollte, wie jener Sambo, so -würde 's mir am Ende gleich sein, wie ich dazu gekommen -wäre; es ist das <em class="gesperrt">so sein</em>, — das ist's, was -ich fürchte.«</p> - -<p>Die Frau richtete einen wilden, überraschten Blick -auf Tom, als wenn ein neuer Gedanke in ihr aufgestiegen -sei; dann sagte sie tief seufzend:</p> - -<p>»O Gott sei uns gnädig! Du sagst die Wahrheit! -O! O! O!« — und stöhnend sank sie wie zerschmettert -und im tiefsten Seelenschmerz sich krümmend auf den -Boden nieder.</p> - -<p>Es trat eine Pause ein, während deren das Athmen -Beider hörbar war, bis Tom mit schwacher Stimme -sagte: »O, bitte, Missis!«</p> - -<p>Die Frau erhob sich, und ihr Gesicht hatte wieder -den gewöhnlichen ernsten, melancholischen Ausdruck angenommen.</p> - -<p>»Bitte, Missis, ich sah, daß sie meinen Rock in -jene Ecke warfen, und in der Tasche ist meine Bibel; — -wenn Missis so gut sein wollte, sie mir zu reichen.«</p> - -<p>Cassy ging und holte die Bibel. Tom öffnete sofort -eine besonders markirte, viel gelesene Stelle aus den -letzten Lebensaugenblicken Desjenigen, durch dessen Streiche -und Leiden wir geheilt worden sind.</p> - -<p>»Wenn Missis doch so gut sein wollte, hier — das -zu lesen, 's ist noch besser als Wasser.«</p> - -<p>Cassy nahm das Buch mit kalter, stolzer Miene, und -blickte über die Stelle. Dann las sie mit sanfter Stimme -und mit eigenthümlichem, schönem Ausdrucke die rührende -Schilderung seines Todesschmerzes und seiner Glorie. -Oefters, während des Lesens, stockte ihre Stimme, oder -versagte gänzlich, und dann hielt sie mit einer Miene kalter -Ruhe inne, bis sie sich wieder vollständig gesammelt hatte. -Als sie an die rührenden Worte kam: »Vater, vergib -ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun!« ließ sie das - <span class="pagenum"><a id="Page_183">[S. 183]</a></span> -Buch fallen, barg ihr Gesicht in die dunkle Fülle ihrer -Haare, und begann laut und mit krampfhafter Heftigkeit -zu schluchzen.</p> - -<p>Tom weinte auch und ließ zuweilen einen unterdrückten -Ausruf hören.</p> - -<p>»Wenn wir nur das erreichen könnten!« sagte Tom; -»es schien bei ihm so natürlich zu sein, und wir müssen -so schwer darum kämpfen! O Herr, hilf uns! o heiliger -Herr Jesus, hilf uns!«</p> - -<p>Nach einer Weile fuhr Tom fort: »Missis, ich kann -das ganz deutlich sehen, Missis ist in allen Dingen weit -über mir, aber da ist eins, das Missis selbst vom armen -Tom lernen könnte. Ihr sagtet, der Herr habe Partei -gegen uns genommen, weil er zuläßt, daß man uns zu -Boden schlägt und mißhandelt: aber Ihr seht, was seinem -eigenen Sohne widerfahren ist, — dem Herrn der -Herrlichkeit, — war er nicht immer arm? und ist Einer -von uns schon so elend geworden, wie er war? Nein, -Gott hat uns nicht vergessen, — das weiß ich gewiß! -Wenn wir mit ihm leiden, so werden wir auch mit zur -Herrlichkeit erhoben werden, sagt die Schrift; aber wenn -wir Ihn verleugnen, so wird er uns auch verleugnen. -Haben sie nicht Alle gelitten? — der Herr und die Seinigen? -Hören wir nicht, wie sie gesteinigt und auseinander -gesägt wurden, und wie sie in Schaaffellen und Ziegenhäuten -umherwanderten, und hülflos, und betrübt, -und gequält waren? Leiden ist kein Grund, um uns -glauben zu lassen, daß sich der Herr von uns gewendet -habe, sondern gerade das Gegentheil, wenn wir zu ihm -halten und nicht der Sünde weichen.«</p> - -<p>»Aber warum setzt er uns dahin, wo wir nicht -anders können, als sündigen?« sagte die Frau.</p> - -<p>»Ich glaube, wir <em class="gesperrt">können</em> anders,« entgegnete -Tom.</p> - -<p>»Du wirst es sehen,« sagte Cassy; »was willst Du -thun? Morgen werden sie wieder über Dich herfallen. - <span class="pagenum"><a id="Page_184">[S. 184]</a></span> -Ich kenne sie; ich habe alle ihre Thaten gesehen; ich -kann nicht an alles das denken, was sie noch über Dich -bringen werden, — und zuletzt wirst Du doch nachgeben -müssen!«</p> - -<p>»Herr Jesus!« sagte Tom, »Du <em class="gesperrt">willst</em> Dich meiner -Seele annehmen? O Herr, thue es! — lasse mich -nicht wanken!«</p> - -<p>»O mein Gott!« sagte Cassy; »Ich habe alles dieses -Schreien und Beten schon oft gehört, und dennoch -sind sie gebrochen und bezwungen worden. Da ist Emmeline, -die sich zu halten versucht, und Du versuchst, — -aber was hilft es? Du mußt nachgeben, oder Dich -langsam umbringen lassen.«</p> - -<p>»Gut, so <em class="gesperrt">will</em> ich sterben!« sagte Tom. »Sie -mögen es in die Länge ziehen, so weit sie können, sie -können doch nicht verhindern, daß ich endlich sterbe! — -und dann können sie nichts mehr thun. Das ist klar, ich -bin bereit! Ich <em class="gesperrt">weiß</em>, der Herr wird mir helfen und -mich hindurch führen.«</p> - -<p>Die Frau antwortete nicht; sie blieb schweigend -sitzen, während sie mit ihren schwarzen Augen vor sich -hin auf den Boden starrte.</p> - -<p>»Vielleicht ist das der rechte Weg,« murmelte sie für -sich; »aber für Diejenigen, die es einmal aufgegeben -haben, ist keine Hoffnung mehr, — keine! Wir leben in -Schmutz, und werden eckelhaft, bis wir uns selbst zum -Eckel werden! Wir sehnen uns danach, zu sterben, und -haben nicht den Muth, uns selbst zu tödten! — Keine -Hoffnung! keine! keine! — das Mädchen, grade so alt, -wie ich war!«</p> - -<p>»Du siehst mich jetzt,« fuhr sie zu Tom gewendet -fort, und sehr schnell sprechend, — »siehst, was ich jetzt -bin! Wohl, ich bin in Luxus erzogen worden. Das -erste, dessen ich mich entsinne, ist, daß ich als Kind in -glänzenden Zimmern spielte, — daß ich wie eine Puppe -gekleidet ging, und von aller Welt gelobt und gepriesen - <span class="pagenum"><a id="Page_185">[S. 185]</a></span> -wurde. Eine Glasthür führte aus dem Salon in den -Garten, und dort pflegte ich mit meinen Geschwistern zu -spielen. Ich wurde in ein Kloster gebracht, und lernte -Musik, Französisch und feine Stickerei und wer weiß was -Alles; und als ich vierzehn Jahre alt war, verließ ich -es, um dem Begräbnisse meines Vaters beizuwohnen. -Er starb plötzlich, und als der Nachlaß regulirt werden -sollte, ergab sich's, daß kaum genug vorhanden war, um -seine Schulden zu decken; und die Gläubiger nahmen -ein Inventarium auf, und ich wurde mit darin verzeichnet. -Meine Mutter war eine Sklavin gewesen, und -mein Vater hatte stets die Absicht gehabt, mich für frei -zu erklären; aber er hatte es nicht gethan, und so wurde -ich mit in das Verzeichniß aufgenommen. Es war mir -von jeher bekannt gewesen, was ich war, aber ich hatte -nie viel daran gedacht. Man glaubte nie, daß ein -starker, gesunder Mann plötzlich sterben könne. Mein -Vater war noch vier Stunden vor seinem Tode gesund -und wohl. Es war einer der ersten Cholerafälle in -New-Orleans. Am Tage nach dem Begräbniß nahm -die Frau meines Vaters ihre Kinder und ging damit -nach der Plantage ihres Vaters. Ich dachte, sie behandelten -mich recht sonderbar, aber ich verstand es nicht. -Es war da ein junger Advokat, der den Auftrag hatte, -die Geschäfte in Ordnung zu bringen; dieser kam jeden -Tag und sprach sehr höflich mit mir. Eines Tages -brachte er einen jungen Mann mit sich, den ich für den -schönsten hielt, den ich jemals gesehen hatte. Ich werde -niemals jenen Abend vergessen. Wir gingen zusammen -im Garten spazieren. Ich fühlte mich so einsam und so -traurig, und er war so sanft und so freundlich gegen -mich, und erzählte mir, daß er mich schon früher gesehen -habe, ehe ich nach dem Kloster gebracht worden sei, und -daß er mich so lange geliebt habe, und daß er mein -Freund und Beschützer sein wolle; — kurz, obgleich er -es mir nicht sagte, er hatte zweitausend Dollar für mich - <span class="pagenum"><a id="Page_186">[S. 186]</a></span> -bezahlt, und ich war sein Eigenthum. Ich wurde es -gern, denn ich liebte ihn. — Liebte!« wiederholte die -Frau inne haltend. »O! wie liebte ich ihn! wie liebe -ich ihn jetzt noch, — und werde ihn ewig lieben, so -lange ich athme! Er war so schön, so erhaben, so edel! -Er wies mir ein schönes Haus an, mit Dienern, Pferden -und Wagen, mit Möbeln und schönen Kleidungsstücken. -Alles was Geld erkaufen konnte, gab er mir; aber ich -legte keinen Werth darauf, — er galt mir über Alles. -Ich liebte ihn mehr als Gott und meine Seele; und ich -konnte nichts Anderes thun, als was er wünschte.</p> - -<p>Nur einen Wunsch hegte ich, — den, daß er -mich <em class="gesperrt">heirathen</em> solle. Ich dachte, wenn er mich so -liebte wie ich ihn, und wenn ich das wirklich war, wofür -er mich zu halten schien, so würde er gern bereit -sein, mich zu heirathen und in Freiheit zu setzen. Allein -er überzeugte mich davon, daß es unmöglich sei, -und sagte mir, daß wenn wir einander treu seien, es -eine Ehe vor Gott sei. Wenn das wahr ist, war ich -denn nicht jenes Mannes Weib? War ich nicht treu? -Bewachte ich nicht sieben Jahre lang jeden Blick und -jede Bewegung, nur bemüht, ihm zu gefallen? Er -bekam das gelbe Fieber, während dessen ich zwanzig -Tage und Nächte bei ihm wachte. Ich allein; — ich -reichte ihm alle seine Arzneien, und verrichtete jede -Dienstleistung für ihn, und er nannte mich seinen guten -Engel, und sagte, daß ich ihm das Leben gerettet -habe.</p> - -<p>Wir hatten zwei schöne Kinder. Das erste war -ein Knabe, den wir Henry nannten. Er war das Abbild -seines Vaters; — er hatte so schöne Augen, eine -so schöne Stirn und so schöne, lange Locken, — und ganz -seines Vaters Geist und Fähigkeiten! Die kleine Elise -war mir ähnlich, wie ihr Vater sagte. Er pflegte mich -das schönste Weib in Louisiana zu nennen und mich zu -versichern, daß er stolz auf mich und die Kinder sei. Er - <span class="pagenum"><a id="Page_187">[S. 187]</a></span> -sah es gern, daß ich sie hübsch anzog, um mit ihnen -und mir sodann in einem offenen Wagen umherzufahren -und die Bemerkungen der Leute über uns zu hören; -und fortwährend erzählte er mir nachher die Lobsprüche, -die über mich und die Kinder geäußert worden waren. -O, das waren glückliche Tage! Ich fühlte mich so glücklich, -wie ein Mensch nur sein konnte; aber dann kamen -böse Zeiten. Es war ein Cousin von New-Orleans gekommen, -der sein intimster Freund war, — und von dem -er außerordentlich viel hielt. Allein vom ersten Augenblicke, -wo ich ihn sah, fürchtete ich ihn, ohne zu wissen, -weßhalb; denn ich fühlte die Gewißheit in mir, daß er -Unglück über uns bringen werde. Er verleitete Henry, -mit ihm auszugehen, und kehrte oft erst um zwei oder -drei Uhr nach Hause. Ich wagte nichts darüber zu sagen, -denn Henry war heftigen Temperaments, und ich -fürchtete mich. Er ließ sich von seinem Cousin in Spielhäuser -führen, und er war einer von denjenigen, die, -wenn sie einmal dort gewesen sind, sich nicht mehr davon -zurückhalten lassen. Bald darauf machte ihn jener mit -einer andern Dame bekannt, und ich bemerkte bald, daß -sein Herz sich von mir gewendet hatte. Er sagte mir es -nie, aber ich sah es deutlich, — ich fühlte es jeden Tag -mehr, — mein Herz brach, aber ich konnte kein Wort -darüber sagen! Dann erbot sich jener Elende, mich -und die Kinder von Henry zu kaufen, um seine Spielschulden -davon bezahlen zu können, welche ihn verhinderten, -sich so zu verheirathen, wie er wünschte; — und -<em class="gesperrt">er verkaufte uns</em>! Er sagte mir eines Tages, daß -er Geschäfte auf dem Lande habe, und zwei oder drei -Wochen abwesend sein werde. Er sprach freundlicher, -als gewöhnlich, und versicherte mich, daß er zurückkehren -werde; allein ich ließ mich dadurch nicht täuschen. Ich -wußte, daß die Zeit gekommen sei. Mir war, als sei -ich in Stein verwandelt worden: ich konnte weder sprechen, -noch eine Thräne vergießen. Er küßte mich und - <span class="pagenum"><a id="Page_188">[S. 188]</a></span> -die Kinder viele, viele Male, und ging hinaus. Ich -sah ihn noch das Pferd besteigen und folgte ihm mit den -Augen, bis er meinen Blicken entschwand. Dann sank -ich ohnmächtig nieder.«</p> - -<p>»Dann kam <em class="gesperrt">er</em>, der verfluchte Elende! — und -nahm Besitz von mir. Er sagte mir, daß er mich und -meine Kinder gekauft habe, und zeigte mir die Papiere. -Ich verfluchte ihn vor Gott und sagte ihm, daß ich lieber -sterben als mit ihm leben würde.</p> - -<p>›Ganz wie Du willst,‹ entgegnete er, ›aber -wenn Du dich nicht vernünftig beträgst, so verkaufe ich -beide Kinder, so daß Du sie nie im Leben wieder -siehst.‹ Er sagte mir, daß es vom ersten Augenblicke -an, wo er mich gesehen, seine Absicht gewesen sei, mich -zu besitzen, und daß er Henry absichtlich verleitet und in -Schulden gestürzt habe, um ihn dazu zu bringen, mich -zu verkaufen; daß er ihn aus demselben Grunde zu dem -Verhältniß mit einer andern Dame geführt habe, und -daß er selbst endlich nicht gesonnen sei, seinen Plan um -ein paar Thränen halber aufzugeben.</p> - -<p>Ich gab nach, denn meine Hände waren gebunden. -Er hatte meine Kinder in seiner Gewalt; und sobald -ich mich irgendwie seinem Willen widersetzte, fing er davon -an zu sprechen, daß er sie verkaufen wolle, und -machte mich dadurch so unterwürfig, als er nur wünschte. -O, was für ein Leben war das! Jeden Tag mit brechendem -Herzen leben und liebevoll und zärtlich sein zu -müssen, während es doch nichts als Elend war; und -mit Leib und Seele an jemanden gebunden zu sein, -den ich haßte. Meinem Henry las ich gern vor, ich -spielte und tanzte mit ihm, oder sang ihm etwas vor; -aber Alles, was ich für diesen thun mußte, war mir -eine Qual; — und dennoch wagte ich nicht, irgend Etwas -zu verweigern. Sein Benehmen war herrisch und -hart gegen die Kinder. Elise war ein kleines, furchtsames -Wesen; aber Henry war wie sein Vater kühn und - <span class="pagenum"><a id="Page_189">[S. 189]</a></span> -muthig, und hatte sich nie durch irgend Jemanden zur -Unterwürfigkeit bringen lassen. Ihn tadelte und schalt -er fortwährend, und ich lebte in steter Angst. Ich bemühte -mich, den Knaben ehrerbietiger zu machen, — ich -suchte ihn von ihm entfernt zu halten, denn ich hing an -diesen Kindern mit meinem ganzen Leben; aber es half -nichts. <em class="gesperrt">Er verkaufte beide Kinder.</em> Eines Tags -nahm er mich mit auf eine Spazierfahrt, und als ich zu -Hause kam, waren sie verschwunden! Er sagte mir, daß -er sie verkauft habe und er zeigte mir das Geld, den -Preis ihres Blutes.</p> - -<p>Von nun an schien mich alles Gute zu verlassen. -Ich raste und fluchte, — fluchte Gott und Menschen; -und eine Zeit lang fürchtete er sich wirklich vor mir. -Allein er gab nicht nach. Er sagte mir, daß meine -Kinder verkauft seien, aber daß, ob ich ihre Gesichter je -wiedersähe, von ihm abhänge, und daß, wenn ich mich -nicht ruhig verhalte, meine Kinder dafür leiden sollten. -Du kannst mit einer Frau Alles thun, wenn Du ihre -Kinder hast. Er machte mich demüthig, er brachte mich -zur Ruhe; er schmeichelte mir mit Hoffnungen, daß er -sie zurückkaufen werde, und so verfloßen einige Wochen. -Eines Tages ging ich spazieren, und kam am Stockhause -vorüber. Ich sah eine große Menschenmenge vor -dem Thore versammelt und hörte eine Kinderstimme, — -und plötzlich riß sich mein Henry von zwei oder drei -Männern los, die ihn hielten, und lief schreiend auf mich -zu und erfaßte mein Kleid. Jene kamen fluchend hinter -ihm her, und ein Mann, dessen Gesicht ich nie vergessen -werde, sagte ihm, daß er so nicht davon kommen solle, -daß er mit ihm in's Stockhaus gehe und daß er dort -eine Lehre bekommen solle, die er nicht so leicht vergessen -werde. Ich bat und flehte für ihn, — aber die Männer -lachten nur dazu; der arme Knabe schrie und schaute -mir in's Gesicht, und hielt sich an mir fest, bis sie ihn -losreißend den Rock meines Kleides halb mit abrissen; - <span class="pagenum"><a id="Page_190">[S. 190]</a></span> -und dann schleppten sie ihn, während er ›Mutter! -Mutter! Mutter!‹ schrie, fort. Ein Mann stand dabei, -der Mitleid zu haben schien. Ich bot ihm alles -Geld an, was ich hatte, wenn er mir beistehen wolle; -aber er schüttelte seinen Kopf und entgegnete, daß der -Mann ihm gesagt habe, der Knabe sei ungehorsam und -ungezogen vom ersten Augenblicke an gewesen, daß er -ihn gekauft und daß er ihm jetzt ein für allemal eine -Dressur geben wolle. Ich wandte mich um und rannte -davon, und auf jedem Schritte glaubte ich noch sein Geschrei -zu hören. Ich gelangte in das Haus und eilte -athemlos in das Zimmer, wo sich Butler befand. Ich -sagte es ihm und flehte ihn an, sich des Knaben anzunehmen; -aber er lachte nur und antwortete mir, daß -der Knabe bekomme, was er verdiene, und daß er dressirt -werden müsse, je eher, desto besser.</p> - -<p>Es war mir, als wenn irgend etwas in diesem -Augenblicke in meinem Kopfe springe. Ich wurde rasend -und verlor die Besinnung. Dunkel entsinne ich mich -noch, daß ich ein großes Messer auf dem Tische liegen -sah, daß ich darnach griff und auf ihn zu sprang; dann -wurde Alles schwarz vor mir, und was nachher mit mir -geschah, — davon weiß ich viele, viele Tage lang -nichts.</p> - -<p>Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in -einem reinlichen Zimmer, — aber nicht dem meinigen. -Ein altes, schwarzes Weib bediente mich, und ein Arzt -besuchte mich, und große Aufmerksamkeit wurde mir -überhaupt geschenkt. Bald nachher erfuhr ich, daß er den -Ort verlassen und mich in diesem Hause zurückgelassen -habe, um verkauft zu werden. Das war der Grund, -weßhalb man mir so große Sorgfalt bewies.</p> - -<p>Mein Wunsch und meine Hoffnung war, nicht wieder -gesund zu werden; aber trotz dessen verließ mich das -Fieber, ich wurde gesund und stand endlich wieder auf. -Dann wurde ich gezwungen, mich jeden Tag zu putzen; - <span class="pagenum"><a id="Page_191">[S. 191]</a></span> -und Herren kamen herein, und rauchten ihre Cigarren, -und betrachteten mich, und richteten Fragen an mich, -und sprachen über meinen Preis. Ich war stumm und -finster, so daß Niemand mich kaufen wollte. Man drohte -mir mit der Peitsche, wenn ich nicht heitrer wäre und -mir mehr Mühe gäbe, mich angenehm zu machen. Endlich -kam eines Tages ein Herr, Namens Stuart, der etwas -Gefühl für mich zu haben schien. Er sah, daß etwas -Schreckliches an meinem Herzen nage, und kam sehr -oft allein, und beredete mich endlich, mich ihm mitzutheilen. -Er kaufte mich und versprach mir, Alles, was -er könne, zu thun, um meine Kinder zu ermitteln und -zurückzukaufen. Er ging nach dem Hotel, wo mein -Henry gewesen war; aber man sagte ihm, daß er an -einen Pflanzer am Perlfluß verkauft worden sei, und -das war das letzte, was ich über ihn gehört habe. Dann -fand er meine Tochter, die von einem alten Weibe gehalten -wurde. Er bot eine ungeheure Summe, aber sie -sollte nicht verkauft werden. Butler hatte in Erfahrung -gebracht, daß er sie für mich kaufen wolle, und ließ mir -deßhalb anzeigen, daß ich sie nie wieder haben solle. -Kapitän Stuart war sehr gütig gegen mich. Er besaß -eine große Pflanzung und führte mich dahin. Im Laufe -eines Jahres gebar ich einen Sohn. O, das Kind, wie -liebte ich es! Wie ähnlich das kleine Wesen meinem -armen Henry war! Aber mein Entschluß war gefaßt. -Ich wollte nie wieder ein Kind am Leben erhalten, um -es aufwachsen zu lassen. Ich nahm das kleine Geschöpf -in meine Arme, als es vierzehn Tage alt war, und -küßte es und weinte über ihm; und dann flößte ich ihm -Laudanum ein, und hielt es an meinen Busen, während -es zum Tode einschlief. Ich trauerte und weinte über -es, und Niemand glaubte anders, als daß ich dem Kinde -aus Irrthum Laudanum gegeben habe; aber es ist eins -der wenigen Dinge, deren ich mich jetzt noch freue. Ich -habe nie bereut, es gethan zu haben, denn das arme - <span class="pagenum"><a id="Page_192">[S. 192]</a></span> -Wesen ist nun wenigstens frei von Schmerzen. Was -konnte ich ihm Besseres geben, als den Tod?</p> - -<p>Bald nachher kam die Cholera, und Kapitän Stuart -starb. Jeder starb, der zu leben wünschte, — und ich, -— ich, obgleich ich bis an die Pforten des Grabes gebracht -wurde, — ich mußte <em class="gesperrt">leben</em>! Dann wurde ich -verkauft und ging von einer Hand in die andere, bis -ich verwelkt war und runzelig wurde, und das Fieber -gehabt hatte. Dann kaufte mich dieser Elende, und -brachte mich hierher, — und hier bin ich!«</p> - -<p>Die Frau hielt inne. Sie war wild und leidenschaftlich -über ihre Erzählung hingeeilt, bald ihre Worte -an Tom richtend, bald wie im Selbstgespräche redend. -So gewaltig und hinreißend war die Kraft ihrer Rede, -daß Tom selbst die Schmerzen seiner Wunden vergaß, -und, sich auf einen Ellbogen stützend, sie aufmerksam beobachtete, -während sie ruhelos auf und nieder schritt, -und ihr langes, schwarzes Haar um ihre Schultern -schwer herabfiel.</p> - -<p>»Du sagst mir,« fuhr sie nach einer Pause fort, -»daß es einen Gott gebe, — einen Gott, der herabblicke -und alle diese Dinge sehe. Mag sein! — Die -Schwestern im Kloster erzählten mir von einem Tage -des Gerichts, an welchem Alles an das Licht kommen -werde; — o, das wird ein Tag der Vergeltung sein!«</p> - -<p>»Die Menschen glauben, es sei nichts, was wir -leiden, — nichts, was unsere Kinder leiden! — es sei -Alles nur Kleinigkeit; und doch bin ich oft durch die -Straßen gegangen und glaubte so viel Elend und Jammer -in meinem eigenen Herzen zu haben, daß die Stadt -darüber versinken müsse. Ich wünschte, daß die Häuser -auf mich fallen und die Steine unter mir versinken möchten! -Ja! am Tage des Gerichts will ich vor Gott -hintreten und Zeugniß gegen Jene ablegen, die mich -und meine Kinder an Leib und Seele ruinirt haben!«</p> - -<p>»Als ich noch ein Mädchen war, glaubte ich, ich - <span class="pagenum"><a id="Page_193">[S. 193]</a></span> -sei fromm; ich liebte Gott und betete gern. Jetzt bin -ich eine verlorene Seele, von Teufeln verfolgt, die mich -Tag und Nacht plagen, — die mich immer weiter und -weiter treiben, — und ich <em class="gesperrt">will</em> es thun, — bald, recht -bald!« sagte sie, ihre Faust ballend, während ein sinnverwirrter -Blick aus ihren schwarzen Augen hervorschoß. -»Ich will ihn dahin schicken, wohin er gehört, — und -auf recht kurzem Wege, — in einer dieser Nächte, — -und wenn sie mich lebendig verbrennen!«</p> - -<p>Ein wildes, anhaltendes Lachen scholl durch den -öden Raum und endete in hysterischem Schluchzen, während -sie sich mit krampfhafter Heftigkeit auf die Erde -niederwarf. Wenige Augenblicke nachher war dieser Anfall -vorüber; sie erhob sich langsam und schien sich zu -sammeln.</p> - -<p>»Kann ich sonst noch etwas für Dich thun, mein -armer Mensch?« sagte sie, sich Tom nähernd; — »soll -ich Dir mehr Wasser geben?«</p> - -<p>Bei diesen Worten lag in ihrer Stimme und in -ihrem Wesen eine anmuthige, mitleidsvolle Sanftmuth, -die in sonderbarem Gegensatze zu ihrer vorherigen Wildheit -stand.</p> - -<p>Tom trank das Wasser und blickte sie ernst und -traurig an.</p> - -<p>»O Missis,« sagte er, »ich wünschte, Ihr wolltet -Euch zu Ihm wenden, der Euch lebendiges Wasser reichen -kann!«</p> - -<p>»Zu ihm wenden! Wo ist er? wo ist er?« sagte -Cassy.</p> - -<p>»Zu Ihm, von dem Ihr mir vorgelesen habt, — -dem Herrn!«</p> - -<p>»Als ich noch ein Mädchen war, sah ich oft sein -Bild über dem Altare,« sagte Cassy, während sie in trüber -Träumerei vor sich hinstarrte; — »aber <em class="gesperrt">hier ist -er nicht</em>! Hier ist nichts als Sünde und lange, lange -Verzweiflung! Oh!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_194">[S. 194]</a></span></p> - -<p>Sie legte ihre Hand auf die Brust, und hielt den -Athem an, als wolle sie eine schwere Last aufheben.</p> - -<p>Tom schien weiter reden zu wollen, allein sie unterbrach -ihn mit einer entschiedenen Bewegung.</p> - -<p class="pmb3">»Sprich nicht, mein armer Mensch; versuche lieber -zu schlafen, wenn Du kannst,« sagte sie, indem sie das -Wasser in seine Nähe stellte; und nachdem sie sodann -noch einige kleine Anordnungen für seine Bequemlichkeit -getroffen hatte, verließ sie ihn.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Funfunddreissigstes_Kapitel">Fünfunddreißigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Die Zeichen.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i6">Ein kleiner Anlaß, der sich eingeschlichen,<br /></span> -<span class="i6">Bringt in die Brust zurück, was längst entwichen<br /></span> -<span class="i6">Das Herz gewöhnt: — ein Laut, ein süßer Klang. —<br /></span> -<span class="i6">Das Meer, — der Wind aus fernen Himmelsstrichen —<br /></span> -<span class="i6">Der Frühling — eine Blume macht uns bang,<br /></span> -<span class="i6">Berührt die Kette, die elektrisch uns umschlang.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i7"> - Ritter Harold's Pilgerfahrt, 4ter Gesang.<br /></span> -</div></div> - - -<p>Das Wohngemach in dem Hause Legree's war ein -großes, langes Zimmer mit einem weiten und geräumigen -Kamine. Es war früher mit einer prächtigen und kostbaren -Tapete bekleidet gewesen, die jetzt modernd, zerrissen -und verfärbt an den feuchten Wänden herabhing. -Der Ort hatte jenen eigenthümlichen, Eckel erregenden -und ungesunden Geruch, der sich aus einer Mischung von -Feuchtigkeit, Schmutz und Verfall entwickelt, und welchen -man oft in verschlossenen, alten Häusern findet. Die -Tapeten an der Wand waren stellenweise von Bier- und - <span class="pagenum"><a id="Page_195">[S. 195]</a></span> -Weinflecken verunstaltet, oder mit Kreidezeichen und langen -summirten Rechnungen geziert, als wenn hier Jemand -arithmetische Versuche gemacht hätte. Im Kamine stand -ein Becken voll brennender Holzkohlen; denn, obgleich das -Wetter nicht kalt war, schienen die Abende in jenem -großen Zimmer immer feucht und kühl zu sein, und überdies -brauchte Legree einen Ort, um seine Cigarren anzustecken -und sein Wasser zum Punsche heiß zu machen. -Der röthliche Schein der Kohlen zeigte das unordentliche -und unfreundliche Aussehen des Zimmers — Sättel, -Zäume, verschiedene Arten Geschirr, Reitpeitschen, Oberröcke -und verschiedene Kleidungsstücke in verwirrter Mannigfaltigkeit -im Zimmer hin und her gestreut; und dazwischen -hatten sich die Hunde, von welchen wir zuvor -gesprochen haben, nach eignem Belieben und Geschmacke -gelagert.</p> - -<p>Legree mischte sich eben ein Glas Punsch, indem er -das heiße Wasser aus einer zerbrochenen Kanne goß -und dabei vor sich hin brummte:</p> - -<p>»Die Pest über den Sambo! so einen Lärm zwischen -mir und den neuen Arbeitern anzufangen! Der Kerl wird -nun eine ganze Woche lang nicht arbeiten können — -grade im Drange der Erntezeit!«</p> - -<p>»Das sieht Euch ganz ähnlich,« sagte eine Stimme -hinter seinem Stuhle. Es war Cassy, die sich während -seines Monologs herangeschlichen hatte.</p> - -<p>»Ha, Teufel von einem Weibe! Bist Du wieder gekommen?«</p> - -<p>»Ja,« sagte sie kalt, »ich bin wieder gekommen, und -zwar um meinen Willen zu haben!«</p> - -<p>»Du lügst, alte Vettel! Ich halte Wort. Entweder -betrage Dich ordentlich, oder bleibe in den Quartieren -und lebe und arbeite mit den Andern.«</p> - -<p>»Ich wollte tausendmal lieber,« sagte das Weib, »im -schmutzigsten Loche der Quartiere, als unter Euren -Klauen leben!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_196">[S. 196]</a></span></p> - -<p>»Aber Du bist trotz alle dem in meinen Klauen,« -sagte er, indem er sich mit rohem Grinsen nach ihr umdrehte; -»das ist ein Trost. So setze Dich also her auf -meinen Schooß, meine Liebe, und nimm Vernunft an,« -sagte er, indem er sie bei der Hand ergriff.</p> - -<p>»Simon Legree, nehmt Euch in Acht!« sagte das -Weib mit einem scharfen Blitz des Auges, einem Blicke -so wild und irre in seinem Lichte, daß er fast Grauen -erregte. »Ihr fürchtet Euch vor mir, Simon,« fügte sie -bedächtig hinzu, »und Ihr habt Ursache dazu! Hütet -Euch, denn ich habe den Teufel im Leibe!«</p> - -<p>Die letzten Worte flüsterte sie in einem zischenden -Tone in sein Ohr.</p> - -<p>»Hinaus! Ich glaube, meiner Seele, 's ist wahr!« -sagte Legree, indem er sie von sich stieß und sie unbehaglich -anschaute. »Aber sage mir, Cassy,« sagte er, »warum -kannst Du nicht Freundschaft mit mir halten, wie Du -früher zu thun pflegtest?«</p> - -<p>»Pflegtest?« sagte sie bitter. Sie hielt inne — -eine Welt von erstickenden Gefühlen, die in ihrem Herzen -aufstiegen, ließ sie schweigen.</p> - -<p>Cassy hatte von jeher über Legree die Art Einfluß -behalten, welche ein leidenschaftliches Weib immer über -den rohesten Mann bewahren kann; aber seit Kurzem -war sie immer reizbarer und ruheloser unter dem abscheulichen -Joche ihrer Knechtschaft geworden, so daß ihre -Reizbarkeit zuweilen in Raserei ausbrach, wodurch sie -zu einem Gegenstande der Furcht für Legree wurde, der -jenes abergläubige Grauen vor Wahnsinnigen hatte, -welches rohen und nicht unterrichteten Gemüthern eigen -ist. Als Legree Emmelinen in das Haus führte, loderte -die Flamme weiblichen Gefühls aus ihrer verlöschenden -Asche in dem müden Herzen Cassy's noch einmal auf; sie -trat auf die Seite des Mädchens, und ein heftiger Streit -zwischen ihr und Legree war die Folge. Legree schwor -in der Wuth, sie solle an die Feldarbeit gestellt werden, - <span class="pagenum"><a id="Page_197">[S. 197]</a></span> -wenn sie keinen Frieden halten wolle. Cassy erklärte mit -stolzer Verachtung, sie <em class="gesperrt">wolle</em> auf das Feld gehen. Und -sie arbeitete daselbst einen Tag, wie vorher geschildert -worden, um zu zeigen, wie sehr sie die Drohung verachte.</p> - -<p>Legree war im Stillen den ganzen Tag unruhig, -denn Cassy hatte einen Einfluß auf ihn, wovon er sich -nicht frei machen konnte. Als sie ihren Korb an der -Waage überreichte, hatte er auf Nachgeben von ihrer -Seite gehofft, und sie in halb versöhnlichem, halb verächtlichem -Tone angeredet, worauf sie nur mit der bittersten -Verachtung geantwortet hatte.</p> - -<p>Die empörende Behandlung des armen Tom hatte -sie noch mehr aufgebracht, und sie war Legree ins Haus -gefolgt nur in der Absicht, ihm über seine Rohheit Vorwürfe -zu machen.</p> - -<p>»Ich wollte, Cassy,« sagte Legree, »Du betrügest -Dich vernünftiger.«</p> - -<p>»<em class="gesperrt">Ihr</em> sprecht von vernünftigem Betragen! Und was -habt Ihr gethan? Ihr, der nicht einmal Verstand genug -hat, um nicht einen Eurer besten Leute unbrauchbar zu -machen, grade in der dringendsten Erntezeit, und nur -Eurer teuflischen Laune wegen!«</p> - -<p>»Ich war ein Narr, 's ist wahr, so eine Zänkerei -aufkommen zu lassen,« sagte Legree; »aber als der -Bursche seinen Kopf aufsetzte, mußte er gebändigt werden.«</p> - -<p>»Ich denke, Ihr werdet <em class="gesperrt">ihn</em> nicht bändigen.«</p> - -<p>»Nicht?« sagte Legree, indem er heftig aufstand. -»Ich möchte doch wissen, ob nicht. Er wäre der erste -Nigger, mit dem ich nicht fertig würde! Ich zerbreche -ihm jeden Knochen im Leibe, aber nachgeben <em class="gesperrt">soll</em> er!«</p> - -<p>Die Thür ging auf und Sambo trat ein. Er näherte -sich gebeugt und hielt etwas in einem Papiere vor -sich hin.</p> - -<p>»Was ist das, Hund?« sagte Legree.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_198">[S. 198]</a></span></p> - -<p>»'s ist ein Hexending, Master!«</p> - -<p>»Was?«</p> - -<p>»Etwas, das Nigger von Hexen bekommen. Es -macht, daß sie nichts fühlen, wenn sie geprügelt werden. -Er hatte es an einem schwarzen Bande um den -Hals.«</p> - -<p>Legree war abergläubisch, wie fast alle gottlosen und -grausamen Menschen. Er nahm das Papier und öffnete -es widerstrebend.</p> - -<p>Heraus fiel ein Silberdollar und eine lange, glänzende -Locke blonden Haares — Haar, welches sich gleich -etwas Lebendiges um Legree's Finger wand.</p> - -<p>»Donnerwetter!« schrie er plötzlich wüthend auf, -indem er auf den Boden stampfte und an den Haaren -riß, als wenn er sich daran verbrenne. »Woher ist das -gekommen? Nimm es weg! — verbrenne es! — verbrenne -es!« schrie er, indem er sie abriß und in die Kohlen -warf. »Wozu hast Du mir das gebracht?«</p> - -<p>Sambo stand da mit seinem plumpen Munde weit -offen vor Schreck und Staunen, und Cassy, die im Begriffe -war, das Gemach zu verlassen, blieb da und sah -ihn verwundert an.</p> - -<p>»Daß Du mir nie wieder etwas von Deinem Teufelszeuge -bringst!« sagte er, die Faust gegen Sambo -ballend, der sich eilig nach der Thür zurückzog; und nachdem -er den Dollar aufhob, warf er denselben durch die -klirrende Fensterscheibe hinaus in die Finsterniß.</p> - -<p>Sambo war froh, daß er die Flucht ergreifen konnte. -Als er fort war, schien sich Legree seines Anfalles von -Schreck zu schämen. Er setzte sich mürrisch auf -seinen Stuhl und begann verdrießlich seinen Punsch zu -schlürfen.</p> - -<p>Cassy wollte sich entfernen, ohne von ihm bemerkt -zu werden, und schlüpfte davon, um dem armen Tom -beizustehen, wie wir schon berichtet haben.</p> - -<p>Und was war es mit Legree? und was für eine - <span class="pagenum"><a id="Page_199">[S. 199]</a></span> -Bewandtniß hatte es mit einer einfachen Locke blonden -Haares, daß dieselbe jenen rohen Menschen zu erschrecken -vermochte, der mit Grausamkeit in jeder Gestalt vertraut -war? Um dies zu beantworten, müssen wir den Leser -in der Geschichte dieses Menschen zurückführen. So hart -und verworfen auch der gottlose Mann jetzt erschien, so -hatte es doch eine Zeit gegeben, wo er am Busen einer -Mutter gewiegt — mit Gebeten und frommen Liedern -eingelullt — und seine jetzt gefurchte Stirne mit dem -Wasser der heiligen Taufe bethaut worden war. In früher -Kindheit hatte ihn eine Frau mit schönem, blondem -Haare beim Klange der Sabath-Glocke zur Andacht und -zum Gebete geführt. Fern von dort, in Neu-England, -hätte jene Mutter ihren einzigen Sohn mit unermüdlicher -Liebe und frommen Gebeten auferzogen. Von einem -hartgelaunten Vater entsprossen, an welchen jenes sanfte -Weib eine Welt von ungewürdigter Liebe verschwendet -hatte, war Legree in die Fußstapfen seines Vaters getreten. -Ungestüm, unlenksam und tyrannisch verachtete -er alle ihre Rathschläge und wollte von ihrem Vorwurfe -nichts hören, und riß sich von ihr in frühem Alter los, -um sein Glück auf der See zu suchen. Nur einmal kam -er wieder nach Hause; und damals klammerte sich seine -Mutter mit dem Jammer eines Herzens, das etwas lieben -muß, und nichts weiter zu lieben hat, an ihn und -suchte ihn mit leidenschaftlichem Bitten und Flehen von -einem Leben der Sünde zum Heile seiner Seele zurückzuführen.</p> - -<p>Das war Legree's Gnadentag. Damals riefen ihn -gute Engel, da war er fast gewonnen, und die Gnade -nahm ihn bei der Hand. Sein Herz wurde weich, — -es entstand ein Kampf; aber die Sünde siegte und er -setzte alle Kraft seiner rauhen Natur der Ueberzeugung -seines Gewissens entgegen. Er trank und schwor, war -wilder und roher als je; und eines Abends, als seine -Mutter in ihrer letzten Verzweiflungsangst ihm zu Füßen - <span class="pagenum"><a id="Page_200">[S. 200]</a></span> -kniete, stieß er sie von sich, warf sie besinnungslos auf -den Boden und floh mit rohen Flüchen auf sein Schiff. -Das nächste Mal, daß Legree etwas von seiner Mutter -hörte, war, als er eines Abends mit seinen trunknen Gefährten -zechte, wo ihm ein Brief in die Hand gesteckt -wurde. Er öffnete denselben, und heraus fiel eine lange -sich ringelnde Haarlocke, die sich um seine Finger schlängelte. -Der Brief sagte ihm, daß seine Mutter todt sei -und daß sie sterbend ihn gesegnet und ihm verziehen -habe.</p> - -<p>Es gibt eine schreckliche unheimliche Zauberei des -Bösen, welche das Süßeste und Heiligste in Gebilde des -Schreckens und Entsetzens verwandelt. Jene blasse, liebevolle -Mutter — ihr Sterbegebet, ihre vergebende Liebe, -wirkten auf jenes teuflische Sündenherz nur wie ein verdammendes -Urtheil, welchem die fürchterliche Erwartung -des Gerichts und feurigen Zornes folgte. Legree verbrannte -die Haare und verbrannte den Brief, und als er -Beides zischen und knistern sah in der Flamme, schauderte -er innerlich bei dem Gedanken an das ewige Feuer. Er -versuchte zu trinken und zu schwärmen und die Erinnerung -wegzufluchen; aber oft in tiefer Nacht, deren feierliche -Stille die schlechte Seele zum Verkehre mit sich selbst -zwingt, hatte er jene blasse Mutter an seinem Bette aufsteigen -sehen und jenes Haar sich sanft um seine Finger -schlängeln gefühlt, bis der kalte Schweiß ihm am Gesicht -herablief, und er mit Entsetzen in seinem Bette aufsprang. -Ihr, die ihr euch gewundert habt, aus demselben Evangelium -zu hören, daß Gott die Liebe, und daß Gott ein -verzehrendes Feuer ist, seht ihr nicht, wie für die zum -Bösen entschlossene Seele die vollkommene Liebe die -fürchterlichste Qual ist, das Siegel und der Spruch der -gräßlichsten Verzweiflung.</p> - -<p>»Hol 's der Teufel!« sagte Legree zu sich selbst, als -er an seinem Getränke nippte, »woher hat er das? Wenn -es nicht aussah, grade wie — ach! Ich dachte, ich hätte - <span class="pagenum"><a id="Page_201">[S. 201]</a></span> -das vergessen. Will verflucht sein, wenn ich glaube, es -gibt dergleichen; wie etwas vergessen, irgendwie — hol's -der Henker! Ich bin allein! will Em rufen. Sie haßt -mich — der Affe! Mich kümmert's nicht — ich will es -schon <em class="gesperrt">machen</em>, daß sie kommt!«</p> - -<p>Legree schritt hinaus in einen großen Vorsaal, welcher -vermittelst einer großen Wendeltreppe, die vormals -prächtig gewesen war, in's erste Stock führte; aber der -Gang war schmutzig und öde, mit Kasten und häßlichen -Dingen, die zerstreut umherlagen, versperrt. Die mit -keinem Teppiche belegte Treppe schien sich in der Düsterkeit -hinaufzuwinden zu wer weiß wohin! Der bleiche -Mondschein strömte durch ein zerschmettertes Bogenfenster -über der Thür, die Luft war ungesund und feucht, wie -die eines Grabgewölbes.</p> - -<p>Legree blieb am Fuße der Treppe stehen und hörte -eine Stimme singen. Sie klang ihm fremdartig und -geisterhaft in jenem öden, alten Hause, vielleicht wegen -des schon erschütterten Zustandes seiner Nerven. Horch! -was ist das?</p> - -<p>Eine wilde, rührende Stimme singt ein unter den -Sklaven gewöhnliches Lied:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»O, es wird Trauer, Trauer sein,<br /></span> -<span class="i0">O, es wird Trauer sein an Christi Richterstuhle!«<br /></span> -</div></div> - -<p>»Hol der Teufel das Mädchen!« sagte Legree. »Ich -will ihr den Mund stopfen. — Em! Em!« rief er barsch; -aber nur ein höhnender Widerhall antwortete ihm von -den Wänden. Die süße Stimme sang weiter:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Da müssen Eltern und Kinder scheiden!<br /></span> -<span class="i0">Da müssen Eltern und Kinder scheiden!<br /></span> -<span class="i0">Scheiden, um nimmer sich wieder zu sehn!«<br /></span> -</div></div> - -<p>Und hell und klar schwoll durch die leeren Hallen -der Schlußreim: —</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»O, es wird Trauer, Trauer sein,<br /></span> -<span class="i0">O, es wird Trauer sein an Christi Richterstuhl!«<br /></span> -</div></div> - -<p>Legree blieb stehen. Er würde sich geschämt haben, - <span class="pagenum"><a id="Page_202">[S. 202]</a></span> -es zu gestehen, aber große Schweißtropfen standen ihm -auf der Stirn; das Herz schlug ihm schwer und schnell -vor Furcht, er dachte sogar, er sähe etwas Weißes sich -erheben und vor ihm im Zimmer schimmern, und schauderte -bei dem Gedanken, daß die Gestalt seiner todten -Mutter ihm plötzlich erscheinen könne.</p> - -<p>»Das weiß ich,« sagte er zu sich selbst, als er in -das Wohnzimmer zurückstolperte und sich niedersetzte; »ich -will den Kerl künftig gehen lassen! Was wollt' ich mit -seinem verfluchten Papiere? Ich glaube wahrhaftig, ich -bin behext! Es schauert und schwitzt mich seit der Zeit! -Woher hat er die Haare? Es kann nicht <em class="gesperrt">das</em> gewesen -sein! <em class="gesperrt">Das</em> habe ich verbrannt, ich weiß es! Es wäre -doch spaßhaft, wenn Haare von den Todten auferstehen -könnten!«</p> - -<p>Ja, Legree! Jene goldene Locke <em class="gesperrt">war</em> verzaubert; -jedes Haar derselben enthielt einen Zauber, der den -Schrecken und Gewissensbisse in Dir erweckte, und wurde -von einer höhern Macht benutzt, Dir die grausamen -Hände zu binden, damit sie nicht den Hülflosen das tiefste -Elend zufügen möchten!</p> - -<p>»Hört!« sagte Legree, indem er den Hunden pfiff -und stampfte, »aufgewacht, Einer von euch, und mir Gesellschaft -geleistet!« Aber die Hunde öffneten nur schläfrig -ein Auge nach ihm und schloßen es wieder.</p> - -<p>»Sambo und Quimbo sollen heraufkommen und -singen, und einen ihrer höllenmäßigen Tänze aufführen -und diese schauerlichen Gedanken verjagen,« sagte Legree; -er setzte seinen Hut auf, ging in die Veranda und blies -ein Horn, womit er gewöhnlich seine zwei schwarzen -Aufseher rief.</p> - -<p>Wenn Legree bei guter Laune war, pflegte er oft -diese zwei Ehrenmänner in sein Wohnzimmer zu rufen, -dieselben mit Whisky zu erwärmen, und sich dann ein -Vergnügen daraus zu machen, sie singen, tanzen, oder -sich raufen zu lassen, wie er gerade die Laune hatte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_203">[S. 203]</a></span></p> - -<p>Es war zwischen ein und zwei Uhr des Nachts, als -Cassy, die von der Pflege des armen Tom zurückkehrte, -den Schall wilden Gekreisches, Geschrei's, Halloh-Rufen -und Singen aus dem Wohnzimmer kommen hörte, vermischt -mit Hundegebell und andern Zeichen eines allgemeinen -Aufruhrs.</p> - -<p>Sie ging die Verandatreppe hinauf und sah hinein. -Legree und die beiden Aufseher, im Zustande wüthender -Trunkenheit, sangen, schrien, warfen die Stühle um und -schnitten sich allerhand lächerliche und schauderhafte Gesichter.</p> - -<p>Sie stützte ihre kleine, zarte Hand auf das Fenstersims -und sah sie unverwandt an. Es lag eine Welt von -Angst, Verachtung und grimmiger Bitterkeit in ihren -schwarzen Augen. »Wär' es eine Sünde, die Welt von -einem solchen Elenden zu befreien?« sagte sie für sich.</p> - -<p class="pmb3">Sie drehte sich schnell um, ging zu einer Hinterthür, -schlüpfte hinauf und klopfte an Emmelinens Thür.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Sechsunddreissigstes_Kapitel">Sechsunddreißigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Emmeline und Cassy.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - - -<p>Cassy trat in das Zimmer und fand Emmeline blaß -vor Furcht im äußersten Winkel desselben sitzen. Als sie -hereinkam, fuhr das Mädchen erschrocken auf; aber als -diese sah, wer es war, stürzte sie hervor, ergriff Cassy's -Arm und sagte: »O, Cassy, Ihr seid es? Ich bin froh, -daß Ihr gekommen seid! Ich fürchtete, es wäre —. O, - <span class="pagenum"><a id="Page_204">[S. 204]</a></span> -Ihr wisset nicht, was für ein schauerlicher Lärm diese -ganze Nacht unten gewesen ist!«</p> - -<p>»Ich sollte das kennen,« sagte Cassy trocken. »Ich -habe es oft genug gehört!«</p> - -<p>»O, Cassy, sagt mir doch nur ja, können wir nicht -von diesem Orte wegkommen? Ich kümmere mich nicht -darum, wohin — in die Sümpfe unter die Schlangen -— irgendwohin?«</p> - -<p>»Nirgendhin, es sei denn in unsre Gräber,« sagte -Cassy.</p> - -<p>»Habt Ihr es je versucht?«</p> - -<p>»Ich habe es nur zu oft versuchen sehen und was -dabei herauskommt,« sagte Cassy.</p> - -<p>»Ich wollte gern in den Sümpfen leben und Baumrinde -nagen. Ich fürchte mich nicht vor Schlangen! Ich -wollte lieber eine Schlange bei mir haben, als ihn,« sagte -Emmeline heftig.</p> - -<p>»Es sind ziemlich Viele hier Deiner Meinung gewesen,« -sagte Cassy. »Aber Du könntest nicht in den -Sümpfen bleiben — die Hunde würden Dich ausspüren -und zurückbringen, und dann — dann —«</p> - -<p>»Was würde er thun?« sagte das Mädchen, indem -sie ihr mit athemloser Spannung ins Gesicht schaute.</p> - -<p>»Was würde er <em class="gesperrt">nicht</em> thun, frage lieber,« sagte -Cassy. »Er hat sein Handwerk unter den Räubern Westindiens -gut gelernt. Du würdest nicht viel schlafen, -wenn ich Dir erzählte, was ich gesehen habe — was er -zuweilen als gute Spässe erzählt. Ich habe Schreie hier -gehört, die ich wochenlang nicht habe aus dem Ohre los -werden können. Da ist unten bei den Hütten ein entlegener -Ort, wo man einen schwarzen verdorrten Baum -und den ganzen Boden mit schwarzer Asche bedeckt sehen -kann. Frage nur irgend Einen, was da geschehen ist, -und siehe zu, ob er wagen wird, es Dir zu sagen.«</p> - -<p>»Was wollt Ihr damit sagen?«</p> - -<p>»Ich will es Dir nicht sagen. Ich denke nicht gern - <span class="pagenum"><a id="Page_205">[S. 205]</a></span> -daran; und ich sage Dir, Gott allein weiß, was wir -morgen sehen werden, wenn jener arme Kerl fortfährt, wie -er angefangen hat.«</p> - -<p>»Schauderhaft!« sagte Emmeline, indem ihr jeder -Blutstropfen aus den Wangen trat. »O, Cassy, sagt mir -doch nur, was ich thun soll!«</p> - -<p>»Was ich gethan habe. Thu' Dein Bestes; thu' -was Du mußt, und mache es durch Haß und Verwünschung -wieder gut!«</p> - -<p>»Er wollte mich von seinem verhaßten Branndwein -trinken lassen,« sagte Emmeline; »und ich hasse ihn -so —«</p> - -<p>»Trinkt lieber,« sagte Cassy. »Ich haßte ihn auch; -und jetzt kann ich nicht ohne ihn leben. Man muß etwas -haben; die Sachen sehen nicht so schrecklich aus, wenn -man den nimmt.«</p> - -<p>»Die Mutter pflegte mir zu sagen, ich solle nie so -etwas anrühren,« sagte Emmeline.</p> - -<p>»Die Mutter sagte 's Dir!« rief Cassy mit scharfem -und bittern Nachdrucke auf dem Worte Mutter. »Was -hilft's, daß Mütter etwas sagen? Ihr werdet alle gekauft -und bezahlt, und eure Seelen gehören dem, welcher euch -bekommt. So geht 's. Hörst Du! <em class="gesperrt">trink</em> Branndwein: -trinke so viel Du kannst, und Du wirst Alles leichter -tragen.«</p> - -<p>»O, Cassy! habt doch Mitleid mit mir!«</p> - -<p>»Mitleid mit Dir! Habe ich etwa keins? Habe ich -keine Tochter? — Gott weiß, wo sie ist, und wem sie -jetzt gehört! Sie geht vermuthlich den Weg, welchen ihre -Mutter vor ihr ging, und den ihre Kinder nach ihr gehen -müssen! Der Fluch hört nie auf!«</p> - -<p>»Ich wollte, ich wär' nie geboren!« sagte Emmeline, -ihre Hände ringend.</p> - -<p>»Das ist ein alter Wunsch von mir,« sagte Cassy. -»Ich habe mich ganz daran gewöhnt, das zu wünschen. -Ich stürbe, wenn ich es wagte,« sagte sie, indem sie in - <span class="pagenum"><a id="Page_206">[S. 206]</a></span> -die Dunkelheit hinausschaute mit jener stillen, starren -Verzweiflung, dem gewöhnlichen Ausdrucke ihres Antlitzes, -wenn es ruhig war.</p> - -<p>»Es wär gottlos, sich das Leben zu nehmen,« sagte -Emmeline.</p> - -<p>»Ich weiß nicht warum; nicht gottloser, als was -wir Tag für Tag erleben und thun. Als ich aber im -Kloster war, haben mir die Schwestern Dinge erzählt, -die mir vor dem Sterben bange machen. Wär' es nur -mit uns zu Ende, ja dann —«</p> - -<p>Emmeline wendete sich ab und verbarg ihr Gesicht -mit den Händen.</p> - -<p>Während diese Unterhaltung in der Kammer vor sich -ging, war Legree, überwältigt vom Zechgelage, im untern -Zimmer in Schlaf gesunken. Er war nicht von Gewohnheit -ein Trunkenbold. Seine rohe, starke Natur verlangte -und ertrug eine fortwährende Aufregung, welche eine -schwächere gänzlich aufgerieben haben würde. Aber Vorsicht -hielt ihn ab, sich der Schwelgerei in einem solchen -Maaße hinzugeben, daß er dadurch die Herrschaft über -sich selbst verlor.</p> - -<p>Diese Nacht hatte er sich jedoch in seinen fieberhaften -Anstrengungen, aus seinem Gemüthe jene furchtbaren -Gewissensbisse zu verbannen, welche in ihm erwachten, -mehr als gewöhnlich erlaubt, so daß er, nachdem -er seine schwarzen Diener verabschiedet hatte, schwer in -einen Sessel fiel und fest einschlief.</p> - -<p>O, wie darf die schlechte Seele die Schattenwelt -des Schlafes betreten? — jenes Land, dessen dunkle -Gränzen dem geheimnißvollen Schauplatze der Vergeltung -so furchtbar nahe liegen! Legree träumte. In seinem -schweren und fieberischen Schlafe stand eine verschleierte -Gestalt neben ihm, und legte eine kalte, weiche Hand -auf ihn. Er glaubte zu wissen, wer es sei; er schauderte -und Grauen beschlich ihn, obgleich das Antlitz -verschleiert war. Bald glaubte er, er fühle <em class="gesperrt">jenes</em> - <span class="pagenum"><a id="Page_207">[S. 207]</a></span> -<em class="gesperrt">Haar</em> sich um seine Finger schlängeln, bald, daß es -sich sanft um seinen Hals schlinge, und sich immer dichter -zusammenzöge, bis er keinen Athem mehr holen -konnte; bald dachte er, Stimmen <em class="gesperrt">flüsterten</em> ihm zu, -ein Geflüster, das ihn mit Grauen erfüllte. Dann -schien es ihm, als sei er am Rande eines fürchterlichen -Abgrundes, sich festhaltend und in Todesfurcht ringend, -während schwarze Hände sich herausstreckten, um ihn -hinabzuziehen; und Cassy kam lachend hinter ihn und stieß -ihn hinunter. Und nun erhob sich jene feierlich verschleierte -Gestalt und warf den Schleier zurück. Es -war seine Mutter; und sie wendete sich von ihm ab, -und er fiel hinab, hinab, hinab unter verworrenem -Geschrei und Gestöhn und Jauchzen höllischen Gelächters -— und Legree erwachte.</p> - -<p>Ruhig stahl sich das rosige Licht der Morgendämmerung -in das Zimmer. Der Morgenstern stand am -heller werdenden Horizonte und schaute mit seinem feierlichen, -heiligen Lichtauge auf den Mann der Sünde hernieder. -O, mit welcher Frische, welcher Feierlichkeit -und Schönheit wird jeder neue Tag geboren, als wolle -er dem Unempfindlichen sagen: »Sieh! Du hast noch -eine Möglichkeit! <em class="gesperrt">Kämpfe</em> für unsterblichen Ruhm!« -Es gibt keine Rede oder Sprache, in der diese Stimme -nicht gehört wird; aber der freche, schlechte Mensch -hörte sie nicht. Er erwachte mit einem Fluche. -Was galt ihm das Gold und der Purpur, das -tägliche Wunder des Morgens! Was die Heiligkeit jenes -Sternes, welchen Gottes Sohn zu seinem eigenen -Sinnbilde geweiht hat? Thierähnlich sah er, ohne wahrzunehmen; -er stolperte vorwärts, schenkte ein Glas -Branndwein ein und trank es halb.</p> - -<p>»Ich habe eine höllische Nacht gehabt!« sagte er zu -Cassy, welche eben dann durch eine gegenüber befindliche -Thüre hereintrat.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_208">[S. 208]</a></span></p> - -<p>»Ihr werdet bald mehr von der Art haben,« sagte -sie trocken.</p> - -<p>»Was willst Du damit sagen, Vettel?«</p> - -<p>»Ihr werdet es dieser Tage erfahren,« erwiderte -Cassy in demselben Tone. »Jetzt, Simon, habe ich Euch -einen guten Rath zu geben.«</p> - -<p>»Den Teufel hast Du!«</p> - -<p>»Ich rathe Euch,« sagte Cassy gelassen, während -sie Einiges im Zimmer zu ordnen begann, »daß Ihr -Tom gehen laßt.«</p> - -<p>»Was geht das Dich an?«</p> - -<p>»Was? Ich weiß wahrhaftig nicht, was es mich -angehen könnte. Wenn Ihr zwölf Hundert Dollar für -einen Kerl zahlen wollt und ihn grade im Drange der -Erntezeit zu Grunde richten wollt, nur um Eurer Wuth -zu fröhnen, so geht 's mich nichts an. Ich habe für -ihn gethan, was ich konnte.«</p> - -<p>»So? Was hast Du Dich in meine Angelegenheiten -zu mischen?«</p> - -<p>»Ich habe Euch schon manches Tausend Dollar gerettet, -dadurch, daß ich zuweilen für Eure Leute Sorge -getragen habe — das ist nun aller Dank, den ich davon -habe. Wenn Eure Ernte geringer auf den Markt -kommt, so verliert Ihr Eure Wette nicht. Tompkins -wird Euch nicht den Rang ablaufen und Ihr werdet -ganz niedlich hinzahlen müssen, nicht wahr? Mir ist -schon, als sähe ich Euch dabei!«</p> - -<p>Legree hatte, wie manche andre Pflanzer, nur eine -Art Ehrgeiz, die beste Ernte zu haben; und er hatte -gerade jetzt verschiedene Wetten in der nächsten Stadt -schweben. Cassy berührte daher mit weiblicher Gewandtheit -die einzige Saite, die bei ihm anzuschlagen -war.</p> - -<p>»Gut, ich will ihn mit dem loslassen, was er -schon bekommen hat,« sagte Legree; »aber er soll - <span class="pagenum"><a id="Page_209">[S. 209]</a></span> -mich um Verzeihung bitten, und bessere Manieren versprechen.«</p> - -<p>»Das thut er nicht,« sagte Cassy.</p> - -<p>»Nicht, he?«</p> - -<p>»Nein, er thut 's nicht,« sagte Cassy.</p> - -<p>»Ich möchte doch wissen, <em class="gesperrt">warum</em>, Mistreß,« sagte -Legree mit der äußersten Verachtung.</p> - -<p>»Weil er recht gethan hat, und das weiß, und -nicht sagen will, er habe Unrecht gethan.«</p> - -<p>»Wer zum Teufel kümmert sich darum, was er -weiß? Der Nigger soll sagen, was mir beliebt, -oder —«</p> - -<p>»Oder Ihr wollt Eure Wette auf die Baumwollen-Ernte -verlieren, indem Ihr ihn gerade in dieser dringenden -Zeit vom Felde entfernt haltet.«</p> - -<p>»Aber er <em class="gesperrt">wird</em> nachgeben, natürlich wird er; ich -weiß ja, wie es mit Niggern ist. Diesen Morgen wird -er schon betteln wie ein Hund.«</p> - -<p>»Er wird nicht, Simon; Ihr kennt diese Art -Menschen nicht. Ihr könnt ihn zollweise tödten, aber -Ihr werdet nicht ein Wort eines solchen Bekenntnisses -aus ihm heraus bringen.«</p> - -<p>»Wollen sehen. Wo ist er?« sagte Legree, indem -er hinausging.</p> - -<p>»In der alten Kammer des Ginhauses,« sagte -Cassy.</p> - -<p>Obgleich Legree so zuversichtlich mit Cassy sprach, -so verließ er doch das Haus mit einer Art bösen Vorgefühls, -welches nicht gewöhnlich bei ihm war. Die -Träume der vergangenen Nacht, vereint mit Cassy's -Weisungen, beunruhigten ihn in hohem Grade. Er beschloß, -daß Niemand Zeuge seines Zusammentreffens mit -Tom sein solle, und nahm sich vor, daß wenn er ihn -nicht durch Drohungen zwingen könne, er es auf eine -gelegenere Zeit verschieben wolle, seine Rache auszuüben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_210">[S. 210]</a></span></p> - -<p>Das feierliche Licht der ersten Dämmerung, die engelgleiche -Herrlichkeit des Morgensterns war durch das -rohe Fenster des Schuppens gedrungen, wo Tom lag, -und wie auf den Strahlen dieses Sternes nieder gleitend, -kamen die feierlichen Worte zu ihm: »Ich bin die -Wurzel des Geschlechtes David's, ein heller Morgenstern!« -Die geheimnißvollen Warnungen und Andeutungen -Cassy's, weit entfernt, seine Seele zu entmuthigen, -hatten dieselbe am Ende wie durch einen himmlischen -Ruf erhoben. Er wußte nicht anders, als daß sein -Todestag am Himmel dämmere und das Herz schlug -ihm mit feierlichem Klopfen der Freude und des Verlangens, -als er dachte, daß das wundervolle All, worüber -er so viel gesonnen, der große weiße Thron mit -seinem immer strahlenden Regenbogen, die Schaar der -weißen Engel, die Kronen, die Palmen, die Harfen — -sich ihm zeigen würden, ehe jene Sonne wieder unterginge; -und deßhalb hörte er ohne Schauder und Beben -die Stimme seines Verfolgers, als derselbe sich -näherte:</p> - -<p>»Nun, Junge,« sagte Legree mit einem verächtlichen -Fußstoß, »wie befindest Du Dich? Habe ich Dir -nicht gesagt, ich könne Dir Eins oder das Andre beibringen? -Wie gefällt's Dir, he? Wie bekommen Dir -die Schwielen, Tom? Bist nicht ganz so keck wie Du -gestern Abend warst? Könntest jetzt wohl nicht einen -armen Sünder auf ein Bischen Predigt freihalten, -nicht, he?«</p> - -<p>Tom antwortete Nichts.</p> - -<p>»Auf, Vieh!« sagte Legree, indem er ihn wieder -stieß.</p> - -<p>Das war eine schwere Aufgabe für einen so zerschlagenen -und entkräfteten Menschen, und als Tom sich -bemühte, es zu thun, brach Legree in ein viehisches -Gelächter aus.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_211">[S. 211]</a></span></p> - -<p>»Wovon bist Du diesen Morgen so sanft, Tom? -Vielleicht gestern Abend erkältet?«</p> - -<p>Tom war indessen auf die Füße gekommen und -stand seinem Herrn gegenüber mit fester, standhafter -Stirne.</p> - -<p>»Teufel, Du kannst's!« sagte Legree, indem er ihn -betrachtete. »Ich glaube, Du hast noch nicht genug gekriegt. -Jetzt, Tom, ohne Umstände auf die Knie und -bitte mich um Verzeihung wegen Deiner Streiche von -gestern Abend.«</p> - -<p>Tom bewegte sich nicht.</p> - -<p>»Nieder, Hund!« sagte Legree, indem er ihn mit -der Reitpeitsche schlug.</p> - -<p>»Herr Legree,« sagte Tom, »ich kann es nicht thun. -Ich habe nur gethan, was ich für recht gehalten habe. -Ich werde es jedes Mal gerade wieder so machen. Ich -werde nie eine Grausamkeit begehen, komme, was da -wolle.«</p> - -<p>»Ja, aber Du weißt nicht, was kommen will, -Master Tom. Du denkst, was Du gekriegt hast, ist -etwas. Ich sage Dir, 's ist nichts — gar nichts. Wie -würde es Dir gefallen, an einen Baum gebunden zu -werden, und ein langsames Feuer um Dich angezündet -zu haben? Wäre das nicht angenehm — he, Tom?«</p> - -<p>»Master,« sagte Tom, »ich weiß, Ihr könnt -Schreckliches thun; aber« — er streckte sich aufwärts -und faltete die Hände, — »aber nachdem Ihr den Leib -getödtet habt, könnt Ihr nichts mehr thun. Und o, -dann folgt alle <em class="gesperrt">Ewigkeit</em>!«</p> - -<p><em class="gesperrt">Ewigkeit</em> — das Wort durchbebte die Seele des -schwarzen Menschen mit Licht und Kraft, als er sprach -— es durchzuckte auch des Sünders Seele wie Scorpionenbiß. -Legree knirschte mit den Zähnen, aber Wuth -hielt ihn still, und Tom sprach, wie ein aus der Knechtschaft -befreiter Mensch, mit klarer und heitrer Stimme:</p> - -<p>»Master Legree, Ihr habt mich gekauft, und - <span class="pagenum"><a id="Page_212">[S. 212]</a></span> -ich will Euch ein treuer und redlicher Diener sein. Ich -will Euch alle Arbeit meiner Hände geben, alle meine -Zeit, alle meine Kraft, aber meine Seele will ich keinem -Sterblichen opfern. Ich will am Herrn festhalten, -und seine Gebote vor Allem befolgen, mag ich leben -oder sterben, darauf verlaßt Euch. Master Legree, ich -fürchte den Tod nicht im Geringsten. Ich sterbe eben -so gern wie nicht. Ihr könnt mich zu Tode peitschen, -verhungern, verbrennen lassen, es bringt mich nur früher -dahin, wohin ich mich sehne.«</p> - -<p>»Ich will Dich doch nachgiebig machen, ehe ich mit -Dir fertig bin!« sagte Legree wüthend.</p> - -<p>»Ich werde <em class="gesperrt">Hülfe</em> bekommen,« sagte Tom. »Ihr -könnt es nicht.«</p> - -<p>»Wer zum Teufel wird Dir helfen?« sagte Legree -verächtlich.</p> - -<p>»Der allmächtige Gott!« sagte Tom.</p> - -<p>»Hol Dich der Teufel!« sagte Legree, indem er -Tom mit einem Faustschlage zu Boden streckte.</p> - -<p>Eine kalte, weiche Hand legte sich in diesem Augenblick -auf die Legree's. Er drehte sich um — es war -Cassy's; aber die kalte, sanfte Berührung rief ihm den -Traum der letzten Nacht zurück, und durch die Kammern -seines Hirnes blitzend, kamen alle die fürchterlichen Bilder -der Nachtwachen zurück, mit einem Theile der Schrecknisse, -die jene begleiteten.</p> - -<p>»Wollt Ihr ein Thor sein?« sagte Cassy auf französisch. -»Laßt ihn gehen. Laßt mich ihn herstellen, um -wieder im Felde arbeiten zu können. Ist's nicht gerade -wie ich Euch sagte?«</p> - -<p>Man sagt, der Alligator, das Nashorn, obschon -in kugelfesten Panzer gehüllt, haben einen Fleck, wo sie -verwundbar sind; und freche, ungläubige Verworfene -haben gewöhnlich diesen Punkt in abergläubischer Furcht.</p> - -<p>Legree wendete sich weg, entschlossen, einstweilen -die Sache gehen zu lassen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_213">[S. 213]</a></span></p> - -<p>»Nun, so habe Deinen Willen,« sagte er mürrisch -zu Cassy.</p> - -<p>»Höre Du,« fuhr er zu Tom gewendet fort, »ich -will Dich für jetzt gehen lassen, weil die Geschäfte dringend -sind, und ich alle meine Arbeiter brauche, aber -ich vergesse <em class="gesperrt">niemals</em>. Ich will es Dir ankreiden, und -die Zeit kommt, wo es mir Dein altes schwarzes Fell -bezahlen soll — merk' Dir das!«</p> - -<p>Legree drehte sich um und ging hinaus.</p> - -<p>»Gehe nur,« sagte Cassy ihm finster nachschauend; -»Deine Rechnung kommt auch noch! — Armer Mensch, -wie geht's Dir?«</p> - -<p>»Der Herr hat seinen Engel gesendet und des Löwen -Rachen für diesmal verschlossen,« sagte Tom.</p> - -<p class="pmb3">»Für diesmal gewiß,« sagte Cassy; »aber jetzt -habt Ihr seinen Haß auf Euch, der Euch Tag für Tag -verfolgt, wie ein Hund, der an Eurer Kehle hängt, Euer -Blut saugt und Euer Leben tropfenweise verbluten läßt. -Ich kenne den Menschen.«</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Siebenunddreissigstes_Kapitel">Siebenunddreißigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Freiheit.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i6">»Es kommt nicht darauf an, mit welchen Feierlichkeiten<br /></span> -<span class="i6">er auf dem Altare der Sklaverei geweiht worden<br /></span> -<span class="i6">sei; sobald er den heiligen, brittischen Boden<br /></span> -<span class="i6">betritt, versinken der Altar und der Gott in Staub,<br /></span> -<span class="i6">und erlöst wiedergeboren, entfesselt steht er da durch<br /></span> -<span class="i6">den unwiderstehlichen Genius allgemeiner Emancipation.«<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i8"> <em class="gesperrt">Curran.</em><br /></span> -</div></div> - - -<p>Für einige Zeit müssen wir Tom in den Händen -seiner Verfolger lassen, während wir uns zurückwenden, - <span class="pagenum"><a id="Page_214">[S. 214]</a></span> -um die Schicksale Georgs und seiner Frau zu verfolgen, -die wir in einem Farmhause an der Straße in freundschaftlichen -Händen ließen.</p> - -<p>Tom Locker verließen wir, stöhnend und lärmend -in einem fleckenlos reinen Quäcker-Bett, unter der mütterlichen -Aufsicht von Base Dorcas, welche in ihm einen -ganz so lenksamen Patienten fand, wie in einem kranken -Büffelochsen.</p> - -<p>Man denke sich eine hohe, würdevolle Frau, deren -reine Musselinhaube ein wellenartiges Silberhaar beschattet, -das auf der breiten, hintern Stirn gescheitelt -ist, welche gedankenvolle, graue Augen überwölbt; ein -schneeweißes Tuch von geglättetem Krepp legt sich glatt -über ihrem Busen; ihr glänzend braunes Seidenkleid -rauscht friedlich, wenn sie in der Stube auf und nieder -gleitet.</p> - -<p>»Alle Teufel!« sagt Tom Locker, indem er der Bettdecke -einen starken Schlag versetzt.</p> - -<p>»Ich muß Dich ersuchen, Thomas, nicht solche Ausdrücke -zu gebrauchen,« sagt Base Dorcas, während sie -ruhig das Bett wieder in Ordnung bringt.</p> - -<p>»Nun, ich will 's nicht thun, Großmutter, wenn -ich kann,« sagt Thomas; »aber 's ist genug, einen -armen Kerl zum Fluchen zu bringen, so verdammt heiß -ist's!«</p> - -<p>Dorcas entfernte eine Decke vom Bette, ordnete -das Bettzeug wieder und stopfte es unter, bis Tom fast -wie eine Puppe aussah, indem sie dabei bemerkte:</p> - -<p>»Ich wollte, Freund, Du ließest das Fluchen und -Schwören, und dächtest an Deine Wege.«</p> - -<p>»Was der Teufel,« sagte Tom, »soll ich daran denken? -'s ist immer 's Letzte, woran ich gern denke — -hol 's der Henker!« Und Tom stampfte, schlug die -Decken auf und brachte Alles auf eine entsetzliche Art in -Unordnung.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_215">[S. 215]</a></span></p> - -<p>»Der Kerl und die Dirne sind hier, glaube ich?« -sagte er nach einer Weile mürrisch.</p> - -<p>»Ja,« sagte Dorcas, »sie sind hier.«</p> - -<p>»Die sollten sich lieber aufmachen, fort nach dem -See,« sagte Tom, »je schneller desto besser.«</p> - -<p>»Wahrscheinlich werden sie das thun,« sagte Base -Dorcas, indem sie ruhig weiter strickte.</p> - -<p>»Und hört,« sagte Tom; »wir haben Freunde in -Sandusky, welche die Boote für uns bewachen. Kümmere -mich nicht mehr darum, 's zu sagen. Ich wollte, -sie entwischten, nur um Marks zu ärgern — den verfluchten -Laffen! — hol ihn der Teufel!«</p> - -<p>»Thomas!« sagte Dorcas.</p> - -<p>»Ich sage Euch, Großmutter, wenn Ihr einen armen -Kerl zu dicht einpfropft, so platzt er,« sagte Tom. -»Aber wegen der Dirne — sagt ihnen, daß sie sich so -ankleide, daß sie nicht mehr kenntlich ist. Ihre Beschreibung -ist in Sandusky.«</p> - -<p>»Wir wollen dafür sorgen,« sagte Dorcas mit der -ihrer Sekte eigenthümlichen Gelassenheit.</p> - -<p>Da wir an dieser Stelle von Tom Locker Abschied -nehmen, so können wir hier zugleich erwähnen, daß, nachdem -er drei Wochen in dem Quäckerhause am rheumatischen -Fieber darniederlag, welches zu seinen übrigen -Leiden hinzu trat, er sich vom Lager als ein etwas weiserer -und bessrer Mensch erhob; und fortan statt Sklaven -zu fangen, sich in einer der neuen Ansiedlungen niederließ, -wo seine Fähigkeiten sich in der Jagd von Bären, -Wölfen und andern Bewohnern des Forstes glücklicher -entwickelten, wodurch er sich einen Namen im -Lande machte. Tom sprach immer ehrfurchtsvoll von den -Quäkern. »Hübsche Leute,« pflegte er zu sagen; »wollten -mich bekehren, konnten 's aber nicht zu Stande bringen. -Aber eins will ich euch sagen, Fremder, einen -kranken Kerl warten sie vortrefflich ab, — das ist richtig! -Kochen die beste Sorte Kraftbrühe und Brezeln.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_216">[S. 216]</a></span></p> - -<p>Da Tom den Flüchtlingen mitgetheilt hatte, daß -ihre Gesellschaft in Sandusky gesucht werde, so hielt man -es für gerathen, sich zu theilen. Jim wurde mit seiner -alten Mutter besonders fortgeschafft; und ein oder zwei -Nächte später wurden Georg und Elise mit ihrem Kinde -in's Geheim nach Sandusky gefahren und unter einem -gastfreien Dache untergebracht, während die Vorbereitungen -zu ihrer letzten Einschiffung auf den See getroffen -wurden.</p> - -<p>Ihre Nacht neigte sich jetzt dem Ende und schön erhob -sich vor ihnen der Morgenstern der Freiheit. Freiheit! -Begeisterndes Wort! Was ist es? Ist es denn -etwas mehr als ein Name oder ein rednerischer Ausdruck? -Warum Ihr Männer und Frauen Amerikas, beben -Eure Herzen vor Wonne bei dem Worte, für welches -Eure Väter bluteten und Eure noch bravere Mütter willig -ihre Besten und Edelsten sterben sahen?</p> - -<p>Liegt darin etwas Ruhmreiches und Theures für -ein Volk, das nicht auch ruhmreich und theuer für den -einzelnen Menschen ist? Was ist Freiheit eines -Volkes anders als Freiheit der Individuen desselben? -Was ist Freiheit für jenen jungen Mann, welcher dort -sitzt, die Arme über die breite Brust geschlagen, die -Farbe des afrikanischen Blutes auf den Wangen, dessen -dunkles Feuer im Auge — was ist Freiheit für George -Harris? Für Eure Väter war Freiheit das Recht eines -Volkes, ein Volk zu sein. Für ihn ist es das Recht -eines Menschen, ein Mensch zu sein und kein Vieh; das -Recht, das Weib seines Herzens sein Weib nennen, und -sie vor gesetzlicher Gewaltthätigkeit schützen zu können; -das Recht, sein Kind zu beschützen und zu erziehen; das -Recht, eine eigne Heimath, eine eigne Religion, einen -eignen Charakter zu haben, der nicht dem Willen eines -Andern unterworfen ist. Alle diese Gedanken arbeiteten -in Georgs Brust, während er gedankenvoll den Kopf -auf die Hand stützte, und seine Frau beobachtete, als sie - <span class="pagenum"><a id="Page_217">[S. 217]</a></span> -ihrer zarten und hübschen Gestalt männliche Kleidung -anpaßte, in der man es für das Sicherste hielt, daß sie -ihre Flucht bewerkstellige.</p> - -<p>»Jetzt gilt's,« sagte sie, als sie vor dem Spiegel -stand und die seidene Fülle des schwarzen Lockenhaares -herabschüttelte. »Sieh! Georg, 's ist fast ein Jammer, -nicht wahr?« sagte sie, indem sie scherzhaft einige Locken -in die Höhe hielt. »'s ist ein Jammer, daß sie alle ab -müssen.«</p> - -<p>Georg lächelte traurig und gab keine Antwort.</p> - -<p>Elise kehrte sich gegen den Spiegel und die Scheere -schimmerte, als eine lange Locke nach der andern vom -Haupte getrennt wurde.</p> - -<p>»Nun, das wird genug sein,« sagte sie, indem sie -eine Haarbürste ergriff, »jetzt ein Paar Phantasiestriche.«</p> - -<p>»Da, bin ich nicht ein hübscher junger Mensch?« -sagte sie, indem sie sich nach ihrem Gatten umwandte, -lachend und erröthend zugleich.</p> - -<p>»Du bist immer hübsch, Du magst thun, was Du -willst,« sagte Georg.</p> - -<p>»Was macht Dich so ernst?« sagte Elise, indem sie -sich auf ein Knie niederließ, und ihre Hände auf das -seinige legte. »Wir sind nur noch 24 Stunden von -Canada entfernt. Nur einen Tag und eine Nacht auf -dem See, und dann — o, dann!«</p> - -<p>»O, Elise!« sagte Georg, indem er sie an sich -zog, »das ist 's gerade! Jetzt naht sich mein Schicksal -dem entscheidenden Punkt. So nahe zu kommen, es fast -vor Augen haben und dann Alles verlieren. Ich könnte -es nicht überleben, Elise.«</p> - -<p>»Habe keine Furcht,« sagte seine Frau zuversichtlich. -»Der gute Gott hätte uns nicht so weit gebracht, wenn -er uns nicht durchbringen wollte. Mir ist 's, als fühlte -ich, daß er mit uns ist, Georg.«</p> - -<p>»Du bist ein gesegnetes Weib, Elise!« sagte Georg, - <span class="pagenum"><a id="Page_218">[S. 218]</a></span> -indem er sie krampfhaft umarmte. »Aber — ach, sag'! -kann uns diese große Gnade zu Theil werden? Werden -diese Jahre des Elend's wirklich ein Ende nehmen? — -werden wir frei werden?«</p> - -<p>»Gewiß, Georg,« sagte Elise, indem sie aufwärts -blickte, während Thränen der Hoffnung und Begeisterung -an ihren langen, dunkeln Wimpern glänzten. »Ich fühle -es in mir, daß Gott uns heut aus der Knechtschaft erlösen -wird.«</p> - -<p>»Ich will Dir glauben, Elise,« sagte Georg, indem -er plötzlich aufstand. »Ich will es glauben; komm, laß -uns fort. Ja, wahrlich,« sagte er, indem er sie auf -Armeslänge von sich hielt, und sie voll Bewunderung betrachtete. -»Du <em class="gesperrt">bist</em> ein hübsches Kerlchen. Die kleinen -kurzen Backen stehen Dir vortrefflich. Setze Deine Mütze -auf. So — ein Bischen auf eine Seite. Du hast nie -so hübsch ausgesehen. Aber es ist fast Zeit für den -Wagen, ich soll mich wundern, ob Mrs. Smyth den -Harry aufgetakelt hat?«</p> - -<p>Die Thür öffnete sich und eine Frau von achtbarem -Aeußern und mittleren Jahren trat ein, den kleinen -Harry an der Hand, der in Mädchenkleider gehüllt war.</p> - -<p>»Was für ein hübsches Mädchen er abgibt,« sagte -Elise, indem sie ihn herumdrehte. »Wir nennen ihn -Harriet, paßt der Name nicht hübsch?«</p> - -<p>Das Kind stand da und betrachtete seine Mutter -ernst und schweigend in ihrem neuen und fremdartigen -Anzuge, während es zuweilen tief seufzte und unter seinen -dunkeln Locken hervor scheue Blicke auf sie heftete.</p> - -<p>»Kennt Harry Mama?« sagte Elise, indem sie die -Hände gegen ihn ausstreckte.</p> - -<p>Das Kind hing sich furchtsam an die Frau.</p> - -<p>»Komm, Elise, warum versuchst Du, ihn zu liebkosen, -da Du doch weißt, daß er sich fern von Dir zu -halten hat?«</p> - -<p>»Ich weiß, 's ist thöricht,« sagte Elise, »aber ich - <span class="pagenum"><a id="Page_219">[S. 219]</a></span> -kann es nicht ertragen, daß er sich von mir abwendet. -Doch komm — wo ist mein Mantel? Hier — wie nehmen -die Männer den Mantel um, Georg?«</p> - -<p>»Du mußt ihn so tragen,« sagte ihr Mann, indem -er denselben über die Schultern warf.</p> - -<p>»So also,« sagte Elise, indem sie die Bewegung -nachahmte; »und ich muß fest auftreten und große -Schritte machen, und dreist auszusehen suchen.«</p> - -<p>»Gib Dir keine Mühe,« sagte Georg. »Es gibt -hier und da auch bescheidene junge Männer; und ich -glaube, es wird Dir leichter werden, diese Rolle zu spielen.«</p> - -<p>»Und diese Handschuhe! Gott sei uns gnädig!« sagte -Elise, »meine Hände verlieren sich darin.«</p> - -<p>»Ich rathe Dir, sie hübsch ordentlich anzubehalten,« -sagte Georg. »Dein zartes Pfötchen könnte uns Alle verrathen. -Nun, Mrs. Smyth, tretet Euren Dienst an, -und seid unser Tantchen — merkt darauf.«</p> - -<p>»Ich habe gehört,« sagte Mrs. Smyth, »daß Männer -unten gewesen sind, die alle Schiffscapitäne vor einem -Manne und einer Frau mit einem kleinen Knaben gewarnt -haben.«</p> - -<p>»So!« sagte Georg. »Nun, wenn wir solche Leute -sehen, so können wir 's ihnen sagen.«</p> - -<p>Ein Miethwagen fuhr nun vor, und die freundliche -Familie, welche die Flüchtlinge aufgenommen hatte, drängte -sich um dieselben, um Abschied von ihnen zu nehmen.</p> - -<p>Die Verkleidung, welche die Flüchtlinge angenommen -hatten, war nach den Winken des Tom Locker eingerichtet -worden. Mrs. Smyth, eine achtbare Frau aus der Niederlassung -in Canada, wohin sie flohen, die glücklicher -Weise grade im Begriffe war, über den See dahin zurückzukehren, -hatte eingewilligt, als die Tante des kleinen -Harry aufzutreten; und um ihn an dieselbe zu gewöhnen, -hatte man ihn die letzten zwei Tage allein unter ihrer -Obhut bleiben lassen; und ein besonderer Aufwand von -Liebkosungen, in Verbindung mit einem unendlichen Betrage - <span class="pagenum"><a id="Page_220">[S. 220]</a></span> -von Kuchen und Zuckerwerk, hatten die Anhänglichkeit -von Seiten des jungen Herrn befestigt.</p> - -<p>Der Miethwagen fuhr nach dem Landungsplatze. -Die zwei vermeintlichen jungen Männer schritten über das -Brett in das Boot, indem Elise Mrs. Smyth mit vieler -Artigkeit am Arm führte und Georg für das Gepäck -Sorge trug.</p> - -<p>Als Georg vor dem Büreau des Kapitäns stand, -um für seine Reisegesellschafter Zahlung zu leisten, hörte -er zwei Männer neben sich reden.</p> - -<p>»Ich habe jeden, der an Bord kam, beobachtet,« -sagte der Eine, »und weiß, sie sind nicht in diesem Boot.«</p> - -<p>Die Stimme war die des Bootsschreibers. Der -Andre, mit dem er sprach, war unser alter Freund Marks, -der mit jener unschätzbaren Beharrlichkeit, welche ihn -charakterisirte, nach Sandusky gekommen war, um zu -sehen, wen er verschlingen könne.</p> - -<p>»Ihr könnt das Frauenzimmer kaum von einer -Weißen unterscheiden,« sagte Marks. »Die Mannsperson -ist ein sehr heller Mulatte. Er hat ein Brandmal an -der einen Hand.«</p> - -<p>Die Hand, womit Georg eben die Zettel und das -heraus erhaltene Geld nahm, bebte ein wenig; aber er -drehte sich kalt um, heftete den Blick unbefangen auf das -Gesicht des Sprechenden und ging gemächlich nach einem -andern Theile des Boots, wo Elise auf ihn wartete.</p> - -<p>Mrs. Smyth mit dem kleinen Harry ging nach der -Damenkajüte, wo die dunkle Schönheit des vermeintlichen -kleinen Mädchens den Reisenden manche schmeichelhafte -Bemerkungen entlockte.</p> - -<p>Georg hatte die Genugthuung, daß er, als die -Glocke zum Abschied läutete, Marks über das Brett an -das Ufer gehen sah; und stieß einen tiefen Seufzer der -Erleichterung aus, als das Boot eine Entfernung, die -keine Rückkehr zuließ, erreicht hatte.</p> - -<p>Es war ein prächtiger Tag. Die blauen Wogen - <span class="pagenum"><a id="Page_221">[S. 221]</a></span> -des Erie-Sees tanzten, sich kräuselnd und im Sonnenlicht -glänzend. Ein frisches Lüftchen wehte vom Ufer, und -das herrliche Boot pflügte seinen Weg tapfer durch das -Wasser.</p> - -<p>Oh, was für eine unaussprechliche Welt in <em class="gesperrt">einem</em> -menschlichen Herzen liegt! Wer dachte, als Georg ruhig -das Verdeck des Dampfbootes auf- und abschritt, mit -seinem schüchternen Gefährten an der Seite, an Alles -das, was in seinem Busen brannte? Das große Gut, -dem er sich nahte, schien ihm zu groß, um wirklich sein -werden zu können; und er fühlte jeden Augenblick die -Besorgniß, daß sich etwas erheben möchte, es ihm wieder -zu entreißen.</p> - -<p>Aber das Boot flog weiter — Stunden verflogen, -und endlich erhob sich klar und deutlich die gesegnete -englische Küste — ein Gestade, dem die mächtige Zauberkraft -verliehen ist, — mit einer Berührung jede Sklaverei -zu vernichten, gleichviel, in welcher Sprache ihre Formel -gesprochen, oder von welcher Staatsgewalt sie bestätigt -worden ist.</p> - -<p>Georg stand mit seiner Frau Arm in Arm, als -das Boot sich dem Städtchen Armherstberg in Canada -näherte. Sein Athem wurde schwer und kurz; wie Nebel -sammelte es sich vor seinen Augen, und er drückte schweigend -die kleine Hand, welche zitternd auf seinem Arme -lag. Die Glocke erscholl — das Boot hielt an. Kaum -sehend, was er that, suchte er sein Gepäck und sammelte -die Seinigen um sich. Die kleine Gesellschaft wurde an -das Ufer gesetzt. Sie standen still, bis das Boot ausgeladen -hatte; und dann knieten mit Thränen und Umarmungen -Gatte und Gattin, das staunende Kind in den -Armen, nieder und erhoben ihre Herzen zu Gott!</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">'S war wie wenn Leben bricht durch Todesnacht,</span> -<span class="i4">Aus Grabes Hülle zu des Himmels Licht;</span> -<span class="i0">Vom Reich der Sünde und des Bösen Macht,</span> - -<span class="pagenum"><a id="Page_222">[S. 222]</a></span> - -<span class="i4">Zu der erlösten Seele Freiheitsmorgenroth;</span> -<span class="i4">Zerbrochen sind die Ketten, die geschmiedet Tod;</span> -<span class="i0">Den Sterblichen Unsterblichkeit umweht,</span> -<span class="i0">Wenn Gnadenhand den goldnen Schlüssel dreht</span> -<span class="i0">Und ein zur Freiheitsherrlichkeit die Seele geht.</span> -</div></div> - -<p>Der kleine Kreis wurde darauf von Mrs. Smyth -zur gastlichen Wohnung eines guten Missionärs geführt, -den christliche Liebe hierher verpflanzt hatte, als einen -Hirten für die Verstoßenen und Wandernden, die beständig -an diesem Gestade eine Zuflucht finden.</p> - -<p class="pmb3">Wer kann den Segen des ersten Freiheitstages aussprechen? -Ist nicht der Sinn der Freiheit ein höherer -und feinerer, als irgend einer der fünf anderen. Sich -zu bewegen, zu reden, zu athmen, zu gehen und zu kommen -unbewacht und ohne Gefahr! Wer kann die Segnungen -des Schlafes schildern, der sich auf des freien -Mannes Kissen niedersenkt, unter Gesetzen, welche ihm -die Rechte sichern, die Gott den Menschen verliehen? -Wie schön erschien jener Mutter des schlafenden Kindes -Antlitz, theurer durch die Erinnerung an tausend Gefahren! -Wie unmöglich war es zu schlafen im überschwänglichen -Genusse solchen Segens! Und doch hatten -diese zwei nicht eine Hufe Land, kein Dach, das sie ihr -eigen nennen konnten; sie hatten ihr Alles dahingegeben -bis auf den letzten Thaler. Sie hatten nicht mehr, als -die Vögel der Luft, oder die Blumen des Feldes — und -doch konnten sie nicht schlafen vor Freude. »O Ihr, -die Ihr dem Menschen die Freiheit raubt, wie wollt Ihr -das vor Gott verantworten?« —</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_223">[S. 223]</a></span></p> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Achtunddreissigstes_Kapitel">Achtunddreißigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Der Sieg.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i5">»Dank sei Gott, der uns den Sieg verleiht.«<br /></span> -</div></div> - - -<p>Haben nicht viele von uns in mancher Stunde mühseligen -Lebensweges gefühlt, wie weit leichter es sei, zu -sterben, als zu leben?</p> - -<p>Der Märtyrer, wenn er unter körperlichen Qualen -dem Tode in die Augen schaut, findet selbst im Schrecken -seines Looses eine Stärkung. Es liegt eine lebendige -Aufregung darin, welche ihn durch jede Krisis des Leidens -führen kann, und sie zur Geburtsstunde ewigen -Ruhmes und ewigen Friedens macht.</p> - -<p>Aber zu leben, und Tag für Tag in niederer, bitterer, -gemeiner und quälender Knechtschaft sich hinzuschleppen, -jede Nerve erschlafft und abgespannt, jede -Gefühlskraft allmählig erstickt — dieses lange, zehrende -Märtyrerthum des Herzens, dieses langsame, tägliche -Verbluten des inneren Lebens, tropfenweise, stündlich — -dies ist der wahre Probirstein dessen, was im Menschen -ist.</p> - -<p>Als Tom seinem Verfolger gegenüberstand, und dessen -Drohungen hörte, und in seiner innersten Seele dachte, -daß seine Stunde gekommen sei, schwoll ihm muthig die -Brust, und er glaubte, er könne Folter und Feuer, Alles -ertragen, mit dem Blicke auf Jesus und den Himmel gerichtet; -als derselbe aber fortgegangen und die Aufregung -verschwunden war, kehrte der Schmerz seiner gequetschten, -müden Glieder zurück und das Gefühl seines völlig herabgewürdigten, - <span class="pagenum"><a id="Page_224">[S. 224]</a></span> -hoffnungslosen und verlornen Zustandes; -und der Tag verging ihm traurig.</p> - -<p>Legree bestand darauf, daß Tom lange vorher, ehe -dessen Wunden geheilt waren, wieder an die regelmäßige -Feldarbeit gestellt werden sollte; und dann kamen Tag -für Tag Schmerz und Müdigkeit, erschwert durch jede -Art von Ungerechtigkeit und Unwürdigkeit, welche der -böse Wille einer gemeinen und boshaften Seele ersinnen -konnte. Wer nur immer in <em class="gesperrt">unsern</em> Umständen eine -Schmerzensprüfung zu bestehen hatte, selbst mit allen -Erleichterungen, welche dieselben bei uns gewöhnlich begleiten, -muß die Gereiztheit kennen, die uns in derselben -nie verläßt. Tom wunderte sich nicht mehr über die gewohnheitsmäßige -Verdrießlichkeit seiner Gefährten: ja, -er fand die ruhige, heitere Stimmung, welche ihn durch -sein ganzes Leben begleitet hatte, zerstört und jämmerlich -zerrissen. Er hatte auf Muße gehofft, seine Bibel lesen -zu können, aber Muße gab es hier nicht. In der dringendsten -Erntezeit trug Legree kein Bedenken, alle seine -Arbeiter Sonntags wie Wochentags gleich zu quälen. -Warum nicht? Er erzielte dadurch mehr Baumwolle, -und gewann seine Wette; und wenn es einige Leute mehr -aufrieb, konnte er bessere kaufen. Zuerst war Tom gewohnt -gewesen, beim Leuchten des Feuers einige Bibelverse -zu lesen, nachdem er von der Tagesarbeit zurückgekehrt -war; nach der grausamen Behandlung aber, die er erfahren -hatte, pflegte er so erschöpft nach Hause zu kommen, -daß der Kopf sich ihm drehte und ihm die Augen -den Dienst versagten, wenn er zu lesen versuchte, und -er froh war, sich mit den Andern in völliger Erschöpfung -niederstrecken zu können.</p> - -<p>Ist es auffallend, daß der Gottesfriede und das -Himmelsvertrauen, welche ihn bisher aufrecht erhalten -hatten, Gemüthserschütterungen und finsterem Verzagen -weichen konnten? Die düsterste Aufgabe dieses geheimnißvollen -Lebens war ihm beständig vor den Augen; zerschmetterte - <span class="pagenum"><a id="Page_225">[S. 225]</a></span> -und zu Grunde gerichtete Seelen, Böses triumphirend -und Gott schweigend. Wochen, Monate rang -Tom in seinem Geiste in Dunkelheit und Betrübniß. Er -dachte an Miß Ophelia's Brief, an seine Freunde in -Kentucky, und betete ernstlich, daß ihm Gott Erlösung -senden möge; und dann wartete er Tag für Tag in -derlei unbestimmter Hoffnung, Jemanden zu sehen, der -zu seiner Erlösung ausgesendet sei; und wenn Niemand -kam, drängte er bittere Gedanken in sein Herz zurück — -daß es eitel sei, Gott zu dienen, daß Gott ihn vergessen -habe. Zuweilen sah er Cassy, und wenn er zuweilen -nach dem Hause gerufen wurde, erblickte er dann und -wann die gebeugte Gestalt Emmelinens, er hatte aber mit -keiner viel Verkehr; es blieb wirklich keine Zeit, mit irgend -Jemanden Umgang zu haben.</p> - -<p>Eines Abends saß er in völliger Niedergeschlagenheit -und Abspannung bei ein paar erlöschenden Feuerbränden, -an denen er sein kärgliches Abendessen bereitete. -Er legte etwas Reisig auf, um das Feuer wieder in Brand -zu setzen, und zog dann seine verbrauchte alte Bibel aus -der Tasche. Darin waren alle die Stellen gezeichnet, -welche so oft seine Seele angeregt hatten — Worte von -Erzvätern und Sehern, Dichtern und Weisen, die von -frühen Zeiten her dem Menschen Muth zugesprochen — -Stimmen aus der großen Wolke von Zeugen, welche uns -immer auf der Lebensbahn umgeben. Hatte das Wort -seine Kraft verloren, oder waren das versagende Auge -und der müde Sinn nicht länger empfänglich für jene -mächtigen Eingebungen? Schwer seufzend steckte er das -Buch in die Tasche. Ein rohes Gelächter erwartete ihn; -er sah auf — Legree stand ihm gegenüber.</p> - -<p>»Nun, alter Junge,« sagte er, »Du findest, Deine -Religion wirkt nicht; es scheint so! Ich dachte ja, ich -würde das aus Deiner Wolle herausbringen!«</p> - -<p>Der grausame Hohn war schlimmer, als Hunger, -Kälte und Nacktheit. Tom war still.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_226">[S. 226]</a></span></p> - -<p>»Du warst ein Narr,« sagte Legree, »denn ich dachte -Dir Gutes zu thun, als ich Dich kaufte. Du hättest -besser daran sein können, als Sambo oder Quimbo, und -gute Zeiten haben; und anstatt alle paar Tage geprügelt -und gedroschen zu werden, könntest Du Freiheit gehabt -haben, rings umher zu herrschen, und die andern Nigger -zu peitschen, und hättest Dich zuweilen an einem guten -Whiskeypunsch erwärmen können. Nun, mach keine Umstände -und sei vernünftig! Wirf den alten Plunder hier -ins Feuer und schlag Dich zu meiner Kirche!«</p> - -<p>»Gott behüte mich!« sagte Tom inbrünstig.</p> - -<p>»Du siehst, Gott will Dir nicht helfen; wenn er gewollt -hätte, so hätte er Dich nicht in <em class="gesperrt">meine</em> Hände -kommen lassen. Deine Religion ist ein Gemisch von lauter -Lügenkram, Tom. Ich weiß es. Halt lieber zu mir; -ich bin etwas und kann etwas thun!«</p> - -<p>»Nein, Master,« sagte Tom, »ich will festhalten. -Gott mag mir nun helfen oder nicht; aber ich will an -ihm halten und bis aufs Letzte an ihn glauben!«</p> - -<p>»Um so mehr bist Du ein Narr!« sagte Legree, indem -er ihn verächtlich anspie und mit dem Fuße trat. -»Nun, es macht nichts aus; ich will Dich doch noch niederhetzen -und herunterbringen, Du wirst 's sehen!« und -Legree wendete sich weg.</p> - -<p>Wenn ein schweres Gewicht die Seele zur tiefsten -Tiefe menschlichen Duldens herunterdrückt, so tritt eine -plötzliche und verzweifelte Anstrengung jedes physischen -und geistigen Nervs ein, das Gewicht abzuwerfen, und -dadurch wird der größte Schmerz oft zu einer rückströmenden -Fluth der Freude und des Muthes. So war es -jetzt mit Tom. Die gottesläugnerischen Verhöhnungen -seines grausamen Herrn senkten seine vorher schon niedergeschlagene -Seele zur tiefsten Ebbe hinab; und obgleich -die Hand des Glaubens sich noch an dem ewigen Felsen -festhielt, so war es doch nur mit einem starren, verzweifelten -Griffe. Tom saß wie betäubt am Feuer. Plötzlich - <span class="pagenum"><a id="Page_227">[S. 227]</a></span> -schien Alles um ihn zu verschwinden, und vor ihm erhob -sich die Erscheinung einer mit Dornen gekrönten, geschlagenen -und blutenden Gestalt. Tom schaute mit Staunen -und Bewunderung auf die würdevolle Ruhe des Antlitzes; -die tiefen, rührenden Augen drangen ihm bis in das -innerste Herz; seine Seele erwachte, während er mit -strömendem Gefühle seine Hände ausstreckte und auf seine -Kniee fiel; und allmählig veränderte sich die Erscheinung, -die scharfen Dornen wurden zur Strahlenkrone, und im -unbegreiflichen Glanze sah er dasselbe Antlitz sich mitleidsvoll -zu ihm neigen, und eine Stimme sagte: »Wer überwindet, -dem will ich geben, mit mir auf meinem Stuhle -zu sitzen, wie Ich überwunden habe, und bin mit meinem -Vater gesessen auf seinem Stuhle.«</p> - -<p>Wie lange Tom so gelegen hatte, wußte er nicht. -Als er wieder zu sich kam, war das Feuer erloschen, seine -Kleider von feuchtem Thaue durchnäßt, aber der fürchterliche -Seelenkampf war entschieden, und in der Freude, -welche ihn erfüllte, fühlte er nicht mehr Hunger, Kälte, -Erniedrigung, Widerwärtigkeit und Elend. Aus tiefster -Seele schied er in jener Stunde von jeder Hoffnung dieses -Lebens, und brachte seinen eigenen Willen als ein -williges Opfer dem Unendlichen dar. Tom sah auf zu -den stillen, ewigen Sternen, den Sinnbildern der Engelsschaaren, -die immer auf den Menschen herabschauen; und -die Einsamkeit der Nacht wiederhallte von den Siegesworten -eines Lobgesanges, welchen er oft in glücklicheren -Tagen gesungen, aber nie mit einem solchen Gefühle -wie jetzt:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Die Erde wird wie Schnee zergehn,</span> -<span class="i4">Die Sonne nicht mehr scheinen;</span> -<span class="i0">Doch Gott, der mich hier ließ entstehn,</span> -<span class="i4">Wird sich mit mir vereinen.«</span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">»Und wenn dies ird'sche Leben flieht,</span> -<span class="i4">Und Fleisch und Sinn vergehn,</span> - -<span class="pagenum"><a id="Page_228">[S. 228]</a></span> - -<span class="i0">Der Engel Schaar mich jenseits zieht,</span> -<span class="i4">Wo Fried und Freude wehn.«</span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">»Und wenn zehntausend Jahr wir da</span> -<span class="i4">Hell scheinend wie die Sonn',</span> -<span class="i0">So sing'n wir noch Halleluja,</span> -<span class="i4">Wie einst auf Erden schon.«</span> -</div></div> - -<p>Wer vertraut ist mit der Religionsgeschichte der Sklavenbevölkerung, -wird wissen, daß Verhältnisse gleich denen, -welche wir erzählt haben, sehr gewöhnlich unter ihnen -sind. Wir haben von ihren eigenen Lippen einige der -rührendsten und ergreifendsten Züge gehört. Der Seelenforscher -erzählt uns von einem Zustande, in welchem die -Bewegungen und Bilder des Gemüths so herrschend und -übermächtig werden, daß sie die äußeren Sinne in ihren -Dienst zwingen, und diese den inneren Gebilden eine erkennbare -Gestalt verleihen. Wer kann ermessen, was ein -alldurchdringender Geist mit diesen Fähigkeiten unserer -sterblichen Natur wirken, oder wie er die verzagenden -Seelen der Untröstlichen ermuthigen kann? Wenn der -arme, vergessene Sklave glaubt, daß Jesus ihm erschienen -sei und mit ihm geredet habe, wer wird ihm widersprechen? -Sagte er nicht, daß seine Sendung zu allen Zeiten -sei, »zu heilen, die zerstoßenen Herzens sind, zu predigen -den Zerschlagenen, daß sie frei und ledig sein sollen.«</p> - -<p>Als das dunkle Grau der Morgendämmerung die -Schläfer erweckte, hinaus auf das Feld zu gehen, da war -einer unter jenen zerlumpten und schauernden Unglücklichen, -der mit frohlockendem Schritte einherging, denn -fester, als der Boden, welchen er betrat, war sein starker -Glaube an die allmächtige, ewige Liebe. Ach, Legree! -versuche jetzt alle Deine Kräfte! Völlige Seelenangst, -Wehe, Erniedrigung, Mangel und Verlust von Allem werden -nur den Proceß beschleunigen, der ihn zum König und -Priester Gottes weiht!</p> - -<p>Von dieser Zeit an umgab ein unverletzbarer Kreis - <span class="pagenum"><a id="Page_229">[S. 229]</a></span> -des Friedens das demüthige Herz des Bedrückten — ein -immer gegenwärtiger Erlöser weihte es zu einem Tempel. -Vorüber ist nun das Bluten irdischen Schmerzes, vorüber -seine schwankende Hoffnung und Furcht, sein schwankendes -Verlangen — der menschliche Wille gebeugt und blutend, -und lange ringend, war nun ganz in dem göttlichen aufgegangen. -So kurz schien jetzt die übrige Lebensreise — -so nahe, so lebendig der ewige Segen — daß des Lebens -äußerstes Weh harmlos an ihm vorüberging.</p> - -<p>Alle bemerkten die Veränderung in seiner Erscheinung. -Heiterkeit und Freudigkeit schien in ihn zurückzukehren, -und eine Ruhe, welche keine Kränkung oder Beleidigung -stören konnte, schien ihn zu beherrschen.</p> - -<p>»Was der Teufel ist in den Tom gefahren?« sagte -Legree zu Sambo. »Vor einiger Zeit war er ganz wie -stumm, und jetzt ist er vergnügt wie ein Heimchen.«</p> - -<p>»Weiß nicht, Master, will vielleicht fortlaufen.«</p> - -<p>»Möchte ihn das versuchen sehen,« sagte Legree mit -wildem Grinsen; »nicht wahr, Sambo?«</p> - -<p>»Ja, ich glaube! Ha! ha!« sagte der schwarze Gnom, -indem er dienstpflichtig lachte. »O Herr, der Spaß! Ihn -im Schlamme stecken, durch die Büsche jagen und reißen -zu sehen, die Hunde an den Fersen! Herr, ich lachte, -daß ich dachte, ich sollte platzen, damals, als wir Molly -fingen. Ich dachte, sie hätten ihr alles Zeug vom Leibe -gerissen, ehe ich sie von ihr kriegen konnte. Sie hat noch -immer die Male von dem Spasse.«</p> - -<p>»Ich glaube, sie wird sie mit ins Grab nehmen,« -sagte Legree. »Aber jetzt, Sambo, pass' auf! Wenn -der Neger dergleichen im Schilde hat, stelle ihm ein -Bein.«</p> - -<p>»Herr, laßt mich dafür sorgen!« sagte Sambo. »Ich -will den Affen fangen.«</p> - -<p>Das wurde gesprochen, als Legree auf sein Pferd -stieg, um zur benachbarten Stadt zu reiten. Als er jenen -Abend zurückkehrte, fiel es ihm ein, sein Pferd umzudrehen - <span class="pagenum"><a id="Page_230">[S. 230]</a></span> -und um die Hütten zu reiten und zu sehen, ob Alles -in Ordnung sei.</p> - -<p>Es war eine prächtige Mondnacht; die Schatten der -schönen Pomeranzenbäume lagen scharf gezeichnet auf den -Rasen, und es herrschte jene durchsichtige Stille in der -Luft, deren Störung unheilig erscheint. Als Legree in -geringer Entfernung von den Hütten war, hörte er eine -Stimme singen. Es war kein gewöhnlicher Gesang, und -er hielt deshalb an, um zu horchen. Eine klangvolle -Tenorstimme sang:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Wenn ich mein Recht klar lesen kann<br /></span> -<span class="i4">Auf himmlischen Besitz,<br /></span> -<span class="i0">So kommt mich keine Furcht mehr an,<br /></span> -<span class="i4">Und scheu' ich nicht der Hölle Blitz.«<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">»Und ringt mit Erdenlust mein Geist<br /></span> -<span class="i4">Und fliegt der Hölle Pfeil,<br /></span> -<span class="i0">Mein Heiland, Satan von mir weist,<br /></span> -<span class="i4">Und schützt mein Seelenheil.«<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">»Kömmt Sorge wie 'ne Sündfluth an,<br /></span> -<span class="i4">Und Unglücksstürme wehn,<br /></span> -<span class="i0">Komm ich doch nicht von meiner Bahn,<br /></span> -<span class="i4">Die kann ich deutlich sehn.«<br /></span> -</div></div> - -<p>»So! ha!« sagte Legree bei sich, »denkt er das wirklich? -Wie ich diese verfluchten Methodistenlieder hasse! -Her! Nigger!« sagte er, indem er plötzlich auf Tom zukam -und seine Reitpeitsche in die Höhe hob, »wie kannst -Du Dich unterstehen, diesen Lärm hier zu machen, wenn -Du zu Bette sein mußt? Halt Deinen alten schwarzen -Rachen und packe Dich fort!«</p> - -<p>»Ja, Master,« sagte Tom mit bereitwilliger Freundlichkeit, -als er sich erhob, um heimzugehen.</p> - -<p>Legree war auf's Aeußerste gereizt durch Toms sichtliche -Glückseligkeit; er ritt an ihn heran und bearbeitete -ihn mit Schlägen über Kopf und Schultern.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_231">[S. 231]</a></span></p> - -<p>»Da, Hund,« sagte er, »sieh zu, ob Dir danach noch -immer so wohl ist!«</p> - -<p>Aber die Schläge fielen jetzt nur auf den äußern -Menschen und nicht, wie zuvor, auf das Herz. Tom -stand völlig unterwürfig da; und doch konnte sich Legree -nicht verhehlen, daß seine Macht über seinen Leibeigenen -aufgehört hatte. Als Tom in seiner Hütte verschwand, -und er sein Pferd herumwarf, durchzuckte sein Herz plötzlich -einer jener lebendigen Blitze, welche oft das Licht -des Gewissens durch die dunkle, ruchlose Seele senden. -Er fühlte deutlich, daß es Gott sei, der zwischen ihm und -seinem Opfer stand, und er lästerte ihn. Jener unterwürfige -und stille Mensch, den weder Hohn, noch Drohungen, -weder Streiche, noch Grausamkeiten stören konnten -in der Ruhe des Gemüthes, erweckte eine Stimme -in ihm, wie sie vor Alters sein Herr erweckte in der besessenen -Seele, die da sagte: »Ach Jesu, Du Sohn Gottes, -was haben wir mit Dir zu thun? Bist Du gekommen, -uns zu quälen, ehe denn es Zeit ist?«</p> - -<p>Toms ganzes Herz floß über von Mitleid und Theilnahme -für die armen Elenden, von welchen er umringt -war. Ihm schien es, als wenn sein Lebenskummer noch -nicht vorüber sei, und als wenn er aus jenem seltsamen -Schatze von Frieden und Freude, mit dem er von Oben -begnadigt worden war, etwas zur Erleichterung ihres -Elends ausgießen müsse. Die Gelegenheit war freilich -selten; aber auf dem Wege in die Felder und wieder -zurück, und während den Arbeitsstunden bot sich ihm die -Gelegenheit dar, den Müden, Verzagten und Kleinmüthigen -eine hülfreiche Hand zu reichen. Die armen, ausgemergelten -entmenschten Geschöpfe konnten das anfangs -kaum begreifen; als es aber wöchentlich und monatlich -fortgesetzt wurde, begann es endlich, Saiten, die lange -geschwiegen, in ihren erstarrten Herzen anzuschlagen. -Allmählig und unmerkbar begann der seltsame, stille, geduldige -Mensch, der immer bereit war, Jedermanns Bürde - <span class="pagenum"><a id="Page_232">[S. 232]</a></span> -zu tragen, und von Niemanden Hülfe verlangte — der -Allen den Platz räumte, und zuletzt kam und zuletzt nahm, -jedoch der Erste war, das Wenige, was er hatte, mit -Jedem zu theilen, der es bedurfte — der Mensch, welcher -in kalten Nächten seine zerrissene Decke willig zur Bequemlichkeit -einer Frau hergab, die an Frost oder Krankheit -litt; welcher im Felde die Körbe der Schwächern -füllte, in der furchtbaren Gefahr, in seinem eigenen Maße -zu kurz zu kommen — und welcher, obgleich mit unablässiger -Grausamkeit von ihrem gemeinschaftlichen Tyrannen -verfolgt, nie mit einem Worte in die Schmähungen -und Flüche einstimmte, welche man über jenen ausstieß — -dieser Mensch begann zuletzt eine seltene Gewalt über -seine Umgebung zu erlangen; und als die drängende -Erntezeit vorüber war, und sie den Sonntag wieder zu -ihrer eigenen Benutzung frei hatten, sammelten sich Manche -um ihn, um von ihm über Jesus zu hören. Sie hätten -sich gern irgendwo versammelt, um zu hören, zu beten -und zu singen, aber Legree wollte das nicht erlauben und -störte solche Versuche öfters mit Fluchen und rohen Verwünschungen, -so daß die gesegneten Worte unter den Einzelnen -von Munde zu Munde gehen mußten. Wer kann -jedoch die einfache Freude schildern, womit einige dieser -armen Verstoßenen, für die das Leben eine freudenleere -Reise zu einer unbekannten, finstern Zukunft war, von -einem mitleidigen Erlöser und einer himmlischen Heimath -hörten? Missionäre versichern, daß keine Menschenrace der -Erde das Evangelium mit so eifriger Gelehrigkeit empfangen -hat, wie die afrikanische. Das Princip des zuversichtlichen -Vertrauens und zweifellosen Glaubens, der -seine Grundlage bildet, ist bei diesem Stamme mehr, als -bei jedem andern natürlich vorhanden; und man hat oft -unter ihnen gefunden, daß ein zerstreutes Samenkorn der -Wahrheit, von einem Lüftchen des Zufalls in das unwissendste -Herz gelegt, Frucht getragen hat, deren Reichthum -das mit höherer Bildung begabte beschämt hat.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_233">[S. 233]</a></span></p> - -<p>Die arme Mulattin, deren einfältiger Glaube fast -zerdrückt und zerschmettert worden war durch die Lawine -von Grausamkeit und Unrecht, welche sie überschüttet hatte, -fühlte ihre Seele gehoben von den Gesängen und Stellen -der heiligen Schrift, welche dieser demüthige Missionar -von Zeit zu Zeit in ihr Ohr hauchte, wenn sie zur Arbeit -gingen oder davon zurückkehrten; und selbst der halb -zerrüttete und irregehende Geist Cassy's wurde besänftigt -und beruhigt durch seinen schlichten und ungesuchten Einfluß.</p> - -<p>Zu Wahnsinn und Verzweiflung von den zermalmenden -Martern ihres Lebens getrieben, hatte Cassy oft in -ihrer Seele eine Stunde der Vergeltung beschlossen, in -der ihre Hand an ihrem Unterdrücker alle Ungerechtigkeit -und Grausamkeit rächen sollte, zu deren Zeugin er sie -gemacht oder welche <em class="gesperrt">sie</em> in ihrer eigenen Person geduldet -hatte.</p> - -<p>In einer Nacht, nachdem Alles in Toms Hütte in -Schlaf gesunken war, wurde derselbe plötzlich erweckt, indem -er ihr Gesicht an einer Oeffnung zwischen den Balken -gewahrte, die als Fenster diente. Sie winkte ihm schweigend, -herauszukommen.</p> - -<p>Tom trat zur Thür hinaus. Es war zwischen ein -und zwei Uhr Morgens — heller, ruhiger, stiller Mondschein. -Als das Mondlicht auf Cassy's große, schwarze -Augen fiel, gewahrt' er, daß darin ein wilder, eigenthümlicher -Glanz leuchtete, ungleich ihrer gewöhnlichen, starren -Verzweiflung.</p> - -<p>»Komm her, Vater Tom,« sagte sie, indem sie ihre -kleine Hand auf sein Handgelenk legte, und ihn mit einer -Kraft, als wenn die Hand von Stahl wäre, fortzog; -»komm her — ich habe Neuigkeiten für Euch.«</p> - -<p>»Was, Misse Cassy?« sagte Tom ängstlich.</p> - -<p>»Tom, möchtest Du nicht gern Deine Freiheit -haben?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_234">[S. 234]</a></span></p> - -<p>»Ich werde sie haben, Misse, »zur Zeit Gottes,«« -sagte Tom.</p> - -<p>»Ja, aber Du kannst sie diese Nacht noch haben,« sagte -Cassy mit einem Strahl plötzlichen Feuers. »Komme!«</p> - -<p>Tom zögerte.</p> - -<p>»Komm'!« sagte sie flüsternd, indem sie ihre schwarzen -Augen auf ihn heftete. »Komm mit mir! Er schläft -— fest. Ich habe genug in seinen Brandwein gethan, -um ihn so zu erhalten. Ich wollte, ich hätte mehr gehabt; -dann hätte ich Dich nicht gebraucht. Aber komm, -die Hinterthür ist unverschlossen; dort ist eine Axt; ich -habe sie dahingelegt — seine Stubenthür ist offen, ich -will Dir den Weg zeigen. Ich hätte es selbst gethan; -aber meine Arme sind zu schwach. Komm! komm!«</p> - -<p>»Nicht für zehntausend Welten, Misse!« sagte Tom -fest, indem er still stand und sie zurückhielt, als sie vorwärts -drängte.</p> - -<p>»Aber denke doch an alle diese armen Geschöpfe,« -sagte Cassy. »Wir könnten sie alle in Freiheit setzen -und irgendwo in die Sümpfe gehen und eine Insel finden -und für uns leben; ich habe gehört, daß es schon geschehen -ist. Jedes Leben ist besser als dieß.«</p> - -<p>»Nein!« sagte Tom fest. »Nein! Nie entsteht Gutes -aus Bösem. Ich wollte mir lieber die rechte Hand abhacken!«</p> - -<p>»Dann will <em class="gesperrt">ich</em> es thun,« sagte Cassy, indem sie -sich umdrehte.</p> - -<p>»O, Misse Cassy!« sagte Tom, indem er sich vor sie -niederwarf, »um des lieben Herrn willen, der für Euch -gestorben ist, verkauft nicht so Eure kostbare Seele dem -Teufel. Nichts als Böses kommt davon. Der Herr hat -uns nicht zu Zorn berufen. Wir müssen leiden und -seine Zeit erwarten.«</p> - -<p>»Erwarten!« sagte Cassy. »Habe ich nicht gewartet -— gewartet, bis mein Kopf schwindelig und mein Herz -krank geworden ist? Was hat er mich dulden lassen? - <span class="pagenum"><a id="Page_235">[S. 235]</a></span> -Was hat er Hunderte von armen Geschöpfen leiden lassen? -Preßt er nicht das Lebensblut aus Euch? Ich bin berufen! -Man ruft mich! Seine Zeit ist gekommen, und -ich will sein Herzblut haben!«</p> - -<p>»Nein, nein, nein!« sagte Tom, indem er ihre -kleinen Hände festhielt, die sie mit krampfhafter Gewalt -geballt hatte. »Nein, arme, verlorne Seele, das dürft -Ihr nicht. Der liebe Herr vergoß kein anderes Blut, -als sein eigenes, und das vergoß er für uns, als wir -seine Feinde waren. Herr, hilf uns in Deine Fußstapfen -zu treten und unsere Feinde zu lieben!«</p> - -<p>»Lieben!« sagte Cassy mit einem grimmigen Blick, -»<em class="gesperrt">solche</em> Feinde lieben! Fleisch und Blut kann das nicht.«</p> - -<p>»Nein, Fräulein,« sagte Tom, indem er aufsah; -»aber <em class="gesperrt">Er</em> gibt es uns, und das ist der <em class="gesperrt">Sieg</em>. Wenn -wir lieben und beten können über Alles und durch Alles, -so ist der Kampf vorüber und der Sieg ist da — gepriesen -sei Gott!« Und mit strömenden Augen und erstickender -Stimme schaute der schwarze Mensch zum Himmel -auf.</p> - -<p>Und dies, Afrika! — zuletzt berufen unter allen -Völkern, berufen zur Dornenkrone, zur Geißel, dem -blutigen Schweiße, dem Kreuze des Todeskampfes — -dies soll <em class="gesperrt">Dein</em> Sieg sein; dadurch sollst Du mit Christus -herrschen, wenn sein Königreich kommen wird auf -Erden.</p> - -<p>Die tiefe Gluth von Tom's Gefühlen, seine sanfte -Stimme, seine Thränen fielen wie Thau auf den wilden, -unstäten Geist der unglücklichen Frau. Ein sanfter Ausdruck -sammelte sich um das düstere Feuer ihres Auges; -sie blickte nieder, und Tom konnte fühlen, wie die Muskeln -ihrer Hand nachließen, als sie sagte:</p> - -<p>»Habe ich Dir nicht gesagt, daß böse Geister mich -verfolgten? O, Vater Tom, ich kann nicht beten. Ich -wollte, ich könnte. Ich habe nie gebetet, seitdem meine -Kinder verkauft wurden! Was Du sagst, muß wahr - <span class="pagenum"><a id="Page_236">[S. 236]</a></span> -sein — ich weiß, es muß; aber wenn ich zu beten versuche, -kann ich nur hassen und fluchen. Ich kann nicht -beten!«</p> - -<p>»Arme Seele!« sagte Tom mitleidig. »Satan -möchte Euch gerne haben und wie Waizen sieben. Ich -bete für Euch zum Herrn. O, Miß Cassy, wendet Euch -zu dem lieben Herrn Jesus. Er ist gekommen, die zerstoßenen -Herzens sind, zu heilen und die Trauernden zu -trösten.«</p> - -<p>Cassy stand still, während große, schwere Thränen -aus ihren niedergeschlagenen Augen tropften.</p> - -<p>»Misse Cassy,« sagte Tom mit zögernder Stimme, -nachdem er sie einen Augenblick stillschweigend mit den -Blicken gemessen, »wenn Ihr nur von hier fortkommen -könntet, wenn es nur möglich wäre — ich möchte Euch -und Emmeline rathen, es zu thun, das heißt, wenn ihr -ohne Blutschuld gehen könntet, nicht anders.«</p> - -<p>»Wolltest Du es mit uns versuchen, Vater Tom?«</p> - -<p>»Nein,« sagte Tom; »es gab eine Zeit, wo ich gewollt -hätte; aber der Herr hat mir ein Werk aufgetragen -unter diesen armen Seelen, und ich will mit ihnen -stehen und mein Kreuz mit ihnen tragen bis zum Ende. -Es ist etwas Anderes mit Euch: für Euch ist es eine -Falle — es ist mehr, als Ihr tragen könnt; und Ihr -solltet lieber gehen, wenn Ihr könnet.«</p> - -<p>»Ich kenne keinen Weg, als durch das Grab,« sagte -Cassy. »Es giebt kein Thier, keinen Vogel, der nicht -irgendwo eine Heimath finden könnte, selbst die Schlangen -und die Alligators haben ihre Orte, wo sie sich in -Ruhe niederlegen können; aber wir haben keinen Ort. -Unten in den dunkelsten Sümpfen werden uns ihre -Hunde aufjagen. Alles und Alles ist gegen uns, selbst -die Thiere nehmen Partei gegen uns, — und wohin -sollen wir uns wenden?«</p> - -<p>Tom stand stille; endlich sagte er:</p> - -<p>»Er, der Daniel in der Löwengrube errettete — - <span class="pagenum"><a id="Page_237">[S. 237]</a></span> -der die Kinder im feurigen Ofen bewahrte — der auf -der See wandelte und dem Winde Stille gebot — er -lebt noch; und ich habe den Glauben an ihn, daß er -Euch befreien kann. Versucht es, und ich will mit aller -Kraft für Euch beten.«</p> - -<p>Nach welchem Gesetz des Geistes geschieht es, daß -eine Idee, die lange unbeachtet gewesen ist, und wie -ein unnützer Stein mit Füßen getreten worden ist, -plötzlich in neuem Lichte aufflammt, wie ein neu entdeckter -Edelstein!</p> - -<p>Cassy hatte oft stundenlang alle möglichen und -wahrscheinlichen Fluchtpläne überlegt und alle als hoffnungslos -und unausführbar bei Seite gelegt; aber in -diesem Augenblick flog ein Plan durch ihre Seele, so -einfach und leicht ausführbar in allen seinen Einzelnheiten, -um augenblickliche neue Hoffnung zu erwecken.</p> - -<p>»Vater Tom, ich will es versuchen!« sagte sie -plötzlich.</p> - -<p class="pmb3">»Amen!« sagte Tom. »Der Herr helfe Euch!«</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Neununddreissigstes_Kapitel">Neununddreißigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Der Kunstgriff.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i6">Der Gottlosen Weg ist dunkel, und sie wissen<br /></span> -<span class="i6">nicht, wo sie fallen werden<br /></span> -</div></div> - - -<p>Der Boden des Hauses, welches Legree bewohnte, -war, wie die meisten anderen Böden, ein großer, öder -Platz, staubig, mit Spinneweben behangen und mit verbrauchtem - <span class="pagenum"><a id="Page_238">[S. 238]</a></span> -Gerölle überstreut. Die reiche Familie, welche -das Haus in den Tagen seines Glanzes bewohnte, hatte -viel glänzendes Hausgeräth hineingebracht, wovon sie -einen Theil mit sich weggenommen hatte, während ein -anderer verlassen in modernden, unbewohnten Zimmern -stehen geblieben, oder an diesen Ort aufgehäuft worden -war. Ein oder zwei sehr große Kisten, in denen dies -Geräth gebracht worden war, standen an den Seiten -des Bodens. Es befand sich dort ein kleines Fenster, -welches durch seine schmutzigen, staubigen Scheiben ein -dürftiges, ungewisses Licht auf die hohen Stühle und -staubigen Tische fallen ließ, die einst bessere Tage gesehn -hatten. Im Ganzen war es ein gespenstiger, unheimlicher -Ort; aber so geisterhaft er war, fehlte es ihm -doch nicht an Sagen unter den abergläubischen Negern, -seine Schrecknisse zu erhöhen. Wenige Jahre vorher, war -eine Negerin, welche Legrees Mißvergnügen erregt hatte, -mehrere Wochen lang dort eingeschlossen worden. Wir -sagen nicht, was dort geschah; die Neger pflegten es -sich einander zuzuflüstern; aber es war bekannt, daß der -Leichnam des unglücklichen Geschöpfes eines Tages von -dort heruntergebracht und beerdigt wurde; und darauf -hieß es, daß Verwünschungen und Flüche und der Schall -heftiger Schläge, vermischt mit Klagen und Stöhnen der -Verzweiflung durch die alte Bodenkammer zu schallen -pflegten. Als einst Legree zufällig etwas der Art hörte, -gerieth er in heftige Leidenschaft, und schwor, daß der -Nächste, welcher Geschichten von dieser Bodenkammer erzähle, -Gelegenheit haben solle, zu erfahren, was darin -vorgänge, denn er wolle ihn eine Woche lang dort in -Ketten legen. Dieser Wink reichte hin, um alles weitere -Gespräch darüber zu unterdrücken, obgleich er natürlich -den Glauben an die Wahrheit der Geschichte nicht verminderte.</p> - -<p>Allmählig wurde die Treppe, welche zu der Oberstube - <span class="pagenum"><a id="Page_239">[S. 239]</a></span> -führte, und selbst der Gang zu jener Treppe, von -jedermann im Hause gemieden, da jeder davon zu sprechen -fürchtete, und die Sage kam allmälig in Vergessenheit. -Plötzlich war es Cassy eingefallen, von der abergläubischen -Erregbarkeit, welche bei Legree so stark war, zum -Zwecke ihrer Befreiung und der ihrer Mitdulder Gebrauch -zu machen.</p> - -<p>Cassy's Schlafzimmer war gerade unter dem Boden. -Eines Tages begann sie plötzlich, ohne Legree dabei zu -Rathe zu ziehen, mit bedeutendem Aufsehen alles Geräth -und Zubehör ihres Zimmers nach einem andern in beträchtlicher -Entfernung davon schaffen zu lassen. Die -Unterbedienten, welche Auftrag erhalten hatten, diesen -Umzug zu bewerkstelligen, rannten und lärmten umher -mit großem Eifer und viel Verwirrung, als Legree gerade -von einem Ritte zurückkam.</p> - -<p>»Hallo! Cass'!« sagte Legree, »was ist hier im -Werke?«</p> - -<p>»Nichts; ich bin nur gesonnen, ein anderes Zimmer -zu haben,« sagte Cassy mürrisch.</p> - -<p>»Und warum denn das?« sagte Legree.</p> - -<p>»Weil mir's beliebt,« sagte Cassy.</p> - -<p>»Und weßhalb denn, zum Teufel?«</p> - -<p>»Ich möchte gern zuweilen ein Bischen Schlaf -haben.«</p> - -<p>»Schlaf! gut, warum kannst Du denn nicht schlafen?«</p> - -<p>»Ich glaube, ich kann es Euch sagen, wenn Ihr es -hören wollt,« sagte Cassy trocken.</p> - -<p>»Heraus damit, Mensch!« sagte Legree.</p> - -<p>»O! Nichts. Es wird Euch vermutlich nicht stören. -Nichts als Stöhnen und Balgen und Umherrollen -auf dem Boden die halbe Nacht hindurch, von Zwölf -bis zum Morgen.«</p> - -<p>»Leute auf dem Boden?« sagte Legree mit Unbehagen, - <span class="pagenum"><a id="Page_240">[S. 240]</a></span> -sich jedoch zum Lachen zwingend. »Wer ist es, -Cassy?«</p> - -<p>Cassy schlug ihre scharfen, schwarzen Augen auf und -sah Legree mit einem Ausdrucke in's Gesicht, der ihm -durch Mark und Bein ging, als sie sagte: »Wahrhaftig, -Simon, wer es ist? Ich wollte gern, daß <em class="gesperrt">Ihr</em> es mir -sagtet. Ihr wißt 's vermuthlich nicht!«</p> - -<p>Legree schlug fluchend mit der Reitpeitsche nach ihr, -aber sie schlüpfte auf die Seite, eilte zur Thüre hinaus -und sagte, indem sie zurückschaute: »Wenn Ihr in jenem -Zimmer schlafen wollt, erfahrt Ihr Alles. Vielleicht -versucht Ihr 's lieber selbst!« Und dann machte sie sogleich -die Thür zu und verschloß dieselbe.</p> - -<p>Legree tobte und fluchte, und drohte die Thür einzuschlagen, -besann sich aber sichtlich eines Bessern und -ging unruhig in sein Wohnzimmer. Cassy bemerkte, daß -der Pfeil den rechten Fleck getroffen hatte, und von jener -Stunde an hörte sie mit der ausgezeichnetsten Geschicklichkeit -nie mehr auf, die Einwirkungen, welche sie begonnen, -fortzusetzen.</p> - -<p>In einem Astloche auf dem Boden hatte sie einen -alten Flaschenhals so angebracht, daß wenn der geringste -Wind war, jammervolle und traurige Klagetöne daraus -hervorgingen, welche bei einem starken Winde zu völligen -Schreien anwuchsen, so daß es leichtgläubigen und in -Aberglauben befangenen Ohren leicht scheinen konnte, -als wenn sie Schreckens- und Verzweiflungs-Laute -hörten.</p> - -<p>Jene Töne, welche die Dienerschaft von Zeit zu -Zeit hörte, erweckten die Erinnerung an die alte Gespenstergeschichte -in voller Kraft. Eine abergläubische Furcht -schien das ganze Haus zu beschleichen, und obgleich sie -Niemand gegen Legree äußern durfte, fand er sich doch -davon wie von einem Dunstkreise umgeben.</p> - -<p>Niemand ist so durchaus abergläubisch, als der -Gottlose. Der Christ ist gesammelt im Glauben an einen - <span class="pagenum"><a id="Page_241">[S. 241]</a></span> -weisen, Alles beherrschenden Vater, dessen Gegenwart -die unbekannten Räume mit Licht und Ordnung -erfüllt; aber einem Menschen, welcher Gott verläugnet, -ist das Geisterland in der That, mit den Worten des -hebräischen Dichters zu reden, »ein Land der Dunkelheit -und der Schatten des Todes,« ohne jede Ordnung und -ohne Licht. Leben und Tod sind für ihn gespenstige -Gebiete, angefüllt mit Koboldgestalten und drohenden -Schatten.</p> - -<p>Bei Legree waren die schlummernden moralischen -Elemente durch sein Zusammentreffen mit Tom geweckt -worden — geweckt, nur um Widerstand an der entschlossenen -Kraft des Bösen zu finden; aber dennoch lag -eine Mahnung an die finstere, innere Welt in jedem -Worte, jedem Gebete oder Liede, und rief abergläubische -Furcht hervor.</p> - -<p>Der Einfluß Cassy's auf ihn war eigenthümlicher Art. -Sie war sein Eigenthum und er ihr Tyrann und Quäler. -Sie war, wie sie wußte, ganz und ohne jede Möglichkeit -von Hülfe oder Rettung in seinen Händen, und doch ist -es so, daß selbst der roheste Mann nicht in beständigem -Verkehr mit einem starken, weiblichen Einflusse leben -kann, ohne in hohem Grade davon beherrscht zu werden. -Als er sie kaufte, war sie, wie wir sie haben sagen hören, -ein wohlerzogenes Frauenzimmer, und er zermalmte -sie, ohne Gewissensbisse, unter seinen thierischen Füßen. -Als aber die Zeit, erniedrigende Einflüsse und Verzweiflung -das weibliche Gefühl in ihr abgestumpft, und die -Gluthen wilder Leidenschaften in ihr erwacht waren, war -sie seine Geliebte geworden und er quälte und fürchtete -sie wechselsweise.</p> - -<p>Dieser Einfluß war plagender und entschiedener geworden, -seit theilweiser Wahnsinn allen ihren Worten -und ihrer ganzen Sprache einen fremden, spukhaften und -unstäten Anstrich gegeben hatte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_242">[S. 242]</a></span></p> - -<p>Ein oder zwei Abende später saß Legree in dem -alten Wohnzimmer bei einem flackernden Holzfeuer, das -einen ungewissen Schein im Zimmer umher warf. Es -war eine stürmische Regennacht, eine solche, die ganze -Schaaren unbeschreibbarer Töne und Laute in baufälligen -alten Häusern erweckt. Fenster rasselten, Laden schlugen -auf und zu, der Wind lärmte, und fuhr den Schornstein -herab, und peitschte dann und wann Rauch und Asche -umher, als wenn eine Legion Geister hinter ihm käme. -Legree hatte ein Paar Stunden lang Rechnungen geprüft -und Zeitungen gelesen, während Cassy in der Ecke saß -und mürrisch in das Feuer sah. Legree legte die Papiere -hin und da er ein altes Buch auf dem Tische liegen sah, -welches er Cassy im ersten Theile des Abends hatte lesen -sehen, nahm er es auf und begann darin zu blättern. Es war -eine jener Sammlungen von Geschichten blutiger Morde, -Gespenstern und übernatürlichen Erscheinungen, welche -in ihrem rohen Gewande und mit Kupfern verziert, -einen eigenthümlichen Reiz für den haben, der sie einmal -zu lesen anfängt.</p> - -<p>Legree sagte wiederholt: Pah! und Pfui! las aber -zu, indem er Blatt auf Blatt umkehrte, bis er endlich, -nachdem er eine gute Strecke hineingelesen, das Buch mit -einem Fluche wegwarf.</p> - -<p>»Du glaubst nicht an Geister, Cassy, nicht wahr?« -sagte er, indem er die Zange nahm und das Feuer schürte. -»Ich dachte, Du hättest mehr Verstand, als Dich von -solchem Lärm in Furcht jagen zu lassen.«</p> - -<p>»Es kommt nichts darauf an, was ich glaube,« sagte -Cassy mürrisch.</p> - -<p>»Auf der See pflegten die Kerle zu versuchen, mir -mit ihren Geschichten bange zu machen,« sagte Legree. -»Mich übertölpelt Keiner auf die Art. Ich bin zu fest -für dergleichen Plunder, das kann ich Dir sagen.«</p> - -<p>Cassy saß im Schatten der Ecke und schaute ihn mit -durchdringenden Blicken an. Es war jenes seltsame - <span class="pagenum"><a id="Page_243">[S. 243]</a></span> -Licht in ihren Augen, das auf Legree immer einen unheimlichen -Eindruck machte.</p> - -<p>»Der Lärm war nichts als Ratten und Wind,« -sagte Legree. »Ratten machen einen Teufelslärm. Ich -habe sie zuweilen unten im Schiffsraume gehört; und -Wind — um Gottes Willen! man kann Alles aus Wind -machen.«</p> - -<p>Cassy wußte, daß es Legree unter ihrem Blicke nicht -wohl war, und sie antwortete deßhalb nicht, sondern fuhr -fort, den Blick auf ihn zu heften mit demselben seltsamen, -unheimlichen Ausdruck wie vorher.</p> - -<p>»Sprich doch, Weib — nicht wahr?« sagte Legree.</p> - -<p>»Können Ratten die Treppe heruntergehen, durch die -Halle kommen und die Thür aufmachen, wenn man sie -zugeschlossen und einen Stuhl davor gesetzt hat?« sagte -Cassy; »und gerade auf das Bett kommen, und ihre -Hand ausstrecken, so?«</p> - -<p>Cassy heftete ihr blitzendes Auge auf Legree, als sie -so sprach, und er starrte sie an, wie ein Mensch unter -Alpdrücken, bis er, als sie damit endete, daß sie ihre -eiskalte Hand auf die seine legte, mit einem Fluche zurücksprang.</p> - -<p>»Weib! Was willst Du? Es war Niemand!«</p> - -<p>»O, nein — natürlich — sagte ich, es war Jemand?« -sagte Cassy mit einem Lächeln kalten Hohnes.</p> - -<p>»Aber — hast Du wirklich gesehen? Komm', Cass', -was ist es? Sprich!«</p> - -<p>»Ihr könnt selbst da schlafen,« sagte Cassy, »wenn -Ihr es wollt.«</p> - -<p>»Kam es vom Boden herunter, Cassy?«</p> - -<p>»Es — was?« sagte Cassy.</p> - -<p>»Nun, wovon Du sprachst.«</p> - -<p>»Ich habe Euch Nichts gesagt,« sagte Cassy mit -finsterem Tone.</p> - -<p>Legree schritt unruhig im Zimmer auf und ab.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_244">[S. 244]</a></span></p> - -<p>»Ich will das heraushaben. Ich will diesen Abend -noch untersuchen. Ich nehme meine Pistolen —«</p> - -<p>»Das thut,« sagte Cassy; »schlaft in dem Zimmer. -Ich wollte, Ihr thätet es. Schießt mit den Pistolen — -thut's!«</p> - -<p>Legree stampfte mit dem Fuße und fluchte gewaltig.</p> - -<p>»Flucht nicht,« sagte Cassy; »Niemand weiß, wer -Euch hören kann. Horcht! Was war das?«</p> - -<p>»Was?« sagte Legree zurückfahrend.</p> - -<p>Eine schwerfällige, alte, holländische Uhr, welche in -einem Winkel der Stube stand, hob an und schlug langsam -Zwölf.</p> - -<p>Aus einem oder dem andern Grunde sprach Legree -weder, noch bewegte er sich; ein unbestimmtes Grauen -befiel ihn; während Cassy, mit einem scharfen, spöttischen -Glanze im Auge, ihn ansah und die Schläge zählte.</p> - -<p>»Zwölf Uhr; gut, <em class="gesperrt">nun</em> wollen wir sehen,« sagte -sie, indem sie sich umdrehte und die Thür nach dem -Gange öffnete, wie um zu lauschen.</p> - -<p>»Horcht! Was ist das?« sagte sie, indem sie den -Finger aufhob.</p> - -<p>»Es ist bloß der Wind,« sagte Legree. »Hörst Du -nicht, wie verdammt er bläst.«</p> - -<p>»Simon, kommt her,« sagte Cassy flüsternd, indem -sie ihre Hand auf die Seinige legte und ihn an den -Fuß der Treppe führte; »wißt Ihr, was das ist? Horcht!«</p> - -<p>Ein wilder Schrei schallte die Treppe herunter. Er -kam aus dem Boden. Legree's Beine schlotterten; sein -Gesicht wurde weiß vor Furcht.</p> - -<p>»Wollt Ihr nicht lieber Eure Pistolen zur Hand -nehmen?« sagte Cassy mit einem Hohn, der Legree's -Blut erstarren ließ. »Jetzt ist's Zeit, es zu untersuchen. -Ich dächte, Ihr ginget jetzt hinauf; <em class="gesperrt">jetzt sind sie -dran!</em>«</p> - -<p>»Ich gehe nicht!« sagte Legree mit einem Fluche.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_245">[S. 245]</a></span></p> - -<p>»Warum nicht? So etwas wie Geister gibt es -nicht, wisset Ihr! Vorwärts!« und Cassy schlüpfte die -Wendeltreppe hinauf, lachend nach ihm zurückblickend. -»Kommt doch!«</p> - -<p>»Ich glaube, Du bist der Teufel!« sagte Legree. -»Komm zurück, Hexe — komm zurück, Cass'! Du sollst -nicht gehen.«</p> - -<p>Aber Cassy lachte wild und flog weiter. Er hörte -sie die Thür öffnen, welche zum Boden führte. Ein -heftiger Windstoß fegte herunter und löschte das Licht -aus, welches er in der Hand hielt, und dabei hörte er -furchtbares, gräßliches Geschrei, was gerade in sein Ohr -hinein zu kreischen schien.</p> - -<p>Legree floh außer sich in das Wohnzimmer, wohin -ihm in Kurzem Cassy folgte, blaß, ruhig, kalt wie ein -Rachegeist und mit demselben furchtbaren Feuer im Auge.</p> - -<p>»Ihr seid hoffentlich befriedigt,« sagte sie.</p> - -<p>»Hol' Dich der Teufel, Cass'!« sagte Legree.</p> - -<p>»Warum?« sagte Cassy. »Ich ging bloß hinauf -und schloß die Thür zu. Was denkt Ihr, <em class="gesperrt">daß das zu -bedeuten hat auf der Bodenkammer</em>, Simon?« -sagte sie.</p> - -<p>»Das geht Euch nichts an!« sagte Legree.</p> - -<p>»Nicht? Nun,« sagte Cassy, »ich bin jedenfalls -froh, daß ich nicht darunter schlafe.«</p> - -<p>Cassy, die vorhergesehen hatte, daß sich diesen Abend -ein Sturm erheben werde, war oben gewesen und hatte -das Bodenfenster geöffnet. Natürlich hatte im Augenblick, -als die Thür aufgemacht wurde, der Wind nach -unten hin Zug verursacht und das Licht ausgelöscht.</p> - -<p>Dies kann als Probe des Spiels dienen, welches -Cassy mit Legree trieb, bis er eher seinen Kopf in des -Löwen Rachen gesteckt, als die Bodenkammer untersucht -hätte.</p> - -<p>Inzwischen hatte Cassy bei Nacht, wenn Alles schlief, -langsam und sorgfältig daselbst eine Niederlage von - <span class="pagenum"><a id="Page_246">[S. 246]</a></span> -Lebensmitteln angelegt, die hinreichend war, um eine -Zeit lang Nahrung zu gewähren, und sie brachte einen -großen Theil ihrer und Emmelinens Kleidung stückweise -dahin. Als Alles angeordnet war, wartete sie nur auf -eine passende Gelegenheit, ihren Plan in Ausführung zu -bringen.</p> - -<p>Indem Cassy Legree schmeichelte und einzelne gutmüthige -Momente benutzte, hatte sie denselben bewogen, -sie mit sich zur benachbarten Stadt zu nehmen, welche -dicht am »Red River« lag. Mit einem zu fast übernatürlicher -Helle geschärften Gedächtnisse merkte sie jede -Wendung des Weges und berechnete im Geiste die Zeit, -welche erforderlich sei, denselben zurückzulegen.</p> - -<p>Da jetzt Alles zum Handeln reif ist, so schauen -unsere Leser vielleicht gern hinter den Vorhang, um den -endlichen <span class="antiqua">coup d'état</span> selbst mit anzusehen.</p> - -<p>Es war gegen Abend. Legree war auf ein benachbartes -Gut geritten. Mehrere Tage war Cassy ungewöhnlich -gnädiger und gefälliger Laune gewesen; und -Legree war scheinbar auf dem besten Fuße mit ihr. Jetzt -sehen wir sie und Emmeline in dem Zimmer der Letzteren -emsig beschäftigt, zwei Bündelchen zu schnüren.</p> - -<p>»Da, die werden groß genug sein,« sagte Cassy. -»Nun setz Deinen Hut auf und laß uns fort: 's ist -gerade die rechte Zeit.«</p> - -<p>»Aber, sie können uns noch sehen,« sagte Emmeline.</p> - -<p>»Das sollen sie gerade,« sagte Cassy kaltblütig. -»Weißt Du nicht, daß sie auf jeden Fall Jagd auf uns -machen müssen? Die Sache muß folgendermaßen gehen. -Wir stehlen uns aus der Hinterthür und laufen nach den -Hütten hinunter. Sambo und Quimbo sehen uns gewiß. -Sie machen Jagd und wir machen uns in die -Sümpfe; dann können sie uns nicht weiter folgen, bis -sie hinaufgehen und Lärm machen, und die Hunde loslassen -und so weiter; und während sie umherstolpern und -über einander fallen, wie sie es immer machen, schleichen - <span class="pagenum"><a id="Page_247">[S. 247]</a></span> -wir den Bach entlang, der hinter dem Hause fließt, und -waten darin fort, bis wir an die Hinterthür kommen. -Die Hunde verlieren dadurch die Spur, denn das Wasser -hält keine Witterung. Alle werden zum Hause hinaus -laufen, um nach uns zu sehen, und dann schlüpfen wir -zur Hinterthür hinein und hinauf in die Bodenkammer, -wo ich ein hübsches Bett in einer von den großen Kisten -zurecht gemacht habe. Wir müssen dort eine gute Weile -bleiben; denn ich sage Dir, er wird Himmel und Erde -nach uns aufbieten. Er wird einige alte Aufseher an -den andern Pflanzungen zusammenbringen und eine große -Hetze halten; und sie werden jedes Fleckchen in dem -Sumpfe durchsuchen. Er setzt seinen Stolz darein, daß -ihm nie Einer hat entkommen können. So laß ihn denn -nach Belieben jagen.«</p> - -<p>»Cassy, wie gut Ihr das angelegt habt!« sagte -Emmeline. »Niemand als Ihr hätte das ausgedacht!«</p> - -<p>Es lag weder Vergnügen, noch Frohlocken in -Cassy's Augen — nur eine verzweifelte Festigkeit.</p> - -<p>»Komm',« sagte sie, Emmeline die Hand gebend.</p> - -<p>Die beiden Flüchtlinge schlichen geräuschlos aus dem -Hause, und eilten durch die zunehmenden Schatten des -Abends an den Hütten entlang. Der Mond, der wie -eine silberne Sichel am westlichen Himmel stand, verschob -ein wenig das Herannahen der Nacht. Wie Cassy erwartet -hatte, hörten sie, als sie den Sümpfen ganz nahe -waren, welche die Pflanzung einschlossen, eine Stimme -ihnen Halt! zurufen. Es war indeß nicht Sambo, sondern -Legree, der sie mit heftigen Verwünschungen verfolgte. -Bei dem Tone brach der schwächere Geist Emmelinens -zusammen: und indem sie sich an Cassy's Arm -hielt, sagte sie: »O, Cassy, ich werde ohnmächtig!«</p> - -<p>»Geschieht das, so tödte ich Dich!« sagte Cassy, -indem sie einen kleinen schimmernden Dolch zog, und -vor den Augen des Mädchens blitzen ließ.</p> - -<p>Die Drohung entsprach dem Zwecke. Emmeline - <span class="pagenum"><a id="Page_248">[S. 248]</a></span> -wurde nicht ohnmächtig, und es gelang ihr, sich mit -Cassy in einen Theil des Sumpflabyrinths zu stürzen, -welches so tief und dunkel war, daß Legree an ein Verfolgen -derselben ohne Hülfe nicht denken konnte.</p> - -<p>»Gut,« sagte er, indem er ein viehisches Gelächter -aufschlug, »nun sind sie in der Falle — das Pack. Sie -sind jetzt sicher genug; sollen mir dafür schwitzen.«</p> - -<p>»Holla, da! Sambo! Quimbo! Kommt Alle her!« -rief er, die Quartiere erreichend, als die Leute gerade -von der Arbeit kamen. »Da sind zwei Ausreißer in den -Sümpfen. Ich gebe dem Nigger, der sie fängt, fünf -Dollar. Laßt die Hunde los. Laßt Tiger, Furie und -alle andern los!«</p> - -<p>Diese Nachricht brachte sogleich große Aufregung -hervor. Viele sprangen eifrig herbei, um ihre Dienste -anzubieten, entweder in der Hoffnung einer Belohnung -oder aus jener kriechenden Bereitwilligkeit, welche eine -der kläglichsten Wirkungen der Sklaverei ist. Einige -rannten dahin, Andere dorthin. Einige suchten nach -Kienfackeln; Andere ließen die Hunde los, deren heiseres, -wildes Gebell nicht wenig zur Belebung der Scene -beitrug.</p> - -<p>»Herr, sollen wir auf sie schießen, wenn wir sie nicht -fangen können?« sagte Sambo, dem sein Herr eine -Büchse gebracht hatte.</p> - -<p>»Du kannst auf Cassy feuern, wenn Du willst; es -ist Zeit, daß sie zum Teufel geht, wohin sie gehört; -aber nicht auf die Dirne,« sagte Legree. »Und nun, -Jungen, seid hurtig und flink. Fünf Dollar für den, -der sie fängt, und ein Glas Brandwein Jedem von -Euch!«</p> - -<p>Die ganze Bande begab sich nun, unter leuchtendem -Fackelschein, mit Geschrei und Gebrüll, und wildem Getöse -von Menschen und Thieren, hinab zum Sumpfe, -während in einiger Entfernung alle übrigen Sklaven -folgten. Das ganze Haus war folglich verlassen, als - <span class="pagenum"><a id="Page_249">[S. 249]</a></span> -Cassy und Emmeline auf dem hintern Wege wieder -hineinschlüpften. Das Schreien und Rufen ihrer Verfolger -erfüllte noch die Luft: und Cassy und Emmeline -konnten von den Fenstern des Wohnzimmers aus den -Trupp sehen, wie er sich mit den Fackeln am Sumpfe -vertheilte.</p> - -<p>»Sieh da!« sagte Emmeline, indem sie Cassy drauf -aufmerksam machte: »die Jagd hat angefangen! Sieh, wie -diese Lichter umhertanzen! Horch! die Hunde! Hörst Du -nicht? Wären wir dort, so wäre unser Spiel keinen -Picayune werth. O, um Gottes Willen, wir wollen -uns verstecken. Schnell!«</p> - -<p>»Es hat keine Eile,« sagte Cassy kalt, »Alles ist -auf der Jagd — das ist das Abendvergnügen! Wir -gehen bald hinauf. Indessen,« sagte sie, indem sie bedächtig -einen Schlüssel aus der Tasche eines Rockes -nahm, den Legree in der Eile abgeworfen hatte, »inzwischen -will ich etwas nehmen, um die Reisekosten zu -decken.«</p> - -<p>Sie schloß das Pult auf und nahm eine Rolle Anweisungen -heraus, welche sie schnell überzählte.</p> - -<p>»O, laßt uns das nicht thun!« sagte Emmeline.</p> - -<p>»Nicht?« sagte Cassy, »warum nicht? Sollen wir -in den Sümpfen verhungern, oder das nehmen, was -unsere Reise in die freien Staaten bezahlen wird. Mit -Geld richtet man Alles aus, Mädchen.« Und indem sie -dies sagte, steckte sie das Geld in den Busen.</p> - -<p>»Das ist Stehlen,« flüsterte Emmeline ängstlich.</p> - -<p>»Stehlen!« sagte Cassy mit verächtlichem Gelächter. -»Wer Leib und Seele stiehlt, braucht uns keine guten -Lehren zu geben. Jede dieser Anweisungen ist gestohlen -— gestohlen von armen, verhungerten, elenden Geschöpfen, -die zuletzt zu seinem Besten zum Teufel gehen -müssen. Laß <em class="gesperrt">ihn</em> vom Stehlen sprechen! Aber komm', -wir können nun ebenso gut auf die Bodenkammer gehen; -ich habe da einen Vorrath von Lichtern und einige - <span class="pagenum"><a id="Page_250">[S. 250]</a></span> -Bücher, um uns die Zeit zu vertreiben. Du kannst ganz -ruhig sein, daß sie <em class="gesperrt">dahin</em> nicht kommen, um uns zu -suchen; und wenn sie's thun, so will ich ihnen den Geist -spielen.«</p> - -<p>Als Emmeline die Bodenkammer erreichte, fand sie -daselbst eine ungeheure Kiste, in der früher irgend ein -schweres Möbelstück hierher gebracht worden war, auf -die Seite gelegt, so daß die Oeffnung gegen die Wand -oder vielmehr das Dach gekehrt war. Cassy steckte eine -kleine Lampe an, und beide krochen unter dem Dache -herum und ließen sich in der Kiste nieder. Es befanden -sich darin ein Paar kleine Matratzen und einige Kissen, -und ein in der Nähe stehender Kasten enthielt einen reichlichen -Vorrath von Lichtern, Lebensmitteln und allen zu -ihrer Reise nöthigen Kleidungsstücken, welche Cassy in -Bündelchen von erstaunlich kleinem Umfange gepackt -hatte.</p> - -<p>»Da,« sagte Cassy, als sie die Lampe an einen -kleinen Haken hing, welchen sie zu dem Zwecke in die -Seite der Kiste getrieben hatte; »dies soll für jetzt unsere -Heimath sein. Wie gefällt sie Dir?«</p> - -<p>»Seid Ihr gewiß, daß sie nicht kommen und die -Dachstube durchsuchen?«</p> - -<p>»Ich möchte Simon Legree das thun sehen,« sagte -Cassy. »Nein, wahrhaftig; er ist zu froh, daß er wegbleiben -kann. Was die Dienstboten anbetrifft, so würde -Jeder von ihnen sich lieber todt schießen lassen, als sich -hier zeigen.«</p> - -<p>Etwas beruhigt ließ sich Emmeline auf ihre Kissen -nieder.</p> - -<p>»Was wolltet Ihr damit sagen, Cassy, daß Ihr -mich umzubringen drohtet?« sagte sie arglos.</p> - -<p>»Ich wollte Dich verhindern, ohnmächtig zu werden,« -sagte Cassy, »und es gelang mir. Und jetzt sage -ich Dir, Emmeline, Du mußt Dich entschließen, <em class="gesperrt">nicht</em> -ohnmächtig zu werden, komme, was da wolle; das ist - <span class="pagenum"><a id="Page_251">[S. 251]</a></span> -ganz und gar nicht nöthig. Wenn ich Dich nicht davon -abgehalten hätte, so wärst Du jetzt schon in den Händen -jenes Elenden.«</p> - -<p>Emmeline schauderte.</p> - -<p>Beide schwiegen. Cassy beschäftigte sich mit einem -französischen Buche, und Emmeline, von Erschöpfung -übermannt, schlummerte ein und schlief einige Zeit. -Plötzlich wurde durch sie lautes Schreien und Rufen, durch -Getrampel von Pferden und Bellen von Hunden erweckt, -und fuhr mit einem leisen Schrei empor.</p> - -<p>»Die Jagdpartie kommt nun zurück,« sagte Cassy -kalt; »fürchte nichts. Schau' durch dieses Astloch. -Kannst Du sie nicht Alle unten sehen? Simon muß es -für diesen Abend aufgeben. Sieh', wie schmutzig sein -Pferd ist, wie mißmuthig die Hunde aussehen. Ach, -mein guter Herr, Ihr müßt die Hetze wieder und wieder -versuchen — das Wild ist nicht da.«</p> - -<p>»O, sprecht nicht!« sagte Emmeline; »wie, wenn man -Euch hörte?«</p> - -<p>»Wenn sie irgend etwas hören sollten, so würden -sie sich nur um so mehr vorsehen, von hier weg zu bleiben,« -sagte Cassy. »Keine Gefahr; wir können so viel -Lärm machen, als wir wollen, und es wird nur um so -mehr Wirkung haben.«</p> - -<p class="pmb3">Endlich legte sich die Stille der Mitternacht über -das Haus, und Legree, sein Unglück verfluchend, und -schreckliche Rache für den folgenden Tag gelobend, ging -zu Bette.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_252">[S. 252]</a></span></p> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Vierzigstes_Kapitel">Vierzigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Der Märtyrer.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i6">Glaub nicht den Guten vom Himmel vergessen,<br /></span> -<span class="i6">Wenn auch das Leben ihm Alles verweigert, —<br /></span> -<span class="i6">Wenn mit gebrochenem, blutenden Herzen,<br /></span> -<span class="i6">Unter Hohn und Verachtung er langsam stirbt;<br /></span> -<span class="i6">Denn Gott hat jeden Kummer verzeichnet,<br /></span> -<span class="i6">Und jede bittre Thräne gezählt;<br /></span> -<span class="i6">Und lange Jahre himmlischen Segens<br /></span> -<span class="i6">Zahlen, was seine Kinder geduldet.<br /></span> -</div></div> - - -<p>Der längste Tag muß sein Ende haben — auf die -früheste Nacht folgt ein Morgen. Ein ewiger, unerbittlicher -Verlauf von Augenblicken treibt immer den Tag -des Bösen zur ewigen Nacht, und die Nacht des Gerechten -zu einem ewigen Tage. Wir sind mit unserem -demüthigen Freunde so weit durch das Thal der Sklaverei -gewandelt; erst durch blumige Gefilde der Ruhe -und Gemächlichkeit, dann durch die herzzerreißende Trennung -von Allem, was den Menschen theuer ist. Dann -haben wir mit ihm auf einem sonnigen Eilande verweilt, -wo edle Hände seine Ketten unter Blumen verbargen; -und zuletzt sind wir ihm dahin gefolgt, wo der letzte -Strahl irdischer Hoffnung verschwand, und haben gesehn, -wie in der Finsterniß irdischer Macht die Feste des Ungesehenen -mit Sternen eines neuen und bedeutungsvollen -Glanzes schimmerte.</p> - -<p>Der Morgenstern steht nun über den Gipfeln der -Berge, und überirdische Winde und Lüfte verkünden, daß -die Pforten des Tages sich öffnen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_253">[S. 253]</a></span></p> - -<p>Die Flucht Cassy's und Emmelinen's reizte die vorher -schon mürrische Stimmung Legree's im höchsten -Grade; und, wie zu erwarten war, fiel seine Wuth auf -das vertheidigungslose Haupt Tom's. Als er seinen -Leuten hastig die Neuigkeit mittheilte, glänzten Tom's -Augen, und er hob seine Hände empor. Das entging -ihm nicht. Er sah, daß er sich dem Aufgebot der Verfolger -nicht anschloß, und dachte darauf, ihn dazu zu -zwingen; aber da er schon von früher her Erfahrungen -über seine Unbeugsamkeit hatte, wenn ihm befohlen -wurde, Theil an einer Grausamkeit zu nehmen, so wollte -er sich jetzt in seiner Eile nicht dadurch aufhalten lassen, -daß er einen Streit mit ihm anfing.</p> - -<p>Tom blieb also mit einigen Wenigen zurück, die -von ihm beten gelernt hatten, und flehte mit ihnen für -das Entkommen der Flüchtlinge zum Himmel.</p> - -<p>Als Legree getäuscht und betrogen zurückkehrte, fing -der ganze Haß, der ihm schon lange gegen seinen Sklaven -in der Seele arbeitete, an, eine tödtliche und verzweifelte -Gestalt anzunehmen. Hatte ihm der Mann nicht -getrotzt — hartnäckig, mächtig, unwiderstehlich — seit -dem er ihn gekauft hatte! War nicht ein Geist in demselben, -der, wenn auch schweigend, ihn wie Feuer der -Verdammniß brannte!</p> - -<p>»Ich <em class="gesperrt">hasse</em> ihn!« sagte Legree in jener Nacht, -als er sich in seinem Bette aufrichtete; »ich <em class="gesperrt">hasse</em> ihn! -Und gehört er nicht mir? Kann ich mit ihm nicht machen, -was ich will? Es soll mich doch wundern, wer -'s mir wehren will?« Und Legree ballte die Faust und -schüttelte sie, als wenn er etwas in der Hand hätte, -das er in Stücke brechen wollte.</p> - -<p>Aber Tom war doch ein treuer, werthvoller Diener; -und obgleich Legree ihn deßhalb um so mehr haßte, so -war diese Rücksicht doch immer noch etwas, das ihn in -Schranken hielt.</p> - -<p>Er beschloß, am nächsten Morgen noch nichts zu - <span class="pagenum"><a id="Page_254">[S. 254]</a></span> -sagen; sondern eine Gesellschaft von den benachbarten Pflanzungen -mit Hunden und Flinten zu versammeln, den Sumpf -zu umstellen und die Jagd systematisch zu betreiben. -Wenn es gelänge, gut; wenn nicht, so wollte er Tom -vor sich fordern, und <em class="gesperrt">dann</em> — er knirschte mit den -Zähnen und sein Blut siedete — <em class="gesperrt">dann</em> wollte er den -Burschen niederbrechen, oder — und seine Seele antwortete -auf ein gräßliches innerliches Geflüster.</p> - -<p>Man sagt, daß der <em class="gesperrt">Vortheil</em> des Herrn ein hinreichender -Schutz für den Sklaven sei. In der Wuth -des tollen Willens verkauft der Mensch wissentlich und -mit offnen Augen seine eigne Seele dem Teufel, um zu -seinem Zwecke zu gelangen; und wird er für seines -Nächsten Leib mehr Sorge tragen?</p> - -<p>»Nun,« sagte Cassy am nächsten Tage, als sie von -der Dachkammer aus durch das Astloch spähte, »die Jagd -wird heute wieder anfangen!«</p> - -<p>Drei bis vier Reiter galoppirten auf dem Platze -vor dem Hause umher; und mehrere Koppeln fremder -Hunde sträubten sich gegen die Neger, welche dieselben -hielten, und bellten sich einander an.</p> - -<p>Zwei der Leute waren Aufseher in benachbarten -Pflanzungen; die Andern gehörten zu Legree's Genossen -in der Schenke einer benachbarten Stadt, welche -der Reiz der Jagd hergezogen hatte. Eine rohere Rotte -konnte man sich nicht vorstellen. Legree schenkte Brandwein -im Ueberflusse unter sie wie unter die Neger aus, -welche von verschiedenen Pflanzungen zu dieser Dienstleistung -gestellt worden waren, denn es war Gebrauch, -jeden derartigen Dienst für die Neger so viel als möglich -zu einem Festtage zu machen.</p> - -<p>Cassy legte das Ohr an das Astloch; und da die -Morgenluft gerade auf das Haus zu wehte, so konnte -sie ziemlich viel von der Unterhaltung hören. Ein tiefer -Hohn lagerte sich über dem dunkeln, strengen Ernst ihres -Antlitzes, als sie horchte und hörte, wie sie das - <span class="pagenum"><a id="Page_255">[S. 255]</a></span> -Feld vertheilten, die verschiednen Vorzüge der Hunde -abhandelten, Befehle in Betreff des Feuerngebens -und der Behandlung einer Jeden im Falle des Gefangennehmens.</p> - -<p>Cassy zog sich zurück; sie schaute mit gefalteten -Händen empor und sagte: »O, großer, allmächtiger -Gott! Wir sind <em class="gesperrt">alle</em> Sünder; aber was haben <em class="gesperrt">wir</em> -mehr, als die übrige Welt verbrochen, daß wir so behandelt -werden?«</p> - -<p>Es lag ein furchtbarer Ernst in ihrem Antlitz und -ihrer Stimme, als sie sprach.</p> - -<p>»Wenn es nicht für Dich wäre, Kind,« sagte sie, -auf Emmeline blickend, »<em class="gesperrt">ginge</em> ich zu ihnen hinaus; -und würde es dem Dank wissen, der mich <em class="gesperrt">niederschöße</em>; -denn was kann mir die Freiheit helfen? Kann -sie mir meine Kinder wieder geben, oder mich wieder -dazu machen, was ich war?«</p> - -<p>Emmeline in ihrer kindlichen Einfalt fürchtete sich -fast vor der finstern Stimmung Cassy's. Sie sah bestürzt -aus und gab keine Antwort. Sie ergriff blos -ihre Hand mit einer sanften, liebkosenden Bewegung.</p> - -<p>»Nicht doch!« sagte Cassy, indem sie dieselbe zurückzuziehen -versuchte; »Du willst mich zwingen, Dich -lieb zu haben; aber ich will nichts wieder lieben!«</p> - -<p>»Arme Cassy!« sagte Emmeline, »hegt nicht solche -Gefühle! Wenn Gott uns die Freiheit schenkt, schenkt -er Euch auch vielleicht Eure Tochter wieder. Ich weiß, -ich werde meine arme, alte Mutter nicht wieder sehen! -Ich will Euch lieben, Cassy, gleichviel, ob Ihr mich auch -liebt oder nicht!«</p> - -<p>Der sanfte, kindliche Geist siegte. Cassy setzte sich -zu ihr nieder, legte den Arm um ihren Nacken, und -strich ihr sanft das braune Haar; da erstaunte Emmeline -über die Schönheit ihrer prachtvollen Augen, die -nun sanft schimmerten unter Thränen.</p> - -<p>»O, Em!« sagte Cassy, »ich habe nach meinen - <span class="pagenum"><a id="Page_256">[S. 256]</a></span> -Kindern gehungert und nach ihnen gedurstet, und -meine Augen sind trübe geworden vom Ausschauen nach -ihnen! Hier! hier!« sagte sie, an ihre Brust schlagend, -»ist Alles verödet und leer! Wenn Gott mir meine -Kinder wiedergäbe, dann könnte ich beten.«</p> - -<p>»Ihr müßt auf ihn vertrauen, Cassy,« sagte -Emmeline; »er ist unser Vater!«</p> - -<p>»Sein Zorn lastet auf uns,« sagte Cassy, »er hat -sich im Zorn von uns gewendet.«</p> - -<p>»Nun, Cassy! Er wird noch gütig gegen uns sein! -Laßt uns auf ihn hoffen,« sagte Emmeline; — »ich habe -immer Hoffnung gehabt.«</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Die Jagd währte lange; sie wurde sehr lebhaft -und gründlich ausgeführt, aber blieb erfolglos, und -Cassy schaute mit ernstem, höhnischem Frohlocken auf -Legree hinab, als er müde und verdrießlich vom Pferde stieg.</p> - -<p>»Nun, Quimbo,« sagte Legree, als er sich im -Wohnzimmer niederstreckte, »geh und bring den Tom -hier herauf, sogleich! Der alte Schuft steckt hinter der -ganzen Geschichte; und ich will es aus seinem alten schwarzen -Fell heraus haben; oder den Grund wissen!«</p> - -<p>Sambo und Quimbo, obgleich sie sich einander -haßten, stimmten doch vollkommen in einem nicht weniger -herzlichen Haß gegen Tom überein. Legree hatte -ihnen gleich Anfangs gesagt, daß er ihn gekauft habe, -um einen Oberaufseher in seiner Abwesenheit aus ihm -zu machen; und dies hatte bei ihnen einen Groll erregt, -welcher in ihren erniedrigten und knechtischen Naturen -noch zunahm, als sie sahen, daß er bei ihrem Herrn in -Mißgunst fiel. Quimbo ging deßhalb bereitwillig fort, -um seine Befehle in Ausführung zu bringen.</p> - -<p>Tom hörte die Botschaft mit ahnendem Herzen; denn -er kannte den ganzen Plan von dem Entweichen der - <span class="pagenum"><a id="Page_257">[S. 257]</a></span> -Flüchtlinge; und den Ort ihres gegenwärtigen Verstecks. -Er kannte den wilden Charakter des Mannes, mit dem -er zu thun hatte, und dessen grausame Gewalt. Aber -er fühlte sich stark in Gott, lieber dem Tode zu begegnen, -als die Hülflosen zu verrathen.</p> - -<p>Er setzte seinen Korb in die Reihe nieder, blickte -auf und sagte: »In deine Hände befehle ich meinen -Geist! Du hast mich erlöset, Gott der Wahrheit!« und -dann überließ er sich ruhig dem rohen, thierischen Griffe -womit ihn Quimbo packte.</p> - -<p>»Ja, ja!« sagte der Riese, als er ihn entlang -schleppte, »wirst 's nun kriegen! Will verdammt sein, -wenn Master nicht grimmig wild ist! Hilft nun kein -Wegschleichen mehr! Ich sage Dir, Du wirst 's kriegen, -das steht fest! Nun sieh zu, was Du für ein Gesicht -machen wirst, Masters Nigger helfen davon zu laufen! -Wirst's sehen, was Du kriegst!«</p> - -<p>Keines der wilden Worte erreichte sein Ohr — eine -höhere Stimme sagte dann: »Fürchte Dich nicht vor -denen, die den Leib tödten, und dann nichts mehr thun -können!«</p> - -<p>Diese Worte durchbebten Mark und Bein des Armen, -wie vom Finger Gottes berührt; und er fühlte -die Kraft von tausend Seelen in einer. Als er dahin -schritt, schienen die Bäume und Büsche, die Hütten -seiner Knechtschaft, der ganze Schauplatz seiner Erniedrigung -an ihm vorbei zu fliegen, wie eine Landschaft -an dahineilenden Wagen. Das Herz schlug ihm — seine -Heimath war ihm vor Augen — und die Stunde der -Erlösung schien gekommen.</p> - -<p>»Nun, Tom,« sagte Legree, indem er auf ihn los -ging, ihn grimmig am Rockkragen packend und in -rasender Wuth durch die Zähne sprechend, »weißt Du, -ich bin entschlossen, Du sollst sterben!«</p> - -<p>»So scheint es, Master,« sagte Tom ruhig.</p> - -<p>»<em class="gesperrt">Ich habe</em>,« sagte Legree mit grimmiger, furchtbarer - <span class="pagenum"><a id="Page_258">[S. 258]</a></span> -Ruhe, »<em class="gesperrt">eben</em> — <em class="gesperrt">das</em> — <em class="gesperrt">gethan</em>, Tom, wenn -Du mir nicht sagst, was Du von den Mädchen weißt!«</p> - -<p>Tom schwieg.</p> - -<p>»Hörst Du?« sagte Legree, mit den Füßen stampfend -und mit einem Gebrülle wie das eines wüthenden -Löwen. »Sprich!«</p> - -<p>»<em class="gesperrt">Ich kann nichts sagen, Master,</em>« sagte Tom -mit langsamem, festem und bedächtigem Tone.</p> - -<p>»Wagst Du, mir zu sagen, alter, schwarzer Christ, -Du <em class="gesperrt">weißt</em> es nicht?« sagte Legree.</p> - -<p>Tom antwortete nicht.</p> - -<p>»Rede!« donnerte Legree, indem er ihn wüthend -schlug. »Weißt Du etwas davon?«</p> - -<p>»Ich weiß was, Master, kann aber nichts sagen. -<em class="gesperrt">Ich kann sterben!</em>«</p> - -<p>Legree holte tief Athem, nahm, seine Wuth unterdrückend, -Tom beim Arme, zog dessen Gesicht dicht an -das seinige heran, und sagte mit schrecklicher Stimme: -»Höre, Tom — Du denkst, weil ich Dich früher losgelassen -habe, 's ist nicht mein Ernst, was ich sage, -aber diesmal <em class="gesperrt">bin ich entschlossen</em>, ich habe die Kosten -berechnet. Du hast Dich mir immer widersetzt — -jetzt will ich <em class="gesperrt">Dich unterwerfen oder umbringen</em>! -Eins oder 's Andre. Ich will jeden Tropfen Blut in -Dir zählen und einen nach dem andern abzapfen, bis -Du nachgibst!«</p> - -<p>Tom sah zu seinem Herrn auf und antwortete: -»Herr, wenn Ihr krank wärt oder in Noth, oder am -Tode, und ich könnte Euch retten, wollte ich Euch gern -mein Herzblut geben; und wenn es Eure köstliche -Seele retten könnte, daß Ihr jeden Blutstropfen nähmt, -der in diesem armen, alten Leibe ist, so wollte ich ihn -willig geben, wie der Herr sein Blut für mich gab. -O, Master, ladet nicht diese große Sünde auf Euch! Es -schadet Euch mehr als mir! Thut das Schlimmste, - <span class="pagenum"><a id="Page_259">[S. 259]</a></span> -was Ihr könnt, meine Noth wird bald vorüber sein; -aber wenn Ihr nicht bereut, wird Eure <em class="gesperrt">nie</em> enden!«</p> - -<p>Gleich einem Accorde himmlischer Musik, nachdem -sich der Sturm gelegt hat, schuf dieser Ausbruch des -Gefühls eine plötzliche Pause. Legree stand erstaunt -da, und sah Tom an; es herrschte eine so tiefe Stille, -daß man das Ticken der alten Uhr hören konnte, die -mit stiller Berührung dem verhärteten Herzen die letzten -Augenblicke der Gnade und Prüfung zumaß.</p> - -<p>Es war nur ein Augenblick. Eine Pause des Zögerns, -der Unentschlossenheit, des Widerstrebens, und -der Geist des Bösen kehrte mit siebenfacher Heftigkeit -zurück; und Legree, schäumend vor Wuth, schmetterte -sein Opfer zu Boden.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Scenen von Blut und Grausamkeit sind verletzend -für unser Ohr und unser Herz. Was der Mensch den -Muth hat zu thun, hat er oft nicht den Muth zu hören. -Was Mitmenschen und Mitchristen leiden müssen, -lassen wir uns selbst nicht in unsrer geheimsten Kammer -erzählen; so sehr zerreißt es unser Herz. Und doch, o! -mein Vaterland! geschehen diese Dinge unterm Schatten -deiner Gesetze! O, Christ! Deine Kirche sieht es fast -schweigend!</p> - -<p>Aber vor alten Zeiten war einer, dessen Leiden ein -Marterwerkzeug, ein Werkzeug der Erniedrigung und -Schande in ein Sinnbild des Ruhms und des unsterblichen -Lebens verwandelte; und wo sein Geist ist, können -weder erniedrigende Streiche, noch Blut, noch -Hohn des Christen letzten Kampf anders als glorreich -machen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_260">[S. 260]</a></span></p> - -<p>War er allein in jener langen Nacht, dessen edler, -liebevoller Geist in jenem alten Schuppen nicht verzagte -unter Stößen und viehischen Streichen?</p> - -<p>Nein! Neben ihm stand <em class="gesperrt">Einer</em>, nur von ihm gesehen, -»gleich dem Sohne Gottes.«</p> - -<p>Der Versucher stand auch neben ihm, verblendet -durch seinen wüthenden, despotischen Willen, jeden Augenblick -in ihn dringend, diesem Todeskampf durch den -Verrath der Unschuldigen zu entgehen. Aber das brave -treue Herz stand fest auf dem ewigen Felsen. Wie sein -Meister wußte er, daß wenn er Andre rette, er sich -selbst nicht retten könne; auch konnte die äußerste Gewaltmaßregel -ihm keine anderen Worte abzwingen, als -die des Gebetes und heiligen Vertrauens.</p> - -<p>»Er ist fast hin, Master,« sagte Sambo, wider -Willen von der Geduld seines Opfers gerührt.</p> - -<p>»Ausgezahlt, bis er nachgibt! Gieb 's ihm, gieb -'s ihm!« brüllte Legree. »Ich will ihm jeden Blutstropfen -abzapfen, den er hat, wenn er nicht gesteht.«</p> - -<p>Tom öffnete die Augen und sah seinen Herrn an. -»Ihr armes, elendes Geschöpf!« sagte er; »es gibt -nichts mehr für Euch zu thun! Ich vergebe Euch -mit ganzem Herzen!« und er sank vollständig in Ohnmacht.</p> - -<p>»Ich glaube meiner Seele, 's ist aus mit ihm,« -sagte Legree, indem er herzutrat und ihn betrachtete. -»Ja, 's ist aus! Nun, so ist ihm doch wenigstens der -Mund gestopft — das ist ein Trost!«</p> - -<p>Ja, Legree; aber wer wird jene Stimmen in Deiner -Seele zum Schweigen bringen, — jener Seele, -ohne Reue, ohne Gebet, ohne Hoffnung, in welcher -das Feuer schon brennt, welches nie gelöscht werden -wird.</p> - -<p>Tom war jedoch noch nicht ganz dahin. Seine -wundervollen Worte und frommen Gebete hatten die -Herzen der entmenschten Schwarzen getroffen, welche die - <span class="pagenum"><a id="Page_261">[S. 261]</a></span> -Werkzeuge der an ihm verübten Grausamkeit gewesen -waren; und den Augenblick, als sich Legree zurückzog, -nahmen sie ihn ab und suchten ihn in ihrer Unwissenheit -zum Leben zurückzurufen — als wenn das eine Wohlthat -für ihn gewesen wäre.</p> - -<p>»Wir haben wahrhaftig 'was schrecklich Böses gethan!« -sagte Sambo; »ich hoffe, Master hat dafür Rechenschaft -zu geben, — nicht wir.«</p> - -<p>Sie wuschen seine Wunden — bereiteten ihm ein -rohes Bett von schadhafter Baumwolle — und Einer -von ihnen schlich nach dem Hause und erbat sich einen -Schluck Brandwein von Legree, unter dem Vorgeben, -daß er ermattet sei und ihn für sich brauche. Er brachte -denselben zurück und flößte ihn Tom in den Mund.</p> - -<p>»O, Tom!« sagte Quimbo, »wir haben sehr schlecht -gegen Dich gehandelt!«</p> - -<p>»Ich vergebe Euch mit ganzem Herzen!« sagte -Tom mit schwacher Stimme.</p> - -<p>»O, Tom! sag uns, wer <em class="gesperrt">Jesus</em> ist?« sagte Sambo, -»— Jesus, der die ganze Nacht bei Dir gestanden hat! -Wer ist 's?«</p> - -<p>Das Wort erweckte den sinkenden, ohnmächtigen -Geist. Ueber seine Lippen strömten einige kräftige -Sprüche jenes Wunderbaren — von seinem Leben, seinem -Tode, seiner ewigen Gegenwart, und seiner Macht -zu erlösen.</p> - -<p>Sie weinten — die beiden rohen Menschen.</p> - -<p>»Warum habe ich das noch nie gehört?« sagte -Sambo; »aber ich glaube! — ich kann nicht anders! -Herr Jesus, erbarme Dich unser.«</p> - -<p>»Arme Geschöpfe!« sagte Tom, »ich will gern -Alles getragen haben, wenn es Euch nur zu Christus -bringt! O Gott! ich bitte Dich, gib mir nur noch -diese beiden Seelen!«</p> - -<p class="pmb3">Das Gebet wurde erhört.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_262">[S. 262]</a></span></p> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Einundvierzigstes_Kapitel">Einundvierzigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Der junge Master.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - - -<p>Zwei Tage darauf fuhr ein junger Mann in einem -leichten Wagen durch die Orangen-Allee herauf, warf die -Zügel eilig auf die Rücken der Pferde, sprang heraus -und fragte nach dem Besitzer der Plantage.</p> - -<p>Es war Georg Shelby; und um zu zeigen, wie -er hierher kam, müssen wir in unsrer Geschichte zurück -gehen.</p> - -<p>Der Brief Opheliens an Mrs. Shelby war durch -einen unglücklichen Zufall einen oder zwei Monate auf -einer entlegenen Post liegen geblieben, ehe er seine Bestimmung -erreichte; und ehe er ankam, war Tom schon -in den fernen Sümpfen des Red River verschwunden.</p> - -<p>Mrs. Shelby las die Nachricht mit dem tiefsten -Kummer; aber irgend ein unmittelbares Handeln darauf -hin war eine Unmöglichkeit. Sie war damals am -Krankenlager ihres Gatten beschäftigt, der in der heftigsten -Phantasie einer Fieberkrisis lag. Der junge -Master, Georg Shelby, der indessen aus einem Knaben -ein großer, junger Mann geworden war, stand ihr -als beständiger und treuer Gehülfe zur Seite, und war -ihre einzige Stütze in der Leitung der Angelegenheiten seines -Vaters. Miß Ophelie hatte die Vorsicht gebraucht, den -Namen des Anwalts zu melden, der die Geschäfte der -St. Clares betrieb; und das Einzige, was in dieser -Angelegenheit gethan werden konnte, war, schriftlich bei -ihm anzufragen. Der plötzliche Tod Mr. Shelby's wenige -Tage nachher hatte natürlich eine Menge dringender Geschäfte - <span class="pagenum"><a id="Page_263">[S. 263]</a></span> -zur Folge, die alles Uebrige eine Zeit lang in den Hintergrund -drängten.</p> - -<p>Mr. Shelby hatte sein Vertrauen in die Geschicklichkeit -seiner Gattin dadurch an den Tag gelegt, daß -er sie zur alleinigen Vollstreckerin des letzten Willens -ernannte; und so hatte sie augenblicklich eine Masse der -verwickeltesten Geschäfte zu ordnen.</p> - -<p>Mrs. Shelby unternahm mit der ihr eignen Entschlossenheit -das Geschäft, das verwickelte Netz dieser -Angelegenheiten zu entwirren, und sie und Georg waren -eine Zeit lang mit dem Sammeln und Prüfen von -Rechnungen, dem Verkaufe von Vermögensstücken und -der Berichtigung von Schulden beschäftigt; denn Mrs. -Shelby war entschlossen, daß Alles in eine klare und -übersichtliche Gestalt gebracht werden solle, möchten die -Folgen sein, welche sie wollten. Inzwischen empfingen -sie ein Schreiben von dem Anwalt, an welchen sie -Ophelie gewiesen hatte, des Inhalts, daß ihm nichts -von der Angelegenheit bekannt sei; daß der Mann in -öffentlicher Versteigerung verkauft worden, und er daher -von der Sache nur so viel wisse, daß das Kaufgeld -für denselben an ihn berichtigt worden sei.</p> - -<p>Weder Georg noch Mrs. Shelby konnten sich bei -diesem Erfolge beruhigen, und demgemäß beschloß der -Letztere nach sechs Monaten, als er für seine Mutter -den Fluß hinab Geschäfte zu besorgen hatte, New-Orleans -in Person zu besuchen und die Nachforschungen -weiter zu betreiben, in der Hoffnung, Tom's Aufenthalt -zu entdecken und ihn auszulösen.</p> - -<p>Nach einigen Monaten erfolglosen Nachsuchens traf -Georg durch bloßen Zufall in New-Orleans Jemanden, -der zufällig die gewünschte Auskunft geben konnte, und -unser Held ging sofort mit dem Gelde in der Tasche -auf einem Dampfschiffe nach Red River ab, entschlossen, -seinen alten Freund aufzusuchen und wieder zu -kaufen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_264">[S. 264]</a></span></p> - -<p>Er wurde in das Haus geführt, wo er Legree -im Wohnzimmer fand.</p> - -<p>Legree empfing den Fremden mit einer Art von -mürrischer Gastfreundlichkeit.</p> - -<p>»Ich höre,« sagte der junge Mann, »daß Ihr in -New-Orleans einen Burschen, Namens Tom, gekauft -habt. Er war früher bei meinem Vater, und ich bin -gekommen, um zu sehen, ob ich ihn wieder kaufen -könnte.«</p> - -<p>Legree's Stirn verdunkelte sich, und er brach heftig -in die Worte aus: »Ja, ich habe so einen Kerl -gekauft, und habe dabei einen höllischen Handel gemacht! -Der aufrührerischste, frechste, unverschämteste -Hund! Hetzt meine Nigger auf, davon zu laufen, -brachte zwei Mädchen weg, das Stück acht hundert oder -tausend Dollar werth. Er hat es eingestanden, und -als ich ihm befahl, zu sagen, wo sie wären, fuhr er -auf und sagte, er wisse es, wolle es aber nicht sagen, -und blieb dabei, obgleich ich ihm die höllischsten Hiebe -geben ließ, die je ein Nigger bekommen hat. Ich glaube, -er wird wohl drauf gehn, weiß aber nicht, ob er schon -damit fertig ist.«</p> - -<p>»Wo ist er?« sagte Georg heftig. »Zeigt mir -ihn!« Die Wangen des Jünglings glühten und seine -Augen sprühten Feuer; aber er beschloß, nichts weiter -zu sagen.</p> - -<p>»Er ist in jenem Schuppen,« sagte ein kleiner -Bursche, der Georg's Pferd hielt.</p> - -<p>Legree gab dem Knaben einen Fußtritt und stieß -Flüche gegen ihn aus; Georg aber drehte sich, ohne -ein Wort weiter zu sagen, um, und schritt auf den -Ort zu.</p> - -<p>Tom hatte zwei Tage seit dem verhängnißvollen -Abend da gelegen; nicht leidend, denn jeder Nerv des -Leidens war abgestumpft und zerstört. Er lag meistens -in einer ruhigen Betäubung; denn die Natur seines gewaltigen - <span class="pagenum"><a id="Page_265">[S. 265]</a></span> -und kräftigen Körpers wollte den gefesselten -Geist nicht auf einmal erlöschen. Es waren heimlich in -der Nacht arme, trostlose Geschöpfe da gewesen, die sich -etwas von ihrer kurzen Ruhe entzogen, um ihm einige -der Liebesdienste zurückzuzahlen, mit denen er immer so -freigebig gewesen war. Wahrlich, diese armen Schüler -hatten wenig zu geben — nur eine Schale kaltes Wasser; -aber es wurde mit vollem Herzen gegeben.</p> - -<p>Thränen waren auf das ehrliche, empfindungslose -Gesicht gefallen — Thränen später Reue aus den Augen -der armen, unwissenden Heiden, die seine sterbende -Liebe und Geduld zur Reue erweckt hatte, und bittere -Gebete waren über ihm zu einem spät gefundenen Heiland -gehaucht worden, von welchem sie kaum mehr als -den Namen kannten, aber den das sehnende, unwissende -Herz des Menschen nie vergebens anruft.</p> - -<p>Cassy, die aus ihrem Versteck geschlichen war und -durch Lauschen gehört hatte, welches Opfer für sie und -Emmeline gebracht war, hatte ihn, der Gefahr der Entdeckung -trotzbietend, in der vorigen Nacht besucht; und, -von den wenigen letzten Worten bewegt, welche die liebevolle -Seele noch Kraft zu hauchen hatte, war der lange -Winter der Verzweiflung, das Eis von Jahren aufgethaut, -und das finstere, verzweifelnde Weib hatte geweint -und gebetet.</p> - -<p>Als Georg in den Schuppen trat, fühlte er seinen -Kopf schwer und sein Herz krank werden.</p> - -<p>»Ist es möglich? — ist es möglich?« sagte er, indem -er zu ihm niederkniete. »Onkel Tom, mein armer, -armer alter Freund!«</p> - -<p>Etwas in der Stimme drang zu dem Ohr des -Sterbenden. Er bewegte sanft den Kopf, lächelte und -sagte:</p> - -<p> -»Jesus macht ein Sterbebett<br /> -Weich wie Dunen-Kissen sind.«<br /> -</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_266">[S. 266]</a></span></p> - -<p>Aus des Jünglings Augen fielen Thränen, welche -seinem männlichen Herzen Ehre machten, als er sich über -seinen armen Freund beugte.</p> - -<p>»O, lieber Onkel Tom! wach auf — sprich noch -einmal! Sieh auf! Hier ist der junge Master Georg -— Dein kleiner junger Master Georg. Kennst Du mich -nicht?«</p> - -<p>»Der junge Master Georg!« sagte Tom, indem er -die Augen öffnete, und mit schwacher Stimme sprach, -»der junge Master Georg!« Er blickte ihn verwirrt an.</p> - -<p>Allmählig schien der Gedanke seine Seele zu erfüllen; -das irre Auge wurde stätiger und heller, das -ganze Antlitz klärte sich auf, die harten Hände falteten -sich und Thränen rannen seine Wangen hinab.</p> - -<p>»Gelobt sei Gott! es ist — es ist — es ist Alles, -was ich wollte! Sie haben mich nicht vergessen. Es -wärmt mein Herz; es macht meinem alten Herzen Freude! -Nun will ich zufrieden sterben! Gepriesen sei Gott, o meine -Seele!«</p> - -<p>»Du sollst nicht sterben! Du <em class="gesperrt">darfst</em> nicht sterben, -oder nur daran denken! Ich bin gekommen, Dich zu kaufen -und nach Hause zu nehmen,« sagte Georg mit stürmischer -Heftigkeit.</p> - -<p>»O, Master Georg, Sie kommen zu spät. Der -Herr hat mich gekauft und will mich nach Hause nehmen -— und ich sehne mich, mit ihm zu gehen. Der -Himmel ist besser als Kentucky.«</p> - -<p>»O, stirb nicht! Es wird mich tödten! — es wird -mir das Herz brechen, wenn ich daran denke, was Du -gelitten hast — und hier in diesem alten Schuppen zu -liegen! armer, armer Mensch!«</p> - -<p>»Sagen Sie nicht, armer Mensch!« sagte Tom feierlich. -»Ich <em class="gesperrt">bin</em> ein armer Mensch <em class="gesperrt">gewesen</em>, aber das -ist jetzt vorüber. Ich bin gerade in der Pforte, und -gehe zum Ruhme ein! O, Master Georg! <em class="gesperrt">Der Himmel -ist geöffnet!</em> Ich habe den Sieg errungen! — - <span class="pagenum"><a id="Page_267">[S. 267]</a></span> -der Herr Jesus hat mir ihn gegeben. Gepriesen sei sein -Name!«</p> - -<p>Georg war tief ergriffen von der Kraft und dem -Feuer, womit diese abgebrochenen Sätze ausgestoßen wurden. -Schweigend betrachtete er den Sterbenden.</p> - -<p>Tom ergriff seine Hand und fuhr fort: — »Sie -müssen Chloe nichts davon sagen, der armen Seele! wie -Sie mich gefunden haben; es wäre so schrecklich für sie. -Sagen Sie ihr bloß, daß Sie mich gefunden haben, als -ich zur Herrlichkeit einging, und daß ich nicht hätte bleiben -können. Und sagen Sie ihr, der Herr habe bei -mir gestanden überall und immer und Alles leicht und -schmerzlos gemacht. Und ach, die armen Kinder, und -das Kleine — mein altes Herz ist ihretwegen lange gebrochen. -Sagen Sie Allen, daß Sie mir folgen — -mir folgen! Grüßen Sie Master freundlich und die liebe, -gute Missis und Jedermann auf dem Gute! Sie wissen -nicht! 's ist mir, als liebte ich sie Alle! Ich liebe jedes -Geschöpf, überall — 's ist <em class="gesperrt">nichts</em> als Liebe! O, Master -Georg! was ist 's doch, wenn man ein Christ ist!«</p> - -<p>Diesen Augenblick trat Legree an die Thür des -Schuppens, sah hinein mit verdrießlicher Miene und -affektirter Gleichgültigkeit, und ging wieder fort.</p> - -<p>»Der alte Satan!« sagte Georg in seinem Unwillen. -»'s ist ein Trost zu glauben, daß der Teufel ihn -dafür bald bezahlen wird.«</p> - -<p>»O, nicht doch! — oh, das müssen Sie nicht!« -sagte Tom, indem er seine Hand ergriff; »er ist ein armes, -elendes Geschöpf 's ist schrecklich daran zu denken! -O, wenn er nur bereuen könnte, Gott würde ihm noch -immer vergeben; aber ich fürchte, er wird es niemals.«</p> - -<p>»Ich hoffe, er wird nicht!« sagte Georg. »Ich -möchte <em class="gesperrt">ihn</em> nicht im Himmel sehen.«</p> - -<p>»Still, Master Georg! das thut mir weh. Denken -Sie nicht so. Er hat mir kein wirkliches Leid gethan - <span class="pagenum"><a id="Page_268">[S. 268]</a></span> -— mir nur die Thore des Himmelreichs geöffnet; -das ist Alles!«</p> - -<p>In diesem Augenblick schwand die plötzliche Kraft, -welche die Freude, seinen jungen Herrn wiederzusehen, -dem Sterbenden eingeflößt hatte. Eine plötzliche Ohnmacht -befiel ihn; er schloß die Augen; und jener geheimnißvolle -und erhabene Wechsel kam über sein Antlitz, -der das Nahen einer andern Welt verkündete.</p> - -<p>Er begann mit langen und tiefen Zügen zu athmen; -und seine breite Brust hob sich schwer und sank. Der -Ausdruck seines Gesichts war der eines Ueberwinders.</p> - -<p>»Wer — wer — wer soll uns scheiden von der -Liebe Christi?« sagte er mit einer Stimme, die gegen -sterbliche Schwäche ankämpfte; und sank lächelnd in den -tiefen Schlaf.</p> - -<p>Georg saß da wie von feierlichem Grauen gebannt. -Der Ort schien ihm heilig zu sein; und als er die leblosen -Augen schloß und sich von dem Todten erhob, erfüllte -ihn nur der Gedanke — den sein schlichter, alter -Freund ausgesprochen: »Was ist es doch, wenn man -ein Christ ist!«</p> - -<p>Er wendete sich um, Legree stand mürrisch hinter ihm.</p> - -<p>Die Sterbescene hatte die natürliche Heftigkeit der -jugendlichen Leidenschaft gezügelt. Die Gegenwart des -Menschen war Georg nur widerlich und er fühlte nur -das Verlangen, mit so wenig Worten wie möglich von -ihm abzukommen.</p> - -<p>Indem er sein scharfes, dunkles Auge auf Legree -heftete, sagte er einfach, indem er auf den Todten hindeutete: -»Ihr habt Alles aus ihm heraus, was Ihr habt -herausbekommen können. Was soll ich Euch für den -Körper zahlen? Ich will ihn mit mir nehmen und anständig -beerdigen.«</p> - -<p>»Ich verkaufe keinen todten Nigger,« sagte Legree -finster. »Ihr könnt ihn begraben, wo und wann Ihr -wollt.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_269">[S. 269]</a></span></p> - -<p>»Burschen,« sagte Georg in einem befehlenden Tone -zu zwei oder drei Negern, welche um den Leichnam standen, -»helft mir ihn zu meinem Wagen tragen; und verschafft -mir einen Spaten.«</p> - -<p>Einer von ihnen lief nach einem Spaten; die andern -beiden halfen Georg den Körper nach dem Wagen -tragen.</p> - -<p>Georg sprach weder mit Legree, noch sah er denselben -an; und dieser gab keine Gegenbefehle, sondern stand -pfeifend da mit der Miene erzwungener Unbekümmertheit, -und folgte ihnen trotzig zum Wagen, der am Thor -stand.</p> - -<p>Georg breitete seinen Mantel im Wagen aus und -legte den Körper sorgfältig hinein, indem er den Sitz -so ordnete, daß Platz gewonnen wurde. Dann drehte -er sich um, heftete das Auge auf Legree und sagte mit -erzwungener Ruhe:</p> - -<p>»Ich habe Euch noch nicht gesagt, was ich von dieser -scheußlichen Angelegenheit denke; dies ist nicht Zeit -und Ort. Aber diesem unschuldigen Blute muß Gerechtigkeit -werden. Ich will diesen Mord veröffentlichen. -Ich werde zur nächsten Behörde gehen und Euch anklagen.«</p> - -<p>»Das könnt Ihr!« sagte Legree, verächtlich mit den -Fingern schnippend. »Ich möchte das wohl sehen. Woher -wollt Ihr Zeugen nehmen? — Wie wollt Ihr es -beweisen? He?«</p> - -<p>Georg sah sogleich, wie wohl begründet dieses Trotzbieten -war. Es war kein Weißer am Orte; und in -allen südlichen Gerichtshöfen hat das Zeugniß der Farbigen -keinen Werth. Ihm war in dem Augenblicke, als -könne er den Himmel zerreißen mit seines Herzens empörtem -Rufe nach Gerechtigkeit; aber vergebens.</p> - -<p>»Aber was für Geschrei um einen todten Nigger!« -sagte Legree.</p> - -<p>Das Wort wirkte wie ein Funke in einer Pulverkammer. - <span class="pagenum"><a id="Page_270">[S. 270]</a></span> -Vorsicht war nie eine Haupttugend des Kentucky'schen -Jünglings. Georg drehte sich um und schmetterte -mit einem wüthenden Schlage Legree zu Boden; -und als er über ihm stand, schäumend vor Zorn und -Wuth, hätte er kein unpassendes Bild seines großen Namensvetters -abgegeben, wie derselbe über den Drachen -triumphirt.</p> - -<p>Einige Leute werden indeß entschieden dadurch gebessert, -daß sie zu Boden geschlagen werden. Wenn Jemand -dieselben ehrlich und redlich in den Staub streckt, -scheinen sie sogleich Achtung vor ihm zu bekommen; und -Legree gehörte zu diesen. Als er sich daher erhob und -den Staub von seinen Kleidern strich, schaute er dem -langsam sich entfernenden Wagen mit sichtlicher Achtung -nach; auch that er den Mund nicht eher auf, als bis -ihm derselbe aus dem Gesichte war.</p> - -<p>Jenseits der Grenzen der Pflanzung hatte Georg -einen trockenen, sandigen Hügel bemerkt, der von wenigen -Bäumen beschattet war; dort gruben sie das Grab.</p> - -<p>»Sollen wir den Mantel abnehmen, Herr?« sagten -die Neger, als das Grab fertig war.</p> - -<p>»Nein, nein: begrabt ihn damit. Es ist Alles, -was ich Dir jetzt geben kann, armer Tom, und Du sollst -ihn haben.«</p> - -<p>Sie legten ihn hinein, und die Leute schaufelten -ihn still zu. Sie häuften einen Hügel auf und legten -grüne Rasen darauf.</p> - -<p>»Ihr könnt nun gehen, Jungens,« sagte Georg, -indem er jedem ein Geldstück in die Hand drückte. Sie -zögerten aber.</p> - -<p>»Wenn Master so gut sein wollte, uns zu kaufen —« -sagte der Eine.</p> - -<p>»Wir wollten so treu dienen!« sagte der Andere.</p> - -<p>»Schlechte Zeiten hier, Master!« sagte der Erste. -»Kauft uns doch, Master, kauft uns!«</p> - -<p>»Ich kann nicht! — Ich kann nicht,« sagte Georg - <span class="pagenum"><a id="Page_271">[S. 271]</a></span> -mit schwerem Herzen, indem er sie fortdrängte, »es ist -unmöglich!«</p> - -<p>Die armen Kerle machten niedergeschlagene Gesichter -und gingen schweigend fort.</p> - -<p>»Bezeuge mir, ewiger Gott,« sagte Georg, indem -er am Grabe seines armen Freundes knieete, »o, bezeuge -mir, daß ich von dieser Stunde an Alles thun will, <em class="gesperrt">was -ein Mensch kann</em>, um diesen Fluch der Sklaverei -aus meinem Vaterlande zu verbannen!«</p> - -<p>Kein Denkmal bezeichnet die letzte Ruhestätte unseres -Freundes. Er bedarf keines. Sein Gott weiß, -wo er liegt, und wird ihn zur Unsterblichkeit erwecken, -um mit ihm zu erscheinen, wenn er in seiner Herrlichkeit -erscheinen wird.</p> - -<p class="pmb3">Bemitleide ihn nicht! Solch' ein Leben und Tod -sind nicht zu bemitleiden. Nicht in der Fülle von Allmacht -ist der höchste Ruhm Gottes zu finden, sondern -in der selbstverleugnenden, duldenden Liebe. Und gesegnet -sind Die, welche er zur Gemeinschaft mit sich ruft, -und ihr Kreuz ihm nachtragen in Geduld. Von denen -steht es geschrieben: »Gesegnet sind die Traurigen, denn -sie sollen getröstet werden.«</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Zweiundvierzigstes_Kapitel">Zweiundvierzigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Eine wirkliche Geistergeschichte.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - - -<p>Aus irgend einem besondern Grunde waren Geistergeschichten -um diese Zeit ungewöhnlich im Schwunge -unter den Dienstboten auf Legree's Gute.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_272">[S. 272]</a></span></p> - -<p>Man flüsterte sich zu, daß Fußtritte um Mitternacht -die Dachstubentreppe herabgekommen und im Hause umher -gehört worden seien. Vergebens hatte man die -Thüre des obern Einganges geschlossen; der Geist trug -entweder einen Nachschlüssel in der Tasche, oder bediente -sich des unverjährbaren Vorrechtes der Geister, durch das -Schlüsselloch zu kommen, und ging nach wie vor mit beunruhigender -Freiheit im Hause umher.</p> - -<p>Die Ansichten waren einigermaßen getheilt über die -Gestalt des Geistes, nach der unter Negern — und so -viel wir wissen, auch unter Weißen — vorherrschenden -Sitte, unveränderlich die Augen zu schließen, und den -Kopf unter der Bettdecke, Unterröcken, oder was sonst -bei dergleichen Gelegenheiten zum Schutze gebraucht zu -werden pflegt, zu verbergen.</p> - -<p>Natürlich ist, wie Jedermann weiß, das geistige -Auge besonders scharf und durchdringend, sobald die leiblichen -Augen außer Thätigkeit gesetzt sind; und deshalb -gab es eine Menge Portraits des Geistes in voller Lebensgröße, -die bezeugt und beschworen wurden, und, wie -es oft mit Portraiten der Fall ist, keine andre Aehnlichkeit -mit einander hatten, als die Familienähnlichkeit des -ganzen Geistergeschlechts, — ein weißes Gewand.</p> - -<p>Sei dem wie ihm wolle, wir haben besondre Gründe, -zu wissen, daß eine große Figur in einem weißen Gewande -allnächtlich zur echten Geisterstunde um Legree's -Wohnung schritt, durch Thüren ging, das Haus umschlich, -— zuweilen verschwand, dann wieder erschien, und jene -einsame Treppe hinauf in den verrufenen Boden ging; -und daß am nächsten Morgen alle Thüren eben so fest -verschlossen gefunden wurden, wie zuvor.</p> - -<p>Legree mußte nothwendig dies Geflüster hören, und -es regte ihn um so mehr auf, je mehr Mühe man sich -gab, es ihm zu verhehlen. Er trank mehr Brandwein, -als gewöhnlich, trug seinen Kopf hoch und fluchte lauter -als jemals bei Tage. Aber er hatte böse Träume, und - <span class="pagenum"><a id="Page_273">[S. 273]</a></span> -die Erscheinungen, die sich an seinem Bette zeigten, waren -nichts weniger als angenehm. Am Abende, nachdem -Tom's Leichnam fortgeschafft worden war, ritt er nach -der nächsten Stadt zu einem Zechgelage. Er kam spät -und ermüdet nach Hause, verschloß seine Thür, zog den -Schlüssel aus, und ging zu Bett.</p> - -<p>Mag ein Mensch sich auch noch so viel Mühe geben, -seine Seele einzuschläfern, sie ist für einen bösen Menschen -doch ein entsetzlich gespenstiges Besitzthum. Wer -kennt ihre Grenzen? Wer kennt alle ihre Ahnungen, ihre -Schauer, ihr Beben, die sie eben so wenig unterdrücken -kann, wie ihre eigne Ewigkeit überleben! Welcher Thor -ist Derjenige, der seine Thür verschließt, um Geister abzuhalten, -und in seinem eignen Busen einen Geist trägt, -dem er nicht zu begegnen wagt, — dessen Stimme, obgleich -unterdrückt durch Berge von Weltlichkeit, dennoch -wie die warnende Stimme des jüngsten Gerichtes ertönt!</p> - -<p>Aber Legree verschloß seine Thür, und setzte einen -Stuhl davor; er stellte seine Lampe zu Häupten des -Bettes, und legte seine Pistolen daneben. Er untersuchte -den Verschluß der Fenster, und schwur dann, »daß er sich -nicht vor dem Teufel und allen seinen Engeln fürchte,« -und legte sich schlafen.</p> - -<p>Wohl, er schlief, denn er war müde, — er schlief -fest. Endlich aber breitete sich über seinen Schlaf ein -Schatten, ein Schrecken, eine Ahnung von etwas Entsetzlichem, -was über ihm schwebe. Er hielt es für das -Sterbehemd seiner Mutter, aber Cassy hielt es empor, -und zeigte es ihm. Er hörte ein verworrenes Geräusch -von Schreien und Stöhnen; und dennoch wußte er, daß -er schlief, und bemühte sich, wach zu werden. Endlich -wurde er halb wach, und glaubte mit Bestimmtheit zu -erkennen, daß Etwas in sein Zimmer komme. Er wußte, -daß die Thür offen war, aber er konnte weder Hand - <span class="pagenum"><a id="Page_274">[S. 274]</a></span> -noch Fuß rühren. Endlich wendete er sich mit einer -plötzlichen Anstrengung um. Die Thür war geöffnet, -und er sah eine Hand sein Licht auslöschen.</p> - -<p>Es war eine trübe, nebelige Mondnacht, und doch -sah er es! — etwas Weißes, was herein schlich! Er -hörte das leise Rauschen der gespenstigen Gewänder. Es -stand an seinem Bette still; — eine kalte Hand berührte -die seinige; eine Stimme sagte dreimal in leisem, schrecklichen -Flüstern: »Komm'! komm'! komm'!« Und während -er vor Schrecken in Schweiß gebadet da lag, bemerkte -er nicht, wann und wie die Erscheinung wieder verschwand. -Er sprang aus dem Bette, und riß an der Thür. Sie -war fest verschlossen, und der Mann stürzte ohnmächtig -zu Boden.</p> - -<p>Von dieser Zeit an wurde Legree ein stärkerer Trinker -als je zuvor. Er trank nicht mehr mit Vorsicht und -Besonnenheit, sondern ohne Grenze und Maaß. Bald -nachher verbreitete sich in der Umgegend das Gerücht, -daß er krank sei und dem Tode nahe. Unmäßigkeit hatte -jene schreckliche Krankheit erzeugt, welche die düstern -Schatten einer kommenden Vergeltung auf dieses Leben -zurückzuwerfen scheint. Niemand konnte die Schrecken -jenes Krankenzimmers ertragen, wenn er raste und schrie, -und von Gesichten sprach, die das Blut Derjenigen, die -ihn hörten, erstarren ließ; und an seinem Sterbebette -stand eine ernste, weiße, unerbittliche Gestalt, die ihm -zurief: »Komme! komme! komme!«</p> - -<p>Durch ein sonderbares Zusammentreffen wurde nach -derselben Nacht, in der Legree diese Erscheinung hatte, -die Hausthür am Morgen offen gefunden; und einige -Neger hatten zwei weiße Gestalten die Allee hinab der -Landstraße zugehen sehen.</p> - -<p>Es war kurz vor Sonnenaufgang, als Cassy und -Emmeline einen Augenblick in einem kleinen Gehölze in -der Nähe der Stadt anhielten. Cassy war nach der -Mode spanischer Creolinnen gekleidet, — ganz schwarz. - <span class="pagenum"><a id="Page_275">[S. 275]</a></span> -Ein kleiner, schwarzer Hut, der mit einem dicht gestickten -Schleier bedeckt war, verbarg ihr Gesicht. Nach getroffener -Uebereinkunft sollte sie auf der Flucht die Rolle -einer vornehmen Creolin spielen, und Emmeline für ihre -Dienerin gelten.</p> - -<p>Da Cassy sich von früher Jugend an in den höchsten -Gesellschaftskreisen bewegt hatte, so harmonirten ihre -Sprache, ihre Bewegungen, ihr ganzes Wesen mit dieser -Idee; und sie hatte von ihrer einst glänzenden Garderobe -noch genug bewahrt, um diese Rolle mit äußerem Anstande -und mit Erfolg spielen zu können.</p> - -<p>In der Vorstadt kaufte sie an einem ihr bekannten -Orte einen hübschen Reisekoffer, und ersuchte den Mann, -ihr denselben nachtragen zu lassen; und auf diese Weise -von dem Burschen, der ihren Koffer karrte, und Emmelinen, -welche eine Reisetasche und verschiedene andre Effekten -trug, gefolgt, erschien sie vor dem kleinen Gasthofe -wie eine Dame von Stande.</p> - -<p>Die erste Person, welche ihr nach ihrer Ankunft daselbst -auffiel, war Georg Shelby, der daselbst das nächste -Boot erwartete. Cassy hatte den jungen Mann aus -ihrem Verstecke auf dem Boden bemerkt, und ihn den -Leichnam Tom's fortschaffen sehen, und mit geheimer -Freude sein Zusammentreffen mit Legree beobachtet. -Späterhin hatte sie aus den Unterhaltungen der Neger, -die sie behorchte, wenn sie Nachts in ihrer gespenstigen -Verkleidung umher schlich, erfahren, wer er war, und in -welchem Verhältniß er zu Tom stand. Aus diesem Grunde -fühlte sie sich augenblicklich durch eine Art Vertrauen zu -ihm hingezogen, als sie sah, daß er gleich ihr das nächste -Boot erwarte.</p> - -<p>Cassy's Haltung und ganzes Aeußere, so wie die -ihr zu Gebote stehenden Geldmittel verdrängten im Gasthofe -jede Möglichkeit eines Verdachtes. Die Leute untersuchen -nie zu genau die Verhältnisse solcher Personen, -die in dem Hauptpunkte, einer guten Zahlung, befriedigend - <span class="pagenum"><a id="Page_276">[S. 276]</a></span> -sind, was Cassy vorher gewußt zu haben schien, -als sie sich mit Gelde versah.</p> - -<p>Gegen Abend näherte sich ein Boot, und Georg -Shelby geleitete Cassy mit einer Höflichkeit an Bord, -die jedem Eingeborenen von Kentucky natürlich ist, und -bemühte sich, ihr eine gute Cajüte zu verschaffen.</p> - -<p>Cassy blieb während der ganzen Zeit, daß sie auf -dem rothen Flusse waren, unter dem Vorwande von -Krankheit in ihrem Zimmer und ihrem Bette, und wurde -mit dem dienstfertigsten Eifer von ihrer Begleiterin bedient. -Als sie den Mississipppi erreichten, und Georg in -Erfahrung brachte, daß die fremde Dame denselben Weg -aufwärts den Fluß wie er nehme, machte er ihr den -Vorschlag, eine Cajüte für sie auf demselben Boote nehmen -zu dürfen, auf dem er zu fahren beabsichtigte, — -indem er in seiner Gutmüthigkeit Mitleid für ihre -schwache Gesundheit hegte, und ihr so viel Beistand wie -möglich zu leisten wünschte.</p> - -<p>Wir sehen deshalb die ganze Gesellschaft wohlbehalten -auf das gute Dampfboot Cincinnati übergehen, welches -unter Leitung einer gewaltigen Dampfsäule den Fluß hinauf -arbeitet.</p> - -<p>Cassy's Gesundheit hatte sich bedeutend gebessert. -Sie saß auf dem Verdeck, kam zu Tische, und wurde von -Allen auf dem Boote für eine Dame gehalten, die sehr -schön gewesen sein müsse.</p> - -<p>Vom ersten Augenblicke an, wo Georg ihr Gesicht -gewahrte, fiel ihm eine jener flüchtigen, und dunklen -Aehnlichkeiten auf, die wohl fast jedem Menschen begegnet -sind. Er konnte sich nicht enthalten, sie fortwährend anzusehen -und zu beobachten. Sie mochte bei Tische, oder -in der Thür ihrer Kajüte sitzen, immer begegnete sie -den auf ihr ruhenden Augen des jungen Mannes, der -seine Blicke jedoch sogleich abwandte, sobald er in -ihrem Gesichte bemerkte, daß sie sich von ihm beobachtet -fühlte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_277">[S. 277]</a></span></p> - -<p>Cassy wurde unruhig. Sie begann zu fürchten, daß -er Verdacht geschöpft habe, und beschloß deshalb endlich, -sich seinem Edelmuthe gänzlich anzuvertrauen, und theilte -ihm ihre ganze Geschichte mit.</p> - -<p>Georg war gern geneigt, für Jeden Sympathie zu -empfinden, der von Legree's Plantage entflohen war, — -einem Orte, an den er nicht ohne Aufregung denken konnte, -— und er versprach ihr deshalb mit jener muthigen, seinem -Alter eigenthümlichen Nichtbeachtung aller möglichen -Folgen, daß er sie mit allen seinen Kräften unterstützen -und durchbringen wolle.</p> - -<p>Das nächste, an Cassy's Kajüte stoßende Gemach -war von einer französischen Dame, Namens de Thoux, -bewohnt, welche sich in Begleitung einer schönen, kleinen -Tochter, einem Mädchen von ungefähr zwölf Jahren, befand. -Diese Dame, welche aus Georg's Unterhaltung -entnommen hatte, daß er aus Kentucky gebürtig war, -schien offenbar geneigt, seine Bekanntschaft zu machen, -worin sie durch die Anmuth ihrer kleinen Tochter unterstützt -wurde, die ein so niedliches, kleines Spielwerk war, -als nur je eins die Langeweile einer vierzehntägigen -Fahrt auf dem Dampfboote vertrieb.</p> - -<p>Georgs Stuhl befand sich oft an der Thür ihrer -Kajüte, und Cassy konnte, wenn sie auf dem Verdecke -saß, ihre Unterhaltung hören.</p> - -<p>Madame de Thoux befragte ihn sehr umständlich -über Kentucky, wo sie, wie sie sagte, in einer frühern -Periode ihres Lebens gewohnt hatte; und Georg entdeckte -zu seinem großen Erstaunen, daß ihr früherer Aufenthalt -in der Nähe seiner eignen Besitzung gewesen sein -müsse, denn ihre Fragen verriethen eine Bekanntschaft mit -Leuten und Dingen in jener Gegend, die ihn förmlich -in Verwundrung setzte.</p> - -<p>»Kennen Sie,« sagte Madame de Thoux eines Tages, -»einen Mann in Ihrer Nachbarschaft, der den Namen -Harris führt?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_278">[S. 278]</a></span></p> - -<p>»Es gibt dort einen Menschen dieses Namens, der -nicht weit von der Besitzung meines Vaters wohnt; -allein wir haben nie Umgang mit ihm gehabt,« entgegnete -Georg.</p> - -<p>»Er besitzt, glaube ich, eine große Anzahl Sklaven,« -fuhr Madame de Thoux in einer Weise fort, -die mehr Interesse verrieth, als sie schien sehen lassen -zu wollen.</p> - -<p>»Ja, ich glaube,« entgegnete Georg, überrascht durch -ihr Wesen.</p> - -<p>»Haben Sie jemals davon gehört, — vielleicht haben -Sie davon gehört, daß er einen Mulattenburschen -Namens Georg besaß?«</p> - -<p>»O gewiß — Georg Harris — ich kenne ihn recht -wohl. Er heirathete eine Sklavin meiner Mutter, aber -ist jetzt nach Canada entflohen.«</p> - -<p>»Ist er entflohen?« sagte Madame de Thoux schnell. -»Gott sei gedankt!«</p> - -<p>Georg richtete einen fragenden Blick auf sie, aber -sagte nichts.</p> - -<p>Madame de Thoux stützte ihren Kopf in die Hand -und brach in Thränen aus.</p> - -<p>»Er ist mein Bruder,« sagte sie.</p> - -<p>»Madame!« rief Georg mit dem Ausdruck des -höchsten Erstaunens.</p> - -<p>»Ja,« entgegnete Madame de Thoux stolz, ihren -Kopf empor richtend und ihre Thränen trocknend, — -»Mr. Shelby, Georg Harris ist mein Bruder!«</p> - -<p>»Ich bin im höchsten Grade erstaunt,« sagte Georg, -indem er seinen Stuhl zurückschob und Madame de -Thoux betrachtete.</p> - -<p>»Ich wurde nach dem Süden verkauft, als er noch -ein Knabe war,« sagte sie, »und von einem guten, -menschenfreundlichen Manne gekauft. Er nahm mich mit -sich nach den westindischen Inseln, gab mir meine Freiheit -und heirathete mich. Erst vor Kurzem starb er, - <span class="pagenum"><a id="Page_279">[S. 279]</a></span> -und ich wollte nach Kentucky gehen, um zu sehen, ob -ich meinen Bruder loskaufen könne.«</p> - -<p>»Ich habe ihn von einer Schwester Emilie sprechen -hören, die nach Süden verkauft wurde,« sagte Georg.</p> - -<p>»Ja, das bin ich,« entgegnete Madame de Thoux. -— »Bitte, sagen Sie mir, was für ein —«</p> - -<p>»Ein sehr hübscher, junger Mann,« erwiederte Georg, -»ungeachtet des Fluches der Sklaverei, der auf ihm -lastete. Er erwarb sich stets in Bezug auf Intelligenz -und Grundsätze die besten Zeugnisse. Ich kenne ihn -deßhalb,« fügte er hinzu, »weil er in unsere Familie -geheirathet hat.«</p> - -<p>»Was für ein Mädchen?« fragte Madame de Thoux -eifrig.</p> - -<p>»Einen wahren Schatz,« entgegnete Georg; — -»ein schönes, kluges, liebenswürdiges und sehr frommes -Mädchen. Meine Mutter hatte sie fast so sorgsam auferzogen, -als wenn sie ihre eigene Tochter gewesen wäre. -Sie konnte lesen und schreiben, sehr schön, und sticken, -und sang vortrefflich.«</p> - -<p>»Wurde sie in Ihrem Hause geboren?« fragte Madame -de Thoux.</p> - -<p>»Nein. Mein Vater kaufte sie auf einer seiner -Reisen nach New-Orleans und brachte sie meiner Mutter -als Geschenk mit. Sie mochte damals acht oder neun -Jahre alt sein. Vater wollte uns nie sagen, wie viel -er für sie gegeben hatte; allein vor Kurzem, als wir -seine alten Papiere durchsahen, fanden wir den Verkaufsbrief. -Er hatte eine ungeheure Summe für sie bezahlt, -ich glaube, mit Rücksicht auf ihre ungewöhnliche Schönheit.«</p> - -<p>Georg saß mit dem Rücken gegen Cassy gewendet, -und konnte deßhalb die gespannte Aufmerksamkeit ihrer -Züge nicht bemerken, während er diese Details mittheilte. -Bei diesem Punkte der Erzählung berührte sie seinen -Arm und sagte mit einem vor ängstlicher Spannung - <span class="pagenum"><a id="Page_280">[S. 280]</a></span> -bleich gewordenen Gesichte: »Kennen Sie den Namen -der Leute, von denen sie gekauft wurde?«</p> - -<p>»Ein Mann Namens Simmons, glaube ich, war -die Hauptperson in dem Geschäfte; wenigstens, denke -ich, stand dieser Name im Verkaufsbriefe.«</p> - -<p>»O mein Gott!« rief Cassy, und fiel bewußtlos -auf den Boden der Kajüte.</p> - -<p>Georg war im höchsten Grade überrascht, und ebenso -Madame de Thoux. Obgleich keines von Beiden errathen -konnte, was die Ursache ihrer Ohnmacht sei, so -machten sie doch allen, in solchen Fällen gewöhnlichen, -Tumult; — Georg stieß in dem Eifer seiner Menschenfreundlichkeit -ein Waschbecken um und zerbrach zwei -Gläser; und mehrere andere Damen, die davon gehört -hatten, daß Jemand in Ohnmacht gefallen sei, drängten -sich um die Thür, und hielten alle frische Luft ab, so -viel sie konnten; so daß, im Ganzen genommen, Alles -geschah, was nur erwartet werden konnte.</p> - -<p class="pmb3">Arme Cassy! Als sie wieder zu sich kam, lehnte sie -ihr Gesicht gegen die Wand und weinte und schluchzte -wie ein Kind. Vielleicht weißt Du, o Mutter, woran -sie dachte, vielleicht auch nicht; aber sie fühlte in dieser -Stunde, daß Gott ihr gnädig gewesen sei, und daß sie -ihre Tochter wieder sehen werde, — wie mehrere Monate -später geschah, — als — doch wir greifen vor.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Dreiundvierzigstes_Kapitel">Dreiundvierzigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Ergebnisse.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - - -<p>Der Rest unserer Geschichte ist bald erzählt. Georg -Shelby, der, wie jeder andere junge Mann an seiner -Stelle, durch das Romantische des Falles und seine -eigenen menschenfreundlichen Gefühle bewogen, besonderes - <span class="pagenum"><a id="Page_281">[S. 281]</a></span> -Interesse an dieser Angelegenheit genommen hatte, sendete -Cassy den Verkaufsbrief über Elisa, dessen Datum -und Name mit ihrer eigenen Kenntniß der Umstände -übereintraf, und also keinen Zweifel über die Identität -ihres Kindes zurückließ. Es kam jetzt nur noch darauf -an, die Spur der Flüchtlinge zu verfolgen.</p> - -<p>Sie und Madame de Thoux, die auf diese Weise -durch die seltsame Berührung ihrer Schicksale zusammengeführt -worden waren, begaben sich sofort nach Canada, -und begannen hier ihre Nachforschungen auf den Stationen, -wo die zahlreichen Flüchtlinge aus der Sklaverei -untergebracht werden.</p> - -<p>In Amherstberg fanden sie den Missionär, bei dem -Georg und Elisa nach ihrer ersten Ankunft in Canada -ein Unterkommen gefunden hatten; und durch ihn wurden -sie in den Stand gesetzt, der Familie nach Montreal -zu folgen.</p> - -<p>Georg und Elisa waren jetzt seit fünf Jahren frei. -Georg hatte fortwährende Beschäftigung in der Werkstatt -eines achtbaren Maschinisten gefunden, wo er einen hinreichenden -Unterhalt für seine Familie erwarb, die sich -inzwischen um eine Tochter vermehrt hatte. Der kleine -Harry, — ein hübscher, munterer Knabe, — war in -eine gute Schule gebracht worden, und machte schnelle -Fortschritte.</p> - -<p>Der würdige Geistliche der Station in Amherstberg, -wo Georg zuerst gelandet war, hatte so großen Antheil -an den Mittheilungen der Madame de Thoux und Cassy's -genommen, daß er den Bitten der Ersteren nachgab, sie -zum Zwecke ihrer Nachforschungen bis nach Montreal zu -begleiten.</p> - -<p>Die Scene verwandelt sich jetzt in eine kleine niedliche -Wohnung in den Vorstädten von Montreal. Es ist -Abend. Ein lustiges Feuer brennt auf dem Heerde; der -Theetisch ist mit einem weißen Tuche bedeckt, und steht -zum Abendessen bereit. In der einen Ecke des Zimmers - <span class="pagenum"><a id="Page_282">[S. 282]</a></span> -befindet sich ein Tisch, der mit einem grünen Tuche überzogen -ist, und auf dem man Schreibzeug, Papier und -Federn bemerkt, während über demselben ein Brett mit -einer ausgesuchten Sammlung von Büchern angebracht -ist. Dies war Georg's Studirzimmer. Derselbe Eifer -für Belehrung, der ihn dazu antrieb, die von ihm so -sehr ersehnten Künste des Lesens und Schreibens sich -heimlich, unter den Mühseligkeiten und Demüthigungen -seines früheren Lebens anzueignen, vermochte ihn auch -jetzt, alle seine Mußestunden zu seiner Ausbildung zu -verwenden.</p> - -<p>In diesem Augenblicke sitzt er am Tische, und ist -damit beschäftigt, Auszüge aus einem Bande der Familienbibliothek -zu machen, den er gelesen hat.</p> - -<p>»Komm', Georg,« sagt Elisa, »Du bist den ganzen -Tag aus dem Hause gewesen. Lege jetzt Dein Buch bei -Seite, und laß uns zusammen plaudern, während ich -den Thee bereite.«</p> - -<p>Und die kleine Elisa unterstützt die Bitte, indem sie -zu ihrem Vater herum getrippelt kömmt und ihm das -Buch aus der Hand zu ziehen versucht, um sich an dessen -Stelle auf sein Knie niederzulassen.</p> - -<p>»O Du kleine Hexe!« sagt Georg nachgebend, wie -ein Mann unter solchen Umständen immer muß.</p> - -<p>»Das ist recht,« sagt Elisa, während sie das Brod -zu schneiden beginnt. Sie ist etwas älter geworden, ihre -Gestalt etwas voller, und ihre Miene etwas matronenhafter; -aber zufrieden und glücklich scheint sie zu sein.</p> - -<p>»Harry, mein Junge, wie bist Du heut mit Deiner -Rechnung fertig geworden?« fragt Georg, während er -seine Hand auf des Sohnes Kopf legt.</p> - -<p>Harry hat seine Locken verloren; aber er kann nie -jene Augen und Augenlider verlieren, und die schöne, -kühne Stirne, die von Triumph strahlt, während er antwortet: -»Ich habe sie <em class="gesperrt">ganz allein</em> gemacht, und <em class="gesperrt">Niemand</em> -hat mir geholfen!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_283">[S. 283]</a></span></p> - -<p>»Das ist recht,« sagt der Vater, »verlaß Dich immer -auf Dich selbst, mein Sohn. Du hast mehr Aussicht, -als Dein armer Vater jemals hatte.«</p> - -<p>In diesem Augenblick wird ein Klopfen an der -Thür gehört, und Elisa geht und öffnet sie. Das freudige: -»Wie! — Sie sind es?« ruft den Mann herbei, -und der gute Pastor von Amherstberg wird bewillkommt. -Zwei andere Frauenzimmer begleiten ihn, welche Elisa -zum Sitzen einladet.</p> - -<p>Wenn wir die Wahrheit sagen sollen, so hatte der -gute Pastor ein kleines Programm entworfen, nach welchem -sich diese Angelegenheit entwickeln sollte; und auf dem -Wege dahin hatten Alle sich gegenseitig ermahnt, vorsichtig -zu sein und nichts vor der Zeit zu verrathen, sondern -der getroffenen Verabredung getreu zu bleiben. -Wie groß war daher des guten Mannes Bestürzung, als -gerade in dem Augenblicke, wo er sein Taschentuch hervorzog, -um seinen Mund abzuwischen, und seine Einleitungsrede -in guter Ordnung beginnen wollte, Madame -de Thoux den ganzen Plan vereitelte, indem sie ihre -Arme um Georg's Hals schlang und Alles durch die -Worte verrieth: »O Georg! kennst Du mich nicht? Ich -bin Deine Schwester Emilie!«</p> - -<p>Cassy hatte sich mit mehr Fassung niedergesetzt, und -würde ihre Rolle wahrscheinlich sehr gut durchgeführt -haben, wenn nicht plötzlich die kleine Elisa grade in derselben -Gestalt, mit denselben Zügen und Locken vor ihr -erschienen wäre, wie sie ihre Tochter hatte, als sie sie -zum letzten Male sah. Das kleine Wesen schaute ihr -in's Gesicht, und Cassy fing sie in ihren Armen, drückte -sie an ihren Busen und rief, was sie in diesem Augenblicke -wirklich glaubte: »Mein Liebling, ich bin Deine -Mutter!«</p> - -<p>Es war in der That eine schwierige Aufgabe, gehörige -Ordnung wieder herzustellen; allein endlich gelang -es dem guten Pastor doch, Alle zur Ruhe zu bringen, - <span class="pagenum"><a id="Page_284">[S. 284]</a></span> -und seine Rede zu halten, mit der er die Sache hatte -eröffnen wollen, welche eine solche Wirkung äußerte, daß -seine sämmtliche Zuhörerschaft in ein Schluchzen ausbrach, -das jeden Redner, älterer oder neuerer Zeit, befriedigt -haben würde. Sie knieten zusammen nieder, und der -gute Mann betete, — denn es gibt Gefühle so gewaltiger -Art, daß sie nur dann Ruhe finden können, wenn sie -in den Busen der allmächtigen Liebe ausgegossen werden; -— und sodann erhoben sich die Mitglieder der neugefundenen -Familie, und umarmten einander mit heiligem -Vertrauen zu ihm, der sie aus solchen Gefahren, und -auf so dunklen Wegen hier zusammengeführt hatte.</p> - -<p>Das Tagebuch eines Missionärs unter den canadischen -Flüchtlingen enthält wahre Thatsachen, die wunderbarer -sind als Erfindungen irgend einer Art. Wie kann -es anders sein, wo ein System besteht, welches die Familien -zerreißt und ihre Mitglieder zerstreut, wie der -Wind die Blätter des Herbstes zerstreut? Diese Küsten -vereinigen oft, wie die der Ewigkeit, Herzen, die schon -lange Jahre um einander als verloren getrauert hatten; -und unbeschreiblich rührend ist der Eifer, mit dem jeder -neue Ankömmling von ihnen empfangen wird, um zu -hören, ob er vielleicht Nachrichten von Mutter, Schwester, -Kind oder Weib bringe, die noch in der Nacht der -Sklaverei schmachten. Größere Heldenthaten werden hier -vollbracht, als im Romane geschildert werden können, -wenn der Flüchtling, den Martern und selbst dem Tode -trotzend, freiwillig zu den Schrecken und Gefahren jenes -dunklen Landes zurückkehrt, um seine Mutter, seine -Schwester oder seine Frau zu erretten.</p> - -<p>Ein junger Mann, von dem uns ein Missionär erzählte, -war zweimal wieder gefangen worden, und hatte -die schrecklichsten Mißhandlungen erduldet, als er zum -dritten Male entfloh; und zeigte seinen Freunden in -einem Briefe an, der uns vorgelesen worden ist, daß er -zum dritten Male zurückkehre, um endlich seine Schwester - <span class="pagenum"><a id="Page_285">[S. 285]</a></span> -zu befreien. Ist dieser Mensch ein Held oder ein -Verbrecher? Wer würde nicht dasselbe für seine Schwester -thun? Wer kann ihn tadeln?</p> - -<p>Aber wir müssen zu unsern Freunden zurückzukehren, -die wir verließen, als sie ihre Augen trockneten, und sich -von einer zu großen und zu plötzlichen Freude erholten. -Jetzt sitzen sie um den gastlichen Tisch, und beginnen ganz -ernstlich gesellig zu werden; nur daß Cassy, welche die -kleine Elisa auf ihrem Schooße hält, das kleine Wesen -zuweilen auf eine Weise drückt, welche dasselbe in Erstaunen -setzt, und sich hartnäckig weigert, sich den Mund -in einem solchen Maaße mit Kuchen stopfen zu lassen, -wie die Kleine es wünscht, — indem sie sagt, worüber -sich das Kind in hohem Grade wundert, daß sie etwas -Besseres als Kuchen habe und dessen nicht bedürfe.</p> - -<p>Und in der That ist mit Cassy in Zeit von zwei -bis drei Tagen eine solche Veränderung vorgegangen, -daß unsere Leser sie kaum kennen würden. Der verzweifelnde, -wilde Ausdruck des Gesichts ist dem eines -sanften Vertrauens gewichen. Sie scheint auf einmal in -den Busen der Familie zu sinken, und die Kleinen in -ihr Herz zu schließen, wie Etwas, worauf sie lange gewartet -hat. Wirklich schien ihre Liebe sich mehr der -kleinen Elisa, als ihrer Tochter zuzuwenden; denn sie -war das getreue Abbild des Kindes, welches sie verloren -hatte. Das kleine Wesen war ein Blumenband zwischen -Mutter und Tochter, durch welches Bekanntschaft und -Zuneigung wieder aufwuchsen. Elisa's beständige, durch -fortwährendes Lesen der heiligen Schrift geregelte Frömmigkeit -machte sie zu einer geeigneten Führerin für das -zerrissene Gemüth ihrer Mutter. Cassy war schnell und -von ganzem Herzen für jeden guten Einfluß empfänglich, -und wurde eine aufrichtige und andächtige Christin.</p> - -<p>Nach einigen Tagen machte Madame de Thoux ihrem -Bruder genauere Mittheilungen über ihre Verhältnisse. -Der Tod ihres Mannes hatte sie in den Besitz eines - <span class="pagenum"><a id="Page_286">[S. 286]</a></span> -bedeutenden Vermögens gesetzt, welches sie großmüthig -mit der Familie zu theilen sich erbot. Als sie Georg -fragte, auf welchem Wege sie es am Besten für ihn verwenden -könne, antwortete er ihr: »Verleihe mir Bildung, -Emilie; danach hat immer mein Herz verlangt. -Dann kann ich alles Uebrige thun.«</p> - -<p>Nach reiflicher Ueberlegung wurde beschlossen, daß -die ganze Familie auf einige Jahre nach Frankreich gehen -solle, wohin sie alsbald abreiste und Emmeline mitnahm. -Das hübsche Aeußere der Letzteren erweckte die Liebe des -ersten Steuermanns auf dem Schiffe, und Emmeline -wurde bald nach dem Einlaufen in den Hafen sein -Weib.</p> - -<p>Georg blieb vier Jahre auf einer französischen Universität, -und erlangte durch unermüdlichen Fleiß eine -gründliche Bildung. Die politischen Unruhen Frankreichs -bewogen endlich die Familie, von Neuem eine Zuflucht -in diesem Lande zu suchen. Georg's Empfindungen und -Ansichten als eines gebildeten Mannes lassen sich am -Besten aus einem an seine Freunde gerichteten Briefe -entnehmen:</p> - -<blockquote> -<p>»Ich bin noch nicht ganz einig mit mir über mein -zukünftiges Verhalten. Zwar könnte ich mich, wie Sie -mir sagten, in die Kreise der Weißen in diesem Lande -mischen, da meine eigene Farbe so hell und die meiner -Frau und Familie kaum bemerkbar ist. Kann sein, ich -würde vielleicht dort geduldet werden. Aber um die -Wahrheit zu sagen, ich mag es nicht thun.«</p> - -<p>»Meine Sympathien gehören nicht dem Geschlechte -meines Vaters, sondern dem meiner Mutter. Ihm galt -ich nicht mehr als ein schöner Hund oder ein schönes -Pferd; aber meiner armen Mutter mit ihrem gebrochenen -Herzen war ich ein Kind; und obgleich ich sie nach -jenem grausamen Verkaufe, der uns trennte, nie wieder -sah, bis sie starb, so weiß ich doch, daß sie mich innig -liebte. Ich weiß es durch mein eignes Herz. Wenn - <span class="pagenum"><a id="Page_287">[S. 287]</a></span> -ich an alles das denke, was sie litt, an meine eignen -frühen Leiden, an die Schmerzen und Kämpfe eines heldenmüthigen -Weibes, an meine Schwester, die in New-Orleans -auf dem Sklavenmarkte verkauft wurde, — so -darf ich, ohne unchristliche Empfindungen zu haben, sagen, -daß ich nicht für einen Amerikaner gelten, oder -mich mit ihm identificiren möchte.«</p> - -<p>»Das unterdrückte, in Ketten geschlagene afrikanische -Geschlecht ist es, zu dem ich mich hingezogen fühle; und -wenn ich etwas wünschen sollte, so wäre es eher, daß -ich um zwei Schattirungen dunkler, als um eine heller -wäre.«</p> - -<p>»Der Wunsch und das Sehnen meines Herzens -richtet sich auf eine afrikanische <em class="gesperrt">Nationalität</em>. Ich -verlange nach einem Volke, welches eine erkennbare, besondre -Existenz für sich selbst hat; und wo soll ich das -finden? Nicht in Hayti, denn dort hatten sie keine Grundlage -für den Anfang. Ein Strom kann sich nicht über -seine Quelle erheben. Das Geschlecht, welches den Charakter -der Haytier bildete, war ein entkräftetes, verweichlichtes, -und wird deßhalb natürlich Jahrhunderte gebrauchen, -um sich nur zu Etwas zu erheben.«</p> - -<p>»Wo soll ich also suchen? An den Küsten Afrika's -sehe ich eine Republik, — die von auserlesenen Männern -gebildet ist, welche sich durch Energie und selbstbildende -Kraft in vielen Fällen individuell über den Zustand der -Sklaverei erhoben haben. Nachdem diese Republik durch -ein vorbereitendes Stadium von Schwäche gegangen ist, -ist sie endlich eine anerkannte Nation der Erde geworden, -— anerkannt von Frankreich und England. Dahin -wünsche ich zu gehen, um ein Volk für mich zu finden.«</p> - -<p>»Ich weiß wohl, daß ich Sie jetzt alle gegen mich -haben werde; aber ehe Sie mich verdammen, hören Sie -mich! Während meines Aufenthaltes in Frankreich habe -ich mit großem Interesse die Geschichte meines Volkes -in Amerika studirt. Ich habe den Kampf zwischen dem - <span class="pagenum"><a id="Page_288">[S. 288]</a></span> -Abolitions- und Colonisationssysteme beobachtet, und als -entfernter Zuschauer einige Wahrnehmungen gemacht, die -ich als Theilnehmer nicht würde haben machen können. -Ich gebe zu, daß dieses Liberia allen Zwecken gedient -haben mag, indem es in den Händen unserer Unterdrücker -gegen uns gebraucht wurde. Ohne Zweifel ist der Plan -auf unverantwortliche Weise zur Verzögerung unserer -Emancipation gebraucht worden; aber meine Frage ist: -Giebt es nicht einen Gott, der über allen Plänen erhaben -ist! Kann er nicht ihre Absichten beherrscht, und -durch sie eine Nation für uns gegründet haben?«</p> - -<p>»In der jetzigen Zeit wird eine Nation in einem -Tage geboren. Eine Nation erhebt sich jetzt mit allen -den großen Problemen der Civilisation und republikanischen -Lebens fertig zur Hand. Sie hat nicht mehr zu -entdecken, sondern nur anzuwenden. Laßt uns also alle -mit aller Kraft zusammenhalten, und sagen, was wir in -diesem neuen Unternehmen vermögen, und der ganze -Continent Afrika's wird sich uns und unsern Kindern -öffnen. Unsere Nation wird die Fluth der Civilisation -und des Christenthums über seine Küsten ergießen, und -mächtige Republiken gründen, die, mit der Schnelligkeit -tropischer Vegetation aufwachsend, für alle kommenden -Jahrhunderte bestehen werden.«</p> - -<p>»Sagen Sie, daß ich meine in der Sklaverei -schmachtenden Brüder vergesse? Ich glaube nicht. Wenn -ich sie eine Stunde, einen Augenblick meines Lebens -vergesse, so möge Gott mich vergessen! Aber was kann -ich hier für sie thun? Kann ich ihre Ketten zerbrechen? -Nein, nicht als Individuum; aber lassen Sie mich gehen -und ein Theil einer Nation werden, welche eine Stimme -in dem Rathe der Völker erlangen wird, und dann können -wir reden. Eine Nation hat das Recht, die Sache -ihres Stammes zu besprechen, zu vertreten, — was ein -Individuum nicht kann.«</p> - -<p>»Wenn Europa jemals eine große Versammlung - <span class="pagenum"><a id="Page_289">[S. 289]</a></span> -freier Nationen wird, — wie ich zu Gott hoffe, — wenn -darin Knechtschaft und alle ungerechten, drückenden, socialen -Ungleichheiten aufgehoben worden sind; und wenn -sie, wie England und Frankreich bereits gethan haben, -unsere Stellung anerkennen, — dann wollen wir in dem -großen Congreß der Nationen unsere Stimme hören -lassen, und die Sache unseres geknechteten, leidenden -Stammes zur Sprache bringen; und es ist unmöglich, daß -das freie, aufgeklärte Amerika dann nicht den schwarzen -Fleck von seinem Wappenschilde vertilgen sollte, der es -schändet, und ein eben so großer Fluch für das Land -selbst wie für seine Sklaven ist.«</p> - -<p>»Aber Sie werden mir sagen, daß unser Stamm -dasselbe Recht habe, in der amerikanischen Republik zu -leben, wie der Irländer, der Deutsche, der Schwede, und -ich gestehe das zu. Wir <em class="gesperrt">sollten</em> die Freiheit haben, -dort zu leben, uns durch unsern individuellen Werth, -ohne Rücksicht auf Kaste oder Farbe, zu heben; und -Diejenigen, welche uns dieses Recht versagen, sind ihren -eigenen Grundsätzen von menschlicher Gleichheit ungetreu. -Wir sollten insbesondre hier zugelassen werden; denn wir -haben ein größeres Recht als das der gewöhnlichen Menschen -ist: wir haben die Ansprüche eines verletzten Stammes -auf Entschädigung. Allein, ich mache keine Ansprüche -darauf; ich will ein eignes Land, eine eigene Nation haben. -Ich glaube, daß der afrikanische Stamm besondere -Eigenschaften hat, die noch unter dem Lichte der Civilisation -und des Christenthums entwickelt werden müssen, -und die, wenn es nicht dieselben sind, welche der angelsächsische -Stamm besitzt, in moralischer Beziehung vielleicht -nur noch höher stehen.«</p> - -<p>»Dem angelsächsischen Stamme sind die Geschicke -der Welt während der Periode ihres Ringens und -Kämpfens anvertraut gewesen, und zu dieser Mission -waren seine strengen, unbeugsamen, energischen Elemente - <span class="pagenum"><a id="Page_290">[S. 290]</a></span> -wohl geeignet; aber als ein Christ sehe ich einer andern -Aera entgegen. Ich hoffe, daß wir an ihren Gränzen -stehen, und daß die Schmerzen, von denen die Nationen -jetzt zerrissen werden, nur die Geburtswehen einer -Stunde sind, welche uns allgemeinen Frieden und allgemeine -Brüderschaft bringen wird.«</p> - -<p>»Ich hoffe, daß die Entwickelung Afrika's vorzugsweise -eine christliche sein wird. Wenn der eingeborene -Stamm kein herrschender und gebietender ist, so ist er -wenigstens ein gefühlvoller, großherziger und vergebender. -Da er in den Glühofen der Ungerechtigkeit und -Unterdrückung gesunken ist, so muß er jene erhabene -Lehre der Liebe und Vergebung um so fester in sein -Herz schließen, als er durch sie allein siegen kann, und -ihre Verbreitung über den Continent Afrika's die ihm -aufgetragene Mission ist.«</p> - -<p>»Ich selbst bin, wie ich gestehen muß, schwach in -diesem Punkte, denn die eine Hälfte meines Blutes ist -das heiße, hitzige, sächsische; aber ich habe in der Person -meines schönen Weibes einen beredten Prediger des -Evangeliums an meiner Seite. Wenn ich mich verirre, -führt mich ihr sanfterer Geist stets zurück, und hält -meinen Augen den christlichen Beruf unseres Geschlechtes -vor. Ich gehe als ein christlicher Patriot, als ein -Lehrer des Christenthums nach <em class="gesperrt">meinem Vaterlande</em> -— meinem erwählten, glorreichen Afrika! auf das ich -in meinem Herzen oft jene herrlichen Worte der Prophezeiung -anwende: — »Sintemalen Du verlassen und -verhaßt gewesen, so daß Niemand von Dir wissen wollen, -will ich Dich zu ewigem Ruhme erheben, und zur -Freude vieler Geschlechter!««</p> - -<p>»Sie werden mich einen Enthusiasten nennen, und -werden mir sagen, daß ich das nicht reiflich überlegt -habe, was ich zu unternehmen im Begriffe stehe; aber -ich habe überlegt und die Kosten berechnet. Ich gehe -nach Liberia, nicht wie nach einem romantischen Elysium, - <span class="pagenum"><a id="Page_291">[S. 291]</a></span> -sondern wie nach einem Felde der Arbeit. Ich -rechne darauf, mit beiden Händen dort zu arbeiten, — -schwer zu arbeiten; gegen alle Arten Schwierigkeiten -und Entmuthigungen zu arbeiten, — und zu arbeiten, -bis ich sterbe. Das ist der Zweck meines Gehens, und -ich bin überzeugt, daß ich darin nicht werde getäuscht -werden.«</p> - -<p>»Was Sie auch immer von meinem Entschlusse -denken mögen, entziehen Sie mir deßhalb Ihr Vertrauen -nicht, und sein Sie überzeugt, daß ich bei Allem, was -ich thue, mit einem Herzen handle, welches ganz meinem -Volke angehört.«</p> - -<p class="left"> -»Georg Harris.«<br /> -</p> -</blockquote> - -<p>Einige Wochen später schiffte sich Georg mit seinem -Weibe, seinen Kindern, seiner Schwester und Mutter -nach Afrika ein. Wenn wir uns nicht täuschen, wird -die Welt dort noch von ihm hören.</p> - -<p>Von unsern übrigen Personen haben wir nichts -Besonderes mehr zu erwähnen, ausgenommen ein Wort -in Beziehung auf Miß Ophelia und Topsy, und ein -Schlußkapitel, welches wir Georg Shelby widmen -wollen.</p> - -<p>Miß Ophelia nahm Topsy mit sich nach Vermont, -und zwar zum großen Erstaunen derjenigen ernsten und -bedächtigen Personen, welche ein Neu-Engländer unter -dem Ausdrucke: »Unsere Leute« versteht. »Unsere Leute« -waren anfangs der Meinung, daß Topsy eine seltsame -und unnöthige Vergrößerung ihres wohlgeregelten Haushaltes -sei; allein so erfolgreich war Miß Ophelien's gewissenhaftes -Streben, ihre Pflicht gegen ihren Zögling -zu thun, daß das Kind schnell bei der Familie und der -Nachbarschaft in Gunst und Gnade zunahm. Als sie -das Alter der Jungfräulichkeit erreicht hatte, wurde sie -auf ihren eigenen Wunsch getauft, wurde ein Mitglied -der christlichen Gemeinde des Ortes, und verrieth so - <span class="pagenum"><a id="Page_292">[S. 292]</a></span> -viel Verstand, Thätigkeit, Eifer und Verlangen, Gutes -in der Welt zu wirken, daß sie endlich als Missionärin -zu einer der Stationen in Afrika empfohlen und -bestätigt wurde; und wir haben gehört, daß dieselbe -Thätigkeit und Empfindungsgabe, welche sie in ihrer -Kindheit so unstät in ihrer Entwickelung machte, jetzt -zu einem heilsameren Zwecke, dem Unterrichte der Kinder -ihres eigenen Vaterlandes, verwendet wird.</p> - -<p class="pmb3"><span class="antiqua">P. S.</span> Es wird für manche Mutter eine Genugthuung -sein, wenn wir erwähnen, daß die von der Madame -de Thoux veranlaßten Nachforschungen den Erfolg -gehabt haben, Cassy's Sohn aufzufinden. Als ein junger, -energischer Mann war es ihm schon mehrere Jahre -vor seiner Mutter geglückt, zu entfliehen, und hatte bei -Freunden der Unterdrückten im Norden Aufnahme gefunden -und seine Erziehung erhalten. Er wird nächstens -seiner Familie nach Afrika nachfolgen.</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Vierundvierzigstes_Kapitel">Vierundvierzigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Der Befreier.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - - -<p>Georg Shelby hatte nur eine Zeile an seine Mutter -geschrieben, um ihr den Tag seiner Ankunft anzuzeigen. -Von der Sterbescene seines alten Freundes sagte -er kein Wort, — er hatte nicht den Muth dazu. Mehrmals -hatte er versucht, aber nichts erreicht, als daß -ihm vor Wehmuth der Athem stockte, und endete jedesmal -damit, daß er das Papier zerriß, sich die Augen - <span class="pagenum"><a id="Page_293">[S. 293]</a></span> -trocknete, und vom Sitze aufsprang, um wieder ruhig zu -werden.</p> - -<p>An jenem Tage fand, in Erwartung der Ankunft -des jungen Master Georg, im ganzen Shelby'schen -Hause eine muntere Bewegung Statt. Mrs. Shelby -saß in ihrem bequem eingerichteten Wohnzimmer, wo ein -gemüthliches Feuer die Kühle des Herbstabends verjagte, -und in der Mitte ein Abendtisch mit Tellern und -geschliffenen Gläsern gedeckt stand, dessen Anordnung -unsere alte Freundin Chloe besorgte. Angethan mit -einem neuen Kattunkleide, einer reinen, weißen Schürze -und einem hohen, wohl gestärkten Turbane, glänzte ihr -schwarz polirtes Gesicht von innerer Zufriedenheit, während -sie mit unnöthiger Genauigkeit in ihren Geschäften -am Tische fortfuhr, und sich derselben als Vorwand bediente, -um mit ihrer Mistreß ein wenig plaudern zu -können.</p> - -<p>»Sehen Sie, nun! wird's ihm nicht ganz natürlich -scheinen?« sagte sie. »Hier, da, — ich setze seinen -Teller hin, wo er am liebsten sitzt, — hier beim -Feuer. Master Georg hat gern 'nen warmen Sitz. O, -gehn Sie mir doch! — warum hat Sally denn nicht -die <em class="gesperrt">beste</em> Theekanne genommen, — die kleine neue, -die Master Georg zu Weihnachten für Missis gekauft -hat? — Will sie holen! — Und Missis hat von Master -Georg einen Brief bekommen?« fügte sie fragend -hinzu.</p> - -<p>»Ja, Chloe, aber nur eine Zeile, die weiter nichts -enthielt, als daß er heut Abend hier eintreffen werde, -wenn es ihm möglich sei.«</p> - -<p>»Hat wohl nichts gesagt von meinem alten Mann?« -fuhr Chloe fort, sich noch immer mit den Theetassen -beschäftigend.</p> - -<p>»Nein, er hat gar nichts von ihm erwähnt, Chloe. -Er sagte nur, er würde Alles erzählen, wenn er hier -wäre.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_294">[S. 294]</a></span></p> - -<p>»Ganz wie Master Georg; — er muß immer Alles -selbst erzählen. Habe das immer an Master Georg -bemerkt. Weiß gar nicht, ich, wie die weißen Leute -so viel schreiben können, als sie gewöhnlich thun; — -schreiben ist so 'ne langsame, mühselige Arbeit.«</p> - -<p>Mrs. Shelby lächelte.</p> - -<p>»Denke, mein alter Mann wird die Jungens und -'s Kleine gar nicht mehr kennen. Herr! sie ist nun ein -großes Mädchen, jetzt — und gut ist sie auch, und -munter, Polly. Sie ist jetzt im Hause, und paßt auf -die Kuchen auf. Habe grade den rechten Teig gemacht, -wie ihn mein alter Mann so gern ißt; grade so wie -damals, an dem Morgen, wo er fortgebracht wurde. -Gott sei mir gnädig! wie mir damals zu Muthe war!«</p> - -<p>Mrs. Shelby seufzte, und fühlte bei diesen Worten -eine schwere Last auf ihr Herz fallen. Sie hatte -vom ersten Augenblicke, wo sie ihres Sohnes Brief erhalten, -eine ängstliche Unruhe darüber empfunden, daß -hinter diesem Schleier des Schweigens noch Etwas verborgen -sein möchte.</p> - -<p>»Missis hat doch die Banknoten?« fragte Chloe -besorgt.</p> - -<p>»Ja, Chloe.«</p> - -<p>»Weil ich meinem alten Manne gerne dieselben -Noten zeigen möchte, die mir der Kuchenbäcker gegeben -hat. Und dann sagte er: ›Chloe, ich wollte, Du -bliebst länger hier.‹ ›Dank' Ihnen, Master,‹ sagt' -ich, ›ich thät's gern, aber mein alter Mann kommt -nach Hause, und Missis — sie kann mich nicht länger -entbehren.‹ Das hab' ich ihm gesagt. War ein sehr -guter Mann, dieser Master Jones.«</p> - -<p>Chloe hatte hartnäckig darauf bestanden, daß dieselben -Noten, in denen ihr Lohn ausgezahlt worden -war, aufbewahrt werden sollten, um sie ihrem Manne -als Beweis ihrer Geschicklichkeit zu zeigen; und Mrs. -Shelby hatte gern eingewilligt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_295">[S. 295]</a></span></p> - -<p>»Er wird Polly gar nicht mehr kennen, — mein -alter Mann. Herr! 's ist nun just fünf Jahre, daß -sie ihn weg holten! Damals war sie noch ganz klein, -— konnte kaum stehen. Weiß noch, wie ängstlich er -immer war, wenn sie laufen wollte und immer hin fiel.«</p> - -<p>Jetzt wurde das Rasseln von Rädern hörbar.</p> - -<p>»Master Georg!« sagte Tante Chloe, an's Fenster -eilend.</p> - -<p>Mrs. Shelby lief nach der Thür, und befand sich -gleich darauf in den Armen ihres Sohnes. Tante Chloe -stand ängstlich dabei und suchte mit ihren Augen in der -Dunkelheit.</p> - -<p>»Meine <em class="gesperrt">arme</em> Tante Chloe!« sagte Georg, mitleidig -vor ihr stehen bleibend und ihre harte, schwarze -Hand in die seinige nehmend: »ich hätte mein ganzes -Vermögen darum gegeben, wenn ich ihn hätte mitbringen -können; aber er ist in ein besseres Land gegangen.«</p> - -<p>Mrs. Shelby stieß einen Schrei aus, aber Tante -Chloe sagte nichts.</p> - -<p>Alle traten hierauf in das Wohnzimmer, wo das -Geld noch auf dem Tische lag, auf welches Chloe so -stolz gewesen war.</p> - -<p>»Da,« sagte sie, es zusammenraffend und mit zitternder -Hand ihrer Mistreß hinhaltend, — »will nichts -weiter davon sehen und hören. Grade so, wie ich mir -dachte, daß es kommen würde, — verkauft und umgebracht -auf den alten Plantagen!«</p> - -<p>Chloe wandte sich um und schritt stolz zum Zimmer -hinaus. Mrs. Shelby ging ihr nach, nahm sie sanft -bei der Hand und zog sie auf einen Stuhl nieder, und -setzte sich zu ihr.</p> - -<p>»Meine arme, gute Chloe!« sagte sie.</p> - -<p>Chloe lehnte ihren Kopf an die Schulter ihrer -Mistreß, und schluchzte laut: »O Missis, verzeihen Sie -mir, — mein Herz bricht.«</p> - -<p>»Ich weiß es,« entgegnete Mrs. Shelby, »und ich - <span class="pagenum"><a id="Page_296">[S. 296]</a></span> -kann es nicht heilen, aber Jesus kann es. ›Er heilet, -die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre -Schmerzen.‹«</p> - -<p>Eine Zeit lang herrschte tiefes Schweigen, und Alle -weinten. Endlich setzte sich Georg neben die Trauernde, -ergriff ihre Hand, und schilderte mit einfachen, aber gefühlvollen -Worten ihres Mannes triumphirende Sterbescene -und seine letzten Aufträge der Liebe.</p> - -<p>Etwa einen Monat später wurden eines Morgens -alle Sklaven der Shelby'schen Besitzung in die große -Halle des Hauses zusammenberufen, um einige Worte -von ihrem jungen Herrn zu hören.</p> - -<p>Zum Erstaunen Aller erschien er mit einem großen -Bündel Papiere in der Hand, welche die Freilassungsscheine -jedes Einzelnen enthielten, die er nach der Reihe -vorlas, und sodann unter Thränen und Schluchzen aller -Anwesenden aushändigte. Viele drängten sich um ihn -und baten ihn flehend, mit ängstlichen Gesichtern, und -indem sie ihre Freilassungsscheine zurückreichten, sie nicht -fortzuschicken.</p> - -<p>»Wir wollen nicht freier sein, als wir sind. Wir -haben immer Alles gehabt, was wir brauchten. Wir -wollen den alten Platz nicht verlassen, und Master und -Missis und alles Uebrige.«</p> - -<p>»Meine guten Freunde,« sagte Georg, sobald er sie -zum Schweigen bringen konnte, »es ist durchaus nicht -erforderlich, daß Ihr mich verlasset. Meine Besitzung -braucht jetzt noch eben so viele Arbeiter, wie früher, -und eben so mein Haus. Aber Ihr seid jetzt freie Männer -und freie Weiber. Ich werde Euch Löhne für Eure -Arbeit bezahlen, je nachdem wir übereinkommen. Der -Vortheil für Euch besteht darin, daß, im Falle ich in -Schulden gerathen, oder sterben sollte, Ihr nicht genommen -und verkauft werden könnt. Ich beabsichtige, die -Bewirthschaftung meiner Besitzung fortzusetzen, und Euch -zu lehren, was Euch vielleicht einige Zeit zu lernen kosten - <span class="pagenum"><a id="Page_297">[S. 297]</a></span> -wird, — nämlich, auf welche Weise Ihr von den Rechten -Gebrauch zu machen habt, die ich Euch als freien -Menschen gebe. Ich erwarte, daß Ihr gut sein und willig -lernen werdet, und hoffe zu Gott, daß ich gegen Euch -treu und willig zu lehren sein werde. Und nun, meine -Freunde, blicket empor und danket Gott für den Segen -der Freiheit!«</p> - -<p>Ein alter Neger-Patriarch, der auf der Besitzung -grau und blind geworden war, stand jetzt auf, hob seine -zitternden Hände empor, und sagte: »Laßt uns dem Herrn -danken!«</p> - -<p>Als Alle niedergekniet waren, stieg aus der Tiefe -dieses alten, ehrlichen Herzens ein <span class="antiqua">Te Deum</span> zum Himmel, -wie es selbst beim Klange der Orgel, der Glocken -und Kanonen nie feierlicher gehört werden konnte.</p> - -<p>Als Alle sich erhoben hatten, stimmte ein Anderer -eine methodistische Hymne an, deren Schlußvers war:</p> - -<p> -»Das Jubeljahr ist jetzt gekommen,<br /> -Kehrt Ihr, befreite Sünder, heim.«<br /> -</p> - -<p>»Noch Eins,« sagte Georg, indem er die Gratulationen -der Menge unterbrach. — »Ihr alle erinnert Euch -unseres guten, alten Onkel Tom?«</p> - -<p>Hierauf gab Georg eine kurze Schilderung seiner -Sterbescene, und erwähnte des liebevollen Abschieds, den -er ihm an Alle aufgetragen hatte, und fügte hinzu:</p> - -<p class="pmb3">»An seinem Grabe, meine Freunde, gelobte ich vor -Gott, nie wieder einen Sklaven zu besitzen, wenn es in -meiner Macht stehe, ihn in Freiheit zu setzen, um nie -Jemanden durch mich der Gefahr auszusetzen, von seiner -Heimath und seinen Freunden losgerissen zu werden und -auf einer einsamen Plantage sterben zu müssen, wie er -starb. So oft Ihr Euch also Eurer Freiheit freut, so -denkt daran, daß Ihr sie jener alten, guten Seele verdankt, -und zeigt Euch durch Liebe gegen seine Frau und -Kinder dafür erkenntlich. Gedenkt Eurer Freiheit, so - <span class="pagenum"><a id="Page_298">[S. 298]</a></span> -oft Ihr <em class="gesperrt">Onkel Tom's Hütte</em> seht, und laßt sie Euch -daran erinnern, seinen Fußtapfen zu folgen, und so redlich, -so treu, so christlich zu sein, wie er war.«</p> - - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - - -<div class="chapter"> - -<h2 class="no-break" id="Funfundvierzigstes_Kapitel">Fünfundvierzigstes Kapitel.<br /><br /> - -<span class="font09"><b>Schlußbemerkungen.</b></span></h2> -</div> - -<p class="pmb1" /> - - -<p>Die Verfasserin hat oft von verschiedenen Seiten -Anfragen darüber erhalten, ob diese Erzählung wahre -Thatsachen enthalte, und sie will deshalb hierauf die nachfolgende -allgemeine Antwort geben.</p> - -<p>Die einzelnen Ereignisse, welche darin zusammengestellt -worden, sind bis zu einem hohen Grade authentisch, -und haben sich entweder unter den eignen Augen -der Verfasserin, oder denen ihrer Freunde zugetragen. -Sie selbst oder ihre Freunde haben Gegenstücke zu fast -allen Charakteren, die hier geschildert worden sind, beobachtet, -und viele der eingeflochtenen Reden sind Wort -für Wort wiedergegeben, wie sie von der Verfasserin gehört -oder ihr mitgetheilt worden sind.</p> - -<p>Die persönliche Erscheinung Elisa's und der ihr beigelegte -Charakter sind nach dem Leben gezeichnet. Die -unbestechbare Treue, Rechtlichkeit und Frömmigkeit Tom's -hat die Verfasserin in mehr als einem persönlichen Beispiele -selbst beobachtet. Ebenso haben mehrere der tragischsten -und schrecklichsten Ereignisse ihre Originalien in -der Wirklichkeit. Die Handlung der Mutter, welche über -das Eis des Ohioflusses geht, ist eine wohlbekannte Thatsache. -Die Geschichte der »alten Prue« ereignete sich - <span class="pagenum"><a id="Page_299">[S. 299]</a></span> -unter der persönlichen Wahrnehmung eines Bruders der -Verfasserin, welcher Kassirer eines großen Handlungshauses -in New Orleans war. Aus derselben Quelle ist -der Charakter des Pflanzers Legree entnommen worden. -Ueber ihn äußerte sich derselbe, indem er einen auf seiner -Pflanzung bei Gelegenheit einer Geschäftsreise abgestatteten -Besuch schildert, folgendermaßen: »Er ließ mich -in der That seine Faust befühlen, welche dem Hammer -eines Grobschmieds glich, und sagte mir dabei, daß sie -vom <em class="gesperrt">Niederschlagen der Neger</em> so hart geworden -sei.«</p> - -<p>Daß ebenso Tom's tragisches Schicksal mehr als -ein Beispiel in der Wirklichkeit hat, dafür gibt es im -ganzen Lande zahlreiche lebendige Zeugen. Man erinnere -sich daran, daß es in allen südlichen Staaten ein -gesetzliches Princip ist, keine Person von farbiger Abkunft -als Zeugen gegen einen Weißen zuzulassen; und man -wird deshalb leicht sehen, daß ein solcher Fall sich überall -ereignen kann, wo die Leidenschaften eines Menschen die -Rücksichten auf seinen Vortheil überwiegen, und ein Sklave -Männlichkeit und Festigkeit genug besitzt, seinem Willen -zu widerstehen. Es gibt in der That für einen Sklaven -keinen andern Schutz, als den Charakter seines Herrn.</p> - -<p>Thatsachen, die zu schrecklich sind, um nur gelegentlich -erwähnt zu werden, bahnen sich ihren Weg gewaltsam -zur Oeffentlichkeit, und die Bemerkungen, die darüber -gemacht werden, sind oft noch schrecklicher, als die Sache -selbst. Man hört die Aeußerung: »Kann wohl sein, daß -solche Dinge sich dann und wann zutragen, aber sie sind -kein Beleg für die allgemeine Praxis.« Wenn die Gesetze -von Neu-England so beschaffen wären, daß ein -Meister dann und wann einen Lehrling zu Tode quälen -könnte, ohne die Möglichkeit, denselben zur Bestrafung -zu ziehen, — würde dies mit demselben Gleichmuthe angehört -werden? Würde man sagen: »Derartige Fälle -sind selten und keine Belege für die allgemeine Praxis?« - <span class="pagenum"><a id="Page_300">[S. 300]</a></span> -Diese Ungerechtigkeit ist eine nothwendige Folge des -Sklavensystems, welches ohne dieselbe nicht bestehen -kann.</p> - -<p>Der öffentliche und schamlose Verkauf reizender -Mulatten und Quadroonmädchen hat durch diejenigen -Ereignisse Oeffentlichkeit erlangt, welche der Wegnahme -der ›Perl‹ folgten. Wir entnehmen das Folgende aus -der Rede des Mr. Horace Mann, eines der gesetzlich bestellten -Vertheidiger der Angeklagten. Er sagt: »Unter -den sechsundsiebzig Personen, welche im Jahre 1848 in -dem Schoner ›Perl‹ von Columbia zu entfliehen suchten, -und deren Offiziere ich zu vertheidigen bemüht war, befanden -sich mehrere junge und kräftige Mädchen, welche -in Zügen und Gestalt jene besonderen Reize besaßen, die -von Kennern so hoch geschätzt werden. Elisabeth Russel -gehörte zu diesen. Sie fiel augenblicklich in die Netze -der Sklavenhändler, und wurde von ihnen für den Markt -in New-Orleans bestimmt. Die Herzen Aller, die sie -sahen, wurden von Mitleid für ihr Schicksal ergriffen. -Man bot achtzehnhundert Dollar, um sie loszukaufen, -aber der Teufel von einem Sklavenhändler war unerbittlich. -Sie wurde nach New-Orleans abgeführt; allein -während der Reise erbarmte Gott sich ihrer und erlöste -sie durch den Tod. Zwei andere Mädchen, Namens Edmundson, -befanden sich ebenfalls unter ihnen. Als sie -nach demselben Markte abgesendet werden sollten, kam -eine ältere Schwester derselben zur Fleischbank, um den -Elenden, dem sie gehörten, bei der Liebe Gottes anzuflehen, -seiner Opfer zu schonen. Er verhöhnte sie, und -stellte ihr vor, was für schöne Kleider und Möbeln sie -haben würden. ›Ja,‹ entgegnete sie, ›das mag in -diesem Leben ganz angenehm sein, aber was wird in -jenem Leben aus ihnen werden?‹ Sie wurden auch -nach New-Orleans abgeführt, aber später für eine ungeheure -Summe losgekauft und zurückgebracht.« Ergibt -sich aus diesen Beispielen nicht deutlich genug, daß die - <span class="pagenum"><a id="Page_301">[S. 301]</a></span> -Schicksale Cassy's und Emmelinens zahlreiche Gegenstücke -haben werden?</p> - -<p>Um gerecht zu sein, ist die Verfasserin auch genöthigt, -zu bemerken, daß die Freundlichkeit und der Edelmuth -St. Clare's nicht ohne Parallelen sind, wie sich -aus der folgenden Thatsache ergibt. Vor mehreren Jahren -kam ein junger Gentleman aus dem Süden mit einem -Lieblingssklaven, der von seiner Kindheit an sein persönlicher -Diener gewesen war, nach Cincinnati. Letzterer -machte von dieser Gelegenheit Gebrauch, sich seine Freiheit -zu verschaffen, und floh unter den Schutz eines Quäckers, -der im allgemeinen Rufe stand, sich derartigen Geschäften -zu unterziehen. Der Eigenthümer war empört. Er hatte -den Sklaven stets mit großer Nachsicht behandelt, und -setzte ein so großes Vertrauen in seine Anhänglichkeit zu -ihm, daß er glaubte, er müsse nothwendig zu diesem -Schritte durch Andre verleitet worden sein. Er begab -sich deshalb in heftiger Aufregung zu dem Quäcker, aber -wurde bald, da er ein Mann von offenem und rechtlichem -Sinne war, durch die Vorstellungen desselben beschwichtigt. -Er lernte hier die Sache von einer Seite betrachten, -von der er noch nie gehört, — an die er noch nie -gedacht hatte, und sagte deshalb dem Quäcker sofort, -daß, wenn sein Sklave ihm von Angesicht zu Angesicht -den Wunsch, frei zu werden, erklären wolle, er ihn frei -lassen werde. Die Zusammenkunft fand augenblicklich -Statt, und Nathan wurde von seinem jungen Herrn befragt, -ob er irgend einen Grund habe, sich über die von -ihm zu Theil gewordene Behandlung zu beklagen?</p> - -<p>»Nein, Master,« sagte Nathan, »Sie sind immer -gut gegen mich gewesen.«</p> - -<p>»Gut, weshalb willst Du mich also verlassen?«</p> - -<p>»Master kann sterben, und wem falle ich dann zu? -— Ich möchte lieber frei sein.«</p> - -<p>Nach einiger Ueberlegung entgegnete der junge Mann: - <span class="pagenum"><a id="Page_302">[S. 302]</a></span> -»Nathan, ich glaube, ich würde an Deiner Stelle eben -so denken. Du bist frei.«</p> - -<p>Sofort fertigte er seine Entlassungsscheine aus, legte -eine Summe Geldes in die Hand des Quäckers, um ihm -auf zweckmäßige Weise damit fortzuhelfen, und ließ einen -herzlichen und gefühlvollen Brief an den jungen Mann -zurück, in welchem er ihm gute Rathschläge für seinen -neuen Lebensweg ertheilte. Dieser Brief ist längere Zeit -in den Händen der Verfasserin gewesen.</p> - -<p>Die Verfasserin hofft, daß sie der Menschenfreundlichkeit -und dem Edelmuthe volle Gerechtigkeit hat wiederfahren -lassen, durch welche sich oft einzelne Bewohner -des Südens auszeichnen. Solche Beispiele bewahren -uns davor, an unserem Geschlechte ganz zu verzweifeln; -aber wir fragen Jeden, der die Welt kennt, ob solche -Charaktere gewöhnlich sind?</p> - -<p>Viele Jahre lang hat die Verfasserin durchaus vermieden, -etwas über den Gegenstand der Sklaverei zu -lesen, oder seiner irgendwie Erwähnung zu thun, weil -es zu peinlich für sie war, Ermittelungen darüber anzustellen, -und sie der Ueberzeugung lebte, daß das sich immer -mehr ausbreitende Licht der Civilisation das ganze -Institut bald verdrängen werde; allein seit sie durch die -Akte von 1850 zu ihrem größten Erstaunen gehört hat, -daß Menschen und Christen die Zurücklieferung der Entflohenen -in die Sklaverei als die Pflicht eines jeden guten -Bürgers empfehlen, — seit sie überall in den nördlichen -Freistaaten menschenfreundliche, mitleidige und -achtungswerthe Leute Versammlungen und Berathschlagungen -darüber hat halten sehen, was die Christenpflicht -in diesem Falle gebiete, — konnte sie nur glauben, daß -diese Menschen und Christen keine klare Vorstellung von -dem haben, was Sklaverei wirklich ist; denn wenn sie -sie besäßen, so hätte bei ihnen eine solche Frage nie zur -Berathung kommen können. Hieraus entstand der Wunsch, -sie zum Gegenstande einer lebendigen dramatischen Darstellung - <span class="pagenum"><a id="Page_303">[S. 303]</a></span> -zu machen. Die Verfasserin ist bemüht gewesen, -sie in ihrem besten und schlechtesten Lichte zu zeigen. In -ersterer Beziehung ist es ihr vielleicht gelungen: aber o! -wer kann sagen, was in dem jenseitigen Thale und unter -seinen Todesschatten noch unerwähnt geblieben ist?</p> - -<p>An Euch, Ihr edelherzigen, edelmüthigen Männer -und Frauen des Südens, — an Euch, deren Tugend, -Hochherzigkeit und Reinheit des Charakters um so größer -sind, als Ihr gegen eine schwere Versuchung zu kämpfen -habt, — an Euch ergeht mein Ruf. Habt Ihr nicht in -der Tiefe Eurer eignen Herzen empfunden, in Eurem -eignen Privatverkehr wahrgenommen, daß in diesem fluchwürdigen -Systeme viel größere Uebel und Leiden liegen, -als hier hat schwach geschildert werden können? Kann -es anders sein? Ist der Mensch ein Geschöpf, dem eine -völlig unverantwortliche Gewalt anvertraut werden darf? -und macht das System der Sklaverei nicht dadurch, daß -es dem Sklaven die Fähigkeit Zeugniß abzulegen, versagt, -jeden einzelnen Besitzer von Sklaven zu einem Despoten -ohne jede Verantwortlichkeit? Kann irgend Jemand sich -darüber täuschen, welche praktische Folgen nothwendig -daraus hervorgehen müssen? Wenn, was wir gern zugestehen, -unter Euch, Männern von Ehre, Menschlichkeit -und Gerechtigkeit, ein übereinstimmendes Gefühl herrscht, -so frage ich Euch, herrscht nicht ein solches andrer Art -auch unter den schändlichen, rohen und entarteten Menschen? -Und kann nicht nach Eurem Sklaven-Gesetze der -rohe, entartete Mensch grade eben so viele Sklaven besitzen, -wie der Beste unter Euch? Bilden die ehrenwerthen, -gerechten, mitleidigen und edelmüthigen Menschen -irgendwo in dieser Welt die Majorität?</p> - -<p>Der Sklavenhandel wird jetzt nach amerikanischen -Gesetzen als eine Art Räuberei betrachtet; allein ein so -systematischer Sklavenhandel, wie er nur jemals an der -Küste Afrika's betrieben wurde, ist eine nothwendige -Folge der in Amerika bestehenden Sklaverei. Und - <span class="pagenum"><a id="Page_304">[S. 304]</a></span> -können ihre Gräuel und ihr herzzerreißendes Elend geschildert -werden?</p> - -<p>Die Verfasserin hat nur ein schwaches Bild von der -Angst und Verzweiflung gegeben, die in diesem Augenblicke -tausend Herzen zerreißen, tausend Familien zerstören, -und jene hülflose und gefühlvolle Menschenklasse zu -Wahnsinn und Verzweiflung treiben. Es gibt Viele, denen -aus eigner Wahrnehmung bekannt ist, daß durch -diesen fluchwürdigen Handel Mütter dazu getrieben -worden sind, ihre eigenen Kinder zu ermorden, und für -sich selbst im Tode einen Schutz gegen Leiden zu suchen, -die für sie schrecklicher waren als der Tod. Es läßt sich -nichts so Tragisches schreiben, sagen oder vorstellen, was -der furchtbaren Wirklichkeit jener Scenen gleich käme, -die sich täglich unter dem Schutze des amerikanischen Gesetzes -und dem Schatten des Kreuzes Christi an unsern -Küsten zutragen.</p> - -<p>Und nun, Ihr Männer und Frauen Amerika's, ist -dies ein Gegenstand, der leicht genommen, entschuldigt -oder mit Schweigen übergangen werden könnte? Ihr -Farmer vom Massachusetts, New-Hampshire, Vermont und -Connecticut, die Ihr dieses Buch beim Scheine Eures -winterlichen Feuers leset, — Ihr muthigen, edelherzigen -Seeleute vom Maine, — ist dies eine Sache, die Ihr -unterstützen und befördern wollt? Ihr braven, edlen -Männer von New-York, Ihr Farmer des reichen und -fröhlichen Ohio, und Ihr in den weiten Prairie-Staaten, -— antwortet mir, ist dies eine Sache, die Ihr vertheidigen -wollt? Und Ihr, Mütter Amerika's, — Ihr, die -Ihr an den Wiegen Eurer eignen Kinder gelernt habt -das ganze Menschengeschlecht zu lieben, — bei der heiligen -Liebe zu Euren eignen Kindern, bei der Freude, -die Ihr über ihre reine, schöne Kindheit empfindet, bei -der mütterlichen Liebe und Zärtlichkeit, mit der Ihr ihre -reifenden Jahre bewacht, bei der Sorge für ihre Erziehung, -bei den Gebeten, die Ihr für ihr unsterbliches - <span class="pagenum"><a id="Page_305">[S. 305]</a></span> -Seelenheil zum Himmel sendet, — beschwöre ich Euch, -habt Mitleid für die Mutter, die alle Eure warmen Empfindungen, -und kein gesetzliches Recht hat, das Kind -ihres Herzens zu beschützen, zu leiten und zu erziehen! -Bei der Sterbestunde Eures Kindes, bei jenen brechenden -Augen, die Ihr nie vergessen könnt, bei den letzten -Schreien, die Euer Herz zerrissen haben, wenn Ihr weder -helfen noch retten konntet, bei jener vereinsamten -Wiege, bei jener verödeten Kinderstube, — beschwöre ich -Euch, habt Mitleid mit jenen Müttern, die fortwährend -kinderlos werden durch den amerikanischen Sklavenhandel! -Und sagt mir, Ihr Mütter Amerika's, ist dies ein -Gegenstand, der vertheidigt oder mit Stillschweigen übergangen -werden kann?</p> - -<p>Wollt Ihr behaupten, daß die Bewohner der Freistaaten -nichts damit zu thun haben, und nichts dafür -thun können? Wollte Gott, es wäre wahr! Aber es ist -nicht wahr. Die Bewohner der Freistaaten haben das -System vertheidigt, befördert, und selbst daran Theil genommen; -sie sind vor Gott sogar schuldiger als der -Süden, da sie weder den Einfluß der Erziehung noch der -Sitte für sich haben.</p> - -<p>Wenn die Mütter der Freistaaten in früheren Zeiten -die Empfindungen und Ansichten gehabt hätten, die sie -hätten haben sollen, so würden die Söhne der Freistaaten -nicht Sklavenhalter, und, wie es sprüchwörtlich geworden -ist, die härtesten Herrn der Sklaven geworden -sein; die Söhne der Freistaaten würden nicht zur Verbreitung -der Sklaverei mitgewirkt, und nicht mit menschlichen -Seelen und Körpern, wie sie thun, anstatt Geldes -gehandelt haben. Es gibt zahllose Sklaven, die von -Kaufleuten der nördlichen Städte zeitweise besessen und -verkauft werden; und darf also die ganze Schuld und -Schmach der Sklaverei allein auf den Süden fallen? -Die Männer, Mütter und Christen des Nordens haben -noch etwas mehr zu thun, als ihre Brüder des Südens - <span class="pagenum"><a id="Page_306">[S. 306]</a></span> -anzuklagen; sie haben das unter ihnen selbst bestehende -Uebel abzustellen.</p> - -<p>Aber was kann eine einzelne Person thun? Darüber -kann Jeder urtheilen. Es gibt Etwas, das jedes Individuum -thun kann, — dafür sorgen, daß es richtige -Empfindungen hegt. Ein jedes menschliches Wesen ist von -einer Atmosphäre sympathetischen Einflusses umgeben, -und Jeder, der gesunde, kräftige und gerechte Empfindungen -in Bezug auf die großen Interessen der Menschheit -hegt, wird stets ein Wohlthäter des menschlichen -Geschlechts sein. Sorgt also für Eure Empfindungen -über diesen Gegenstand. Sind sie in Uebereinstimmung -mit den Gefühlen, die Christus lehrte, oder sind sie durch -die Sophistereien einer weltlichen Politik auf Abwege gelenkt -und verderbt worden?</p> - -<p>Noch mehr, Ihr christlichen Männer und Weiber des -Nordens! — Ihr könnt noch mehr thun! Ihr könnt -beten! Glaubt Ihr an die Kraft des Gebetes? oder ist -es für Euch nur eine dunkle, apostolische Tradition geworden? -Ihr betet für die Heiden im Auslande; betet -auch für die Heiden in Eurem Vaterlande; und betet -für die unglücklichen Christen, deren Fortschritte in der -Religion einzig und allein von Zufälligkeiten im Handel -und Wandel abhängig sind, und für die jedes Festhalten -an der Moral des Christenthums häufig eine Unmöglichkeit -ist, wenn sie nicht von oben herab mit dem Muthe -des Märtyrerthums begnadigt worden sind.</p> - -<p>Aber noch mehr. An den Küsten unserer freien -Staaten sammeln sich die armen, verstreuten Ueberbleibsel -zerrissener Familien, — Männer und Weiber, die durch -wunderbare Fügungen der Vorsehung aus der Sklaverei -entkommen sind, — schwach im Wissen, und meistens -auch zu Grunde gerichtet in ihrem moralischen Zustande, -und zwar durch ein System, welches jedes Princip des -Christenthums und der Morallehre entstellt und verwirrt. -Sie kommen, um eine Zuflucht bei Euch zu suchen, um -Erziehung, Unterricht und Christenthum zu suchen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_307">[S. 307]</a></span></p> - -<p>Was seid Ihr diesen Unglücklichen schuldig, o Christen? -Hat nicht jeder amerikanische Christ die Verbindlichkeit -gegen das afrikanische Geschlecht, nach Kräften -das Unrecht wieder gut zu machen, welches die amerikanische -Nation über das Letztere gebracht hat? Sollen -ihnen die Thüren der Kirchen und Schulhäuser verschlossen -werden? Sollen die Staaten sich erheben und sie -hinaustreiben? Soll die Kirche Christi schweigend den -Hohn mit anhören, der auf sie geworfen wird, soll sie -vor der hülflosen Hand zurückweichen, die Jene ausstrecken, -und durch ihr Schweigen die Grausamkeit -gut heißen, die sie aus unsern Gränzen vertreiben möchte? -Wenn dies geschehen muß, so wird es ein trauriges -Schauspiel sein. Wenn dies geschehen muß, so wird -das Land Ursache haben zu zittern, sobald es daran -denkt, daß das Schicksal der Völker in der Hand Eines -liegt, der mitleidig und barmherzig ist.</p> - -<p>Sagt Ihr vielleicht: »Wir wollen sie nicht hier -haben, — sie mögen nach Afrika gehen?«</p> - -<p>Daß die Vorsehung Gottes ihnen einen Zufluchtsort -in Afrika eröffnet hat, ist allerdings ein großer und -wichtiger Umstand, aber es ist kein Grund, der die -Kirche Christi von der Verantwortlichkeit gegen diesen -ausgestoßenen Stamm entbindet, welche ihr Glaube ihr -zur Pflicht macht. Wollte man Liberia mit einem unwissenden, -unerfahrenen, halb barbarischen Geschlechte -anfüllen, welches so eben erst den Ketten der Sklaverei -entlaufen ist, so würde es nur dazu dienen, die Dauer -des Kampfes zu verlängern, der den Anfang jedes -neuen Unternehmens begleitet. Die Kirche des Nordens -möge diese armen Leidenden im Geiste Christi bei sich -aufnehmen, sie der Wohlthaten einer christlich republikanischen -Gesellschaft und ihrer Schulen theilhaftig machen, -und, wenn sie eine gewisse moralische und intellektuelle -Reife erlangt haben, ihnen behülflich zu der -Uebersiedelung nach jenen Küsten sein, wo sie den in - <span class="pagenum"><a id="Page_308">[S. 308]</a></span> -Amerika angefangenen Unterricht praktisch anwenden -können.</p> - -<p>Es gibt im Norden einen verhältnißmäßig kleinen -Verein von Männern, welche dies bereits gethan haben, -und in Folge dessen hat unser Land bereits Beispiele -von Männern aufzuweisen, die früher Sklaven gewesen -sind, und sich schnell Vermögen, Ruf und Bildung erworben -haben. Talente sind entwickelt worden, die unter -Berücksichtigung der Umstände, Bewundrung verdienen; -und in Zügen von Rechtlichkeit, Herzensgüte, Zartheit -der Empfindungen, — heroischer Aufopferung und -Selbstverläugnung; um Brüder und Angehörige, die noch -in der Sklaverei waren, zu befreien, — haben sich -diese Menschen in einem Grade ausgezeichnet, der unter -Berücksichtigung des Einflusses, unter dem sie geboren -wurden, Staunen erregen muß.</p> - -<p>Die Verfasserin hat viele Jahre lang an der Gränze -der Sklavenstaaten gelebt, und vielfach Gelegenheit gehabt, -solche Personen zu beobachten, die früher Sklaven -gewesen waren. Sie sind Dienstboten in ihrer Familie -gewesen, und haben, in Ermangelung einer andern -Schule, häufig denselben Unterricht mit ihren Kindern -genossen. Mit ihren Erfahrungen stimmen die Ansichten -der in Canada unter den flüchtigen Sklaven lebenden -Missionäre vollkommen überein, so daß die daraus zu -ziehenden Folgerungen über die Bildungsfähigkeit des -Geschlechts in hohem Grade ermuthigend sind.</p> - -<p>Das erste Verlangen des emancipirten Negers steht -in der Regel nach Unterricht. Es gibt nichts, was sie -nicht willig geben würden, um ihre Kinder unterrichtet -zu sehen; und so weit die Beobachtung der Verfasserin -selbst geht, und das Zeugniß der Lehrer reicht, welche -sie unterrichtet haben, besitzen sie eine ungewöhnliche -Fassungsgabe. Die Ergebnisse der in Cincinnati für -sie von wohlthätigen Individuen gegründeten Schulen -bestätigen dies vollkommen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_309">[S. 309]</a></span></p> - -<p>Die Verfasserin läßt hier die nachstehenden Angaben -rücksichtlich der jetzt in Cincinnati lebenden, emancipirten -Sklaven folgen, und stützt sich dabei auf die -Autorität des Professors C. E. Stowe, am Lane Seminar -zu Ohio, um zu zeigen, was die diesem Geschlechte -angehörigen Individuen, selbst ohne besonderen Beistand, -zu leisten vermögen. Es sind hier nur die Anfangsbuchstaben -der Namen gegeben, und sämmtliche hier angedeutete -Personen wohnen in Cincinnati.</p> - -<blockquote> -<p>»B—. Tischler; zwanzig Jahre in der Stadt; besitzt -an Vermögen zehn tausend Dollar, die er selbst -erworben hat, und gehört der Baptisten Gemeinde an.</p> - -<p>C—. Ganz schwarz; gestohlen in Afrika und in -New-Orleans verkauft; ist seit fünfzehn Jahren frei; -bezahlte selbst sechshundert Dollar für sich; ist Farmer, -und besitzt mehrere Farmgrundstücke in Indiana; gehört -der presbyterianischen Kirche an, und hat ein selbst -erworbenes Vermögen von fünfzehn bis zwanzig tausend -Dollar.</p> - -<p>K—. Ganz schwarz; ist vierzig Jahre alt, Gütermäkler, -seit sechs Jahren frei, und besitzt ungefähr -dreißig tausend Dollar. Er bezahlte achtzehn hundert -Dollar für seine Familie, ist Mitglied der Baptisten-Gemeinde, -und empfing von seinem Herrn ein Legat, -welches er in Acht genommen und vermehrt hat.</p> - -<p>G—. Ganz schwarz, Kohlenhändler, dreißig Jahr -alt; besitzt achtzehn tausend Dollar; bezahlte zweimal -für sich, da er einmal um sechszehnhundert Dollar betrogen -wurde; verdiente sein ganzes Vermögen durch -eigne Anstrengungen, — und einen großen Theil davon -während er Sklave war, indem er seine Zeit seinem -Herrn abdung, und für sich selbst Geschäfte machte; ist -ein hübscher Mensch von anständigem Aeußern.</p> - -<p>W—. Drei Viertel schwarz; Barbier und Aufwärter, -aus Kentucky; neunzehn Jahre frei; bezahlte -für sich selbst und seine Familie drei tausend Dollar; - <span class="pagenum"><a id="Page_310">[S. 310]</a></span> -besitzt zwanzig tausend Dollar, die er selbst erworben -hat: ist Diakon der Baptistenkirche.</p> - -<p>G. D—. Drei Viertel schwarz; Weißwäscher, von -Kentucky gebürtig; neun Jahre frei; bezahlte fünfzehn -hundert Dollar für sich und seine Familie; ist kürzlich -sechszig Jahre alt gestorben, und besaß ein Vermögen -von sechs tausend Dollar.«</p> -</blockquote> - -<p>Professor Stowe sagt: »Mit allen diesen, G— -allein ausgenommen, bin ich viele Jahre persönlich bekannt -gewesen, und gründe deßhalb meine Angaben auf -eigne Wahrnehmung.«</p> - -<p>Die Verfasserin erinnert sich deutlich einer alten, -farbigen Frau, die als Waschfrau in der Familie ihres -Vaters fungirte. Die Tochter dieser Frau heirathete -einen Sklaven. Sie war eine außerordentlich thätige -und geschickte junge Frau, welche durch ihren Fleiß, -ihre Anstrengungen und die ausdauerndste Selbstverleugnung -neun hundert Dollar sammelte, und an den Herrn -ihres Mannes bezahlte. Es fehlten noch hundert Dollar -am Preise, als er starb. Sie erhielt nie den geringsten -Theil ihres Geldes zurück.</p> - -<p>Es sind dies nur einzelne Thatsachen, einer großen -Anzahl ähnlicher entnommen, die als Belege angeführt -werden könnten, um zu zeigen, welche Selbstverleugnung, -Energie, Geduld und Rechtlichkeit der frühere Sklave -im Zustande der Freiheit besitzt. Und dabei vergesse -man nicht, daß es diesen Individuen gelungen ist, sich -verhältnißmäßigen Reichthum und eine gesellschaftliche -Stellung zu erobern, während sie gegen Nachtheile und -Entmuthigungen jeder Art zu kämpfen hatten. Nach den -Gesetzen des Ohio Staates kann der Farbige nicht -Wähler sein, und noch bis vor wenigen Jahren war -ihm sogar versagt, Zeugniß in Prozessen gegen einen -Weißen abzulegen. Auch beschränken sich diese Beispiele -keineswegs auf den Staat Ohio allein; denn wir sehen -jetzt in allen Staaten der Union Männer, welche, nachdem - <span class="pagenum"><a id="Page_311">[S. 311]</a></span> -sie kaum die Fesseln der Sklaverei abgeschüttelt haben, -durch eigene Kraft, die nicht genug bewundert -werden kann, zu geachteten Stellungen in der Gesellschaft -emporgestiegen sind. Pennington unter den Geistlichen, -Douglas und Ward unter den Autoren sind wohl -bekannte Beispiele.</p> - -<p>Wenn dieses verfolgte Geschlecht, unter Nachtheilen -und Entmuthigungen jeder Art, so viel erreicht hat, wie -viel würde es dann vermögen, wenn die christliche -Kirche im Geiste ihres Stifters gegen dasselbe handeln -wollte!</p> - -<p>Wir leben jetzt in einer Zeit, wo die Nationen -zittern und in Krämpfen liegen. Andre Theile der Erde -werden von einem gewaltigen Einflusse gehoben und -erschüttert. Und ist Amerika sicher? Jede Nation, die -große und ungesühnte Ungerechtigkeiten in ihrem Busen -trägt, hat auch die Elemente zu diesen inneren Krämpfen -in sich. Weßhalb erweckt jener mächtige Einfluß in allen -Nationen und Sprachen die Seufzer nach Freiheit -und Gleichheit, die nicht laut werden dürfen?</p> - -<p>O Kirche Christi, lies die Zeichen der Zeit! Ist -nicht jene Gewalt sein Geist, dessen Reich noch kommen -soll, und dessen Wille geschehen muß auf Erden -wie im Himmel?</p> - -<p>Aber wer mag den Tag seines Erscheinens erwarten? -»Denn dieser Tag wird brennen wie ein Ofen: -und Er wird erscheinen als ein schneller Zeuge gegen -Diejenigen, welche den Diener in seinem Solde verkürzen, -Wittwen und Waisen bedrücken, und <em class="gesperrt">den Fremden -in seinen Rechten auf die Seite setzen -wollen</em>: und er wird den Unterdrücker in Stücke zerbrechen.«</p> - -<p>Sind dies nicht schreckliche Worte für eine Nation, -die eine so furchtbare Ungerechtigkeit in ihrem Busen -trägt? Christen! könnt Ihr, so oft Ihr betet, daß das -Reich Christi kommen möge, vergessen, daß die Prophezeiung - <span class="pagenum"><a id="Page_312">[S. 312]</a></span> -in schrecklicher Verbindung mit dem Tage der -Erlösung den Tag der Wiedervergeltung verheißt?</p> - -<p class="pmb3">Noch ist uns ein Tag der Gnade geboten. Der -Norden sowohl wie der Süden ist schuldig vor Gott, -und die christliche Kirche hat eine schwere Rechnung abzulegen. -Nicht dadurch, daß sich Alles verbindet, um -Ungerechtigkeit und Grausamkeit zu beschützen, und ein -gemeinschaftliches Kapital der Sünde anzulegen, — kann -die Union gerettet werden, — sondern nur durch Reue, -Gerechtigkeit und Gnade; denn nicht gewisser ist das -ewige Gesetz, daß der Mühlstein im Oceane versinken -muß, als das noch stärkere, daß Ungerechtigkeit und -Grausamkeit den Zorn des Allmächtigen über die Nationen -bringen werden.</p> -<p class="pmb3" /> - -<p class="center"> -<em class="gesperrt">Ende</em><br /> -</p> -<p class="pmb3" /> - -<p class="break" /> -<hr class="chap" /> - -<p class="break pmb3" /> - -<div class="transnote"> -Anmerkungen des Bearbeiters<br /> -<br /> -- Nicht einheitliche Schreibweisen wurden wie im Original beibehalten.<br /> -- Alte, heute nicht mehr verwendete Schreibweisen des Originals wurden -beibehalten.<br /> - -</div> - -<p class="pmb3" /> - - -<div lang='en' xml:lang='en'> -<div style='display:block; margin-top:4em'>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>ONKEL TOM'S HÜTTE</span> ***</div> -<div style='text-align:left'> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Updated editions will replace the previous one—the old editions will -be renamed. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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Information about the Mission of Project Gutenberg™ -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s -goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg™ and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state’s laws. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, -Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up -to date contact information can be found at the Foundation’s website -and official page at www.gutenberg.org/contact -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread -public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine-readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state -visit <a href="https://www.gutenberg.org/donate/">www.gutenberg.org/donate</a>. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Please check the Project Gutenberg web pages for current donation -methods and addresses. 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